Beiträge von Sir Thomas


    Moin,


    blass, wie mit Pastellkreide gemalt, sind Doderers Figuren im Vergleich zum kräftigen Farbaufstrich, mit dem Thomas Mann einen Naphta oder Döblin seinen Franz Biberkopf aufs Papier warfen. An den psychologischen Fähigkeiten Doderers habe ich gerade deshalb nichts auszusetzen. Wie gesagt: Glaubwürdig beschrieben sind die Stangelers, Melzers etc. durchaus. Trotzdem haben sie mich merkwürdig kalt gelassen, Identifikation ausgeschlossen. Aber das war wohl Doderers Absicht.


    Noch einmal: ein großartiges Buch, damit keine Missverständnisse aufkommen!


    Es grüßt


    Sir Thomas

    Was ist das nur für ein seltsames und faszinierendes Buch!


    Nichts passiert - zumindest so gut wie nichts, was irgendwie aufregend ist.
    Die Figuren sind blass - zumindest nicht das, was viele Leser von Romanfiguren erwarten.
    Die Sprache ist uneinheitlich - zumindest nicht wie aus einem Guss.


    Und trotzdem ist es großartig!


    Für mich liegt der Reiz der "Strudlhofstiege" darin, dass nicht viel Aufregendes passiert, dass das "normale" Leben seinen Gang nimmt und dass die Figuren gerade aufgrund ihrer unscharfen Konturen umso interessanter und glaubwürdiger sind. Ganz im Gegensatz zu manch schrillen, aber auch recht unglaubwürdigen Figuren, die bspw. Thomas Mann in seinem "Zauberberg" auftreten lässt (was die Qualität des Romans nicht herabmindern soll; die "Bekanntschafft" der Herren Naphta und Settembrini möchte ich nicht missen!).


    Übirgens: Wenn ich Wien nicht ein wenig kennen würde, wäre mein Genuss der "Strudlhofstiege" wahrscheinlich deutlich geschmälert.


    Es grüßt


    Sir Thomas

    Hallo mir,


    stimmt, danke für den Hinweis.


    Zufällig bin ich beim Blättern auf das Kapitel "Operationes ..." gestoßen. Dort wird intensiv über Naphtas zunächst jüdische, später jesuitische Vergangenheit berichtet. Sehr interessant!


    Nochmals vielen Dank, eine schöne Restwoche!


    Sir Thomas

    Hallo mir,


    vielen Dank für den Anhaltspunkt, auch wenn ich über eine ganz andere Ausgabe verfüge (Fischer, gebunden, älteres Exemplar). Du kannst mir nicht zufällig noch das Kapitel nennen?


    Viele Grüße und einen schönen Sonntag wünscht


    Sir Thomas

    Liebe Zauberberg-Kenner,


    da Eure Lektüre noch frisch in Erinnerung ist, bitte ich Euch um einen kleinen Gefallen: Könnt Ihr Euch an das Kapitel erinnern, in dem die Lebensgeschichte von Leo Naphta erzählt wird? Ich könnte zwar anfangen zu blättern und zu suchen, aber ein schneller Hinweis von Euch kann mir diese Arbeit vielleicht ersparen.


    Ach so: Es ist nicht allzu wichtig, rein privates Vergnügen sozusagen und keineswegs von beruflicher Bedeutung ...
    Trotzdem: Über Eure Hinweise (Kapitelüberschrift reicht) würde ich mich freuen!


    Es grüßt aus dem maximal verregneten Westfalenland


    Sir Thomas

    Liebe Robert Walser-Freundinnen und -Freunde,


    meine Beschäftigung mit R. Walser, angeregt durch diesen Ordner, treibt interessante Sumpfblüten. Hier eine davon: Viele Jahre nach Walsers Tod haben irische Psychologen die Krankenakten des Verstorbenen gesichtet. Anhand dieser Daten sowie biografischer Abhandlungen sind sie der Frage nachgegangen, ob der Autor tatsächlich, wie behauptet, an Schizophrenie litt.


    Der "Befund": Robert Walser litt vermutlich am sog. Asperger-Syndrom (eine Art Vorstufe zum Autismus). Auf jeden Fall hatte er wiederholt Depressionen und Angstzustände. Extrem reduzierte Sozialkontakte sowie die Einschränkung seiner Interessen auf exzessives Schreiben und Spazierengehen sprechen demnach dafür, dass er ein funktionierender Autist war, der immerhin über eine genaue Einsicht in seine Lage verfügte. So lassen sich auch die oben angeführten Zitate aus seinen Werken verstehen.


    Kann man Walsers gesamtes Werk als eine lebenslange Selbstexploration interpretieren? Jeder Roman, jede Erzählung, jedes Gedicht als Fußnote eines Lebens, dass Anerkennung, Geborgenheit o.ä. nur sehr selten erfahren hat?


    Was haltet Ihr davon?


    Auf spannende Meinungen und Antworten freut sich


    Sir Thomas


    Im Roman-Fragment "Tobold" fand ich diese anrührende Stelle: " Gibt es doch Menschen, die das helle Licht für ihre Person weniger lieben als den dämmernden Schatten, den sie als äußerst wohlwollend empfinden, und in welchem sie sich auf Grund einer tiefen Neigung, die zurück in die schon vor der Geburt für uns existierenden Länder führt, aufs beste aufgehoben und treulichst beschützt fühlen. Stets betrachtete ich mit großer Lust die Pracht und den Glanz; mich selbst jedoch wünschte ich von jeher in einen ruhigen, bescheidenheitreichen Hintergrund zurückgestellt, um von hier aus in das helle Leuchten mit frohen Augen hinein - und hinaufzuschauen."


    Liebe Leserin,


    sehr schön! Das klingt für mich wie das Walsersche Lebensmotto, findest Du nicht? Vielen Dank dafür und viele Grüße von


    Sir Thomas


    Ein offen anklagendes Buch, wie beispielsweise Unterm Rad von Hermann Hesse (nicht dass ich es deswegen höher werte), wäre von den Lesern sicher schneller verstanden und akzeptiert worden. Ich würde gern deine Meinung dazu erfahren.


    Liebe Leserin,


    Hesses "Unterm Rad" ist mir ebenfalls bekannt. Die darin enthaltene Anklage gegen ein ebenso überholtes wie hohles Bildungs- und Leistungsethos wäre Robert Walser nie über die Lippen, geschweige denn zu Papier gekommen. Er war, Du hast völlig recht, ein sehr subtiler Kritiker. Man ist sich bei ihm nie sicher, ob sein Jakob von Gunten die Unterwürfigkeit als Waffe einsetzt, oder ob er dessen Anpassungsfähigkeit tatsächlich als eine Art von Demut vor dem Einfachen verstanden hat. Sehr zwiespältig - und daher meiner Meinung nach sehr viel interessanter als Hesse.


    Soviel in Kürze zu Deiner Anfrage.


    Es grüßt


    Sir Thomas

    Liebe Leserin,


    vor kurzem erst gelesen und gut in Erinnerung habe ich Walsers "Jakob von Gunten" aus dem Jahr 1909. Es geht um eine Knabenschule für künftiges Dienstpersonal sowie um eine sonderbar antihumanistisch anmutende Erziehungsphilosophie. Der Titelheld Jakob von Gunten (ein alter ego Walsers) zeigt auf, wie viel Größe im ganz Kleinen verborgen sein kann.


    Hier einige Zitate:


    „Wenig lernen! Immer wieder dasselbe! Nach und nach fange auch ich an zu begreifen, was für eine große Welt hinter diesen Worten verborgen ist. Etwas sich in der Tat fest, fest einprägen, für immer! Ich sehe ein, wie wichtig, vor allen Dingen, wie gut und wie würdig das ist. [...]


    Uns Zöglinge will man bilden und formen, [...] nicht mit Wissenschaften voll pfropfen. Man erzieht uns, indem man uns zwingt, die Beschaffenheit unserer eigenen Seele und unseres eigenen Körpers genau kennen zu lernen. Man gibt uns deutlich zu verstehen, dass allein schon der Zwang und die Entbehrungen bilden, und dass in einer ganz einfachen, gleichsam dummen Übung mehr Segen und mehr wahrhaftige Kenntnisse enthalten sind, als im Erlernen von vielerlei Begriffen und Bedeutungen. Wir erfassen eines ums andere, und haben wir etwas erfasst, so besitzt es uns quasi. Nicht wir besitzen es, sondern im Gegenteil, was wir scheinbar zu unserem Besitz gemacht haben, herrscht dann über uns.


    Uns prägt man ein, dass es von wohltuender Wirkung ist, sich an ein festes, sicheres Weniges anzupassen [...]. Man will uns vielleicht verdummen, jedenfalls will man uns klein machen.


    [...] Wir dürfen nicht ausschweifen, nicht phantasieren, es ist uns verboten, weit zu blicken, und das stimmt uns zufrieden und macht uns für jede rasche Arbeit brauchbar. Die Welt kennen wir sehr schlecht, aber wir werden sie kennen lernen, denn wir werden dem Leben und seinen Stürmen ausgesetzt sein. Die Schule Benjamenta ist das Vorzimmer zu den Wohnräumen und Prunksälen des ausgedehnten Lebens. Hier lernen wir Respekt empfinden und so tun, wie diejenigen tun müssen, die an irgendetwas emporzublicken haben.


    [...] Wir Zöglinge hoffen nichts, ja, es ist uns streng untersagt, Lebenshoffnungen in der Brust zu hegen [...]. Wer sich selbst sehr schätzt, ist vor Entmutigungen und Herabwürdigungen nie sicher, denn stets begegnet dem selbstbewussten Menschen etwas Bewusstseinsfeindliches. Und doch sind wir Schüler durchaus nicht ohne Würde, aber es ist eine sehr bewegungsfähige, kleine, bieg- und schmiegsame Würde. [...]“


    Das klingt, obwohl es annähernd 100 Jahre alt ist, fast wie ein Beitrag aus der aktuellen Diskussion über Fragen der Kinder- und Jugenderziehung! Auch heute gibt es ultrakonservative Kräfte, die Erziehung und Schule als eine Art Dressurveranstaltung verstehen, an dessen Ende der funktionierende Mensch steht - sowohl als brauchbare Arbeitskraft als auch in Form des halbwegs ruhig gestellten Bürgers.


    War Robert Walser seiner Zeit voraus? Oder hat er unbequeme Wahrheiten ausgesprochen, die damals niemand lesen und zur Kenntnis nehmen wollte? Beides würde jedenfalls erklären, warum dem „Jakob von Gunten“ nach seinem Erscheinen kein sehr großer Erfolg beschieden war und warum der Autor fortan zu einem Außenseiter abgestempelt war.


    Es grüßt


    Sir Thomas

    Hallo Alpha,


    Du gehst hart ins Gericht mit Herrn Eco! So ganz verstehen kann ich Dich nicht, denn auch wenn "Der Name ..." sicher nicht das Zeug zum Klassiker hat, so geht es mir doch ein wenig zu weit, den Roman als Schund abzutun.


    Da gibt es - gerade im Gefolge von "Der Name ..." - wesentlich schlimmere Machwerke auf dem Buchmarkt.


    Nichts für ungut, aber der Mensch lebt nicht vom "Faust" allein ...


    Viele Grüße


    Sir Thomas

    Liebe Eco-Leserunde,


    ohne ernsthaft mitmischen zu wollen (Zeitmangel!) erlaube ich mir, einen Aspekt anzusprechen, der mir vor vielen Jahren beim ersten Lesen der "Rose" aufgefallen ist. Eco hat m.E. die Ankunft der beiden Mönche in dem düsteren Kloster nach zwei literarischen Vorbildern gestaltet: Ich fühlte mich stark erinnert an die Ankunft Hans Castorps auf Thomas Manns "Zauberberg" und die Ankunft K´s in Kafkas "Schloß".


    Interessant am Ankunftsmotiv finde ich die Tatsache, dass die Ankommenden sofort das Gefühl beschleicht, in eine spezielle, besondere Welt einzudringen - eine Welt, in der andere "Gesetze" gelten als in der, aus der sie kommen.


    Ich wünsche Euch viel Spaß mit Eco, den ich übrigens sehr schätze (zumindest im Hinblick auf seine ersten beiden Bücher "Der Name ..." und "Das Foucaultsche Pendel". Danach wird es leider grausam ...).


    Liebe Grüße


    Sir Thomas


    ... sehr deutliche sexuelle Anspielungen.


    Oho, die sind mir beim schnellen Überfliegen des englischen Originaltexts glatt entgangen ... :breitgrins:


    Ansonsten gebe ich Dir Recht. Die Keyserling-Figuren (z.B. Doralice in "Wellen") handeln sehr viel bewusster als die Edna von Kate Chopin. Vielleicht sollte ich doch noch einmal intensiver einsteigen ...


    Liebe Grüße


    Sir Thomas

    Ihr Lieben!


    Ohne im Detail mitdiskutieren zu wollen, gestatte ich mir (nach dem schnellen Querlesen von "Das Erwachen") den Hinweis, dass Eduard von Keyserling rund ein Jahrzehnt nach Chopins Buch mit "Wellen" eine ähnliche Thematik vorgelegt hat. Bei ihm geht es um eine Adelige, die ihren ebenfalls adeligen Mann verläßt, um mit einem Bürgerlichen (einem Künstler) zusammen zu leben. Sie scheitert (mehr möchte ich nicht verraten), wie übrigens alle Figuren in Keyserlings Werk an ihren kleinen oder großen Grenzüberschreitungen scheitern.


    Mir drängte sich jedenfalls der Vergleich "Wellen" / "Das Erwachen" förmlich auf - vielleicht ein Thema für weitere Beschäftigungen?


    Weiterhin viel Spaß mit Ednas Erweckungsprozeß wünscht


    Sir Thomas

    Hallo JMaria!


    Angeregt durch Deinen Beitrag habe ich mich mit Ernest Hemingway noch einmal beschäftigt. Mein letzter Kontakt mit diesem Autor liegt weit zurück, aber ich habe durch ein wenig Blättern und Querlesen meine Eindrücke erneuert. Zu meinen Lieblingen gehört EH nicht. Trotzdem schätze ich ihn. Meine Meinung stützt sich auf vier Werke, die ich gelesen habe:


    1. Fiesta (blieb ohne Nachklang, für mich ein eher schwaches Buch)
    2. Wem die Stunde schlägt (hat Höhen und Tiefen, nicht sein bestes Werk)
    3. Tod am Nachmittag (eine sehr zwiespältige, aber auch interessante Auseinandersetzung mit dem Stierkampf)
    4. Der alte Mann und das Meer (sein bestes Buch!)


    Hinzu kommen einige Kurzgeschichten, von denen mir nur der "Francis Macomber" positiv in Erinnerung geblieben ist.


    Wenn du fragst, was typisch für diesen Autor ist, dann fällt mir als erstes eine Meinung ein, die nicht von mir, sondern von einem Kenner der Materie stammt. Er behauptet, dass es bei EH fast immer um das Thema "Männlichkeit" geht - vor allem um den Beweis männlicher Stärke und um männliches Scheitern. "Der alte Mann ..." ist sicher ein guter "Beweis" für diese These, aber auch die Kurzgeschichten aus Afrika (vor allem "Francis Macomber") und "Tod am Nachmittag" sprechen diesbezüglich eine klare Sprache. Großwildjagd, Stierkampf, Hochseefischen: Das sind die typischen Aktivitäten der Hemingway-Helden (und Antihelden). Der offene Kampf auf Leben und Tod zwischen Mensch und Tier müssen diesen Mann sehr stark fasziniert haben. Er schreibt immer dann am glaubwürdigsten und spannendsten, wenn er diese existenzielle Auseinandersetzung thematisiert. Nimmt man Einzelheiten seiner Biografie hinzu (z.B. seine Arbeit als Kriegsberichterstatter), dann ist die eingangs formulierte These sicher nicht allzu gewagt. Auch sein Freitod spricht Bände, erfolgte er doch aus der Erkenntnis einer unheilbaren Krankheit heraus. Zynisch formuliert: Er wollte "mit Stiefeln an den Füßen" und aufrecht aus dem Leben scheiden, nicht als wimmernder Wicht auf einem Krankenbett! Irgendwie ein ganz schöner Chauvi, oder? :breitgrins:


    Ich hoffe, diese Anmerkungen mögen für´s Erste genügen, um eine weiterführende Diskussion zu ermöglichen.


    Es grüßt


    Sir Thomas


    ... den großen Cormac McCarthy


    UNBEDINGT! Ich kenne zwar nur zwei seiner Werke, aber die haben es in sich:


    „Die Abendröte im Westen“, McCarthys elegischer und brutaler Abgesang auf die Mythen des „Wilden Westens“, ist ein mit Unmengen Blut gemaltes Panorama der menschlichen Wolfsnatur, ein permanenter Showdown mit Bergen von Leichen, eine Meditation über den allgegenwärtigen Tod und das sinnlose Sterben – kurz: eine morbide Vision vom Untergang jeglicher Zivilisation. Mit biblischer Wucht und in den düstersten Farben Hieronymus Boschs wird der menschenverachtende Raubzug einer Gruppe von Outlaws geschildert, die in den Jahren 1849/50 das texanisch-mexikanische Grenzgebiet auf der Suche nach ganz besonderen Trophäen durchkämmt: Indianerskalpe.


    Wegen der grandiosen und menschenfeindlichen Weite der geschilderten mexikanischen und texanischen Wüstenlandschaften wird „Die Abendröte im Westen“ gern mit „Moby Dick“ verglichen – einem Roman, in dem ebenfalls die bedrohliche Seite der Natur eine wesentliche Rolle, wenn nicht gar die Hauptrolle, spielt. Der Vergleich ist gelungen, doch es gibt noch weitere Parallelen zwischen den beiden Monumentalwerken der US-amerikanischen Romanliteratur: Das Motiv der Jagd (auf Wale und auf menschliche Skalpe) und des dämonischen Kapitäns bzw. Anführers. Die Rolle Ahabs übernimmt in der „ ... Abendröte ...“ der ungleich grausamere und pädophile Massenmörder „Richter“ Holden, den McCarthy als einen gebildeten Schlächter mit sozialdarwinistischen Idealen beschreibt. Extrem harter Stoff!


    „Draußen im Dunkel“ ist ein Anti-Roadmovie, ein finsterer, hoffnungsloser und vom Fieberwahn durchzogener bösartiger Albtraumtrip durch eine Welt, die in der schwülsumpfigen Feuchte des Südstaatenklimas zerfällt und verfault. Vergleiche mit Conrads Reise in das „Herz der Finsternis“ drängen sich auf. Das Universum McCarthys ist bevölkert von in Lumpen gehülltem, hungerndem Abschaum, entwurzelten, aus der Zivilisation ausgestoßenen Wiedergängern und debilen Kretins. Die meisten Menschen handeln mitleidlos, asozial und egoistisch. Die Welt ist kein zivilisierter, sondern ein brutaler, prähistorisch schmutziger Ort. Sie ist am Verfaulen und ohne Sinn, das Leben ist voller Heimtücke, Lug und Betrug, ein immer währender Krieg, in dem Jeder gegen Jeden kämpft.


    Die grandiose Kulisse der schwül-feuchten US-Südstaaten-Natur wird von McCarthy geschickt eingebaut, um diese Atmosphäre des Grauens, der Sinnlosigkeit und des allgegenwärtigen Todes zu verstärken. Häufig fallender Regen, anschwellende Flüsse, brackige Tümpel, schlammige Wege und Pfützen, dampfende Sümpfe und verkrüppelte Bäume ziehen sich durch den gesamten Roman und bilden den albtraumartigen Hintergrund für den Überlebenskampf einer Menschheit, die sich auf einer sehr niedrigen Zivilisationsstufe zu befinden scheint.


    Wie gesagt: Nichts für sanfte und zarte Gemüter ...


    Es grüßt


    Sir Thomas


    Bei Steinbeck Vorsicht vor den alten Übersetzungen von Elisabeth Rotten (vgl. z. B. hier), die durchweg schlecht sind; zum Teil verkitscht Rotten die Texte, zum Teil kann sie nicht ausreichend Englisch und versteht die Originale nicht. Am besten sowieso auf Englisch lesen, wenn's geht.


    Besser die Neu-Übersetzungen von Rudolf Frank u.a. (Zsolnay und zum Teil auch schon dtv) lesen.


    bonaventura, dieser Hinweis kam gerade noch rechtzeitig vor meiner Bestellung. Ich habe ihn berücksichtigt, DANKE!


    Gruß


    Sir Thomas

    @ Steffi


    "Der Dschungel" ist mir bekannt. Vor vielen vielen Jahren gelesen habe ich es gut in Erinnerung behalten.


    @ Alle


    Vielen Dank für die interessanten Steinbeck-Hinweise. Wahrscheinlich werde ich mit "Tortilla Flat" beginnen. Das ist nicht so umfangreich und recht preiswert zu ergattern ... :smile:


    Zu T.C. Boyle kann ich nichts sagen. Ich weiß nur, dass er die Leserschaft polarisiert. Die Kritiken reichen von "langweiliges Zeug" bis zu "Geniesteich". Mal sehen, vielleicht mach ich mir irgendwann einmal ein eigenes Bild.


    Es grüßt


    Sir Thomas


    Ich verstehe das Verhältnis zwischen Castorp und Frau Chauchat nicht ganz. Da steckt etwas dahinter, was ich nicht begreife. Hans macht der Russin nicht auf normalen Wege den Hof. Sie erinnert ihn viel zu sehr an einen alten Schulkameraden. Was für ein Mensch ist Castorp in dieser Hinsicht? Er fühlt sich den Kirgisenaugen hingezogen aber was genau bedeutet das? Meint es vielleicht nur, daß er sich dieser Rasse hingezogen fühlt?


    Liebe Leseratte,


    das Techtelmechtel Hans Castorp/Mme. Chauchat resp. Pribislav Hippe wird von vielen Interpreten als Anspielung Manns auf eigene homosexuelle Neigungen interpretiert, denn es scheint tatsächlich jener Mitschüler zu sein, dem Castorps Zuneigung mehr als der kirgisenäugigen (soviel wie schlitzäugig) Mme. Chauchat (aus dem frz., wörtlich übersetzt bedeutet der Nachname "heiße Katze") gilt.


    Viele Grüße und noch viel Spaß beim Erklimmen der Höhen des zauberhaften Berges!


    Sir Thomas