Um 40% gekürzt


  • Ich wundere mich nur, dass jedes Mal, wenn diese Geschäftsidee wieder hochkommt, gleich Umfragen gestartet werden (DLF) und schlaue Kommentare verfasst werden. Es erscheinen jeden Tag so viele schlechter Bücher. Und sie werden gekauft und gelesen. Da sind mir gekürzte Klassiker lieber.


    Es wundert mich schon lang nicht mehr, dass über jeden Wuzzel Umfragen verfasst werden. Und schlaue Kommentare gestartet. Oder umgekehrt.
    Das ist ja völlig themenunanbhängig.


    Im übrigen hat scheichsbeutel^ völlig recht, wenn er schreibt:
    "Es ist keineswegs notwendig, das gelesen zu haben. "


    Ich formulier das nur anders. Nämlich:
    Es ist keineswegs notwendig, gelesen zu haben. Bzw. überhaupt zu lesen.
    Wer braucht das schon ..........


    Leider isses so, und trotzdem bin ich so idealistisch zu sagen:
    besser keine Klassiker als die gekürzte Ware.


    Gibt es eigentlich den Emil Vollmer Verlag Wiesbaden noch?
    Ich lernte damals einige Klassiker gekürzt kennen aus dem Regal meines Vaters, später aus der Stadtbibliothek -
    die Titel scheinen alle gekürzt gewesen zu sein.
    So jugendbeflügelnde Titel wie "Die Henker von Paris", "Ivanhoe", "Huckleberry Finn" ...

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Es erscheinen jeden Tag so viele schlechter Bücher. Und sie werden gekauft und gelesen. Da sind mir gekürzte Klassiker lieber.


    Die Frage wäre dann: Wie gut sind gekürzte Klassiker noch?


    [hr]


    Zitat von "Gustave Flaubert am 22. November 1852 in einem Brief an Louise Colet"

    Le bourgeois (c'est-à-dire l'humanité entière maintenant, y compris le peuple) se conduit envers les classiques comme envers la religion : il sait qu'ils sont, serait fâché qu'ils ne fussent pas, comprend qu'ils ont une certaine utilité très éloignée, mais il n'en use nullement et ça l'embête beaucoup, voilà.


    In meiner Rohübersetzung:
    Der Bürger (und das umfasst heute die ganze Menschheit, inkl. das sog. einfache Volk) benimmt sich den Klassikern gegenüber wie der Religion gegenüber: Er weiss, dass es sie gibt, wäre sehr böse, wenn es sie nicht gäbe, begreift, dass sie von einer gewissen, sehr entfernten Nützlichkeit sind; aber er benutzt sie keineswegs und sie stören ihn im Grunde genommen ziemlich.
    :smile:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Welche "Gefahr" geht von solchen Büchern aus?


    Gefahr wohl keine. Aber wer gekürzte Klassiker liest, sollte statt eines Fünf-Gänge-Menus ein farb- und geschmackloses Gemisch aus Kohlehydraten, Eiweißen, Fetten und Mineralstoffen zu sich nehmen. Das reicht auch zur Ernährung. :breitgrins:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)


  • So jugendbeflügelnde Titel wie "Die Henker von Paris", "Ivanhoe", "Huckleberry Finn" ...


    Für gekürzte Kinder- bzw. Jugendausgaben habe ich schon Verständnis. Auf diesem Weg kann man den Kleinen kulturell wichtige Geschichten nahe bringen. Ich habe mich jedenfalls zum ersten Mal mit Hilfe solcher Bücher im Grundschulalter mit Odysseus beschäftigt.


    CK

  • Wobei ich hier GLEICH betonen möchte :zwinker:


    Herman Bang kenne ich gar nicht. Von Thomas Mann habe ich den Zauberberg zu Hause und mal begonnen zu lesen. Nach 50 Seiten habe ich ihn aber aus Zeitgründen weggelegt. Ich hatte zu der Zeit nur sehr wenig Zeit zu lesen und wenn ich wieder Zeit hatte, wusste ich nicht mehr worum es ging und musste die letzten Seiten noch einmal lesen.


    Buddenbrooks habe ich auszugsweise in der Schule gelesen und es hat mir sehr gut gefallen, das werde ich mir mal ausborgen.


    Ansonsten lese ich gerne Klassiker und wenn, dann schon alles und nicht nur eine gekürzte Version.


    Bei der klassischen Musik kann ich eure Meinung zwar verstehen, aber ich habe auch einige CDs zu Hause wo ein paar Werke von dem und von dem Komponisten drauf sind. Und die höre ich immer wieder gerne, auch wenn es nicht vollständig ist.


    Katrin


  • Für gekürzte Kinder- bzw. Jugendausgaben habe ich schon Verständnis. Auf diesem Weg kann man den Kleinen kulturell wichtige Geschichten nahe bringen. Ich habe mich jedenfalls zum ersten Mal mit Hilfe solcher Bücher im Grundschulalter mit Odysseus beschäftigt.


    Halte ich auch für sehr empfehlenswert, man kann Neugierde erwecken, die Lust auf mehr. Früher (ob dem heute auch noch so ist vermag ich nicht zu beurteilen) gab es in den Donald-Taschenbüchern derartigen Themenklau. Ich glaube mich an den Ring der Nibelungen, an Othello oder Romeo und Julia zu erinnern. Und überhaupt: Bis 15 (+/-) darf man einfach alles ;-)


    Grüße


    s.


  • Für gekürzte Kinder- bzw. Jugendausgaben habe ich schon Verständnis. Auf diesem Weg kann man den Kleinen kulturell wichtige Geschichten nahe bringen. Ich habe mich jedenfalls zum ersten Mal mit Hilfe solcher Bücher im Grundschulalter mit Odysseus beschäftigt.


    Soweit ich weiß, waren das keine Jugendbuchausgaben. Dieser Verlag Vollmer.


    Und ansonsten war von denen ja auch nicht die Rede.
    Ich hab auch den "Don Quichotte", den "Simplicissimus" :breitgrins: und anderes zuerst gekürzt gelesen.


    Da hab ich aber wiederum KEIN Verständnis, wenn Werke zusammengekürzt werden, die eh schon als Jugendbücher geschrieben worden waren. "Schatzinsel" oder "Pinocchio" zusammengehauen ....

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)


  • Und überhaupt: Bis 15 (+/-) darf man einfach alles ;-)


    Klar. 15 +/- 70 :breitgrins:


    OT :
    Seltsam, woran ich mich durch so nen Thread alles erinnere.
    Dumas père kenn ich wohl bis heut nur gekürzt.
    War so eine Ausgabe aus dem Schrank von Oma. So ca. 20 Bände, rotleinen mit Gold, ohne Jahresangabe, wohl so eine Vorkriegs-Buchclubausgabe. Ich hab die auch noch mal reprinted gesehn.
    Das hab ich wohl alles gelesen, ausgenommen vielleicht die Rußland-Reise, und die beiden Fortsetzungen von den Musketieren, die waren nicht dabei.
    Dafür seltsame Sachen, "Die Mohikaner von Paris", ein Abklatsch von Sue's "Geheimnisse von Paris" ... und grausliche Geschichten aus der Französischen Revolution, von Köpfen, die nach dem Abschlagen noch redeten .......
    also, da stand es in den Vorworten drin, wenn da gekürzt wurde.


    Edit, Nachtrag: Wenn ich mich an sowas erinnere, weiß ich, warum ich der wurde, der ich bin. :breitgrins.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Dumas père kenn ich wohl bis heut nur gekürzt.
    War so eine Ausgabe aus dem Schrank von Oma. So ca. 20 Bände, rotleinen mit Gold, ohne Jahresangabe, wohl so eine Vorkriegs-Buchclubausgabe.


    Es gab mal so etwas im Gutenberg-Verlag. Wobei ich im Moment nicht weiss, ob der der Verlag mit dem gleichnamigen Buchklub identisch ist.

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  • Hallo allerseits


    Als ich in der fünften Klasse war, haben wir als erste und zweite Nacherzählform oder wie das jetzt heißt, die Inhaltsangabe und das "Précis" durchgenommen.
    Kennt noch jemand das Précis? Uns wurde damals erklärt, dass das Wort aus dem französischen stamme und "genau" bedeute.
    Bei einem Précis wird ein vorliegender Text um ziemlich genau 30% gekürzt. Wir haben uns damals Abschnitt für Abschnitt vornehmen müssen, Wörter zählen und dann den Abschnitt so umbauen (unwichtige Adjektive weglassen etc) bis zwei Drittel übrig blieben.


    Das war mir damals schon verhasst und ich habe weder während noch nach meiner Schulzeit jemals wieder davon gehört. Auch nicht bei meinen Kindern.


    Offensichtlich kommt diese Unsitte jetzt wieder vermehrt auf.


    Ich wüsste noch wie's geht ..... :eis:


    Gruß


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Bei einem Précis wird ein vorliegender Text um ziemlich genau 30% gekürzt. Wir haben uns damals Abschnitt für Abschnitt vornehmen müssen, Wörter zählen und dann den Abschnitt so umbauen (unwichtige Adjektive weglassen etc) bis zwei Drittel übrig blieben.


    Ich bezweifle, dass das so gemacht wird. Das wäre viel zu aufwendig. Man streicht vielmehr ganze Absätze und Seiten, die für die Handlung i.e.S. nicht relevant sind.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Es ist ja an und für sich nichts Neues. Ich weiss nicht, wie die Reader's Digest-Ausgaben funktionieren, aber ich habe gerade letzthin ein Taschenbuch der US-amerikanischen Signet Classics-Reihe übers Internet gekauft, und amazon und seinen ungenauen Produktebeschreibungen sei Dank erst beim Erhalt des Buches gemerkt, dass es gekürzt war. (Was ich von Signet, immerhin eine Pinguin-Tochter, nicht erwartet hatte.)
    [hr]
    Es handelt sich übrigens um Samuel Richardsons Briefroman Clarissa. Da fehlen ganze Briefe, aber in Folgebriefen findet man wieder Anspielungen auf Bemerkungen, die ganz offensichtlich gestrichten worden sind ... :grmpf: Nicht nur gekürtz, sondern auch noch stümperhaft gekürzt. Aber die Herausgeberin hat akademischen Abschluss und Lehrstuhl ... :grmpf:

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  • Ich bezweifle, dass das so gemacht wird. Das wäre viel zu aufwendig. Man streicht vielmehr ganze Absätze und Seiten, die für die Handlung i.e.S. nicht relevant sind.


    Schöne Grüße,
    Thomas


    Hallo allerseits
    Thomas: Ich weiß nicht, wie es allgemein gemacht wird. Ich weiß nur, wie wir es gelernt haben und das habe ich beschrieben. Mit einer Abweichung: der Text musste nicht um ein Drittel gekürzt werden, sondern auf ein Drittel.
    Wer es etwas genauer wissen möchte, möge hier schauen: http://arbeitsblaetter.stangl-…RAESENTATION/precis.shtml


    Gut's Nächtle allerseits


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving


  • Gerade bei den Riesenromanen des 19. Jahrhunderts ist es gar nicht so einfach zu definieren, was denn deren richtige Länge sein soll. Sie wurden häufig als Zeitungsromane geschrieben und erst danach für eine Buchlegung vom Autor nochmals überarbeitet und zusammengestrichen. Und wenn der Autor dann einmal beim Streichen war, stellte er für seinen Verleger auch noch eine Kurzfassung her, die zum Beispiel nur vier statt sechs Bände umfasste. Was ist da nun die Originallänge? Der Zeitschriftenabdruck, der produktionstechnisch bedingt Redundanzen, lose Erzählfäden usw. usf. enthält? Oder die erste Druckfassung, die meist unter hohem Zeitdruck ediert wurde? Oder die schließliche, abwägend, aber eben auch mit Blick auf die Verkäuflichkeit erstellte Kurzfassung, die eben auch autorisiert ist? Heute neigt man bei Neu-Editionen zumeist zum Nachdruck der längsten Buchfassung, aber diese Entscheidung erscheint oft willkürlich.


    Überhaupt ist das Projekt der gekürzten Klassiker ja alles andere als neu: Ludwig Tieck gibt 1828 eine gekürzte Fassung der »Insel Felsenburg« von Schnabel heraus, die er zudem auch sprachlich modernisiert hat, um sie den (vermeintlichen?) Bedürfnissen des Buchmarktes anzupassen. Die Ausgabe wird ein großer Erfolg und bis ins 20. Jahrhundert hinein als die Felsenburg-Ausgabe nachgedruckt, bis 2001 wieder auf eine der älteren Ausgaben zurückgeht.


    Ansonsten hat es solche gekürzten Klassiker-Serien immer wieder auch für den deutschen Buchmarkt gegeben, ohne dass sich diese Ausgaben je lange gehalten hätten. Ich selbst habe mitgearbeitet bei einer Serie für den Heyne-Verlag, die Anfang der 90er Jahre entstanden sein muss. Dabei war das Konzept, abwechselnd längere Original-Passagen und zusammenfassende Nacherzählungen zu liefern, so dass in die Original-Text-Passagen nicht eingegriffen wurde. Warum eine solche Ausgabe verwerflich sein soll, leuchtet mir nicht ein – sie bietet dem Leser die Möglichkeit sich rasch ein Bild vom Inhalt und Stil eines Buches zu machen und scheint mir ein sinnvolles Zwischenglied zwischen etwa Kindlers Literatur-Lexikon und der kommentierten Kritischen Ausgabe. Und wenn einer am Ende mit sowas »falsche Belesenheit« vorspiegeln will, ist das wirklich sein Problem und nicht meins. Er wird schon selbst wissen, wozu das nützlich sein soll.


    Gruß, Bonaventura

    Einmal editiert, zuletzt von bonaventura ()

  • Ich finde die Idee nicht schlecht, solch gekürzte Werke anzubieten. Aber die Kürzungen sollten sichtbar sein. Vielleicht gtut zusammengefasst werden, wovon die weggelassenen Kapitel handeln. Fatal wäre es auf allen Seiten herumzustreichen. Es geht auch nicht um eine Ausgabe für Fastfood-Bildung. Die brauchen ohnehin Zusammenfassungen mit ein paar Zitaten (also - 90 %).


    Den Mann ohne Eigenschaften hätte ich aber gerne in einer Fassung mit Kürzungen, die redaktionel beschrieben sind. Wenn ich mir nichts entgehen lassen will, brauche ich ja dann den Kürzungen nicht folgen. Den Zauberberg habe ich gerne zweimal gelesen, auch die Buddenbrooks einmal gelesen und einmal gelesen + gehört (ist gekürzt). Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, dass man den Zauberberg gut bvegreifen kann, ohne das rückblickende Kapitel mit dem Großvater und der Jugendliebe zu kennen.



    Caso