Beiträge von Telemachos

    Aus Apollodoros' Aussagen in 173c - 174d werde ich noch immer nicht ganz klug. Zuerst meint er, philosophische Dispute seien nützlich und erfreulich, die Reden der Geschäftsleute hingegen seien nichtig; doch würden die reichen Geschäftsleute sagen, dass man mit der Philosophie schlecht (kakodaimon) dran sei, so würde Apollodoros ohne weiteres zustimmen. Folglich widerlegt Apollodoros sich selber. Vielleicht hat das etwas mit der Sokratischen Einstellungen zu tun, bloß wissen zu müssen, dass man nichts wisse. Daher könnte man eigentlich auch nicht beurteilen, ob philosophische Dispute wirklich nützlicher seien als andere. Aber hier verliere ich mich schon wieder in Pedanterien, die womöglich in Aporien führen müssen. Da Apollodoros laut Reclams Personenverzeichnis ein enthusiastischer Jünger Sokrates' war, mag ich auch vermuten, dass dies eine Art Charakterzeichnung jenes Mannes sei...


    Ich hatte ganz ähnliche Gedankengänge beim Lesen wie du. Ist natürlich auch ein ganz lustiger Seitenhieb auf die "Finanzmenschen", die ihre Zeit vergeuden, was der Sprecher auch "ganz sicher" weiß(ἐγὼ μέντοι ὑμᾶς οὐκ οἴομαι ἀλλ᾽ εὖ οἶδα). Ein Klasse Satz. :breitgrins:

    Hallo,


    erstmal finde ich es gut, den Text in so kleine Abschnitte zu teilen. Das wird gerade später auch nötig sein.




    Das glaube ich auch.


    Zitat

    "APOLLODOROS - FREUNDE"


    Ja, das ist mir auch schon aufgefallen, dass hier "ich" und "wir" durcheinander gehen. So in der Übersetzung von Susemihl:

    Zitat

    DER FREUND: ... Gewähre uns vielmehr unsere Bitte...


    Zitat

    Spricht der im pluralis maiestatis? Oder wohl eher als Sprecher einer Gruppe von Freunden? Das kommt mir eher so vor.

    [/quote]


    Es handelt sich auf jeden Fall um eine Gruppe. Ganz zu Anfang spricht Apollodoros auch eine Gruppe an. Über die Situation in der "Jetzt"-Zeit erfahren wir nicht viel, ich stelle mir immer Apollodoros und Freunde in gemütlicher Runde beim Schmausen vor. :zwinker:

    Zitat


    Tja, und was soll das Ganze - die zeitliche und erzählerische Distanz, ich meine die vielen Zwischenstufen des Erzählens? Komödiantisch? Hmm. Folgendes fiele mir ein:
    1. sehe ich eine Vergewisserung der Glaubwürdigkeit des ganzen durch die direkte Linie Sokrates - Apollodor, die man in der Graphik schön sieht, diese bricht also die aufgebauten Indirektionen wieder auf.
    2. Warum aber diese Indirektionen? Nimmt das Gastmahl nicht an Bedeutung zu, wenn es noch über Jahre hinweg - 416 bis 380 - erzählt wird und Gerüchte darüber im Umlauf sind?
    3. Man glaubt aber (wie jener Glaukon), dass es gerade gestern stattgefunden habe. Es ist also alt wie auch - zumindest in den Köpfen der Menschen - ganz neu und aktuell.

    [/quote]
    Zur Funktion des sehr interessanten ersten Abschnittes denke ich folgendes: Man findet darin einen Kernaspekt der platonischen Philisophie, nämlich den Erkenntnisgewinn durch Gespräche. Nicht umsonst sind alle Werke Platons Dialoge und nicht umsonst gründete er später eine Akademie, wo er sich rege mit seinen Schülern austauschte. Nur denken reicht nicht, man muss sich auch den Spiegel vorhalten lassen um weiter zu kommen. So hatte er es ja schon von Sokrates gelernt. Den Punkten, die du genannt hast, stimme ich aber auch zu.


    Ich habe mir die Modulation die du ansprichst noch mal bewusst vor Ohren geführt und muss sagen: Du hast recht. :zwinker:


    Eine tolle Stelle fällt mir gerade noch aus dem Stegreif ein: In Beethovens Streichquartett op.59,1 im 3. Satz(der tieftraurig und rührend ist), wird in der Durchführung einmal das Hauptthema von f-moll nach Des-Dur verändert. Ganz tolle Stelle, von der auch Adorno schwärmt("Charakter der aufgehenden Hoffnung").

    Mir ist der 10.12 recht und ich freue mich schon sehr auf das gemeinsame Durchdringen des Textes. :smile: Ich habe auch schon mal wieder einen Blick reingeworfen und war gleich wieder begeistert.


    Gibt es hier Leser die solche Musikmögen ? Die Rede ist von Komponisten wie ERIK SATIE, K.H.STOCKHAUSEN, EDGAR VARESE oder PIERRE HENRY ?


    Ich mag sowas auch, mein liebster "Moderner"(ist auch schon ein Weilchen her :zwinker:) ist Bela Bartok. Satie fande ich zu Anfang faszinierend, seine Musik bleibt mir aber zu sehr in der Geste hängen, als dass sie mir wirklich gefallen könnte.


    Von Stockhausen mag ich die "Gruppen". Absolut genial ist auch Stravinsky, ich empfehle Petruschka, sowohl das Ballet, als auch die 3 Sätze für Klavier.

    Diese Novelle handelt vom Tod, sicher, aber auch von der Schönheit, und zwar tritt mir hier das Platonische Symposium vor Augen, dort wird ja die Schönheit der Jungen als "Wegweiser" zur wahren, ewigen Schönheit, zur Idee der Schönheit selbst verehrt. Eine Vorstellung, die Mann durchaus nahe stand. Die Schönheit des Tadzio ist (wird!) deshalb unvergänglich und daher ewig ("vollkommen schön"), weil Aschenbach stirbt und daher T. nicht älter (und damit hässlicher) wird. Der Tod A's wäre in dieser Sichtweise das In-die-Welt-Setzen der wahren Schönheit, eine Art Geburt, wie doch auch Sokrates' Wirken als Geburtshilfe beschrieben wurde. In dieser Novelle kommt daher dem Tod eine weitaus größere Bedeutung zu als all die m.E. zu kurz greifenden Bemerkungen zum Alter, zu den quietschfidelen jungen Neffen und Nichten, zur Würde des Alters usw. vermuten lassen. Ich glaube nicht, dass man damit Manns Intention vollständig trifft.


    Ich stimme dir zu, es ist gut durchdacht, was du schreibst. Nur zur Ergänzung: Die Verbindung zu Platon wird ja sogar ganz deutlich hergestellt gegen Ende der Novelle, als Aschenbach die Sokrates-Phaidros "Vision" hat.

    Hallo,


    nachdem ich zur Odyssee-Leserunde aus zeitlichen Gründen leider nicht so viel beitragen konnte wie gewünscht, würde ich es gerne mit Platon nochmal versuchen. Ich mag das Symposion sehr gerne und bin auf den Austausch mit euch gespannt.




    Ich würde die Schleiermachersche Übersetzung zu Rate ziehen, die auch im Netz zu finden ist (http://www.textlog.de/platon-symposion.html). Ich selbst bin des Altgriechischen leider nicht mächtig, daher muss ich mich auf Übersetzungen stützen; hier finde ich bei kritischen Textstellen oftmals die englischen Übersetzungen hilfreich, die andere Lesarten darbieten. Falls es aber wirklich unentscheidbar wird, sollte man auf das Original zurückgehen (wobei selbst das manchmal nicht weiterhilft). Vielleicht gibt es ja einen hilfreichen Altphilologen im Forum?


    Ich bin des Griechischen mächtig und habe auch schon Teile des Symposions im Orginal gelesen. Ich werde auf jeden Fall immer mal einen Blick ins Original werfen, auch wenn ich aus Bequemlichkeit auch eine Übersetzung lesen werde.


    Gruß,
    Telemachos

    Wenn wir schon dabei sind: Ist mir als Nichtdeutscher erlaubt zu fragen, WAS ihr darüber in der Schule oder wo auch immer "lernt" (Anführungszeichen, wegen dem wo auch immer, d.h. Gesellschaft oder Medien z.B. miteinbezogen)? Frage das, weil es mir immer ein sehr heikles Thema schien für Deutsche, halb-unbedachte Äusserungen stiessen oft auf, aus meiner Sicht, übertriebenen Schock oder Beleidigtsein. Deshalb frage ich mich schon länger, ob das Thema tabuisiert wird oder ob vielmehr eine ganze Menge darüber "gelehrt" wird, so dass sich fast eine Art verbindlicher Konsensus einstellt, über den man dann wiederum am liebsten nicht spricht, weil er und die ganze Geschichte als "peinlich" oder sowas ähnliches angesehen wird?
    Die Frage richtet sich insbesondere an junge Menschen - oder Lehrer, ist also auf die heutige Schule bezogen.



    Grüsse
    alpha


    Erfahrungen aus einem deutschen Gymnasium: Hier wird nichts tabuisiert, der 2.Weltkrieg wurde von vorne bis hinten durchgekaut, im Geschichtsunterricht, im Deutschunterricht ganz intensiv und auch in anderen Fächern kommt der Holocaust ab und zu am Rande vor. "Peinlich" wird die Geschichte IMO nicht angesehen, eher stellt sich ein anderer Überdruß ein, nämlich sich endlich von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien und als junger Mensch nicht mehr mit den wohlbekannten Greultaten der Vorfahren in Verbindung gebracht zu werden.


    Selbstverständlich gibst Du Deine eigenen Ideen wieder.
    Daß es in der Gesellschaft Griechenlands keinen Platz für unverheiratete Wittwen gab ist z.B. eine erstaunlich gute Idee von Dir. Andere würden da nicht so einfach von selbst daufkommen.
    Und daß jemand der Vandivers Vorlesung gehört hat genau sagen kann, welche Erklärungen Vandivers Du nicht richtig verstanden hast und welche Du durcheinandergeworfen hast ist purer Zufall.


    Schweitzer Ich glaube wir haben uns nicht richtig verstanden. Wie soll ich Erklärungen Vandivers nicht richtig verstanden haben, wenn ich sie noch nie gehört habe? Außerdem solltest du Wissen(z.B über die griechische Gesellschaft) nicht mit Interpretation verwechseln.


    Ich kann mich täuschen, aber für mich hat deine Antwort eine unangenehm hochnäsige Art. Wenn ich mich täuschen sollte: Nichts für ungut.


    @Leserunde Morgen kommt von mir auch wieder was inhaltliches, ich komme gerade nicht ganz hinterher bei eurem Tempo, denn auch wenn ich die Odyssee kenne, muss ich die Passagen für die Diskussion hier trotzdem noch mal überfliegen. Also, Bis morgen.


    @ Telemachos


    Vielleicht solltest Du hier mal direkt den Kurs von Frau Vandiver empfehlen.
    Bei der Wiedergabe ihrer Erklärungen gerätst Du nämlich öfter in's Straucheln und selbst in Erklräungsnot. :zwinker:


    Vielleicht solltest du keine vorschnellen Schlüsse ziehen, denn den "Kurs" von Frau Vandiver habe ich nicht gelesen. Ergo gebe ich auch nicht ihre Ideen wieder, sondern meine eigenen.


    Deine Deutung hat was, Telemachos. Aber ganz verstehe ich es nicht, denn Kalypso bietet Odysseus an, ihm die Unsterblichkeit zu verleihen. Dann würde er werden wie sie. Hmm. Aber dann würde er sich auch von Grund auf ändern und müsste sein bisheriges Leben verlassen. Möchte er vielleicht genau der bleiben, der er ist. Ist es das?


    Kalypso denkt, sie könnte ihn mit der Unsterblichkeit ködern, aber er will davon ja gar nichts wissen. Ein ewiges Leben interessiert ihn unter den gegebenen Umständen gar nicht, seine Sehnsucht verlangt nach Penelope und Ithaka. Wenn er annehmen würde, dann würde seine Sehnsucht ja, im wahrsten Sinne des Wortes, unendlich verlängert werden. Es ist wie Athene sagt: Lieber noch einmal die Heimat sehen und sterben als ewig fern der Heimat leben. Kalypso kann sich in ihrer Unsterblichkeit die Wichtigkeit und die Stärke der Gefühle eines Sterblichen nicht vorstellen.


    Der Anfang des 5.Buches ist eine tolle Passage. Man stelle sich Odysseus vor: Er gerät nach vielen Mühen auf eine traumhafte Insel, wird von einer wunderschönen Göttin begehrt und könnte von ihr sogar unsterblich gemacht werden. Hört sich an wie das Paradies. Odysseus aber sitzt weninend am Streit und will nicht mit der Göttin das Nachtlager teilen(eigentlich unvorstellbar) :zwinker:.



    Die Unwilligkeit Odysseus' kommt daher, dass ihm die Göttin in ihrer zeitentrückten Unsterblichkeit einfach keine Freude machen kann. Er möchte sein Leben mit seinesgleichen, also mit Menschen, verbringen, weil die Momente des gemeinsamen Glücks durch die zeitliche Beschränkung und wegen des Wissens um ihre Vergänglichkeit umso kostbarer werden. Für Kalypso ist die Zeit mit Odysseus nur ein winziger Abschnitt ihres unendlichen Lebens, den sie früher oder später sowieso wieder vergessen würde. Odysseus ist aber nur wenig Zeit gegeben und diese möchte er mit der Frau erleben, für die diese Beziehung etwas besonderes ist.


    Der Dichter will uns also, in meinen Augen, sagen: Nutze dein Leben dazu, deine Gefühle mit denen auszukosten, die dir wirklich am Herzen liegen.


    Statt zügig Ordnung zu schaffen, d.h. die Freier aus dem Palast zu werfen, den Wind für Odysseus wehen zu lassen, lässt sie den kleinen Telemachos zappeln, wie einen Frosch im Milchkrug. Alles nur der Spannung wegen, alles nur Homer zuliebe, dass er sein Epos verfassen kann. Die Sterblichen als Spielzeug , damit sich die Götter nicht langweilen. Dabei machen sie sich gegenseitig genug Verdruss um umtriebig zu sein. Vielleicht zweifelt die Glutäugige ja auch an der Herkunft von Telemachos und will ihn auf die Probe stellen. Sie versichert ihn zwar ihrer Unterstützung und steigt auf sein Schiff, (dabei bringen Frauen an Bord Unglück) lässt aber die Möglichkeit des Scheiterns offen. Gefragt ist also Mut und der ernsthafte Wille das Vorhaben auszuführen. Auf die Hilfe der Götter ist eben kein Verlass. Damals nicht, heute nicht. Ob das mal gut geht ?


    Mit der Frage nach den Zuständigkeiten und der Rolle der Götter bei Homer wirfst du einen wichtigen Punkt auf, der von den Wissenschaftlern schon lange hitzig diskutiert wird. Ich habe dazu einen sehr interessanten Artikel im Internet gefunden, den man meiner Meinung nach gut als Aufhänger für weiterführende Diskussionen verwenden kann: http://www.scienzz.de/magazin/art10065.html.


    Zu der Stelle, die Lost angesprochen hat: Ich würde das Pferd andersrum aufzäumen. Dadurch, dass sie ihm nicht aktiv hilft, leistet sie ihm viel größere Unterstützung, da er in sich selbst die Kraft finden soll mit den Freiern fertig zu werden. Athene weckt das in ihm schlummernde Potenzial.

    Jaqui:


    Ist das bei Schadewaldt ähnlich?


    Ich bin zwar nicht Jaqui, aber ich lese auch die Schadewaldt-Überstzung am liebsten, und da findet man sowas nicht, zum Glück. Finde ich nicht so passend, diese Umgangssprache. Auch wenn der Sinn klar wird, lese ich lieber Übersetzungen die näher am riginal sind und ich kenne wenige, die das so sehr sind wie Schadewaldt.


    Zitat

    Wieder wird auf die Geschichte von Agamemnon, Aigisth und Orest angespielt. Nestor scheint sie Telemachos geradezu mit pädagogischer Absicht zu erzählen: So wie Orestes musst du es machen, nimm den dir zum Vorbild.


    Genau das glaube ich auch. Homer benutzt Mythen eigentlich nie ohne Hintergedanken.


    Und genau das verstehe ich nicht ganz. Warum soll sie gezwungen werden wieder zu heiraten? Kann sie denn nicht allein bleiben?
    Und warum sind die Männer so bestürzt und verärgert über ihre List?


    Und was ich mich noch gefragt habe: Warum tritt Athene als Mentes auf? Hat das einen bestimmten Grund?


    Sie handelt gegen den Brauch. Wenn der Ehemann tot ist(und das ist anzunehmen, da der Krieg schon 9 Jahre aus ist und alle anderen Helden entweder sicher tot oder zu Hause sind), wird wieder geheiratet.


    In der Hoffnung, dass Odysseus vielleicht doch noch kommt, erfindet Penelope die List mit der Webarbeit, die ihr erlaubt, die Freier, die den Sitten in diesem Punkt vollkommen folgen, wenn sie eine Entscheidung erwarten, hinzuhalten. Umso erzürnter sind die Männer als sie davon erfahren, schließlich steht ihnen zu sich um sie zu bewerben. Das Verhalten der Freier an Odysseus' Hofist natürlich zu tadeln und ziemlich widerwärtig, aber sachlich sind sie im Recht.


    Athene fungiert für Telemachos als Berater, der ihn dabei unterstützen will in seine Rolle hineinzuwachsen. In ihm selber muss sich der Lernprozess vollziehen. Deshalb nimmt sie die Gestalt von Mentes ein, der an der Tür erscheint. Die Sitte gebietet es nun, dass der Hausherr den Fremden hereinbittet, ihm die Sachen abnimmt, ihn bewirtet und dann auffordert etwas über sich zu erzählen. Telemachos handelt der Sitte nach, als er Mentes so empfängt. Man kann aber vermuten, dass er dies das erste Mal tut bzw. das erste Mal sich wie der Hausherr benimmt. Wäre Athene in ihrer eigentlichen Gestalt erschienen, wären die normalen Ehrenbekundungen hinfällig und das Gespräch ein ganz anderes geworden. Als Mentes kann sie ihm als eine Art väterlicher Freund unter die Arme greifen und ihm zum selbstständigen Handeln ermutigen. Das wäre als Göttin nicht gegangen.


    Diese Begegnung zwischen Telemachos und Mentes/Athene ist schon eine tolle Stelle, die mir immer wieder Spaß macht beim Lesen.

    Ich war neulich im Rahmen einer Schul-Projektreise in Wein und bin da unter anderem in den Genuss der Inszenierung des Sommernachtstraums von Shakespeare am Burgtheater gekommen. Da hier ja auch einige Wiener dabei sind, würde mich mal interessieren, ob jemand die Inszenierung gesehen hat und, wenn ja, wie er sie fand.


    Es handelt sich um eine ziemlich moderne Inszenierung. Die Figuren sind modisch und in einigen umgangssprachlichen Einschüben-sonst bleiben die schönen shakespearschen Verse in der Übersetzung von Frank Günther erhalten-der heutigen Zeit angepasst.


    Am Anfang ist der Vorhang gleich offen und man sieht noch wie Handwerker, die auch ins Stück integriert werden, noch an der Bühne arbeiten. Einige Zusschauer haben dann gar nicht gleich gemerkt, dass das Stück anfing. Der Wechsel des Bühnenbildes von der Stadt zum magischen Wald vollzog sich in einem sehr beeindruckenden Hagel von Korkteilen(?) und dem Zusammensturz einer zeltähnlichen Konstruktion auf der Bühne, die dann den Untergrund für die nächsten Szenen war, initiiert von Puck, der weiblich besetzt war. Modern eben.


    Die Schauspieler der Verliebten waren zwar teilweise etwas steif, trotzdem waren sie alles in allem recht gut. Die Eltern bzw. Oberon/Titania waren durch Doppelrollen besetzt, solide und überzeugend. Sehr gut war Puck besetzt, wie schon gesagt, als Frau, die ihre Rolle sehr gut ausführte und gekonnt zwischen den aufmüpfigen und unterwürfigen Seiten Pucks wechselte.


    Der Humor des Stücks wurde IMO sehr gut eingefangen. Es war genauso obszön, wie das Stück sein muss. Dieser Punkt wird ja bei den klassischen Übersetzungen immer wieder "übersehen". Der Höhepunkt war aber die Handwerker-Schauspieler Truppe um Peter Squenz, die in unglaublich witziger Weise ihr Stück vorführten. Das Publikum war begeistert.


    Alles in allem also ein sehr unterhaltsamer Abend. Es war extrem witzig und auch wenn mir einige Kleinigkeiten nicht so gut gefallen haben, bin ich der Meinung eine sehr zufriedenstellende Inszenierung dieses Klassikers gesehen zu haben.


    Gruß,
    Telemachos

    Dann will ich mal mit ein paar einleitenden Worten den Anfang machen.


    Es geht ja schon mal sehr interessant los. Genau wie in der "Ilias" beginnt die Odyssee mit einer Anrufung der Muse, die dem Sänger die Eingebung geben soll die Geschichte von Odysseus zu erzählen. Das revolutionäre daran ist, dass ein Großteil Handlung im Prinzip schon vorweggenommen wird. Die Einleitung, genannt Proömium, ist eine Zusammenfassung der Geschehnisse. Das legt den Schluss nahe, dass der Stoff den Zuhörern schon bekannt war und die Leistung des Sängers darin lag, wie er die Geschichte aufbereitet.


    Wer waren aber die Zuhörer? Es waren Hoheiten, die abends nach dem Essen von Sängern(Dichtern) unterhalten werden wollten. Die Verse waren dabei improvisiert, nichts war aufgeschrieben, d.h. es war für den Dichter die Herausforderung gegeben, auf der Stelle passende Verse zu erfinden, die natürlich in den Hexameter passen mussten. Daraus erklärt sich auch der Sinn der "Formelverse", also der feststehenden Verse(so wie: "Da antwortete ihm hinwieder der Wolkensammler Zeus" oder ähnliches) und der Epitheta. Sie gaben dem Dichter Zeit sich auf die Ausgestaltung des nächsten Verses zu konzentrieren.


    Näheres zur Textgeschichte findet sich ja in den Links aus den "Materialien", trotzdem ist es noch erwähnenswert zu sagen, dass "Homer" kaum eine Person gewesen sein kann und dass die "Ilias" und die "Odyssee" kaum vom selbem Menschen geschrieben worden sein können.


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    Interessant ist auch die Erzählstruktur. Nicht chronologisch wird das Ganze erzählt, sondern mit Vor- und Rückblenden. Der erste Gesang setzt kurz vor Odysseus' Heimkehr ein, nachdem das Meiste schon passiert ist. Athene setzt sich in der Götterversammlung dafür ein, dass Odysseus, den sie schon im trojanischen Krieg protegierte, nun endlich zuhause nach Ithaka gelassen wird.


    Dort geht alles drunter und drüber, weil Penelope sich nicht entscheiden kann, einen neuen Mann zu ehelichen, der König werden könnte. Die Folge ist Chaos am königlichen Hof, der von den Freiern belagert wird, die nicht ohne Entscheidung von Penelope wieder gehen wollen und sich ungeniert an den fremden Gütern bedienen. Zwischen alldem wächst Telemachos, der Sohn von Odysseus, auf. Zu Beginn der Odyssee steht er am Rande des Erwachsenenalters, anstatt aber männlich zu handeln und die Freier zu vertreiben, sitzt er in der Ecke und wünscht sich seinen Vater herbei. Verständlich, schließlich weiß er ohne das männliche Vorbild in der Familie nichts darüber, wie ein Herrscher bzw. sein Sohn sich verhalten sollte.


    Hier breche ich erstmal ab. Es gibt noch weit mehr über den ersten Gesang zu sagen, ich mache hier aber erstmal Schluss und werde mich später noch weiter dazu äußern.

    Hallo,


    schön, dass du dir die Schadewaldt-Übersetung gekauft hast. In meinen Augen ist sie immer noch die beste Übersetzung, da sie am nächsten am griechischen Text dran ist(eigene Erfahrung), und das obwohl sie in Prosa und nicht in Hexametern geschrieben ist. Das große Problem bei Voß ist nämlich, dass er den Hexameter einhalten muss, was bedeutet, dass er um des Versmaß willens in den Text eingreifen muss, Ausschmückungen und Auslassungen vornehmen muss, mit dem Resultat, dass sich die Sprache weit von der homerischen Form unterscheidet. Homer ist einfach nicht so blumig, wie man bei Voß den Eindruck kriegen könnte, sein Text ist eine Neufassung.


    Ich würde also jedem, der wirklich Homer lesen will, zur Schadewaldt-Übersetzung raten.


    Da sich Madeleine anscheinend aus dem Forum verabschiedet hat, wollte ich mal nachfragen ob noch Interesse an der LR besteht.


    Telemachos: Noch dabei?


    Katrin


    Hallo,


    ja, ich bin noch dabei und mein Interesse an der Leserunde ist ungebrochen.


    Mangels regelmäßigem Internet-Zugang in den letzten Wochen konnte ich nicht so oft hier reinschauen und habe auch die Conrad-Leserunde verschlafen(Tut mir leid). Aber jetzt bin ich wieder regelmäßiger dabei.