Juni 2008 - Karl Gutzkow: Die Ritter vom Geiste

  • Hallihallo,


    bin inzwischen bis ins achte Kapitel (I,8) vorgestoßen ( Regina, großen Respekt vor deinem Lesetempo!) und keineswegs unzufrieden. Da ich auch geschichtlich ein wenig interessiert bin und in den sogenannten Stammtischkapiteln ( ich nehme an, ihr meint das Treffen zwischen Schlurk, dem Heidekrüger, der geheimnisvollen blauen Blouse und Dankmar) sehr viel Zeitgenössisches zum Tragen kommt, habe ich mich bisher nicht gelangweilt.
    Nun bin ich gespannt auf den "Spion". Beim Auftauchen der "blauen Blouse" dachte ich ja gleich an den in der Kindler-Inhaltangabe avisierten geheimnisvollen verschwundenen Prinzen, mal sehen, ob es an dem ist ...


    HG
    finsbury

  • bin inzwischen bis ins achte Kapitel (I,8) vorgestoßen [...] und keineswegs unzufrieden. Da ich auch geschichtlich ein wenig interessiert bin und in den sogenannten Stammtischkapiteln ( ich nehme an, ihr meint das Treffen zwischen Schlurk, dem Heidekrüger, der geheimnisvollen blauen Blouse und Dankmar) sehr viel Zeitgenössisches zum Tragen kommt, habe ich mich bisher nicht gelangweilt.


    Ach, wenn es wenigstens nicht so dozierend-leitartiklerisch vorgetragen würde ...


    Die Templer? Ja. Aus dem Titel schliesse ich mal, dass "Ritter" in irgend einem Sinne eine Rolle spielen sollten ... :winken:


    Interessant auch das Vorwort (lese die 2001-Ausgabe). Bin gespannt wie sich der Roman des Nebeneinander statt des Nacheinander gestalten wird.


    Ich vermute, Gutzkow hat es später bedauert, diesen Begriff benutzt zu haben. Die Kritik hat ihn daran ganz schön aufgehängt ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Diese Woche habe ich viel Muße zur Lektüre und die nutze ich. Ab Samstag ändert sich das leider und ich werde auch langsamer werden.


    Der erste Band, der die ersten drei Bücher enthält, ist geschafft. Bin nach wie vor ganz angetan. Gutzkow hält mich mit Familiengeheimnissen an der Leine, die gerade gelüftet werden sollen, aber da- ja, da kommt natürlich etwas dazwischen und ich bekomme nur wieder eine Anspielung, die meine Neugierde noch mehr reizt.


    Immer weiter erhöht sich die Figurenzahl und die Verzahnung der einzelnen Parteien/Familien untereinander.
    Nicht jede Figur ist gelungen, die Brüder Wildungen etwa sind doch arg artig, aber dann gibt es dazwischen immer auch die Exzentriker. Der Justizrath Schlurck hat es mir angetan, gestehe ich.
    Vom Hackert erführe ich gern mehr, so unvermutet er immer auftaucht, so schnell verschwindet er auch.

  • Gutzkow hält mich mit Familiengeheimnissen an der Leine, die gerade gelüftet werden sollen, aber da- ja, da kommt natürlich etwas dazwischen und ich bekomme nur wieder eine Anspielung, die meine Neugierde noch mehr reizt.


    So verschieden sind die Geschmäcker: Mich nervt das eher. Da macht sich Wildungen Zwo auf die Jagd nach einer Truhe und plötzlich befindet er sich als Prinz Eugen auf einem Schloss auf der Jagd nach einem Bild, das von einer sogenannten Jugendfreundin seiner angeblichen Mutter entführt wird - - - und prompt verknallt sich Wildungen II auch noch in die gleiche Zicke wie Wildungen I. Muss ich nicht wirklich haben. Und Hackert als Springteufelchen finde ich auch nicht sooooo sexy ...


    (Man merkt die Absicht und man ist verstimmt. Das gilt jedenfalls für mich ...)


    Zwischendurch gibt es schöne Szenen, zugegeben.

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  • Ich hatte heute ein wenig Zeit, darüber nachzudenken.


    Was mich wohl stört: Gutzkow kann sich nicht entscheiden, was er nun abliefern will: einen Schauerroman oder einen harten sozialkritischen Roman - Wilkie Collins oder Émile Zola. Er hat das, wenn ich mich nicht irre, später auch selber eingesehen ...

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  • Hallo,


    leider bin ich momentan mit saisonalen Arbeitsgebirgen der augenstrapazierenden Art befasst, so dass ich mich bis Mitte nächster Woche nur randständig mit den "Rittern" befassen kann.


    Zitat von "sandhofer"

    Was mich wohl stört: Gutzkow kann sich nicht entscheiden, was er nun abliefern will: einen Schauerroman oder einen harten sozialkritischen Roman - Wilkie Collins oder Émile Zola.


    Das würde ich durchaus unterschreiben. Mich stört das aber nicht besonders, bin auch kein Vertreter der "reinen Lehre" :breitgrins:.
    Auch Balzac und Hugo haben solche Kolportageelemente und viele andere Autoren ebenfalls. Nun will ich Gutzkow nicht an die Seite besonders des Erstgenannten stellen, warte aber doch gerne ab, wie sich alles entwickelt und fühle mich dabei durchaus unterhalten (wenn ich denn die Zeit dafür hätte ... :sauer:)


    Schönen Sonntag


    HG
    finsbury

  • Es gibt ja durchaus "schöne" Teile. Zum Beispiel, wie zu Beginn des dritten Buches Pauline von Harder eingeführt wird. Für so was, inklusive Personenbeschreibung und Beschreibung von Kleidungsstücken, hatte Gutzkow ein Händchen. Die Charaktere aber sind entweder schwammig oder penetrant gut.


    Mindestens wurde bis jetzt nicht mehr geleitartikelt ... :eis:

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  • Ich lese die Ausgabe aus der Reihe Haidnische Alterthümer (3 Bände plus Kommentarband). Der Kommentar ist recht umfangreich. Aber mancher Kommentar erscheint mir etwas überflüssig. Da war der Kommentator wohl zu fleißig.


    Im I.4-ten Kapitel, an dessen Ende ich heute erst angelangt bin, heißt es auf Seite 100, es seien 13,5 Meilen vom "Pelikan" bis nach Plessen, und der Wirt rechnet vor, dass Dankmar, wenn er jetzt (21:30) mit dem Einspänner losführe, morgen Abend dort ankäme.


    Frage: wie lang ist eine Meile? Im Kommentarband vermisse ich eine Eintrag hierzu :-)


    Bisher war es doch recht kurzweilig, auch wenn Dankmars Bericht über die Entdeckung des Wandschranks etwas lang ausfiel.- Ich werde im Juni mein Lesetempo nur unwesentlich erhöhen können.

  • Frage: wie lang ist eine Meile? Im Kommentarband vermisse ich eine Eintrag hierzu :-)


    Wir sind, wenn ich das richtig sehe, in Preussen - also 10'000 Schritte :breitgrins: . (7'532,48 m ...) :winken:


    Ich bin fast am Ende des dritten Buchs (und damit des ersten Bands in meiner Ausgabe). Die Ereignisse verwickeln sich mehr und mehr ...

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  • Im I.4-ten Kapitel, an dessen Ende ich heute erst angelangt bin, heißt es auf Seite 100, es seien 13,5 Meilen vom "Pelikan" bis nach Plessen, und der Wirt rechnet vor, dass Dankmar, wenn er jetzt (21:30) mit dem Einspänner losführe, morgen Abend dort ankäme.


    Ja, da bin ich auch etwas in Grübeln gekommen, war dann aber zu faul nachzuschlagen.



    Wir sind, wenn ich das richtig sehe, in Preussen - also 10'000 Schritte :breitgrins: . (7'532,48 m ...) :winken:


    Danke, sandhofer.


    Ich bin im achten Kapitel des ersten Bandes. Im sechsten und siebenten Kapitel gab es ja etwas von der hier oft beklagten Leitartikelei. Aber ich muß sagen, mir hat das gefallen. Einerseits erfährt man Interessantes über das politische System. Und andererseits gibt es da so schöne Sätze wie:
    "Wir sind ein wimmelndes Geschlecht fleischfressender Vernunftsthiere. Was wir für Moral halten, ist veredelte Gesundheitslehre; was uns Metaphysik scheint, ist nichts als die Reflexion der einen Sinnentäuschung in der andern."



    Für so was, inklusive Personenbeschreibung und Beschreibung von Kleidungsstücken, hatte Gutzkow ein Händchen.


    Oh ja, die Personen- und Kleidungseschreibungen sind wirklich gut. Es ist eine Freude, das zu lesen.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Und andererseits gibt es da so schöne Sätze wie:
    "Wir sind ein wimmelndes Geschlecht fleischfressender Vernunftsthiere. Was wir für Moral halten, ist veredelte Gesundheitslehre; was uns Metaphysik scheint, ist nichts als die Reflexion der einen Sinnentäuschung in der andern."


    Ja - Gutzkow, der Schopenhauerianer ... :breitgrins:


    Im übrigen bin ich auch formal von ihm enttäuscht. Ich sehe wenig, das für eine durchdachte Konstruktion spricht. Da wird der junge Fürst Egon eingeführt - nur um den Rest des ersten Bandes unerreichbar für die Hauptfiguren schwer krank darnierder zu liegen. Das erinnert mich doch fatal an Karl May, der in seinen Kolportagelwerken Leute auch schon mal 16-20 Jahre auf eine Insel verbannte, weil er nicht mehr wusste, was mit ihnen anfangen. Oder da erhält Wildungen II Besuch - man verabschiedet sich - Wildungen II geht spazieren - - - um sich drei Seiten später im Hause seines Besuchs wiederzufinden. Wo er dann selbstverständlich hochwichtige Dinge erfährt .... :rollen:


    Nein, zugegeben, auch V. Hugo ist, was die Führung seiner Personen angeht, trivialer als trivial. Aber seine Figuren kommen wenigstens lebensecht und konsequent herüber. Gutzkows Figuren hingegen ... Da ist die Pauline: Einmal voll jugendlichen Feuers, dann wieder die ruhige, gesetzte Matrone. Die junge Schluck: einmal anziehend kokett, dann wieder halb irre ... usw. usw. usw. ... :rollen:

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  • Im übrigen bin ich auch formal von ihm enttäuscht. Ich sehe wenig, das für eine durchdachte Konstruktion spricht.


    Vielleicht ist das das Ergebnis des Nebeneinander-Romans. :zwinker:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Vielleicht ist das das Ergebnis des Nebeneinander-Romans. :zwinker:


    Nebeneinander ist ja auch nichts. Ausser vielleicht den verschiedenen Klassen. Zeitlich ist das Ganze schön wie an einer Perlenschnur hintereinander aufgereiht ...

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  • So, gestern habe ich noch das 4. Buch fertig gelesen. Das ist das, meiner Meinung nach, bisher bei weitem beste Buch. Kein theoretisches Gelaber, die Geschichte bekommt Zug und wird spannend. Dazu eine äusserst gelungene Beschreibung des Miethauses an der Brandgasse und seiner Bewohner, auch der nächtliche Ball kommt sehr gut herüber. Selbst die Love-Story bekommt wieder etwas Drive ... :klatschen:

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  • Bin jetzt im I.10. Kapitel. Und da bin ich das erste Mal über etwas gestolpert, das mich nervt. Diese Aufzählung der Verwandtschafts- und Beziehungsverhältnisse. Das fand ich schon in der Bibel langweilig. Da schaltet mein Hirn beim Lesen auf Durchzug, und ich weiß am Ende der Seite nicht mehr, was ich gelesen habe. :sauer:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Hallo zusammen,


    habe nun endlich das erste Buch abgeschlossen und kann ein erstes Zwischenstatement geben:


    Gutzkow ist kein Dichter, kein Sprachkünstler auf leichten Flügeln:
    Er hat nicht das Talent, mit wenigen Pinselstrichen einen Charakter zu skizzieren, von dem jeder weiß, wen er vor sich hat.
    Unser Autor ist gravitätisch, Schritt für Schritt malt er jedes Detail aus und entmündigt dabei oft den Leser, der auch ohne seine Kommentare verstanden hätte, um wen es geht. Das nervt auch mich häufig und langweilt.
    Aber er kann beschreiben: Wenn auch nicht mit leichter Hand, so doch autentisch, wie mir scheint, ersteht die Zeit vor uns.
    Man muss zu den Personen Stellung beziehen, und bisher sind sie mir eigentlich alle ziemlich unsympathisch, aber man erkennt sich und seine Zeitgenossen wieder :zwinker: und das wiederum zeigt, dass der Autor durchaus über sich und seine Zeit hinausweist, wenn auch nicht durch literarisches Können!


    Melanie ist zunächst ein rechter "Kotzbrocken", dazu trägt sie ja auch den rechten Namen und auch die ganze Blase, die auf Schloss Hohenberg die zurückgelassenene Güter verzehrt, ist entsprechend beschrieben, wäre aber einem, wie oben erwähnt, auch mit weniger Worten lächerlich vorgekommen.


    HG
    finsbury

  • Bin gespannt, wie am Ende das Urteil über Gutzkow ausfallen wird.


    Gespannt, um es mit Deinem zu vergleichen, oder gespannt, um zu wissen, ob sich eine Lektüre von Gutzkow lohnt?


    Falls letzteres, kann ich Dir jetzt schon sagen: Wenn Du nicht unheimlich viel Zeit hast und eine Schwäche für die Autoren in den hinteren Rängen der Literaturgeschichte: Gutzkow lohnt sicht nicht.
    [hr]
    Ich habe gestern noch das 5. Buch begonnen. Nach dem Highlight von Buch 4 geht es nun wieder im gewohnten Trott der ersten drei Bücher dröge weiter ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Nun bin ich ungefähr in der Mitte des zweiten Bandes und damit auch mehr oder weniger in der Mitte von det Janze. Gutzkow kann zweifelsohne schreiben, und im Vergleich mit Elaboraten von heute ist er - rein sprachlich und stilistisch - immer noch ein Genuss. Aber das Ganze plätschert so vor sich hin. Einer der Wildungen-Brüder (ich vergesse immer welcher, obwohl Gutzkow so darauf beharrt, wie verschieden die beiden charakterlich seien, kann ich sie nicht auseinanderhalten ...) spürt erste Anzeichen einer Änderung im Prinzen ... Warum nur erinnern mich solche plumpen Erzählmittel bloss immer an Karl May? :|

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus