Oktober 2008 - Homer: Die Odyssee

  • Dann will ich mal mit ein paar einleitenden Worten den Anfang machen.


    Es geht ja schon mal sehr interessant los. Genau wie in der "Ilias" beginnt die Odyssee mit einer Anrufung der Muse, die dem Sänger die Eingebung geben soll die Geschichte von Odysseus zu erzählen. Das revolutionäre daran ist, dass ein Großteil Handlung im Prinzip schon vorweggenommen wird. Die Einleitung, genannt Proömium, ist eine Zusammenfassung der Geschehnisse. Das legt den Schluss nahe, dass der Stoff den Zuhörern schon bekannt war und die Leistung des Sängers darin lag, wie er die Geschichte aufbereitet.


    Wer waren aber die Zuhörer? Es waren Hoheiten, die abends nach dem Essen von Sängern(Dichtern) unterhalten werden wollten. Die Verse waren dabei improvisiert, nichts war aufgeschrieben, d.h. es war für den Dichter die Herausforderung gegeben, auf der Stelle passende Verse zu erfinden, die natürlich in den Hexameter passen mussten. Daraus erklärt sich auch der Sinn der "Formelverse", also der feststehenden Verse(so wie: "Da antwortete ihm hinwieder der Wolkensammler Zeus" oder ähnliches) und der Epitheta. Sie gaben dem Dichter Zeit sich auf die Ausgestaltung des nächsten Verses zu konzentrieren.


    Näheres zur Textgeschichte findet sich ja in den Links aus den "Materialien", trotzdem ist es noch erwähnenswert zu sagen, dass "Homer" kaum eine Person gewesen sein kann und dass die "Ilias" und die "Odyssee" kaum vom selbem Menschen geschrieben worden sein können.


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    Interessant ist auch die Erzählstruktur. Nicht chronologisch wird das Ganze erzählt, sondern mit Vor- und Rückblenden. Der erste Gesang setzt kurz vor Odysseus' Heimkehr ein, nachdem das Meiste schon passiert ist. Athene setzt sich in der Götterversammlung dafür ein, dass Odysseus, den sie schon im trojanischen Krieg protegierte, nun endlich zuhause nach Ithaka gelassen wird.


    Dort geht alles drunter und drüber, weil Penelope sich nicht entscheiden kann, einen neuen Mann zu ehelichen, der König werden könnte. Die Folge ist Chaos am königlichen Hof, der von den Freiern belagert wird, die nicht ohne Entscheidung von Penelope wieder gehen wollen und sich ungeniert an den fremden Gütern bedienen. Zwischen alldem wächst Telemachos, der Sohn von Odysseus, auf. Zu Beginn der Odyssee steht er am Rande des Erwachsenenalters, anstatt aber männlich zu handeln und die Freier zu vertreiben, sitzt er in der Ecke und wünscht sich seinen Vater herbei. Verständlich, schließlich weiß er ohne das männliche Vorbild in der Familie nichts darüber, wie ein Herrscher bzw. sein Sohn sich verhalten sollte.


    Hier breche ich erstmal ab. Es gibt noch weit mehr über den ersten Gesang zu sagen, ich mache hier aber erstmal Schluss und werde mich später noch weiter dazu äußern.


  • Trotzdem ist es noch erwähnenswert zu sagen, dass "Homer" kaum eine Person gewesen sein kann und dass die "Ilias" und die "Odyssee" kaum vom selbem Menschen geschrieben worden sein können.


    Dass wiederrum finde ich sehr bemerkenswert, denn bis eben habe ich nicht einmal gewusst, dass es darüber eine Diskussion gibt. Aber bei wikipedia ist die Homerische Frage erläutert.


    Man lernt eben nie aus.


    Ich komme leider erst morgen dazu mit dem Buch anzufangen.


    Katrin

  • Hallo,


    ich wollte eigentlich heute abend anfangen und wenigstens den ersten Gesang lesen, aber nach den ersten 100 Versen fallen mir leider schon die Augen zu. So richtig geht es bei mir auch erst morgen oder übermorgen los.
    Ich werde wohl die Übersetzung von Kurt Steinmann lesen.


    Da heißt Athene "die funkeläugige Göttin Athene". "Des Zeus blauäugichte Tochter", "die Göttin mit Augen der Eule" und "helläugig" habe ich schon mal gehört. Funkeläugig ist gut!


