Hallo,
Ob Settembrini nun krank ist oder nicht... man weiß es nicht. Ich habe aber eher den Eindruck, seine mutmaßliche Gesundheit rührt daher, daß er der einzige ist, der nicht, bzw. nur auf direkte Nachfrage, über seine Krankheit spricht. Da alle anderen ständig nur darüber zu reden scheinen, sich regelrecht nach ihrem Krankheitsstand bewerten, loben und Ansehen verteilen, fällt jemand, der seinen Zustand einfach hinnimmt und nicht weiter beachtet, besonders auf. Warum er allerdings, bei seiner Einstellung zu "hier oben" und Krankheit im allgemeinen trotzdem auf dem Berghof bleibt, ist aber doch fraglich. Wenn er so lebenstüchtig ist, könnte er ja auch arbeitend und tätig im Flachland seine Krankheit ignorieren. Statt dessen betreibt er distanzierte Menschenstudien im Hochgebirge. Vielleicht kommt er finanziell "hier oben" besser. Castorp rechnet ja vor, es wäre ein recht billiges Leben, selbst bei seinem besseren Zimmer und diverse Sonderleistungen eingerechnet. Settembrini lebt ja wesentlich bescheidener, zahlt also auch weniger. Vielleicht sind die 5 reichlichen Mahlzeiten und ein gemütliches Leben zum erträglichen Preis doch nicht ganz so unattraktiv, und wirklich schreiben muß er auch nicht, er ist ja krank. Es wird ja immer vom Literaten gesprochen, ohne das man erfährt, was er denn schreibt oder geschrieben hat (theoretisch könnte er das ja auch auf dem Berghof tun, Zeit ist ja reichlich da). Da er aber in Davos bleibt, auch als er das Sanatorium verläßt, scheint er ja das Klima tatsächlich zu brauchen, bzw. zu bevorzugen. Um die Wirkung zu erreichen, muß man ja nicht im Sanatorium leben, Luft ist Luft. So entflieht er dem organisierten Nichtstun und der absoluten Konzentration auf die Krankheit, kann arbeiten und machen was er will und trotzdem dem Schattenreich des Berghofes ein gutes Stück enkommen.
Grüße
Thana