Beiträge von JHNewman

    Guten Tag zusammen,


    liest hier außer mir noch jemand regelmäßig 'Sinn & Form'?


    Ich möchte gerne diese Zeitschrift empfehlen. Literaturzeitschriften sind mir eigentlich ein Graus. Da geht es mir wie bei der Musik: Ich höre sie lieber, als drüber zu lesen. Viele Literaturzeitschriften heute können mich daher nicht wirklich überzeugen. Da wird viel ums Thema herumgeklappert, viel gelayoutet und designed, es gibt Homestories und Überblicksberichte. Aber letztlich sind es doch alles nur ein paar Appetithäppchen. Essen muss man dann woanders.


    Sinn & Form ist aber völlig anders. Eine Zeitschrift, die ganz ohne selbstreferenzielle Editorials und alberne Teaser auskommt. Da gibt es Qualität und Substanz von der ersten bis zur letzten Seite, ohne Bilder, ohne Schnickschnack. Alle zwei Monate ist jedes Heft eine wahre Freude voller interessanter Beiträge.


    Ich kenne im deutschsprachigen Bereich nichts, was ein ähnlich gleichbleibendes Niveau und eine solche Qualität hätte.


    Hier kann man mehr erfahren. Aber eigentlich rate ich gleich zum Abo: :winken:
    http://www.sinn-und-form.de/

    Insgesamt habe ich derzeit ein wenig Mühe mit dem dritten Buch. Noch kann ich es nicht so recht fassen. Was geht dort eigentlich vor? Spricht hier ein alternder Goethe, der mit Verve neue Aufbrüche und Neuanfänge beschreibt, die er aufgrund seines eigenen Lebensalters nicht mehr selbst umsetzen kann? Oder ist es der Triumph der Utopie, des Möglichen über seine mitunter bitteren Erfahrungen in der Wirklichkeit? Handlungsanweisung für Auswanderer? Lebensratschläge an die Jugend: so müsst Ihr Euer Leben anlegen, so müsst Ihr es angehen? Vielleicht von allem ein bisschen...


    Mein Unbehagen macht sich auch an so vielen Einwänden fest. Ich möchte dem Meister gern widersprechen. Oder wenigstens rückfragen: Hast Du auch bedacht, dass... Vielleicht wissen wir heute einfach zu viel über die Geschichte etwa der USA, über Migration, sowohl Emigration als auch Immigration. Der Idealismus, mit dem Lenardo den Aufbruch in ein tätiges, gestaltendes Leben preist, mit dem die ideale Gesellschaft geschildert wird. Zu wenig ist mir die Rede davon, dass Menschen, die aus ihren alten Lebenszusammenhängen entfernt werden und mit anderen ebenso entwurzelten eine neue Gemeinschaft bilden sollen, mehr brauchen als ein bisschen Idealismus. Dass eine solch neu sich bildende Gemeinschaft eine Identität und Zusammenhalt nur entwickeln kann, wenn es etwas gibt, das sie eint.


    Geht es nur mir so, oder hat das Eintreten für die unermüdliche Tätigkeit, das Nutzen jedes Moments durchaus etwas von Webers berühmt-berüchtigter 'Protestantischer Ethik'?


    Hallo Karamzin,


    es hätte mich überrascht, wenn es hier aus dem Blickwinkel der christlichen Theologie Einwände gegeben hätte. Hast Du etwas in der Richtung vermutet oder erwartet? Die von Goethe hier angebotene Variante der Schöpfungserzählung steht in einem solch klar erkennbaren fiktionalen Kontext, dass jeder Widerspruch einer christlichen Theologie sich von vornherein der Lächerlichkeit preisgäbe. Ein solcher Widerspruch hätte sich dann ja auch gegen jegliche Form der nichtchristlichen Mythologie, auch gegen die antiken Erzählungen richten müssen. Damit konnten aber die Kirche - auch damals schon - recht gut leben.


    Zu Kurt Flasch: Mich überrascht, was ich da lese. Von einem so profunden Kenner der spätantiken und mittelalterlichen Philosophie hätte ich etwas gründlichere Kenntnis der Hermeneutik religiöser Texte erwartet. :zwinker:


    LG
    JHN


    Zu den ganzen eingeflochtenen und doch oft in der Haupthandlung aufgehenden "Novellen": Variieren sie nicht alle irgendwie das Motiv des Wanderns und von sich selbst weg und dann doch zu sich hin Findens? Gerade bei "Nicht zu weit" drängt sich dieser Eindruck mir wieder auf. Alle diese Erzählungen sind von Rastlosigkeit, Selbstzweifeln, Wendepunkten bestimmt.


    finsbury,


    das ging mir bei dieser kleinen Erzählung ebenso. Das Motiv des Wanderns und der Ruhelosigkeit ist dort sehr offensichtlich, wobei es ja - im Gegensatz zur Haupthandlung - auch negativ konnotiert wird. Die Ruhelosigkeit der Ehefrau ist ja einer der Gründe für das Unglück des Paars.


    Gegen Ende hat mich diese kleine Novelle aber dann verwirrt. Auf den letzten Seiten werden noch Namen eingebracht, die ich nicht zuordnen konnte. Und alles bleibt - wieder einmal - offen.

    Hallo zusammen,


    nur eine kurze Statusmeldung von mir: Ich bin nicht ausgestiegen, war aber die letzten beiden Wochen dermaßen zugeschüttet bzw. dann eine Woche in Polen unterwegs, dass ich Herrn Göthe erst einmal auf die Seite legen musste. Ich werde aber die letzten Kapitel dann bald noch lesen und mich nochmals hier melden.


    Viele Grüße
    JHN

    Es ist soweit. Die frühen Jahre Kafkas sind für September 2014 angekündigt :


    Kafka. Die frühen Jahre
    [kaufen='978-3100751300'][/kaufen]


    Hallo,


    danke für diesen Hinweis. Das Buch werde ich auf jeden Fall vorbestellen.
    Was ich mich frage: Bisher hieß es ja, die frühen Jahre Kafkas könnten nicht biographisch beschrieben werden, solange die entsprechenden Dokumente aus dem Brod-Nachlass nicht freigegeben würden und für R. Stach einsehbar wären. Ist dies nun der Fall? Hatte Stach Zugang zu den Originalunterlagen?


    Gruß
    JHN


    Da sagst Du was ... Und ich vermute, dass ich vor Jahren noch Mahlers Neunte geliebt hätte in ihrem Beinahe-Übergang zur Zwölftonmusik.


    Ich würde schon sagen, dass ich seine Musik liebe. Auch wenn die offenen Fragen stehen bleiben.

    Die Sendung habe ich mir aufgenommen und angehört. Insgesamt fand ich das sehr nett. Leider wurde nicht gesagt, wer die englische Dame war, die zwischendurch immer ein paar Informationen zu Pepys und seinen Tagebüchern gab. Sie klang für mein Ohr erschreckend nach Anne Widdecomb, weshalb ich gerne gehört hätte, dass sie NICHT Anne Widdecomb war. Diese kleine Erlösung blieb mir das Radio am Ende doch schuldig. :zwinker:

    Guten Morgen zusammen!


    Ich war ein paar Tage verreist und habe gestern davon im Radio gehört. Ich finde den Vorgang schlicht skandalös. Ich habe den Literaturclub als Podcast abonniert und sehe die Sendungen - zeitversetzt - aber regelmäßig. Es wurde ja schon viel daran herumgemurkst (dümmliche Einspieler, das Stehen der Kritiker an bar-ähnlichen Tischen etc.). Vieles davon hat man zurückgenommen und mit der Wahl Stefan Zweifels als Moderator ist die Ruhe und Qualität der Sendung deutlich gestiegen. Sie ist mit Abstand die beste Literatursendung im deutschsprachigen Fernsehen.


    Und nun das.


    Seit geraumer Zeit empfand ich das Agieren von Elke Heidenreich als mal mehr, mal weniger problematisch. Sie redete nicht nur ständig laut dazwischen und fuhr den anderen über den Mund. Sie versuchte auch fortwährend, die Meinung der anderen Leser als 'zu elitär' hinzustellen, um sich dann als 'vox populi' zu gerieren. Besonders Stefan Zweifel mit seinen manchmal etwas abgehobenen, deshalb aber bereichernden Wertungen, hatte unter ihrem Geplapper zu leiden. Und natürlich die Zuschauer.


    Was Elke Heidenreich sich in der Sendung zu Heidegger und Lewitscharoff erlaubte, war nicht mehr hinnehmbar. Ihre Aburteilung von Sibylle Lewitscharoff war unausgewogen, undifferenziert - und auch heuchlerisch, wie man jetzt weiß. Vor zwei Jahren noch hat sie die Autorin zur Mitwirkung an einer Anthologie eingeladen. Nun behauptete sie, sie habe S. Lewitscharoff schon immer unsäglich gefunden. Was für ein Theater.


    Mein Fazit: Der Sender opfert Stefan Zweifel der (angenommenen) Popularität von Elke Heidenreich. Man hat keine Haltung, sondern giert nach der Quote. Und macht damit wahrscheinlich die Sendung ganz kaputt. Das ist nicht nur unfair gegenüber Stefan Zweifel und seinen Qualitäten, es ist beschämend.


    In Großbritannien wurde jüngst eine irische Sängerin von den Kritikern verrissen, weil ihre Körpermaße nicht dem entsprachen, was man auf der Bühne gerne sehen wollte. Gesungen hat sie wunderbar, aber das war den Kritikern kaum eine Erwähnung wert. Stefan Zweifel hat gut argumentiert und Elke Heidenreich auf einen Irrtum hingewiesen. Deshalb muss er gehen. Die pöbelige Großkritikerin darf bleiben. Das ist dann wohl die Medienrealität von heute.


    Es gab einen Film?


    Keira Knightey, Keira Knightley ... ist das die Bajoranerin auf Deep Space 9?


    Was heißt hier 'einen'???? Mehrere. Den mit Keire Kneightley kenne ich nicht, aber davor gabe es schon Verfilmungen.


    Was ist Deep Space 9?? Ich fürchte, ich bin über Raumschiff Enterprise nie hinausgekommen... :zwinker:

    Ich mag Tolstoi. Und ich mag Anna Karenina. Es ist ein wundervolles Buch. Und vielleicht sollte man nicht meckern, wenn dies in der Presse auch gesagt wird. Aber ob Meister Tolstoi einen solchen Kritiker wie Moritz von Uslar verdient hat?


    http://www.zeit.de/2014/20/anna-karenina-erstleser


    Der Autor des Textes sagt, er sei 43 Jahre alt. Sein Artikel liest sich eher wie das aufgeregte Geschnatter einer 16-Jährigen, die gerade entdeckt, dass es Spaß macht, ein gutes Buch zu lesen. Ja, Tolstoi ist großartig. Aber hat Moritz von Uslar noch nie ein anderes Buch gelesen? Noch nie ein anderes gutes Buch? :zwinker:

    Jetzt habe ich mich im dritten Buch etwas vorgearbeitet. Im Anatomiekapitel wird sehr schön deutlich, welche grundlegenden Prinzipien Goethe bei der Naturbetrachtung anwendet. Seine Abscheu vor einer zerteilenden, sezierenden und damit zerstörenden Art der Betrachtung, auch aller 'gewaltsamen' Experimente. Als Gegenbild stellt er das aufbauende, verbindende und veranschaulichende Modellieren vor. Das ist sehr schön.


    Das nachfolgende Weber- und Spinnereikapitel ist in seinem romantisierenden Zugriff auf diese Form der Proto-Industrialisierung regelrecht anrührend. Wenn man sich das Elend vor Augen hält, das diese Form der Wirtschaft später über viele Menschen gebracht hat (vgl. Hauptmanns Weber), ist Goethes Anschauung hier wohl doch eher naiv zu nennen. Und wer sähe nicht Gretchen am Spinnrad, wenn Lenardo hier so anschaulich über die singenden Spinnerinnen in den Bergtälern schreibt?

    Danke, wieder ein interessanter Tipp.
    Was mich auf der verlinkten Seite etwas irritiert, ist die Formulierung "er hasste Shakespeare". Ich hatte ja auf pepysdiary.com ein wenig rumgestöbert: Natürlich haben ihm nicht alle Stücke gefallen, manche fand er auch ziemlich schlecht und manchmal ist sein Urteil je nach Vorstellung unterschiedlich ausgefallen (die meisten Stücke sah er recht häufig). Ich habe nur einen Teil angesehen, aber bei den lobenden Worten, die ich gelesen habe, bezweifle ich, dass man so pauschal von "hassen" sprechen kann ... Und wer lernt schon "To be or not to be" auswendig, wenn es ihm nicht gefällt? :zwinker:


    Gruß, Gina


    Danke vielmals für den Tipp. Das werde ich mir vormerken und aufnehmen!
    Es gibt einige reichlich blödsinnige Formulierungen in diesem Text. Neben 'er hasste Shakespeare' ist auch von der 'aufregendsten Zeit der britischen Geschichte' die Rede. Was für ein Unsinn. Und natürlich wissen wir längst nicht 'alles' über ihn, wie der Text behauptet. Aber sei's drum. Pepys kann ja nichts dafür. :rollen:


    Ja, so kann man’s sehen. Aber den gemeinen Leser interessiert halt gerade die Zerschlagung und Auflösung des Knotens… Übrigens ist die Entsagung Hilariens und der schönen Witwe natürlich die beste aller möglichen Lösungen für den Major, aber wie geht’s den beiden und vor allem dem armen Flavio damit?


    Ich las es irgendwo und instinktiv empfand ich es auch bei der Lektüre: Die Entsagung ist nur vorübergehend, sie dient sozusagen der Läuterung und Klärung der Motive, eine Art literarisches Purgatorium. Sie kriegen sich natürlich doch - will sagen Flavio und Hilarie und der Major und die schöne Witwe. :zwinker:


    So weit wie bonaventura würde ich nicht gehen. Ich mag Goethes Sprache und Stil, er schreibt nie langweilig und trotz der beanstandeten Gleichförmigkeit finden sich auch immer wieder sehr unterhaltsame Passagen im Roman. Ich glaube auch, dass das Fehlen einer stringenten Handlung nicht auf Unfähigkeit Goethes beruht, sondern - wie bonaventura es ja auch andeutet - schlichtweg auf seinem mangelnden Interesse an einer gradlinigen erzählerischen Gestaltung.


    Das möchte ich so unterstreichen.


    Ich habe das zweite Buch beendet. Bei seiner Rückkehr in die pädagogische Provinz werden die unterschiedlichen Kunstformen behandelt und Wilhelm muss erdulden, dass man dem Theater dabei eher Spott und Hohn als Anerkennung zukommen lässt. Selbst die Diskussion über die Erdentstehung (Vulkanismus vs. Neptunismus) hat mich wenig ermüdet, stattdessen fühlte ich mich an manche Auseinandersetzung zum Klimawandel in heutigen Kneipengesprächen erinnert. Wie Goethe bemerkt, es sei dabei fast zu tödlichen Händeln gekommen, wird heute über ähnliche (zum Teil spekulative) Aussagen ja nicht minder hitzig verhandelt. :breitgrins:


    Nun habe ich zwei Kapitel im dritten Buch gelesen und entdecke mit Wilhelm die Gesellschaft der Auswanderer, die klar freimaurerische Züge trägt. Mit dem dritten Buch trete ich mit Wilhelm jetzt in eine neue Phase der menschlichen Gesellschaftsbildung. Nach der familiär und verwandschaftlich strukturierten Gesellschaft (Buch I) und dem aufgeklärt-absolutistischen Patriarchalismus (Buch II) bewegen wir uns nun im Zeitalter der egalitär-demokratischen Gesellschaft, was durch die Blick nach Amerika dann noch betont wird.


    5424 Nummern umfasst der Katalog. Die Theologie nimmt darin nur einen verhältnismäßig kleinen Platz ein, von den Nummern 2603 bis 2739. Schleiermacher oder Spalding sind nicht darin vertreten.


    Bei Bielschowsky ist zu lesen, dass sie sich einmal persönlich begegnet sind. Keiner von beiden hat diese Begegnung aber später beschrieben oder sonst darauf Bezug genommen. Bemerkenswert, wenn man Schleiermachers Bedeutung nicht nur in der Religionsphilosophie, sondern auch in der Pädagogik bedenkt.


    Das Christentum ist vor allem eine Morallehre für das Individuum, das sein eigenes Verhältnis zum Allmächtigen, zur All-Natur herstellt, bis zum Pantheismus Goethes ist es nicht mehr weit.


    Ja, die Religion der Aufklärung - die in sich wiederum sehr viel von einer säkular verstandenen Variante des Pietismus hat. Nimm den Pietismus in seinem Entwicklungsgedanken, seinem pädagogischen Impetus, seinem Heiligungsstreben und ziehe die religiöse Dimension ab - schon landest Du bei der Aufklärung par excellence, selbst in den verstiegenen und spekulativen Elementen, die sich manchen pietistischen Zirkeln finden, und die dem Aufklärungszeitalter ja ebensowenig fremd sind.


    Eine grundlegende Wende in dieser Entwicklung hat da wohl erst Schleiermacher geschafft, der in seiner Religionsphilosophie und seiner christlichen Dogmatik die Auflösung ins ethisch-moralische ohne tiefgreifende transzendente Elemente aufgebrochen hat.


    Hat Goethe eigentlich Schleiermacher rezipiert? Muss ich jetzt mal recherchieren...


    Ich selbst hangele mich langsam und mit wenig Motivation durch die Wanderjahre, lese aber nebenbei, bzw. hauptsächlich noch "Der stolze Turm" von Barbara Tuchman (mit dem besten Essay über die Dreyfusaffäre, das ich bisher gelesen habe) und Literaturklatsch von Raddatz in seinen Tagebüchern.


    Vielleicht als Trost und zur Hebung Deiner Motivation: Ich persönlich finde die Wanderjahre weitaus lesbarer und gewinnbringender als die 'Blendung' (die ich für ein fürchterliches Buch halte). :winken: