Robert Walser

  • Ihr lieben Lesenden,


    in den nächsten Wochen muß und will ich mich wieder einmal intensiver mit Robert Walser beschäftigen.
    Dabei wäre ich froh über alle Anregungen, Ansichten, Einsichten, Gedanken und Hinweise von euch.


    Die Leserin


    (Ein Spaziergang ist immer voller sehenswerter und fühlenswerter bedeutender Erscheinungen, Robert Walser)

  • Liebe Leserin,


    vor kurzem erst gelesen und gut in Erinnerung habe ich Walsers "Jakob von Gunten" aus dem Jahr 1909. Es geht um eine Knabenschule für künftiges Dienstpersonal sowie um eine sonderbar antihumanistisch anmutende Erziehungsphilosophie. Der Titelheld Jakob von Gunten (ein alter ego Walsers) zeigt auf, wie viel Größe im ganz Kleinen verborgen sein kann.


    Hier einige Zitate:


    „Wenig lernen! Immer wieder dasselbe! Nach und nach fange auch ich an zu begreifen, was für eine große Welt hinter diesen Worten verborgen ist. Etwas sich in der Tat fest, fest einprägen, für immer! Ich sehe ein, wie wichtig, vor allen Dingen, wie gut und wie würdig das ist. [...]


    Uns Zöglinge will man bilden und formen, [...] nicht mit Wissenschaften voll pfropfen. Man erzieht uns, indem man uns zwingt, die Beschaffenheit unserer eigenen Seele und unseres eigenen Körpers genau kennen zu lernen. Man gibt uns deutlich zu verstehen, dass allein schon der Zwang und die Entbehrungen bilden, und dass in einer ganz einfachen, gleichsam dummen Übung mehr Segen und mehr wahrhaftige Kenntnisse enthalten sind, als im Erlernen von vielerlei Begriffen und Bedeutungen. Wir erfassen eines ums andere, und haben wir etwas erfasst, so besitzt es uns quasi. Nicht wir besitzen es, sondern im Gegenteil, was wir scheinbar zu unserem Besitz gemacht haben, herrscht dann über uns.


    Uns prägt man ein, dass es von wohltuender Wirkung ist, sich an ein festes, sicheres Weniges anzupassen [...]. Man will uns vielleicht verdummen, jedenfalls will man uns klein machen.


    [...] Wir dürfen nicht ausschweifen, nicht phantasieren, es ist uns verboten, weit zu blicken, und das stimmt uns zufrieden und macht uns für jede rasche Arbeit brauchbar. Die Welt kennen wir sehr schlecht, aber wir werden sie kennen lernen, denn wir werden dem Leben und seinen Stürmen ausgesetzt sein. Die Schule Benjamenta ist das Vorzimmer zu den Wohnräumen und Prunksälen des ausgedehnten Lebens. Hier lernen wir Respekt empfinden und so tun, wie diejenigen tun müssen, die an irgendetwas emporzublicken haben.


    [...] Wir Zöglinge hoffen nichts, ja, es ist uns streng untersagt, Lebenshoffnungen in der Brust zu hegen [...]. Wer sich selbst sehr schätzt, ist vor Entmutigungen und Herabwürdigungen nie sicher, denn stets begegnet dem selbstbewussten Menschen etwas Bewusstseinsfeindliches. Und doch sind wir Schüler durchaus nicht ohne Würde, aber es ist eine sehr bewegungsfähige, kleine, bieg- und schmiegsame Würde. [...]“


    Das klingt, obwohl es annähernd 100 Jahre alt ist, fast wie ein Beitrag aus der aktuellen Diskussion über Fragen der Kinder- und Jugenderziehung! Auch heute gibt es ultrakonservative Kräfte, die Erziehung und Schule als eine Art Dressurveranstaltung verstehen, an dessen Ende der funktionierende Mensch steht - sowohl als brauchbare Arbeitskraft als auch in Form des halbwegs ruhig gestellten Bürgers.


    War Robert Walser seiner Zeit voraus? Oder hat er unbequeme Wahrheiten ausgesprochen, die damals niemand lesen und zur Kenntnis nehmen wollte? Beides würde jedenfalls erklären, warum dem „Jakob von Gunten“ nach seinem Erscheinen kein sehr großer Erfolg beschieden war und warum der Autor fortan zu einem Außenseiter abgestempelt war.


    Es grüßt


    Sir Thomas

  • Hallo Leserin
    ich habe in der letzten Zeit zwei Bücher (Jakob von Gunten, Geschwister Tanner) von Robert Walser gelesen (Ende 2006 jährte sich ja sein Todestag zum 50. Mal, da wurde ihm etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt) und muss sagen, dass ein Austausch dazu sehr willkommen wäre, denn auf der einen Seite fand ich viele berührende Formulierungen und Gedanken (nur ein Beispiel aus dem Jakob: Man ist immer halb irrsinnig, wenn man menschenscheu ist. ), aber auf der anderen Seite ist es manchmal zu wortreich und dunkel.
    Falls du dich für ein Buch Walsers entscheidest, sag doch bitte Bescheid (vielleicht entsteht sogar eine ganze Leserunde).
    Gruss
    Holkenäs

  • Vielen Dank für eure Beiträge,


    Lieber Sir Thomas,


    danke für die phantastischen Zitate. Natürlich passen sie perfekt in unsere Service-Gesellschaft mit ihren klar definierten Grenzen zwischen Oben und Unten (Gunten). Walser hat sich ja für den Sozialismus interessiert, seine Sozialkritik äußert sich allerdings sehr subtil.
    Er besuchte auch tatsächlich eine Dienerschule, strebte den Beruf eines Dieners an und übte ihn sogar einige Monate aus. Überhaupt war er immer nur in untergeordneten Stellungen tätig. Es zeigt sich im Jakob von Gunten, im Gehülfen und auch in anderen Texten immer wieder ein ambivalentes Verhältnis zur Macht. Einerseits belächelt und verspottet er diejenigen, die sich über andere erheben, andererseits zeigt sich bei ihm ein oft seltsam befremdliches Bedürfnis nach Unterordnung. Vielleicht hat dieses Befremden auch mit dazu geführt, dass ihm die Anerkennung versagt blieb. Ein offen anklagendes Buch, wie beispielsweise Unterm Rad von Hermann Hesse (nicht dass ich es deswegen höher werte), wäre von den Lesern sicher schneller verstanden und akzeptiert worden. Ich würde gern deine Meinung dazu erfahren.


    Liebe/Lieber? Holkenäs


    das mit der Leserunde habe ich mir auch überlegt, nur sind mir die Planungen dafür einfach zu langfristig. Sollte sich jemand spontan entscheiden, mit mir etwas von Robert Walser zu lesen, bin ich gerne dabei. Zur Zeit lese ich den Spaziergang und kleinere Prosa, danach will ich Der Räuber zum ersten Mal und Geschwister Tanner und Jakob von Gunten noch einmal lesen, sowie auch die eindringlichen Wanderungen mit Robert Walser von Carl Seelig. Auch ich finde viele Stellen bei Walser sehr berührend. Man hat das Gefühl, hier setzt sich jemand ganz und gar aus. Bezeichnend dabei ist, wie fast zwingend der bei ihm oft vorherrschende euphorische Ton in sein Gegenteil umschlägt. Die Euphorie wird dann zur Verzweiflung.
    Vielleicht kommen wir ja noch weiter über Walser ins Gespräch, was mich freuen sollte. ( Darf man übrigens erfahren, woraus dein Zitat stammt, oder soll es ein Rätsel bleiben, dem man selber auf die Spur kommen muß?)


    Viele Grüße an euch beide


    Die Leserin


  • Ein offen anklagendes Buch, wie beispielsweise Unterm Rad von Hermann Hesse (nicht dass ich es deswegen höher werte), wäre von den Lesern sicher schneller verstanden und akzeptiert worden. Ich würde gern deine Meinung dazu erfahren.


    Liebe Leserin,


    Hesses "Unterm Rad" ist mir ebenfalls bekannt. Die darin enthaltene Anklage gegen ein ebenso überholtes wie hohles Bildungs- und Leistungsethos wäre Robert Walser nie über die Lippen, geschweige denn zu Papier gekommen. Er war, Du hast völlig recht, ein sehr subtiler Kritiker. Man ist sich bei ihm nie sicher, ob sein Jakob von Gunten die Unterwürfigkeit als Waffe einsetzt, oder ob er dessen Anpassungsfähigkeit tatsächlich als eine Art von Demut vor dem Einfachen verstanden hat. Sehr zwiespältig - und daher meiner Meinung nach sehr viel interessanter als Hesse.


    Soviel in Kürze zu Deiner Anfrage.


    Es grüßt


    Sir Thomas

  • Lieber Sir Thomas,


    natürlich ist Robert Walser viel interessanter als Hermann Hesse. Die Zeiten, in denen ich, altersbedingt begeistert, Hesse gelesen habe, sind längst vorbei. Doch mich beschäftigt das tatsächlich Befremdende an Walsers Texten, das Zwiespältige, wie du sagst, das ungute Gefühl, das einen mitunter bei der Lektüre überkommt, wenn es um die Unterordnung, das sich selber Kleinmachen und Wegducken, so gut wie Unsichtbarwerden, sich in Sicherheit bringen, Schutz suchen, geht.
    Im Roman-Fragment "Tobold" fand ich diese anrührende Stelle: " Gibt es doch Menschen, die das helle Licht für ihre Person weniger lieben als den dämmernden Schatten, den sie als äußerst wohlwollend empfinden, und in welchem sie sich auf Grund einer tiefen Neigung, die zurück in die schon vor der Geburt für uns existierenden Länder führt, aufs beste aufgehoben und treulichst beschützt fühlen. Stets betrachtete ich mit großer Lust die Pracht und den Glanz; mich selbst jedoch wünschte ich von jeher in einen ruhigen, bescheidenheitreichen Hintergrund zurückgestellt, um von hier aus in das helle Leuchten mit frohen Augen hinein - und hinaufzuschauen."
    Außerdem entdecke ich gerade den Lyriker Robert Walser, viel Zartes und Trauriges.
    Vielleicht auf bald


    Die Leserin


  • Im Roman-Fragment "Tobold" fand ich diese anrührende Stelle: " Gibt es doch Menschen, die das helle Licht für ihre Person weniger lieben als den dämmernden Schatten, den sie als äußerst wohlwollend empfinden, und in welchem sie sich auf Grund einer tiefen Neigung, die zurück in die schon vor der Geburt für uns existierenden Länder führt, aufs beste aufgehoben und treulichst beschützt fühlen. Stets betrachtete ich mit großer Lust die Pracht und den Glanz; mich selbst jedoch wünschte ich von jeher in einen ruhigen, bescheidenheitreichen Hintergrund zurückgestellt, um von hier aus in das helle Leuchten mit frohen Augen hinein - und hinaufzuschauen."


    Liebe Leserin,


    sehr schön! Das klingt für mich wie das Walsersche Lebensmotto, findest Du nicht? Vielen Dank dafür und viele Grüße von


    Sir Thomas

  • Liebe Leserin,
    ja, da ist wirklich ein tolles Zitat, welches viel über den Charakter dieses großartigen Schriftstellers sagt. Ich habe das Glück, des Öfteren einem Robert-Walser-Abend zweier schweizer Schauspieler beiwohnen zu können: Dabei kommt vor allem auch das komische Element seiner Prosa zu tragen. Um es einfach auszudrücken: er ist nicht selten ungeheuer witzig.
    Mein Lieblingstext ist übrigens "Der Spaziergang", auch ein Schlüsseltext: träumend und schauend durch die Welt sich bewegend.

    Liebe Grüße, lena

  • Dear Sir Thomas,


    ja, es hört sich sehr nach Walsers Lebensmotto an, aber jetzt fand ich dieses frühe Gedicht, das ihn, wie ich glaube, noch treffender charakterisiert, anrührend einfach:


    Beiseit


    Ich mache meinen Gang;
    der führt ein Stückchen weit
    und heim; dann ohne Klang
    und Wort bin ich beiseit.




    Besser sagen, kann man es nicht, scheint mir.


    Viele Grüße


    Die Leserin





    Liebe Lena,


    wie sich das trifft. Ich bereite auch gerade eine Walser-Lesung für Oktober vor, weiß aber schon jetzt, dass sie bestimmt eher traurig als komisch wird, zumindest wird das Traurige überwiegen. Wenn man die Menschen zum Lächeln bringt, befinden sie sich genau in der Mitte zwischen Lachen und Weinen.
    Bei meiner jetzigen Beschäftigung mit Walser, kam mir zuerst "Der Spaziergang" in die Hand. War nicht sein ganzes Leben ein solcher Spaziergang?


    Viele Grüße


    Die Leserin

  • Liebe Robert Walser-Freundinnen und -Freunde,


    meine Beschäftigung mit R. Walser, angeregt durch diesen Ordner, treibt interessante Sumpfblüten. Hier eine davon: Viele Jahre nach Walsers Tod haben irische Psychologen die Krankenakten des Verstorbenen gesichtet. Anhand dieser Daten sowie biografischer Abhandlungen sind sie der Frage nachgegangen, ob der Autor tatsächlich, wie behauptet, an Schizophrenie litt.


    Der "Befund": Robert Walser litt vermutlich am sog. Asperger-Syndrom (eine Art Vorstufe zum Autismus). Auf jeden Fall hatte er wiederholt Depressionen und Angstzustände. Extrem reduzierte Sozialkontakte sowie die Einschränkung seiner Interessen auf exzessives Schreiben und Spazierengehen sprechen demnach dafür, dass er ein funktionierender Autist war, der immerhin über eine genaue Einsicht in seine Lage verfügte. So lassen sich auch die oben angeführten Zitate aus seinen Werken verstehen.


    Kann man Walsers gesamtes Werk als eine lebenslange Selbstexploration interpretieren? Jeder Roman, jede Erzählung, jedes Gedicht als Fußnote eines Lebens, dass Anerkennung, Geborgenheit o.ä. nur sehr selten erfahren hat?


    Was haltet Ihr davon?


    Auf spannende Meinungen und Antworten freut sich


    Sir Thomas

  • Kann man Walsers gesamtes Werk als eine lebenslange Selbstexploration interpretieren? Jeder Roman, jede Erzählung, jedes Gedicht als Fußnote eines Lebens, dass Anerkennung, Geborgenheit o.ä. nur sehr selten erfahren hat?


    Wahrscheinlich kann man, ja. Die Frage ist: soll man? :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zu der hier aufgeworfenen Frage, wie Robert Walsers Werke zu interpretieren seien, wenn man seinen Krankheitsprozeß berücksichtigt, denke ich:


    Sobald man nicht nur die Bücher eines Autoren liest, sondern auch anfängt sich für seine Biographie zu interessieren, findet man in seinen Texten jede Menge Bezüge zu dessen Leben. Das Urteil über die Literatur wird durch dieses Wissen eingefärbt, je nachdem, in welches Licht die biographischen Bezüge den Autor rücken, ist man entweder angerührt von seiner Lebensgeschichte oder von seiner Persönlichkeit abgestoßen. Man kommt nicht umhin, so zu verfahren, trotz vieler Versuche der Literaturwissenschaft, Textinterpretationen "rein" zu halten vom viel geschmähten Biographismus, gelingt es nicht diesen subjektiven Beurteilungsfaktor aus der Analyse heraus zu halten. Und das ist auch ganz gut so, denn man ist immer in dem, was man schreibt, ganz und gar selbst enthalten, mit allem Lebensgepäck.
    So rühren uns Texte von Robert Walser, die vom Wandern, vom Schnee, vom Verzweifeltsein handeln, ganz besonders, da wir sein Schicksal kennen. So lesen wir alle seine Bücher im Hinblick auf seinen letzten Weg.
    So lesen wir auch andere Autoren, indem wir liebevoll (Hölderlin,Proust, Kafka, Virginia Woolf, Camus, Bernhard, Brodkey,Kertesz etc.), mit gemischten Gefühlen (Goethe, Stifter, Fontane, Thomas Mann, Canetti, Hamsun, Benn, Brecht, Doderer etc.) oder mit Abscheu (Ernst Jünger, Heidegger etc.) an sie denken. Die Auflistung ist genauso subjektiv, wie unvollständig.
    So wenig auf die Schnelle dazu.


    Die Leserin

  • Ich las vor so 2-3 Jahren "Der Gehülfe".
    Mein bisher einziger Walser.
    Über seinen seltsamen und tragischen Lebensweg wusste ich nur, was ich ab und an mal nebenbei mitbekommen hatte.
    Den Roman hatte ich daher auch nur aus sich heraus gelesen, ohne Aufschlüsseln der biographischen Hintergünde.
    Das Nachwort ausgenommen.
    Ich war von der Milieuschilderung und der präzisen Schreibe (sorry, weiß gerad keinen anderen Begriff dafür) sehr angetan.
    Mir schien das so eine Art Schweizer Heimatroman zu sein.


    Auf jeden Fall empfehlenswert, nur dass es meine Art Schreibe absolut nicht ist.
    Ohne Begründung, einfach Geschmackssache, kein Werturteil!


    LG
    Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Hallo Leibgeber,


    der Gehülfe war das Buch von Walser, das ich vor vielen Jahren zuerst gelesen habe. Es ging mir damit ähnlich, wie dir. Nur kam es mir dazu auch noch
    seltsam, sogar stellenweise langweilig vor. Später las ich die Geschwister Tanner, die mir besser gefielen. Doch das Befremden blieb. Heute kann ich
    Walser nicht lesen, ohne an seine Lebensgeschichte zu denken.
    Er ist für mich Hölderlins kleiner Bruder ( bezogen auf sein Leben, nicht auf die Dichtung). Ich stelle mir vor, wie er sich nach und nach immer mehr in sich selbst zurückgezogen hat. Diese reduzierte, verwaltete Existenz. Verwahrung, die das Überleben ermöglicht hat. Was ist ihm geblieben? Was hat er gefühlt? Er, der die Natur und die Freiheit so geliebt hat, doch auch so große Sehnsucht nach Schutz hatte.
    Als er mit der Feder nicht mehr schreiben konnte, entdeckte und bewohnte er sein winziges Bleistiftgebiet. Bestimmt hat er nicht geahnt, das später jemand seine Mikrogramme in mühevoller jahrelanger Entzifferungsarbeit freilegen würde. Das wir ihn heute lesen, ist auch der Traum von der Wiedergutmachung eines zerbrochenen Lebens.


    LG
    Die Leserin

  • Ich lese gerade den Gehülfen von Walser und bin von den Reflexionen der Hauptperson sehr angetan. Aber das ist etwas, das mich ein wenig irritiert.
    Joseph bekommt jedes Wochenende fünf Mark Taschengeld von Tobler. Der Roman spielt in der Schweiz und soweit ich herausbekommen habe, wurde auch vor hundert Jahren der Franken als Zahlungsmittel verwendet.
    Wieso verwendete Walser also die Mark als Währung? Oder wurde das vom Verlag nachträglich geändert?
    Ich weiß, das ist nur ein kleines Detail, aber gerade an solchen Details bleibe ich oft hängen und komme dann einfach mit dem Lesen nicht weiter. :sauer:.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)


  • Ich weiß, das ist nur ein kleines Detail, aber gerade an solchen Details bleibe ich oft hängen und komme dann einfach mit dem Lesen nicht weiter. :sauer:.


    Hallo BigBen,


    der "Tagesbefehl" kann nur lauten: Details ignorieren und immer feste dranbleiben! :klatschen:


    "Der Gehülfe" ist gaaanz großes Tennis, und was macht es schon für einen Unterschied, ob das Taschengeld in Mark oder Schweizer Franken ausgezahlt wird?


    Es grüßt


    Sir Thomas

  • "Der Gehülfe" ist gaaanz großes Tennis, und was macht es schon für einen Unterschied, ob das Taschengeld in Mark oder Schweizer Franken ausgezahlt wird?


    Na ja - es sind diese kleinen (kultur-)geschichtlichen Details, die einen (mit) faszinieren, da verstehe ich BigBen schon. Ich muss gestehen, dass ich selbst als Landsmann von Walser keine Ahnung habe, woher die Mark hier kommmt. Die Schweiz war zu jener Zeit Mitglied im Lateinischen Währungsbund (oder so ähnlich), d.h., Französische und Belgische Francs (und, glaube ich, auch die italienische und die griechische Währung) wurden in der Schweiz als offizielles Zahlungsmittel akzeptiert. Die Mark war aber nicht in diesem Verbund.


    Andererseits weiss jeder, der Glauser gelesen hat, dass sein Wachtmeister Studer, wenn es offiziell wurde (z.B. bei einer Verhaftung) vom Dialekt ins Hochdeutsche gewechselt hat. Das war offenbar so Brauch, bevor Hitler den durchschnittlichen deutschsprachigen Schweizer mit einem riesigen Misstrauen vor dem Deutschen im weitesten Sinne geimpft hatte. Ob die Mark bei Walser von dieser ursprünglichen Affinität des Deutschschweizers zum Deutschen herkommt?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus