Heinrich Böll

  • Hallo zusammen,


    16. Juli 1985, vor 20 Jahren starb Heinrich Böll. Dieser Jahrestag sollte nicht unbeachtet bleiben. Von ihm kenne ich "Irisches Tagebuch", das ich für ein sehr sensibles Buch halte und immer wieder gerne lese.


    Hier ein Grußwort zum Todestag auf der Heinrich-Böll-Stiftung-Homepage:


    http://www.heinrich-boell-stiftung.de/de/08_found/3503.html


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Ich verehre Heinrich Böll sowohl als Schriftsteller, als auch als Menschen.


    In früheren Jahren habe ich sehr, sehr viel von ihm gelesen, jetzt aber leider schon lange nichts mehr. Aber der 20. Todestag ist nunmehr ein Grund, bald wieder ein Buch von ihm in die Hand zu nehmen.


    Mein allerliebster Roman von ihm ist "Ansichten eins Clowns". SEhr gut gefallen haben mir auch "Und sagte kein einziges Wort", "Haus ohne Hüter", "Der Zug war pünktlich".


    Aus Anlasse des 20. Todestag bietet auch das TV die eine oder andere gute Sendung an:
    z.B. steht der heutige Abend bei "Eins Festival" ganz im Zeichen des Meisters:
    20.15.: Die verlorene Ehre der Katharina Blum, Film aus dem Jahr 1975
    22.00: "Lauter schwierige Patienten" - Marcel Reich-Ranicki über Heinrich Böll
    22.45: "Meine Lieblingsgeschichte" - Lambert Hamel liest "Schicksal einer henkellosen Tasse" von Böll.


    Auf 3-Sat gibt es um 22.50 ein Porträt: "Heinrich Böll - ein "anderer Deutscher" (war diese Woche schon auf WDR,ist absolut empfehlenswert!!)


    Ich werde sehr bald wieder "einen Böll" lesen - vielleicht könnten sich hier einige zu einer gemeinsamen Leserunde zusammenfinden?


    Liebe Grüße!!

  • Hallo zusammen!


    Auch ich mag Heinrich Böll sehr gut leiden.


    Zwei mir teure Romane sind bisher unerwähnt geblieben:


    "Frauen vor Flusslandschaft" und "Fürsorgliche Belagerung"


    Aber auch seine diversen Reden und Aufsätze sind immer wieder eine lohnende Lektüre!


    Es grüsst
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" fand ich auch sehr überzeugend und "Billard um halbzehn" gehört zu meinen Lieblingsbüchern. Mir geht es so wie alpha, ich mag Heinrich Böll sehr gut leiden, bin aber kein unbedingter Fan. Ich mag seine Art der Moral und seine Art der geistigen Heimatverbundenheit, sowie seinen Willen zum Kampf gegen die Macht der Medien. Urlaubsgrüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo zusammen,


    auch ich schätze Bölls Romane und Erzählungen sehr, besonders die frühen bis einschließlich "Ansichten eines Clowns": Da ich meine Jugend und Studienzeit im Rheinland verlebte, freue ich mich auch am Lokalkolorit seiner Bücher.
    Neben den "ernsten" Werken mag ich besonders seine Satiren und darunter am liebsten "Dr. Murkes gesammeltes Schweigen" und "Nicht nur zur Weihnachtszeit". Letzteres ist für mich ein Klassiker wie "Dinner for one"!


    HG
    finsbury

  • Zitat von "finsbury"


    Neben den "ernsten" Werken mag ich besonders seine Satiren und darunter am liebsten "Dr. Murkes gesammeltes Schweigen" und "Nicht nur zur Weihnachtszeit". Letzteres ist für mich ein Klassiker wie "Dinner for one"!


    Hast recht: Die Satiren, insbesondere jene, die du genannt hast, sind herrlich! - Diese Seite Bölls darf natürlich nicht vergessen werden!


    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Mein Professor an der Uni hegte irgendwie eine Abneigung gegen Böll, auf alle Fälle winkte er ab, als ich nur leise andeutete, man könnte über Böll ne Arbeit schreiben. Böll sei einer der Autoren, die könne man lesen, doch dann sei auch gut, schreiben müsse man nicht auch noch drüber...Habt ihr eine Ahnung, wieso er so denken könnte?

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Cosima"

    Habt ihr eine Ahnung, wieso er so denken könnte?


    Vielleicht, weil Böll - ausgenommen seine frühen satirischen Kurzgeschichten und sein Irisches Tagebuch - ein Autor ist, der zu seiner Zeit und an seinem Ort wohl gelesen werden musste, der aber literarischen und sprachlichen Ansprüchen nicht wirklich standhält? Böll ist imho ein Autor, den Deutschland zu seinen Lebzeiten wohl benötigte und der zu seinen Lebzeiten zu Recht bekannt war; er wird aber - hoffentlich! - nicht in den Himmel der deutschen Klassiker eintreten.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Für sein einziges herrausragendes ( Wie für Alpha ist er auch für mich kein wirklich einzigartiger Klassiker ) Werk halte ich ''Dr. Murkes gesammeltes Schweigen'' , was aber wohl auch Geschmackssache sein dürfte.

  • Zitat von "sandhofer"

    Vielleicht, weil Böll - ausgenommen seine frühen satirischen Kurzgeschichten und sein Irisches Tagebuch - ein Autor ist, der zu seiner Zeit und an seinem Ort wohl gelesen werden musste, der aber literarischen und sprachlichen Ansprüchen nicht wirklich standhält? Böll ist imho ein Autor, den Deutschland zu seinen Lebzeiten wohl benötigte und der zu seinen Lebzeiten zu Recht bekannt war; er wird aber - hoffentlich! - nicht in den Himmel der deutschen Klassiker eintreten.


    Grüsse


    Sandhofer


    Hallo Sandhofer,


    was lässt für dich Böll denn so zeitgebunden erscheinen?


    Neugierige Grüße


    finsbury

  • Moin, Moin!


    Der Böll war als Typ wirklich Klasse.
    Da stimmten Gesinnung und Kasse.
    Er wär überhaupt erste Sahne,
    wären da nicht die Romane.
    (Robert Gernhardt)


    Anläßlich seines 90. Geburtstages mögen <a href="http://www.domradio.com/aktuell/artikel_36990.html">diese</a> <a href="http://www.cicero.de/97.php?ress_id=9&item=2289">beiden</a> Artikel an den Kölner erinnern. Bzw. <a href="http://news.google.de/news?hl=de&gl=de&ned=de&q=heinrich+böll">GoogleNews</a>.


  • Er wär überhaupt erste Sahne,
    wären da nicht die Romane.
    (Robert Gernhardt)


    Verstehe ich nicht: Gerade die Romane schätze ich sehr.

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • "Schnurre und Böll und solche Sachen, nicht wahr? Gut gemeint, auch nützlich, um die schlichteren Gemüter zu entnazifizieren, aber mit Literatur hat das natürlich wenig zu tun." (Karen Duve: Taxi, S. 54)


    Ich kenne weder Autorin noch Buch, aber solche Sätze könnten sie mir fast sympathisch machen. :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich kenne weder Autorin noch Buch, aber solche Sätze könnten sie mir fast sympathisch machen. :breitgrins:


    Böll-Bashing mit dieser oder ähnlicher Argumentation kennt man nun seit mindestens 25 Jahren! Es ist so wohlfeil und originell wie das Motiv der intellektuellen/akademischen Taxifahrer(in).
    Dann doch lieber gleich "Die Taxifahrerin" von Victoria Thérame aus dem Jahre 1978, das spielt wenigstens in Paris.


  • Böll-Bashing mit dieser oder ähnlicher Argumentation kennt man nun seit mindestens 25 Jahren! Es ist so wohlfeil und originell wie das Motiv der intellektuellen/akademischen Taxifahrer(in).


    Genau deshalb passt die Argumentation (Rollenprosa) auch in genanntes Buch. Es kommen darin noch einige andere ausgelutschte Motive vor. Aber genau das gibt dem Ganzen kurioserweise Lebensnähe - man stößt auch auf das ein oder andere Klischee im Alltag sowie auf die ein oder andere nicht ganz stichhaltige Argumentation.


    Edit: Danke für den Buchtipp. Klingt interessant.

  • Es ist lange her, dass wir uns hier über Heinrich Böll unterhalten haben. Einen seiner Romane habe ich jetzt wieder gelesen. Anknüpfend an obige Einschätzungen möchte ich erwähnen, dass der Roman "Ansichten eines Clowns" einige formale Schwächen aufweist, aber zeitgebunden kann man ihn nicht nennen, wenn man sich anschaut, was hier (wieder) passiert. Da kann er uns auch heute noch gut den Spiegel vorhalten.


    Bölls Roman „Ansichten eines Clowns“ erschien erstmalig 1963 bei Kiepenheuer & Witsch in Köln.


    Der Roman schildert einen halben Tag im Leben des Hans Schnier, Abkömmling einer Braunkohledynastie und von Beruf Clown mit dem Schwerpunkt gesellschaftliche und politische Pantomime.

    Der Ich-Erzähler kommt nach einer katastrophal verlaufenen Tournee nach Bonn, wo er eine Wohnung besitzt. Seine langjährige Geliebte Marie hat ihn vor einem Jahr verlassen, und seitdem sackt er immer mehr ab, betrinkt sich und kann die Standards für seine Auftritte nicht mehr einhalten. Sein Agent ist nur noch bereit, ihn wieder zu vertreten, wenn er einen Neuanfang versucht und dafür zunächst mindestens ein halbes Jahr intensiv trainiert.


    In seiner Wohnung angekommen versucht er, bei allerlei Bekannten und Familienmitgliedern an Geld und Informationen über Marie zu kommen, macht sich dabei aber auch Luft und kritisiert die Einstellungen und das Verhalten der Gesprächsteilnehmer. Dabei werden in Rückblenden seine Familienverhältnisse und seine Liebesbeziehung zu Marie geschildert.

    Hans‘ Schwester Henriette wird in den letzten Kriegstagen mehr oder weniger von seiner Mutter als Flakhelferin an die Heimatfront geschickt, um den „heiligen deutschen Boden“ zu verteidigen und kommt dabei um. Die gefühlskalte und extrem sparsame Mutter hält ihre Kinder an der kurzen Leine, ist während des Dritten Reiches leidenschaftlich nationalistisch, tritt danach aber sofort einem „Zentralkomitee der Gesellschaft zur Versöhnung rassischer Gegensätze“ (sic!) bei und reist für dieses umher. Der Vater, Braunkohlemillionär und nach dem Krieg eine Art Fernsehstar als Wirtschaftsweiser, lässt seine Frau machen und erholt sich bei einer Geliebten. Seinen Sohn Hans will er nur unterstützen, wenn dieser seine Kunst richtig studiert, was Hans aber nicht will, denn er hat seine Themen gelernt und trainiert. Sein Bruder Leo ist zum Katholizismus konvertiert und lebt in einem Konvikt.

    Schließlich gibt es noch einen großen Kreis von Bekannten aus Maries Zirkel, die ebenfalls überzeugte Katholikin ist. Ihre Beziehung zu Hans leidet von Anfang an darunter, dass sie beide „in Sünde“ leben. Zu Beginn distanziert sich Marie zwar von der Kirche und ihren Moralvorstellungen, wird dann aber immer mehr wieder in den Zirkel hineingezogen, vielleicht auch, weil zwei Fehlgeburten ihr die Vorstellung von göttlicher Bestrafung nahelegen. Schließlich zerbricht die Beziehung daran, dass Marie bei Hans nicht genügend Aufrichtigkeit hinter seinem Bekenntnis zu einer katholischen Erziehung möglicher weiterer Kinder vermutet. Sie wendet sich dem aufrichtigen, schon seit langem in sie verliebten Katholiken Heribert Züpfner zu und heiratet ihn.

    Hans jedoch findet in den Gesprächen dieses Nachmittags und Abends keinen Halt, durchschaut die Abgründe dieser nur scheinbar konsolidierten Nachkriegsgesellschaft und beschließt, auf den Stufen des Bonner Hauptbahnhofs durch Gitarre spielen und Betteln sein Lebensnotwendigstes zu verdienen und dabei auf die Rückkunft Maries aus deren Flitterwochenreise nach Rom zu warten.


    Ich habe den Roman schon einmal am Ende der Siebziger Jahre gelesen, konnte mich aber während der Lektüre an nichts erinnern. Die satirischen Elemente, die die Fassade der Nachkriegsgesellschaft zerlegen, sind leider auch heute noch aktuell, denn sowohl der nur dünne bürgerliche Anstrich über nationalen und rassistischen Vorstellungen ist auch heute noch oder leider wieder erkennbar als auch in den Skandalen der katholischen Kirche und ihrer Haltung zur Homosexualität und Stellung der Frau in der Kirche, deren Verharren auf inhumanen und undemokratischen Positionen.

    Schwierig sind einige Stellen, die denn doch auch zeigen, dass Böll ein Kind seiner Zeit war und hinsichtlich seines Frauenbildes und seiner Haltung z.B. zur Homosexualität sicherlich heute Probleme hätte, aber über welche Schriftsteller vergangener Generationen kann man das nicht sagen?

    Der Roman ist nicht unbedingt der beste Bölls, aber er hat uns auch heute noch eine Menge zu sagen. Und er ist sehr rheinisch: Wer wie ich viele Jahre dort gelebt hat, wird seinen Spaß haben an den vielen rheinischen Eigenheiten und der geschilderten Umgebung.

  • Eine kurze Bemerkung zu der Biografie von Klaus Schröter in der Reihe "Rowohlts Bildmonografien":
    Wenn man eine Bio sucht, die den Werdegang Bölls darlegt und also die Geschehnisse, Personen und Bildungserfahrungen, die ihn prägten, so wird man in dem schmalen Büchlein kaum fündig. Hier geht es eher um Kritiken seiner Werke, zum Teil auch recht polemisch.

  • Heinrich Böll: Gedichte; Klaus Staeck: Collagen, Köln 1975


    In dem 1. Querheft des Labbé & Muta-Verlages werden Bölls Gedichte, wohl überwiegend aus den Anfang Siebziger Jahren mit einer Collagen-Serie von Klaus Staeck in Verbindung gebracht, die sich auf eine Anzeige der „Welt“ vom 31.12. 1974 mit dem Titel „Der Wind hat sich gedreht“ bezieht.


    Dort hatte „Die Welt“ angebliche Überzeugungen der deutschen Bevölkerung, die einem rechtskonservativen Gesinnungsbild entsprechen, aufgelistet. Die Leitthese dazu ist „Viele Menschen in unserem Land sind der ideologischen Herausforderungen satt“. Eine Unterthese heißt dann beispielsweise „Sie wollen einen Staat mit Autorität“, was Staeck als Titel zu einem Foto mit den Hitlergruß zeigenden Richtern verwendet. Und so werden auch die anderen Unterthesen mit Fotos oder Montagen aus der Zeit des Nationalsozialismus zusammengebracht.


    Bölls Gedichte sind stark zeitgebunden und heute nur noch mit ausführlicher Recherche verständlich. Dennoch gehen sie in die gleiche Richtung wie Staecks Collagen: Sie zeigen, wie die nicht aufgearbeitete Zeit des Nationalsozialismus bis ins Privatleben auf das Zusammenleben der Menschen wirkt, wie bestimmte Medien, insbesondere des Springer-Hauses, diese Verdrängung und die Manifestation rückwärtsgewandter Werte massiv unterstützen.


    Einige Verse aus den drei Köln-Gedichten sind mir eindrücklich geblieben, weil sie die tiefe Verbundenheit Bölls mit seiner Heimatstadt und gleichzeitig seine Verzweiflung über die Stagnation bzw. sogar Rückwärtsgewandtheit der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung in den Anfang Siebziger Jahren aufzeigen. Gleichzeitig wird auch sein damit verbundenes Lebensthema des Katholizismus oft angesprochen.


    Ein Zitat aus „Köln 1“ verdeutlicht dies vielleicht:


    „Wer an Kanälen lauscht


    kann sie hören


    in Labyrinthen unter der Stadt


    über Geröll, Scherben, Gebein


    stolpert die Madonna


    hinter Venus her


    sie zu bekehren


    vergebens …“.

  • "Ansichten eines Clowns" habe ich auch Ende der Siebziger gelesen und ich erinnere mich dunkel, das ich begeistert war, vermutlich, weil das in die Zeit fiel, in der ich mich mit meiner Religion auseinander setzte. An den Inhalt erinnere ich mich überhaupt nicht mehr, auch nicht nach deiner kurzen Inhaltsangabe, ist wohl zu lange her.


    Gruß, Lauterbach