Schul-geeignete Literatur von Frauen?

  • Hallo,


    ich habe eine etwas seltsame Frage... :schmetterling:


    Und zwar habe ich das Gefühl, dass Autorinnen in unserer Schullektüre ganz schön unterrepräsentiert gewesen sind - wir haben von Frauen nur "To Kill A Mockingbird" und "The Ballad of the ad Café" gelesen, und über Frauen noch "Nora" und "Der gute Mensch von Sezuan".


    Nun frage ich euch: Kennt ihr Literatur von Frauen, die man 16-20-Jährigen zumuten könnte?


    Zur Orientierung: Wir haben im LK pro Halbjahr etwa 2-300 Seiten pro Halbjahr gelesen. Die dicksten Romane waren "Absolute Friends" von leCarré und "Stiller" von Frisch, die dünnsten "Woyzeck" von Büchner und Auszüge aus Tepls "Ackermann aus Böhmen" (Originalfassung).


    So, wie wir in der Schule erzogen wurden, könnte man meinen, von Frauen gäbe es nur "Frauenliteratur" *würg* und das stört mich irgendwie...


    Und zu guter Letzt: Hat jemand hier von Simone de Beauvoir noch etwas anderes gelesen als "Das andere Geschlecht" und kann mir sagen, ob sich ihre Stücke/Romane lohnen? Wir haben nämlich nur jede Menge Camus und Sartre gelesen. :zwinker:


    Liebe Grüße
    Nightfever

  • Hallo Nightfever,


    Zitat von "Nightfever"

    Und zwar habe ich das Gefühl, dass Autorinnen in unserer Schullektüre ganz schön unterrepräsentiert gewesen sind [...]
    Nun frage ich euch: Kennt ihr Literatur von Frauen, die man 16-20-Jährigen zumuten könnte?


    »Zumuten« klingt irgendwie so negativ. ;-) Das Hauptproblem dürfte wohl sein, die Schüler dazu anzuregen, sich mit einem bestimmten Text genauer auseinanderzusetzen, so daß sie dann daraus etwas lernen. Dafür sind natürlich auch Texte geeignet, die von Frauen geschrieben wurden, es wäre ja auch seltsam, wenn es anders wäre.


    Auf der Seite http://www.awg.musin.de/comenius/8_6_d_gedanken.html haben sich Schüler und Schülerinnen einer elften Klasse Gedanken über das Sonett »Ist Lieb ein Feur« von Sibylla Schwarz gemacht. Das besondere ist, daß sich die Schüler hier mit einem Text beschäftigen, den jemand geschrieben hat, der im gleichen Alter war wie die Schüler selbst (S. Schwarz wurde nur 17 Jahre alt). Ein paar Seiten weiter kann man sich sogar eine weitergedichtete Hiphop-Version herunterladen:

    Zitat

    Barock goes hiphop


    Als ich im Unterricht das Gedicht von Sibylla Schwarz gelesen habe, fiel mir bei den Stilmitteln eine Ähnlichkeit zum heutigen deutschen Hiphop auf. Also dichtete ich das Gedicht weiter, bloß mit der neudeutschen Hiphop-Sprache und rappte die Lyrics auf einen Instrumental.


    http://www.awg.musin.de/comenius/8_9_d_oldschool.html


    Das ist nur ein Beispiel für eine Unterrichtsseite im Netz, auf der es um Literatur geht, die von einer Frau stammt, man findet da noch etliche mehr.


    Zitat von "Nightfever"

    So, wie wir in der Schule erzogen wurden, könnte man meinen, von Frauen gäbe es nur "Frauenliteratur" *würg* und das stört mich irgendwie...


    Wenn ich nur meine Schullektüre kennen würde, dann wüßte ich nicht einmal, daß es auch spanische, russische oder japanische Literatur gibt. ;-) Im Unterricht begegnet man ohnehin nur einem winzigen Bruchteil der Gesamtliteratur, da klaffen immer große Lücken, egal, nach welchen Gesichtspunkten die Lektüre ausgewählt wird. Ich habe in meiner Schulzeit auch verhältnismäßig wenig Literatur von Frauen gelesen (z. B. im Englischunterricht den Krimi Murder must advertise von Dorothy L. Sayers), was mich aber trotzdem nicht davon abhalten konnte, später auch Bücher von Frauen zu lesen. :-)


    In den letzten zwei, drei Monaten waren das u. a.:


    - Zwei Novellen von Sophie Junghans aus ihrem 1883 erschienenem Band »Neue Novellen«
    - Zwei Bücher von Catharina Godwin: »Das nackte Herz« und »Begegnungen mit mir« (auf diese Schriftstellerin wurde ich aufmerksam durch die von Hartmut Vollmer hrsg. Sammlung »Die rote Perücke. Prosa expressionistischer Dichterinnen«, die ich kürzlich wieder mal zur Hand genommen habe)
    - »Nixchen. Ein Beitrag zur Psychologie der höheren Töchter« von Hans von Kahlenberg, d.i. ein Pseudonym von Helene Keßler (1899 erstmals erschienen, wegen der erotischen Thematik hat das Buch damals einiges Aufsehen und Interesse erregt)
    - Zwei Romane von Alma Johanna Koenig: »Der heilige Palast« und »Die Geschichte von Half dem Weibe« (diese Autorin hat sogar einen kurzen Artikel in Wilperts Lexikon der Weltliteratur)
    - Etliche Erzählungen von Silvina Ocampo aus dem bei Suhrkamp erschienenen Band »Die Furie und andere Geschichten« (»Silvina Ocampo ist eine der größten Dichterinnen spanischer Sprache« hat laut Klappentext Jorge Luis Borges gesagt)
    - Eine (relativ) neue Übersetzung von Gertrude Steins »Tender Buttons«: »Zarte knöpft« in der Übertragung von Barbara Köhler
    - Marguerite Duras: »Der Liebhaber« (weil es hier im Forum erwähnt wurde)
    - Karin Michaëlis: »Das gefährliche Alter« (wurde hier ebenfalls erwähnt ;-))
    - Katarina Frostenson: »Die in den Landschaften verschwunden sind.« (eine bemerkenswerte schwedische Lyrikerin, über die ich mehr oder weniger zufällig beim Herumsuchen in Kindlers Literaturlexikon gestolpert bin)


    Ob davon etwas für die Schule geeignet ist, weiß ich zwar nicht, aber zum Glück muß ich das auch nicht wissen, weil ich kein gestreßter Lehrer, sondern entspannter Leser bin. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Halihallo


    Aus diesem Grund habe ich eine Novelle von einer Frau auf meine Site gesetzt (und weil es immer noch die meistgelesene modernste klassische deutsche Novelle ist, soll ja gelesen werden :breitgrins:): siehe hier

  • Zitat von "Evelyne Marti"

    Aus diesem Grund habe ich eine Novelle von einer Frau auf meine Site gesetzt


    Ja, das ist die »in ihrer vorwegnehmenden Modernität nach wie vor unterschätzte Annette von Droste-Hülshoff« (Thomas Kling). :-)


    Daß die Judenbuche auch in der Schule gelesen wird, kann man übrigens daran erkennen, daß es dafür bei Reclam ein passendes Büchlein aus der Reihe Lektüreschlüssel für Schüler gibt. ;-) Anscheinend ist das aber auch das einzige Werk einer Frau, für das ein solcher Reclam-Lektüreschlüssel erschienen ist.


    Und wenn wir schon bei Homepages sind: die titelgebende Erzählung für die weiter oben erwähnte Anthologie expressionistischer Dichterinnen, nämlich <a href="http://flitternikel.onlinehome.de/holzer.html">Die rote Perücke</a> von Marie Holzer, habe ich vor einiger Zeit mal ins Netz gestellt. Hingewiesen sei auch auf <a href="http://flitternikel.onlinehome.de/elhor1.html">El Hor</a>, die einige Prosaskizzen geschrieben hat, die mir sehr gut gefallen, darunter auch eine mit dem Titel Das Glück, die mit diesem Satz beginnt:


    »Wenn er ausging, um Liebe zu erleben, nahm er immer ein Päckchen mit sich.«


    und die nach anderthalb Seiten mit diesem Satz aufhört, der für jeden, der sie nicht gelesen hat, vermutlich ziemlich seltsam klingt:


    »Was aber wäre aus dem Mann geworden, wenn ihm kein Mädchen die neun Schnecken zertreten hätte?«


    Ein kurioses und weniger bekanntes <a href="http://flitternikel.onlinehome.de/droste1.html">Droste-Hülshoff-Gedicht</a> ist da übrigens auch noch zu finden, und hier gibt's noch einige Gedichte mehr: http://www.wortblume.de/dichterinnen/ :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Hallo zusammen!


    Wie steht es eigentilch mit Anna Seghers? - Ich habe noch nie etwas von ihr gelesen, vielleicht dass man sie nur in der DDR in der Schule lesen konnte (ich meine, dies sei der Fall gewesen, täusche ich mich?)


    Weniger geeignet für die Schule, und nicht wirklich als "klassische Literatur" einzustufen, aber interessant, ist Jewgenia Ginsburg, die als Schriftstellerin auch nicht gerade schlechte Arbeit geleistet hat, ihre Vergangenheit und die ihrer Zeitgenossen zu bewältigen. Sie schrieb über ihre Erlebnisse in den Straflagern Stalins, ohne dass das Werk wirklich düster oder bitter wurde, was ich eine ausserordentliche Leistung finde.


    Es grüsst
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Unter den weiblichen Poeten finde ich besonders Christina Rossetti erwaehnens- und zumutenswert. Leicht lassen sich anhand ihrere Werke Bruecken schlagen zu sowohl Geschichte als auch Religion, Rolle der Frau, etc, etc..


    Ansonsten.. hm.. wie sieht's denn mit Charlotte und Emily Brontë oder Jane Austen aus? Oder, etwas zeitgenoessischer, Amy Tan?


    Was deutschsprachige Autorinnen angeht: Elfriede Jelinek oder Christine Brueckner.


    Kleine Lektuere zum Thema:


    http://www.querelles-net.de/2004-14/text14roenz.shtml

    'The universe is made up of stories, not of atoms.' Muriel Rukeyser

  • hm...
    also emily bronte würde ich nicht unbedingt als schullektüre empfehlen. habe kürzlich "wuthering heights" aus studienzwecken gelesen und auch ne arbeit drüber geschrieben. es hat ziemlich lange gedauert bis ich hinter die doch etwas verwirrenden verwandschaften und beziehungen der figuren gekommen bin, zumal diese eine wichtige und entscheidende bedeutung für den verlauf des romans haben. hierbei sei nur mal auf die sehr subtile charakterbeschreibung der beiden catherines hingewiesen.


    ausserdem ist imo die sprache für schüler der oberstufe vielleicht noch ein bisschen zu undruchsichtig. damit meine ich nicht unbedingt die sprache "an sich" (wie etwa die sprache shakespeares), sondern vielmehr die semiotik, dass heisst der zusammenhang zwichen der bedutung und dem bedeutendem und die zahlreichen ideologischen wendungen. in zusammenhang mit heathcliff, dem "dämon" werden viele begriffe verwendet, die der englischen umgangssprache nach mit dem bestialischen wesen, dem geschlechtslosen tier usw. assoziiert werden.


    das buch ist zudem relativ lang, etwa 400 seiten im collectors library verlag.


    noch ein letzter punkt: in der sekundärliteratur liest man häufig, dass emily bronte nicht in das genre der gothic novel passt. dies wird an emilys relativ einsam geführtem und von der gesellschaft abgeschottetem leben festgemacht. verbindungen hinsichtlich soziologischer aspekte der gothic wären hinfällig. nur ein beispiel.

    &quot;i was the fool because i thought...i thought the world...turns out the world thought me...it's all the other way 'round...we're upside down...&quot;


  • Hatte u.a. auch Brontë's Gedichte im Sinn.. aber ich verstehe natuerlich die Einwaende. Desweiteren muss ja nicht zwingend das gesamte Werk gelesen werden.. Auszuege tun's ja oftmals auch. :engel:

    'The universe is made up of stories, not of atoms.' Muriel Rukeyser

  • Zitat von "Nightfever"

    Hallo,


    ich habe eine etwas seltsame Frage... :schmetterling:


    Und zwar habe ich das Gefühl, dass Autorinnen in unserer Schullektüre ganz schön unterrepräsentiert gewesen sind - wir haben von Frauen nur "To Kill A Mockingbird" und "The Ballad of the ad Café" gelesen, und über Frauen noch "Nora" und "Der gute Mensch von Sezuan".


    Apropos Nora.. Wie waer's den beim Thema ueber Frauen noch mit Ibsen's anderen Werken, wie z.B. Hedda Gabler oder Gespenster? Oder mit Duerrenmatt's Der Besuch der Alten Dame?

    'The universe is made up of stories, not of atoms.' Muriel Rukeyser

  • hi


    da kommt mir spontan eveline hasler in den sinn...


    gute bücher von ihr finde ich:


    anna göldin - letzte hexe:
    über das leben der letzten hexe die in europa hingerichtet wurde --> sehr viel geschichtliche informationen (eher schweiz bezogen) und recht spannend geschrieben


    die wachsflügelfrau
    die erste rechtsanwältin europas, über ihr leben und über den kampf als frau in diesem beruf akzeptiert zu werden


    ibicaba - das paradies in den köpfen
    über die auswanderung nach amerika, weil man sich dort ein besseres leben versprach


    alle die bücher enthalten sehr viel geschichtliche informationen, die schriftstellerin nimmt sich sehr viel zeit für genaue recherchen. bei allen drei büchern handelt es sich um wahre geschichten.


    grüsse filthee[/b]

  • weiß jetzt nicht so genau, welche epoche dir vorschwebt.
    aber, wenn es um frauenliteratur geht, fällt mir ganz spontan "das kunstseidene mädchen" von irmgard keun ein.
    es ist zwar vom stil her (ich-perspektive, also tagebuch-stil) gewöhnungsbedürftig, aber äußerst interessant geschrieben. es geht um ein junges mädchen namens doris, das berühmt, ein "glanz" werden will, dafür in die große weite welt, nämlich berlin zieht. kindliche naivität und sympathie zur protagonisten machen daraus eine wahre reading pleasure.

  • Kathrin Röggla als ganz aktuelle Autorin, v.a. die beiden neueren Sachen "Really Ground Zero" und "Wir schlafen nicht" lesen sich eigentlich gut.
    Jelineks "Bambiland" würde - denke ich mal - zumindest für die eine oder andere interessante Diskussion sorgen.

  • Hallo !


    Klar fällt mir da gleich Virginia Woolf ein - Mrs. Dalloway ist ein Beispiel für innerer Monolg, Zeitverkürzung, bewußt gestaltete Übergänge ... Oder ein paar Kurzgeschichten von ihr als Einstig in experimentelle Literatur Anfang des 20. Jahrhunderts.


    Liebe Grüße von Steffi

  • Maxie Wanders "Guten Morgen du Schöne" ist sicher ok für 16 bis 20 Jährige, zumal die Geschichten schön kurz für die geschrumpfte Aufmerksamkeitsspanne sind. Muss man halt die Geschichten auswählen, bei denen einem nicht die Augenbrauen hochgingen (als damals 15jährigem Kerl...)

  • ob mein Vorschlag nun "schulgeeignet" ist, vermag ich nicht zu sagen. Ich denke, das hängt vom jeweiligen Deutschlehrer ab, in wieweit er sich dareinarbeiten will und das zu vermitteln imstande ist....


    ich meine: Annemarie Selinko "Desiree", kennt das jemand hier???


    Meine gerade 16-jährige Tochter liest es mit Begeisterung und ist fasziniert von den Beschreibungen der Lebensumstände, der Art und Weise menschlchen Umgangs, zu Liebe und Doppelmoral etc zur Zeit Napoleons, und nicht zuletzt von der Sprache, die "elegant durch den dicken Schwinger hindurch trägt und viele Anregungen für eigene Aufsatzformulierungen parat hat".... (Originalaussage meiner Tochter----na, was will man mehr....)könnte doch eine Anregung für zukünftige und jetzt aktive LehrerInnen sein *g*

  • vielleicht ingeborg bachmann oder nelly sachs für solche, die mehr wollen?
    und als literatur über frauen: "fräulein else" von arthur schnitzler. es handelt sich dabei um eine junge frau, die urlaub macht und einen brief bekommt, dass ihre familie in schulden steckt und sie mit einem im urlaubsort wohnenden kunsthändler und freund der familie deswegen sprechen soll. er ist bereit, der familie das geld zu leihen, allerdings will er else dafür nackt sehen. das ganze ist im inneren monolog geschrieben, was elses zwiespalt wunderbar offenlegt... am ende geht sie jedenfalls nur mit dem mantel bekleidet in den musiksaal des hotels, zieht ihn aus und bricht zusammen. als sie allein in ihrem zimmer liegt, vergiftet sie sich mit veronal.

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Ein Klassiker der modernen amerikanischen Literatur: Harper Lee, "Wer die Nachtigall stört".