Hallo Maria,
ich habe noch ein wenig nachgeschlagen, weil mir die Bezüge zur Odyssee im "Aeolus"-Kapitel auch nicht klar waren (mit Ausnahme der Zeitungsburschen, die frech hereinstürmen und den Durchzug verursachen *g*):
Genau wie Odysseus denkt, er käme endlich nach Hause, denkt Bloom, die Annonce, die er für die Zeitung an Land ziehen will, habe er schon so gut wie in der Tasche. Und dann tun sich aber doch Schwierigkeiten auf, der Chefredakteur ist keine Hilfe, will auch keine sein, benimmt sich arrogant und abweisend, so wie Aeolus Odysseus gegenüber.
Von allein wäre ich da nicht drauf gekommen. :rollen:
Gruß, Fevvers
März 2003: James Joyce - Ulysses
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fevvers: so weit bin ich noch nicht, daher keine ahnung. könnte sich das nicht auch einfach darauf beziehen, dass mulligan sich auch als poet sieht? aber wie gesagt, ich kenne den zusammenhang nicht.
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Hallo !
Erstmal danke für eure Gedanken zum Aeolus-Kapitel: mir fiel noch die Presse ein, die viel Wind um Nichts macht, Menschen bzw. deren Gedanken zu einem bestimmten "Ort" treibt und wenn man genau nachschaut, ist alles heiße Luft :breitgrins:
Die unterschiedlichen Schreibstile passen ja auch zum Thema - die z.T. satirischen Üebrschriften sowieso. Etwas Schwierigkeiten habe ich bei den Personen, die für mich etwas nebulös und so gar nicht zu fassen sind.
fevvers schrieb:
Zitat
Ich unterstelle Joyce, dass er nicht viel von der Literaturwissenschaft hielt und sich über Anglistengeschwätz lustig machen wollteKönnte es sein, dass es zu jedem Kapitel auch eine Wissenschaft gibt, so wie die Farben, die Organe usw. ? Pharmazie beim Lotus-Kapitel, äh leider fällt mir zu den anderen Kapiteln gerade nichts ein :redface: , ich glaube mein Gehirn trocknet aus ...
Gruß von Steffi
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Zitat von "Steffi"
Könnte es sein, dass es zu jedem Kapitel auch eine Wissenschaft gibt, so wie die Farben, die Organe usw. ? Pharmazie beim Lotus-Kapitel, äh leider fällt mir zu den anderen Kapiteln gerade nichts ein, ich glaube mein Gehirn trocknet aus ...
Hallo Steffi,
mach Dir keine Sorgen, Dein Gehirn arbeitet vorzüglich. :zwinker: In der Tat gehört zu jedem Kapitel auch eine Wissenschaft oder eine Kunst. Sie ist auch in den Schemata verzeichnet. Manchmal ist es recht offensichtlich, dann wieder nicht. Bei den "Laistrygonen" wundere ich mich über die "Architektur". Bloom wandert durch die Stadt auf der Suche nach einem Pub, in dem er essen kann, und dabei werden auch hin und wieder ein paar Gebäude erwähnt. Aber sonst? Ich wundere mich ferner, warum von VIII bis XII die Farben fehlen.I: Theologie
II: Geschichte
III:Philologie
IV: Wirtschaftwissenschaft
V: Botanik u. Chemie
VI: Religion
VII: Rhetorik
VIII: Architektur
IX: Literatur (natürlich!)
X: Mechanik
XI: Musik
XII: Politik
XIII: Malerei
XIV: Medizin
XV: Magie
XVI: Navigation
XVII: Wissenschaft (offenbar allgemein)
XVIII: -Die vielen verschiedenen Personen, die auftauchen, machen mich auch ganz konfus. Im "Irrfelsen"-Kapitel wird es ganz wild. In vielen Fällen handelt es sich um Figuren, die bereits in den Geschichten aus Joyces "Dubliner" vorkommen. Genauso, wie man das meiste über Stephens Vergangenheit schon aus "Ein Porträt des Künstlers als junger Mann" erfahren kann. Ich habe gestern noch etwas darüber gelesen: Stephen sollte, so wohl der Wunsch der Familie, Priester werden. (Deshalb Mulligans ständige Anspielungen auf die kath. Messe oder den Jesuitenorden etc.) Er aber nicht, und so ist er zum Medizinstudium nach Paris aufgebrochen, was eigentlich nur ein Vorwand war, um als Künstler/Schriftsteller tätig werden zu können.
Gruß, Fevvers -
Hallo zusammen
Das Äolus-Kapitel hab´ ich nun hinter mir. War schon etwas merkwürdig zu lesen.
Bei Hugh Kenner habe ich folgendes gefunden:"Romanfiguren müssen oft Informationen zutage fördern, die sie selber hätten ruhen lassen, oder Bemerkungen machen, die sie nicht geäußert hätten, nur um den Leser irgendeine Tatsache bekannt zu machen. Nach Joyces Regel ist das nicht zulässig. Es verfälscht die Figuren. Von sorgfältig zu erwägenden Ausnahmen abgesehen, sollte dem Leser nichts mitgeteilt werden, auf das keiner der Anwesenden einen Gedanken verschwenden würde.
Beschreibende Einzelheiten umreißen also keinen neutralen Hintergrund, sondern machen uns vielmehr aufmerksam auf etwas, das ein Anwesender tat, beobachtete oder für wichtig hielt."Joyce denkt also gar nicht daran, seinen Figuren irgedwelche Gedanken einzuhauchen, die nur dazu bestimmt sind, den Leser zu informieren, was ja in "normalen" Romanen eigentlich eine übliche vorgehensweise ist, oder?
Rainer
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Hallo zusammen !
Danke, fevvers - hätte ich ja eigentlich auch nachschauen können :rollen:
Rainer: Das ist ja sehr interessant - der Leser als vernunftbegabtes und intelligentes Wesen !!!
Komisch, aber an das dauernde Analysieren habe ich mich schon sehr gewöhnt - ich ertappe mich auch außerhalb des Ulysses dabei, die nicht an der Oberfläche liegenden Dinge zu suchen. Macht ziemlich Spaß und ich komme mir wirklich genial vor :breitgrins: (manchmal)
Ich bin nun mitten im Lestrygonen-Kapitel, die Mischung Essen und Erotik finde ich sehr spannend und wieder schön entspannend zu lesen.
Gruß von
Steffi -
Hallo zusammen
Das Lestrygonen-Kapitel hat mir bis jetzt auch am Besten gefallen. Die Stadt Dublin als Verdauungstrackt. Ein ewiges Verschlingen und Ausscheiden. Geburt und Tod.
Das Aeolus-Kapitel hat mich etwas ratlos und verwirrt zurückgelassen. Viele Personen treten auf, sehr geschwätzig, oft versteht man nicht gleich worum es eigentlich geht, alles sehr hektisch. Aber so sind Zeitungen manchmal. (Wenn ich manchmal das Wochenmagazin mit den vielen "Fakten" lese, geht´s mir auch immer so :grmpf: )
Ich habe gerade das Scylla-und-Charybdis-Kapitel begonnen und das scheint ein richtig harter Brocken zu werden.
Schon nach ein paar Seiten, bei der Unterhaltung über Hamlet, bin ich über diesen Satz gestolpert:
"Der bluttriefende Schlachthof im fünften Akt ist eine Vorwegnahme des Konzentrationslagers, besungen von Mr. Swinburne."
Damit kann ja wohl kaum das Konzentrationslager des dritten Reiches gemeint sein. Ulysses erschien 1922 und spielt 1904. Von Hamlet ganz zu Schweigen. Aber was ist dann damit gemeint?Viele Grüße
ikarus -
Hallo zusammen
Das Skylla-und-Charybdis-Kapitel war ein noch härterer Brocken als ich befürchtet hatte. Ich kam mir auch vor wie vom Strudel der Charybdis durcheinandergewirbelt um dann am Felsen der Scylla zu zerschellen. [Blockierte Grafik: http://www.handykult.de/plaudersmilies.de/sad/confused5.gif]Sehr anstrengend und schwierig. Mit diesem Kapitel konnte ich gar nichts anfangen. Vielleicht hätte es geholfen, wenn ich mich besser im Leben und Werk Shakespeares auskennen würde, aber wahrscheinlich auch nicht viel.
Burgess schreibt dazu:
"Nach einem solchen Kapitel wird es eine Befreiung sein, einmal mehr dem einfachen Leben der Stadt zu begegnen, sich in Handlungen verstricken zu lassen, wie trivial sie auch immer sein mögen, und mit der zu erzählenden Geschichte voranzukommen."
Im Vertrauen darauf werde ich mich nun den "schwimmenden Felsen" widmen :smile:Viele Grüße
ikarus -
Hallo zusammen
Zitat von "Ikarus""Der bluttriefende Schlachthof im fünften Akt ist eine Vorwegnahme des Konzentrationslagers, besungen von Mr. Swinburne."
Damit kann ja wohl kaum das Konzentrationslager des dritten Reiches gemeint sein. Ulysses erschien 1922 und spielt 1904. Von Hamlet ganz zu Schweigen. Aber was ist dann damit gemeint?Es gab ein Konzentrationlager in Curragh:
Auszugsweise aus diesem Artikel findet man folgende Aussage:
Die Irische Republikanische Armee, die nach der Bombenkampanie in England während der Kriegszeit von der britischen, und vor allem von der irischen Regierungen auf die Knien gezwungen wurde (vor allem mit dem Konzentrationslager in Curragh für die Mitglieder), konnte von Eire aus nichts bemerkenswertes mehr leisten.Wann wurde IRA gegründet?
Mr. Swinburne könnte Algernon Charles Swinburne sein, der sich auch mit Shakespeare befaßte wie es aus dieser Webside hervorgeht.
Aufgrund eurer Warnung vor dem Kapitel "Scylla und Charybdis" habe ich schon mal vorweg die "Analyse" (Link findet sich in der Chronik des gemeinsamen Lesens) gelesen.
Ich melde mich aber nochmals wegen "Lestrygonians", ich habe meine Notizen gerade nicht parat. Vorweg - sehr blutig (Blut des Lammes usw.) und erinnert sehr an die Blutopfer in der Odyssee. Es war schon gut, daß ich Homer vorweg gelesen habe
zuanfangs sieht Bloom Stephens' Schwester (Namen vergessen - Cilly?), unterernährt und Bloom regt sich über den katholischen Glauben der christlichen Fortpflanzung auf, aber kaum was zu essen im Haus.
Eine Nonne soll doch den Stacheldraht erfunden haben ca. S. 210
Was meint J.J. damit? Manchmal sind es so Kleinigkeiten die mir keine Ruhe lassen
Später mehr.
LG Maria
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Hallo
nochmals zu "Lestrygonians".
Das Kapitel geht gleich nach den ersten Abschnitten in die Gedankenwelt Blooms über seine Ehe mit Molly. Er holte ihr Malaga-Trauben, bevor Rudy geboren... Er begegnet Mrs. Breen, die sich nicht so gut gehalten hat wie Molly... und so geht es weiter, er wandert durch die Straßen und vieles erinnert ihn an glückliche Zeiten, wie Molly ihr Korsett lockert oder z.B. kommt er dann an einem Haus vorbei, wo Molly und er wohnten, da waren sie auch noch glücklich,
Aber damals war ich glücklicher. Oder war das Ich? Oder bin Ich jetzt Ich? Achtundzwandzig war ich. Sie dreiundzwanzig, wie wir aus der Lombard Street West zogen, hatte sich schon was geändert. Hatte nie mehr richtig Spaß dran, nach Rudy.dann betritt er die 2. Kneipe, die ihm sauberer und kultivierter erschien und dort fällt der Name seines Rivalen Blaze Boylan und Bloom bleibt fast der Bissen im Hals stecken, als er von dort weiter geht, kommt er zur Bibliothek und sieht: Strohhut im Sonnenschein. Lohfarbene Schuhe. Umgeschlagene Hosen. Das ist doch. Das ist doch.
Sah er Blaze Boylan?
Es hat ihn jedenfalls sehr verwirrt.Zitat von "Ikarus"Das Lestrygonen-Kapitel hat mir bis jetzt auch am Besten gefallen. Die Stadt Dublin als Verdauungstrackt. Ein ewiges Verschlingen und Ausscheiden. Geburt und Tod.
Ein sehr passender Gedanke.Konserven! Ist euch aufgefallen, wie oft Bloom über Konserven nachdenkt?
Ich sah dieses Kapitel aus der Sicht seiner Ehe, parallel zu seinem Gang durch die Straßen. Die Einsamkeit konnte man fühlen. Ging es euch auch so?
Ansonsten noch zwei Auszüge bzw. Gedanken zu Bloom:
-wenn jemand Alpträume hat, wie Mr. Bleen, muß es lt. Bloom an der Verdauung liegen, da hat er medizinisch gesehen, garnicht so unrecht, wie ich mal gelesen habe. Ein gut funktionierter Darm hält den Körper gesund. Vielleicht ist Blooms ganzes Leben so eine Art Verdauung.
-Nahrung und Kreativität:
Sollte mich gar nicht wundern, wenn es die Art der Nahrung machte, ah ja, wenn die die gleichen Gehirnwellen erzeugte, das Poetische. Zum Beispiel, einer von diesen Polizisten, die Irish Stew in ihre Hemden schwitzen: aus so einem könnte man doch keinen einzige Zeile Poesie herausquetschen. Der weiß doch nichtmal, was Poesie ist.Wie fandet ihr die 1. Kneipe?
Bei mir auf S. 231
Da bekam Bloom das Gruseln, von den Essmanieren und flüchteteLeichtes Hochwürgen, voll, Wiederkäuen. Vorher und nachher.
Einige Wortspiele gefielen mir sehr:
z.B.
Darf ich Sie vielleicht noch ein ganz klein wenig Seezungenfilet verlocken, Miss Dusedat? Ach ja, dun Se dat. Und dann dat se dat.Fevvers: nicht nur den Trauerzug, wie bereits erwähnt, wäre interessant nachzuvollziehen, sondern auch Mr. Blooms Gang durch die Straßen
Danke auch, für die wissenschaftliche Aufteilung der Kapitel.Zitat von "Rainer"Beschreibende Einzelheiten umreißen also keinen neutralen Hintergrund, sondern machen uns vielmehr aufmerksam auf etwas, das ein Anwesender tat, beobachtete oder für wichtig hielt."
Dazu paßt hervorragend J.J. Erzähl-Stil, kurz, abgehackt, sprunghaft, aber wenn man sich daran gewöhnt hat, dann ist es auch sehr spannend.
Obwohl ich glaube, daß wir Stephen nie mehr so nah kommen wie im Kapitel "Scylla und Charybdis". Für mich ein ganz herausragendes Kapitel, obwohl ich jetzt auch nicht der Shakespeare-Kenner bin. Aber dazu muß ich erstmal meine Gedanken ordnen, "S... und Ch..." habe ich gerade erst gelesen.
Viele Grüße
Maria -
Hallo JMaria
Danke für Deine Recherche und die Links.
Die IRA wurde erst 1919 gegründet. Kommt also auch nicht in Frage. Zur Geschichte der Konzentrationslager habe ich aber jetzt folgendes gefunden:
Konzentrationslager
Konzentrationslager gibt es seit dem Ende des 19. Jahrhunderts; immer dienten sie dazu, politische Gegner zu unterdrücken. Die Bezeichnung geht auf das spanische reconcentrados 'Zurückgehaltene' zurück, womit die Revolutionäre gemeint waren, die im kubanischen Unabhängigkeitskrieg von der Kolonialmacht inhaftiert wurden. Das deutsche Wort Konzentrationslager ist eine Lehnübersetzung des englischen concentration camp. In solchen Camps hielt die britische Kolonialmacht während des Burenkriegs die Zivilbevölkerung gewaltsam fest
Bereits die berüchtigten britischen „concentration camps” während des Burenkriegs 1890 bis 1902 entsprachen in ihrer Grausamkeit nicht ihrem an sich harmlosen Namen.
Ich vermute mal, daß Joyce diese Lager gemeint haben könnte.Bei Deiner Stacheldraht-Frage kann ich Dir leider nicht weiterhelfen. Aber von einer Nonne scheint er nicht erfunden worden zu sein:
http://www.wilder-westen-web.de/wk003.htm
Joyce wollte mit diesem Satz aus Blooms innerem Monolog vielleicht lediglich die selbsgewählte Ausgrenzung der Nonnen beschreiben. Oder so
Schon erstaunlich in welche Bereiche man bei der Beschäftigung mit dem Ulysses vorstößt :rollen:
ZitatEinige Wortspiele gefielen mir sehr:
z.B.
Darf ich Sie vielleicht noch ein ganz klein wenig Seezungenfilet verlocken, Miss Dusedat? Ach ja, dun Se dat. Und dann dat se dat.Das gefällt mir auch immer. Ich habe nicht nur höchste Bewunderung für Joyces Sprachkunst, sondern mindestens genau so viel für die Übersetzungsleistung Hans Wollschlägers.
Viele Grüße
ikarus -
Zitat von "ikarus"
Ich habe nicht nur höchste Bewunderung für Joyces Sprachkunst, sondern mindestens genau so viel für die Übersetzungsleistung Hans Wollschlägers.
Das geht mir ganz genau so! Ich habe inzwischen das "Sirenen"-Kapitel beendet und dort gefielen mir die deutschen Wortspiele und Lautmalereien sehr gut, auch ohne das englische Original zu kennen.
Auch sonst war es ein tolles Kapitel! Ich bin begeistert, und das nicht nur, weil die beiden Dubliner Sirenen zwei ordentliche Luder sind. (Stichwort Strumpfband und Zapfhahn! :redface:) Joyces Erzähltechnik soll dabei einer musikalischen Fuge entlehnt sein. Das ist für mich zwar nicht nachvollziehbar, da meine musikwissenschaftlichen Kenntnisse nicht ausreichen, aber es las sich - wider Erwarten - recht gut. Ich bin gespannt, wie Eure Eindrücke sind.
Ich mache vorerst eine kleine Ulysses-Pause. Ich fahre über die Feiertage weg und als Reiselektüre brauche ich etwas leichteres.
Gruß, Fevvers -
Ich wollte ja noch etwas zu den "Lestrygonians" schreiben.
Für mich war das ein ähnliches Kapitel wie "Hades", denn das Thema "Essen" (und z. T. auch "Trinken") wurde unter so vielen Aspekten behandelt: Hunger, Völlerei, Fasten, Delikatessen, Vegetarisches bis hin zur Armenspeisung. (Das angekettete Besteck, das erwähnt wird, gab es wirklich. Es handelte sich um einen Mittagstisch für Arme, das Besteck wurde an den Stehtischen befestigt.)
Ferner fand ich bemerkenswert, dass wir den Wortlaut von Blooms Kontaktanzeige erfahren haben: Geschickte Schreibkraft gesucht, die Herrn bei literarischen Arbeiten hilft. ??? Ist das eine Verschlüsselung? Oder wollte Bloom sicher gehen, unverheiratete Frauen auf diesem Weg kennen zu lernen? Wie kann es dabei zu einem eindeutig erotischen Briefwechsel kommen?Noch eine Frage zum Kapitel "Irrfelsen", bevorzugt an die Katholiken unter Euch :
Könnt Ihr mir die Sache mit dem "Fegefeuer" genauer erklären? Kommt dort jede verstorbenen Seele erst einmal hinein? (Mr. Dignams Sohn macht sich Gedanken über seinen verstorbenen Vater.)Gruß, Fevvers
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Hallo !
Fevvers: Bin zwar kein Katholik (mehr), aber im Fegefeuer schmoren alle Seelen, um ihre Sünden abzubüßen. Wenn man in der Kirche Weihwasser auf den Boden spritzt (beim Hinein- oder Hinausgehen) lindert das die Qualen der Fegefeuer-Seelen.
Sehr interessant, was ihr für Gedanken über das Lestrygonien-Kapitel habt.
Maria schrieb:
ZitatIch sah dieses Kapitel aus der Sicht seiner Ehe, parallel zu seinem Gang durch die Straßen. Die Einsamkeit konnte man fühlen. Ging es euch auch so?
Ja, das war auch für mich der Hauptgedanke des Kapitels - das Essen und dessen Spielarten habe ich eher als amüsante Nebengedanken empfunden.
Die Wortspiele sind immer sehr gut - oft sind es auch Zungenbrecher oder Auszüge aus alten Kinderreimen (Mother Goose). z.B. there was an old woman who lived in a shoe.. oder Peter Piper... http://trmg.designwest.com/TRMG5.html#116d
Ich bin nun mitten im Scylla und Charibdis-Kapitel und finde es sagenhaft - obwohl ich von Shakespeare so gut wie nichts kenne (das müssen wir unbedingt nachholen), Hamlet habe ich schon gelesen - ist ja auch eine Vater-Sohn-Geschichte.
Und so zerrissen, wie Hamlet bei Shakespeare ist, so erscheint mir auch Stephen: die intellektuellen Gedanken sind so beherrschend, dass er die Realität gar nicht mehr wahrnimmt. Auch die Anspielungen auf das Leben Shakespeares, der seine Geliebte/Frau wegen der Karriere verläßt (?) findet sich in Stephens Leben wieder - soll er seiner Karriere zuliebe alles aufgeben, ist er deshalb nicht zu seiner Mutter ans Sterbebett gekommen, wäre das eine Rechtfertigung für alle rücksichtslosen Taten eines Dichters (James Joyce?) o d e r um wieviel besser als Shakespeare wäre ein Dichter, der selbstlos handelte ?
Gruß von Steffi
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Hallo zusammen
Steffi: Danke für den Link. Köstlich zu lesen, besonders der "Swim Swan" verursacht einen Knoten in meine Zunge *gg*.
zu Kapitel Scylla and Charybdis:
vorweg hierzu der Kinderreim, weil es so schön rein paßt, Peter Piper zu deutsch:Peter Piper packte knifflige Päckchen Pfeffer, knifflige Päckchen Pfeffer packte Peter Piper.
Auch in diesem Kapitel ziehen sich zwischenmenschliche Beziehungen quer durch. Vater und Sohn, Mutter und Kind, Ehefrau und Ehemann, u.a. verpackt in Shakespeare-Stücken. Auch das religiöse, das jüdische darf nicht fehlen (Der Kaufmann von Venedig).
Der innere und äußere Dialog von Stephan fand ich interessant. Innerlich von sich überzeugt, ja sogar spöttisch, denkt er sich Namen für seine Gesprächsgegner aus, wie z.B.:
für John Eglinton:
Häßlentlein Eglinton
Der standhafte Johnauch den Namen von Mr. Best wird zweckentfremdet. Fand ich amüsant zu lesen, leider finde ich den Text nicht mehr, irgendwas mit "Bett und Best".
Äußerlich gibt er aber ein kurzes NEIN von sich, als Eglinton ihn fragt ob Stephen von seiner eigenen Aussage überzeugt ist.
Mit diesem knappen NEIN, war für mich plötzlich alles vorherige Gelesene in diesem Kapitel wie Leere Luft, unnützes Geschwätz.
Das Kapitel beginnt ja erstaunerlicherweise mit Goethes Wilhelm Meister, eine Überraschung für mich, da ich ja mit Shakespeare gerechnet hatte.
Nicht ganz begriffen habe ich das mit Hamlets Namensvetter "Hamnet".
Hier in liegt vermutlich der Schlüssel zu Stephens Shakespeare-Hamlet-Theorie.Hattet ihr das Gefühl, daß auch Buck Mulligan von Stephen enttäuscht war?
Er war doch sehr bissig. "Konntest du's nicht auf die Yeats-Tour machen?"Wißt ihr was er damit meinte?
Am Schluß faßt Mulligan das ganze auf seiner Schreibtafel zusammen, wie in einem Bühnenstück.
Ich komme zum 10. Kapitel: The Wandering Rocks
Viele Grüße
Maria -
Hallo Maria,
Zitat von "JMaria"Auch in diesem Kapitel ziehen sich zwischenmenschliche Beziehungen quer durch. Vater und Sohn, Mutter und Kind, Ehefrau und Ehemann, u.a. verpackt in Shakespeare-Stücken. Auch das religiöse, das jüdische darf nicht fehlen (Der Kaufmann von Venedig).
Ich sehe Stephen genau wie Steffi als völlig vergeistigten Menschen, aber bei seiner Shakespeare-Theorie scheint er, wie schon in vorherigen Kapiteln, völlig beherrscht vom Konflikt mit seinem Vater, sodass er sogar eine "literarische Dreifaltigkeit" (Shakespeare, Geist, Hamlet) formuliert. Eininge Anspielunge habe ich erkannt, viele nicht, aber Gifford (wie üblich) hat die Zitatquellen angegeben. Joyce hat sehr viele Shakespeare-Dramen mehr oder weniger offensichtlich in diesem Kapitel untergebracht. Z.B. den "König Lear", dort geht es um das Verhalten eines alten Vaters zu seinen drei Töchtern, von denen nur eine loyal ihm gegenüber ist, was er aber erst spät erkennt. Frauen kommen bei William oft nicht gut weg, am deutlichsten wird das in "Der Widerspenstigen Zähmung". Klassische Shakespeare-Biographen behaupten, dass die Ehe von Anne Hathaway, die zudem noch älter war als er (Skandal!), nicht gut war und sein Werk beeinflusst hat. "Der Kaufmann von Venedig" hat einige üble antisemitische Züge. Als Pfand für ein Darlehen, verlangt der jüdische Kaufmann ein Pfund Fleisch aus dem Körper eines Schuldners, sollte dieser zahlungsunfähig werden. (Hintergrund für sein böses Gebaren ist eine Liebesgeschichte mit der Tochter.) Letztlich wird der Kaufmann aber ausgetrickst (wenn er auch nur ein Gramm mehr schneidet, ist er selbst des Todes, also verzichtet er auf die Eintreibung seiner Ansprüche) und alle sind wieder froh und munter.
Zitat von "JMaria"Äußerlich gibt er aber ein kurzes NEIN von sich, als Eglinton ihn fragt ob Stephen von seiner eigenen Aussage überzeugt ist. Mit diesem knappen NEIN, war für mich plötzlich alles vorherige Gelesene in diesem Kapitel wie Leere Luft, unnützes Geschwätz.
Das war wirklich der Hammer! Ich konnt's kaum glauben. :smile:
Zitat von "JMaria"Nicht ganz begriffen habe ich das mit Hamlets Namensvetter "Hamnet".
Hamnet war Shakespeares Sohn (immer vorausgesetzt, dass es ihn wirklich gegeben hat), der im Alter von 11 Jahren starb und in Stratford begraben liegt.
Nicht begriffen habe ich den Inhalt des Telegramms, das Stephen geschickt hat. Was sollte das denn? Allerhand, hält die Verabredung nicht ein (wegen Haines Anwesenheit?), schickt aber ein Telegramm. Tssssss....
Gruß, Fevvers
PS: Bei Nimue ist der Frühling ausgebrochen.
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Hallo !
Folgendes ist mir noch eingefallen:
Im Scylla - Charibdis-Kapitel spricht Stephen ja auch ( in Andeutungen) von Shakespeares Frau, die angeblich mit dessen Bruder ein Verhältnis hatte, woraufhin nicht sicher ist, ob Hamnet wirklich der Sohn von Shakespeare war. Eine schöne Parallele zu Bloom, vielleicht will sich Stephen auch damit von seinem Vater distanzieren ?Ich habe auch nicht verstanden, warum Stephen seine Shakespeare-Theorie verneint. Sollte das alles nur eine Provokation gewesen sein ? Oder ist er zu feige, seine Meinung zu vertreten ? Oder ist er zu gleichgültig ? Oder will Joyce, dass der Leser selbst entscheiden soll ? Auf jeden Fall hinterläßt er einen ratlosen Leser - ebenso ratlos wie Odysseus nach Circes Anweisungen.
fevvers schrieb:
ZitatFrauen kommen bei William oft nicht gut weg,
... und bei Joyce bisher auch nicht !
Gruß von Steffi
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Zitat von "Steffi"
Ich habe auch nicht verstanden, warum Stephen seine Shakespeare-Theorie verneint. [...] Auf jeden Fall hinterläßt er einen ratlosen Leser - ebenso ratlos wie Odysseus nach Circes Anweisungen.
Halo Steffi,
ich bin, wie immer, völlig fasziniert von Deinen Einsichten! Hinterhältliger Kerl, dieser Joyce, aber "Ratlosigkeit" erscheint mir Stichwort und Absicht zu sein.Gruß, Fevvers
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Hallo zusammen
Ich habe gerade das Sirenen-Kapitel gelesen. Und in diesem läuft der Sprach-Artist Joyce zu wahrer Hochform auf. Ich finde es überwältigend, wie er es versteht Musik in Sprache zu verwandeln.
Joyce stellt das Sirenen-Motiv der Odysee geradezu auf den Kopf. Nicht die Sirenen singen, sondern die Gäste der Ormond-Bar versuchen mit ihrer Musik die Bardamen zu becircen, die sich jedoch gut hinter ihrem "Thekenriff" verschanzt haben.
Insgesamt erinnert mich dieses Kapitel an eine Oper. Einigen Figuren sind musikalische Motive zugeordnet. Das Tapp, Tapp dem blinden Klavierstimmer, bzw. seines Stocks, das Klingeling zu Boylan bzw. seiner Kutsche auf dem Weg zu Molly. Auch tauchen immer wieder plötzlich zusammenhanglose Sätze oder Satzfetzen auf, die auf vergangene Ereignisse verweisen. Vielleicht manchmal auch auf zukünftige, von denen wir noch nichts wissen.
Bloom läßt sich in das ganze Geschehen nicht mit hineinziehen, sondern ißt und schreibt.
Ob man den Stift mit dem Bloom den Antwortbrief an Martha schreibt als den Mastbaum an den sich Odysseus fesseln lies interpretieren kann?
Grandios wie Joyce es versteht die verschiedenen Handlungsstränge miteinander zu verzahnen. Das Schreiben des Briefes, die Fahrt Boylens zu Molly, das Musizieren der Gäste und das Näherkommen des Klavierstimmers.
Zum Schluß fängt auch noch Blooms Körper an Geräusche zu machen. Aber nachdem er es ja "Geschafft!" hat mache ich mich nun mit ihm auf zu den Zyklopen.Viele Grüße
ikarus -
Hallo zusammen
Ikarus: danke für deine weiteren Nachforschungen über den Stacheldraht, und deine Erklärung, ein plausibler Gedanke
Fevvers: deine Shakespeare Erklärungen haben mir sehr geholfen, einiges aus dem Kapitel Scylla und Charybdis zu verstehen
Zitat von "Steffi"Auch die Anspielungen auf das Leben Shakespeares, der seine Geliebte/Frau wegen der Karriere verläßt (?) findet sich in Stephens Leben wieder - soll er seiner Karriere zuliebe alles aufgeben, ist er deshalb nicht zu seiner Mutter ans Sterbebett gekommen, wäre das eine Rechtfertigung für alle rücksichtslosen Taten eines Dichters (James Joyce?) o d e r um wieviel besser als Shakespeare wäre ein Dichter, der selbstlos handelte ?
deine Gedanken hauen mich um, liebe Steffi. Aber absolut anregend darüber zu sinnieren. Gibt es überhaupt selbstlose Künstler? Sie haben ja eher den Ruf des egozentrischen :rollen:
oder mit den Worten von J.J. aus dem Kapitel: "The Wandering Rocks" über Shakespeare:
Haines: Shakespeare ist der ewige Jagdgrund für alle Köpfe, die aus der Balance geraten sind.Ich bin heute mit diesem Kapitel fertig geworden, das mir bisher am Besten gefallen hat. Für mich stand im Mittelpunkt, der fahrende Händler mit seinen Büchern. Die meisten Personen, altbekannte aus vorigen Kapiteln, oder auch neu eingeführte Personen, kamen irgendwann daran vorbei und einige kauften sogar Bücher:
-Bloom: ein erotisches Buch für Molly, mit dem verführerischen Titel: Süße der Sünde
-Don John Conmee schaut sich die heidnische Ausgaben des 8. und 9. Buches Moses an
-Dilly Dedalus hat sich Chardenals Französisches Elementarbuch gekauft. Das fand ich so bezeichnend. Den Wunsch nach Bildung in der Armut. Hartnäckig ist Dilly ja, so wie sie ihrem Vater so gut es ging das Geld aus der Tasche zog.
-Stephen Dedalus schaut sich die Bücher an und hofft vielleicht eins seiner alten Bücher zu finden, die seine Familie veräußert hat. Ein Zeichen, daß die Armut der Dadalus Familie noch weiter fortschreitet.Wie gesagt: irgendwann kamen sie alle an dem Bücherwagen vorbei.
Einige Szenen kamen mir wie Momentaufnahmen vor. So z.B. das Traktat: Elias kommt, das bereits in vorherigen Kapitel auftauchte und nun einsam durch die Straßen, unter Brücken flog. Ich sah es wie ein Bild vor mir.
auszugsweise:
Elias, Skiff, leichtes zerknülltes Flugblatt, segelte ostwärts, vorüber an Schiffsflanken und Schleppnetzfischerbooten, mitten durch einen Archipel von Korken, über die New Wapping Street hinaus, an Bensons Fähre vorüber, und vorbei an dem Dreimaster-Schooner LRosevean mit Backsteinen von Bridgwater.einige Figuren aus den vorherigen Kapitel begegnet man wieder, wie dem Blinden jungen Mann, Mrs. Bleen, natürlich die Dubliner, Haines und Buck Mulligan, Reuben - dieser Rechtsanwalt und so weiter.
Haines und Buck Mulligan sind in einem Pub und reden über Stephen Dedalus:
Zehn Jahre, sagte er, kauend und lachend. In zehn Jahren wird er mal irgendwas schreiben.
Die Irrfahrt Odysseus dauerte ja auch 10 Jahre, doch im Gegensatz zu Stephen Dadalus fand Odysseus eine Menge Arten von "Hölle", die Stephen anscheinend in den irischen Sagen nicht finden kann, aber benötigt. (ca. Seite 337)
Außerdem macht sich Buck über den einbeinigen Seemann lustig, der vorüber kommt. Buck nennt ihn den "Wandernden Aengus". Ein Bezug zu dem Kapitel?
Nicht zu vergessen, unseren Schnösel (so nenn ich ihn in Gedanken, seit ich das Kapitel gelesen habe) Blazes Boylan. Wie er sich den Korb mit Früchten von der jungen Verkäuferin füllen ließ. So aalglatt in seinen Gesten:
Blazes Boylan blickte mit größerem Wohlgefallen in ihre Bluse, den Stengel der roten Blume zwischen seinen lächelnden Zähnen.
Darf ich vielleicht mal ein Wort mit ihrem Telefon reden, Fräuleinchen? fragte er spitzbübischOja, er kommt sich ganz toll vor und ich kann Blooms Ärger verstehen, nur beim Anblick dieses Typen.
Ich frage mich, wie seine Sekretärin(?) Miss Dunne ob er Marion Bloom wirklich liebt.
Mit dieser lächerlichen Blume läuft Blazes Boylan durch die Straßen Dublins, der Leser begegnet ihm einige Male.
Einige Geschichtsdaten hat J.J. auch eingebaut. Irgendein bedeutsames Treffen von Vizekönig und Gouverneur und andere Persönlichkeiten.
Außerdem ein großes Unglück, das in New York geschah. Ein Schiff muß explodiert sein. Ich meine sogar, der Name des Schiffes wurde im Kapitel genannt, nur finde ich es nicht und ich habs mir leider nicht notiert.War J.J. kein Amerika-Freund? Eine Aussage war ja ziemlich hart: S. 322
Amerika? .... Was ist das denn auch? Der Abschaum aller Länder, einschließlich unseres eigenen. Stimmts etwas nicht? Ist doch TatsacheWenn es ruppig wird, muß ich immer schmunzeln. z.B. die Szene als Pater Cowley sich mit Ben Dollard unterhält. Pater Cowley hat einige juristische Probleme und Ben hilft ihm anscheinend:
Du kannst Barabbas von mir ausrichten, sagte Ben Dollard, er soll sich mit seinem Schrieb die Flöte wischen, verstanden? :redface:
Uff, ich glaube jetzt hör ich erstmal auf. Ich will euch auch nicht so zutexten, ihr müßt ja bereits sein. :zwinker:nur noch eins:
zu Anfangs des Kapitels begegnet Pater Conmee einer Pfandleiherin:War das nicht Mrs. M'Guinness?
Mrs. M'Guinness, stattlich, silberhaarig....Eine feine Haltung hatte sie. Wie Maria, die Königin der Schotten, irgendwiewas für ein Gegensatz zur Pfandleiherin aus "Schuld und Sühne" von Dostoijewski.
Wie hat euch das Kapitel "Wandering Rocks" gefallen. Es wurde bisher nur sehr wenig dazu geschrieben.
Zitat von "Ikarus"Das gefällt mir auch immer. Ich habe nicht nur höchste Bewunderung für Joyces Sprachkunst, sondern mindestens genau so viel für die Übersetzungsleistung Hans Wollschlägers.
du hast absolut recht! Mich hat das nach mehr Infos getrieben und bin auf folgende Infos gestoßen: Hans Wollschläger
LG Maria