  • Dort geht alles drunter und drüber, weil Penelope sich nicht entscheiden kann, einen neuen Mann zu ehelichen, der König werden könnte. Die Folge ist Chaos am königlichen Hof, der von den Freiern belagert wird, die nicht ohne Entscheidung von Penelope wieder gehen wollen und sich ungeniert an den fremden Gütern bedienen. Zwischen alldem wächst Telemachos, der Sohn von Odysseus, auf.


    Und genau das verstehe ich nicht ganz. Warum soll sie gezwungen werden wieder zu heiraten? Kann sie denn nicht allein bleiben?
    Und warum sind die Männer so bestürzt und verärgert über ihre List?


    Und was ich mich noch gefragt habe: Warum tritt Athene als Mentes auf? Hat das einen bestimmten Grund?


    Ich bin nun mitten im zweiten Gesang uns schön langsam komme ich in die Geschichte (die ich ja schon mal gehört habe) und die Sprache rein.


    @Nautilus: Bei mir ist Athene übrigens die helläugige.
    Ich lese übrigens die Übersetzung von Schadwaldt, habe aber auch die von Voss zu Hause, da ist sie die blauäugige.


    Katrin


  • @Nautilus: Bei mir ist Athene übrigens die helläugige.


    Im Unterricht war sie bei uns immer die "Eulenäugige" (glaukopis). Nach Gemoll (Griechisch-Woerterbuch) sind "strahlenaeugige" oder "glanzaeugige" bessere Uebersetzungen, und "eulenaeugige" heisse es nur "nach den Alten", was auch immer damit gemeint ist. :?:


  • Und genau das verstehe ich nicht ganz. Warum soll sie gezwungen werden wieder zu heiraten? Kann sie denn nicht allein bleiben?
    Und warum sind die Männer so bestürzt und verärgert über ihre List?


    Und was ich mich noch gefragt habe: Warum tritt Athene als Mentes auf? Hat das einen bestimmten Grund?


    Sie handelt gegen den Brauch. Wenn der Ehemann tot ist(und das ist anzunehmen, da der Krieg schon 9 Jahre aus ist und alle anderen Helden entweder sicher tot oder zu Hause sind), wird wieder geheiratet.


    In der Hoffnung, dass Odysseus vielleicht doch noch kommt, erfindet Penelope die List mit der Webarbeit, die ihr erlaubt, die Freier, die den Sitten in diesem Punkt vollkommen folgen, wenn sie eine Entscheidung erwarten, hinzuhalten. Umso erzürnter sind die Männer als sie davon erfahren, schließlich steht ihnen zu sich um sie zu bewerben. Das Verhalten der Freier an Odysseus' Hofist natürlich zu tadeln und ziemlich widerwärtig, aber sachlich sind sie im Recht.


    Athene fungiert für Telemachos als Berater, der ihn dabei unterstützen will in seine Rolle hineinzuwachsen. In ihm selber muss sich der Lernprozess vollziehen. Deshalb nimmt sie die Gestalt von Mentes ein, der an der Tür erscheint. Die Sitte gebietet es nun, dass der Hausherr den Fremden hereinbittet, ihm die Sachen abnimmt, ihn bewirtet und dann auffordert etwas über sich zu erzählen. Telemachos handelt der Sitte nach, als er Mentes so empfängt. Man kann aber vermuten, dass er dies das erste Mal tut bzw. das erste Mal sich wie der Hausherr benimmt. Wäre Athene in ihrer eigentlichen Gestalt erschienen, wären die normalen Ehrenbekundungen hinfällig und das Gespräch ein ganz anderes geworden. Als Mentes kann sie ihm als eine Art väterlicher Freund unter die Arme greifen und ihm zum selbstständigen Handeln ermutigen. Das wäre als Göttin nicht gegangen.


    Diese Begegnung zwischen Telemachos und Mentes/Athene ist schon eine tolle Stelle, die mir immer wieder Spaß macht beim Lesen.


  • Sie handelt gegen den Brauch. Wenn der Ehemann tot ist(und das ist anzunehmen, da der Krieg schon 9 Jahre aus ist und alle anderen Helden entweder sicher tot oder zu Hause sind), wird wieder geheiratet.


    Aber es gibt keinen Beweis, dass er tot ist, und daher ist sie im Recht - so sehe ich das eben.


    Katrin


  • Ich sehe das ja gar nicht anders, ich wollte nur auf die Frage antworten. :zwinker:


    :breitgrins: Ich wollte dir auch nicht unterstellen, dass du es anders siehst :breitgrins:


    Ich bin mittlerweile im dritten Gesang und es macht richtig Spaß das Buch zu lesen. Mal sehen ob Nestor Telemachos weiterhelfen kann.


    Katrin

  • Ich glaube nicht, dass die Freier im Recht sind, wenn sie sich Tag für Tag im Haus des Odysseus aufhalten und „das Gut kahlscheren“. Im ersten Gesang werden sie wenigstens dreimal dafür vom Erzähler getadelt, ebenso von Athene. Telemachos sagt im zweiten Gesang in der Volksversammlung, dass ein Erwachsener, ein erfahrener und starker Mann wie Odysseus, sie längst vertrieben hätte. Er selber und Penelope sind bloß nicht stark genug, ihr Recht durchzusetzen. Die Freier sind viele, sie sind außerdem die Söhne der besten Ithakesier. Sie nehmen sich, was sie kriegen können, weil eine Frau und ein einzelner Mann, der gerade erst an der Schwelle zum Mannesalter steht, gegen sie nicht aufkommen können.


    Es kann zwar sein, dass eine Werbung um Penelope angemessen ist, aber nicht wenn die Bewerber um Penelope sich gleich im Rudel aufdrängen und Jahre lang auf Kosten der Braut leben.


    Überhaupt scheint Ithaka ohne den König Odysseus teilweise in Rechtlosigkeit zu versinken. Die Volksversammlung hat nicht mehr getagt, seit Odysseus nach Troja gezogen ist, und Mentor klagt auch die Volksversammlung an, dass sie schon so lange geduldet hat, wie sich die Freier sich von Odysseus‘ Haus aufführen. Aber nach der aggressiven Äußerung eines Freiers, die Freier würden selbst Odysseus töten, wenn er noch nach Hause käme, sagt kein anderer mehr etwas (wagt es nicht mehr?).


    Das „schnelle Heranwachsen“ Telemachs, das unser Telemachos angesprochen hat, ist schon spannend: Nach der Begrüßung von Mentes setzt er sich mit seiner Mutter auseinander und weist sie in ihre Schranken (auch wenn das für uns heute reichlich unhöflich klingt), dann setzt er sich am selben Abend noch mit den Freiern auseinander und droht ihnen ziemlich offen, sie zu töten, wenn sie sich nicht aus seinem Haus fernhalten. Im zweiten Gesang, nach der Volksversammlung, redet Antinoos noch einmal kurz mit Telemachos: Da sagt Telemachos zum ersten Mal, dass er sich nicht mehr als Kind fühlt, sondern als Erwachsener.
    In Telemachs Vorhaben, nach Pylos und Sparta zu segeln, sehen die Freier sofort die Absicht, Bundesgenossen gegen sie zu finden, damit er sie vertreiben kann. Ich bin nicht mehr sicher, ob Telemachos bei Nestor und Menelaos wirklich versucht, Männer zu gewinnen, die mit ihm nach Ithaka gehen, um gegen die Freier zu kämpfen.


    Die Freier sprechen in der Volksversammlung von ihrer Werbung, aber man kriegt das Gefühl, dass ihnen die gegenwärtige Situation gar nicht unangenehm ist. Sie machen sie ein lustiges Leben, und wenn sie auch Penelope nicht bekommen können, halten sie sich an die Mägde (wie wir später erfahren). Die Aussicht, Penelope könnte sich einmal für einen von ihnen entscheiden, scheint ihnen immer auch Sorgen zu machen, weil dann das lustige Leben als „Jungbullenbande“ zu Ende ist.


    Ich wollte noch sagen, dass ich kein Griechisch kann. Ob helläugig oder was immer die beste Übersetzung ist, kann ich gar nicht beurteilen. Ich finde nur, dass funkeläugig ein schönes Wort für Athene ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Nautilus ()


  • Ich bin nicht mehr sich er, ob Telemachos bei Nestor und Menelaos wirklich versucht, Männer zu gewinnen, die mit ihm nach Ithaka gehen, um gegen die Freier zu kämpfen.


    Ich denke eher, dass er mehr über den Verbleib seines Vaters herausfinden will. Ich habe das Gefühl, er will diese unerträgliche Situation in seinem Haus beenden und da er nicht die Kraft hat die Männer zu vertreiben muss er herausfinden ob sein Vater noch lebt um einen Schlussstrich unter das Ganze zu ziehen.


    Katrin

  • Hallo,


    ich bin gerade erst mit dem ersten Gesang durch. Interessant fand ich das Verhalten der Götter. Zeus schätzt also Odysseus und erinnert sich seiner Opfer, wollte / konnte aber bislang offenbar nichts unternehmen, weil er Poseidon nicht in die Quere kommen wollte / konnte, bzw. weil er diesem in gewisser Weise seinen Zorn zugesteht (Auge um Auge). Dann aber nutzt er auf der anderen Seite dessen Abwesenheit, um kurzerhand die Dinge in Bewegung zu bringen.


    Offenbar hat man ja nicht nur beschlossen, dass erstens Athene mit Telemachos sprechen soll, sondern zweitens auch, dass Hermes zu Odysseus losgeschickt wird. Es geht also nicht nur um die bloße Heimkehr von Odysseus (sonst würde es ja auch reichen, sich direkt zu ihm zu begeben), sondern auch darum, tja - den Reifeprozess Telemachos' anzustoßen? Und ihn so dazu zu bringen, die Freier zu bekämpfen und die Ehre seines Vaters bzw. seiner Familie einschl. seiner eigenen zu verteidigen?


    Interessant auch, wie Zeus die Aigisthos-Geschichte kommentiert: Die Menschen sind selbst schuld an ihrem Unglück, sie haben eine Wahl. Dem wird ja später von Telemachos indirekt widersprochen, wenn er sagt, es seinen die Götter, die das Leid über die Menschen brächten. Wir werden sehen, wie es weitergeht und wer von der Geschichte bestätigt wird.


    Mir ist noch aufgefallen, dass im Proömium eigentlich keine Rede von Penelope ist. Und als Athene Telemachos die Orestes-Geschichte in Erinnerung ruft (wieder das Aigisthos-Thema, das hier irgendwie vergleichend herangezogen wird), läßt sie Klytaimnestras Rolle darin aus. Kann mir aber noch keinen Reim darauf machen, ob das hier wichtig ist.


    Achim

  • Hallo



    Noch unschlüssig ob ich die lange Irrfahrt auf mich soll, habe ich gerade den ersten Gesang in der Prosafassung von Christoph Martin gelesen. Martin wählt eine nüchterne bis saloppe Sprache in die er gegenwärtige, gebräuchliche Redewendungen einfließen lässt, was mir nicht ganz behagt.
    Telemachos lässt er zum Beispiel zu den Freiern sagen: "Regt euch wieder ab."... und einer antwortet ihm: "Du hast anscheinend ein paar Nachhilfestunden von den Göttern erhalten in hochfahrender Rhetorik und polemischen Markgeschrei!"


    Jaqui:


    Ist das bei Schadewaldt ähnlich?

  • Ich komme mit der Steinmann-Übersetzung nicht zurecht. Die Hexameter sind oft reichlich holprig, die Satzstellung ist oft kompliziert, und das macht den Text schwer verständlich. Normalerweise lese ich den Text halblaut vor mich hin. Da stört es mich ziemlich, wenn die Verse stolpern und holpern. Es ist nicht immer so, manche Stellen lesen sich auch sehr gut, aber ich lese jetzt die Übersetzung von Anton Weiher weiter.


    In der sandigen Pylos bei Nestor lernt man die griechische Gastfreundschaft kennen. Nestor und seine Söhne sind freundlich zu den Gästen, Mentor (Athene) als der ältere bekommt zuerst zu trinken, später stattet Nestor Telemachos mit einem seiner Wagen aus und gibt ihm einen seiner Söhne als Begleiter mit.
    Nestor und auch Mentor/Athene versuchen zwar, Telemachos zu ermutigen, aber so richtig gelingt es ihnen nicht.


    Wir erfahren jetzt, wie einige der Achäer nach Hause gekommen sind. Nestor hat großes Glück gehabt, denn seine Heimfahrt ist glatt verlaufen. Auch Menelaos ist es nicht schlecht ergangen; seine Rückkehr hat sich zwar verzögert, aber er hat unterwegs noch reichlich Gold und andere Kostbarkeiten mitbekommen. Telemachos könnte das eigentlich als Hoffnungszeichen deuten, dass sein Vater möglicherweie nicht nur wiederkommt, sondern sogar reich beladen mit Schätzen, aber er tut es nicht. - Der Leser weiß allerdings schon aus dem Proömium, dass Odysseus sein Leben rettet, mehr nicht.
    Wieder wird auf die Geschichte von Agamemnon, Aigisth und Orest angespielt. Nestor scheint sie Telemachos geradezu mit pädagogischer Absicht zu erzählen: So wie Orestes musst du es machen, nimm den dir zum Vorbild.


    Der Grund für Athenes Zorn auf die Griechen ist nach dem Kommentar, dass Ajax in Athenes Tempel in Troja Kassandra vergewaltigt hat und dass die Griechen ihn nicht zur Verantwortung gezogen haben. Weiß jemand, warum die Griechen das so lax gehandhabt haben?
    Das Verhalten Athenes verstehe ich nicht: Selbst die Achäer, die sich an Menelaos‘ Rat halten und zeitig von Troja losfahren, ohne Opfer zu bringen, kommen zum Teil gut nach Hause. Nur ein Teil der Heimkehrer schafft es nicht. Auch in der Zeit, als die „Odyssee“ spielt, scheint Athene Nestor nichts nachzutragen.


    @ Achim: Die "Götterei" finde ich schwer verständlich. Dem Ägisth hatten die Götter durch Hermes sagen lassen, er solle Klytämnestra in Ruhe lassen, er hat sich demnach eindeutig durch seine eigene Schuld ins Unglück gebracht. - Im 3. Gesang heißt es dann wieder: "Aber da schnürte die Schickung der Götter ihn ein ins Verderben." (III, 269) (den Sänger, der in Agamemnons Auftrag auf Klytämnestra aufpassen soll). Merkwürdig.
    Ich weiß sowieso nicht, wie ich die ganze Götterei verstehen soll: Gibt es das nur in literarischen Texten? In manchen grimmschen Märchen wandelt der liebe Gott auf Erden und Feen erfüllen Wünsche, aber im Alltag glaubte man das auch im 19. Jahrhundert nicht. Oder kam es auch im Alltag der antiken Griechen vor, dass z. B. jemand morgens seiner Frau sagte: "Heute nacht hat mir Zeus einen Traum geschickt, und ich soll dasunddas tun? Oder dass jemand ernsthaft glaubte, ein Gott habe die Gestalt eines anderen Griechen angenommen?

  • Jaqui:


    Ist das bei Schadewaldt ähnlich?


    Ich bin zwar nicht Jaqui, aber ich lese auch die Schadewaldt-Überstzung am liebsten, und da findet man sowas nicht, zum Glück. Finde ich nicht so passend, diese Umgangssprache. Auch wenn der Sinn klar wird, lese ich lieber Übersetzungen die näher am riginal sind und ich kenne wenige, die das so sehr sind wie Schadewaldt.


    Zitat

    Wieder wird auf die Geschichte von Agamemnon, Aigisth und Orest angespielt. Nestor scheint sie Telemachos geradezu mit pädagogischer Absicht zu erzählen: So wie Orestes musst du es machen, nimm den dir zum Vorbild.


    Genau das glaube ich auch. Homer benutzt Mythen eigentlich nie ohne Hintergedanken.

  • Menelaos ist ein reicher Mann und ein Weltmann. Kommt es euch auch so vor, dass man in seinen Worten, auch wenn er sich bescheiden gibt, immer spürt, wie stolz er auf seinen Reichtum ist? Er sagt, er liebe Odysseus so sehr, dass er ihn, wenn er wiederkäme, in seiner Nähe behalten und seinen Palast und alle seine Leute nach Argos umsiedeln - auf so eine Idee kommt wohl nur ein Mann, für den Geld keine Rolle spielt. (Nur als Redensart, Geld gibt es ja nicht in der „Odyssee“.). Er schenkt Telemachos auch nicht nur einen schönen und wertvollen Mischkrug, nein, es ist einer, den Hephaistos selbst gefertigt hat.


    Wir hören zwei Episoden aus dem trojanischen Krieg, die die Vielgewandtheit oder Wendigkeit und Klugheit Odysseus‘ zeigen, die bisher immer nur in den Beiworten des Erzählers behauptet wurde. Nebenbei zeigen sie uns auch die merkwürdige Stellung Helenas in Troja, denn sie hat mal heimlich die Achäer unterstützt, dann aber auch wieder den Troern geholfen. Menelaos meint, letzteres durch den Einfluss eines Daimons. Was soll er auch sonst sagen?


    Hier gibt es auch das erste „Seemannsgarn“, noch ehe Odysseus aufgetreten ist: Menelaos fängt dank der Mithilfe von dessen Tochter Proteus, den Meeresalten, damit er ihm sagt, was er tun muss, um nach Hause zu kommen. Und endlich erfährt Telemachos etwas über seinen Vater: dass er noch lebte und auf einer Insel festgehalten wurde, als Menelaos in Ägypten festsaß. Menelaos kam, wie Nestor im dritten Gesang erzählt, erst im achten Jahr nach dem Ende des trojanischen Krieges nach Hause, also ist die Neuigkeit erst ca. zwei Jahren alt.


    Penelope bricht regelrecht zusammen, als sie von Telemachos‘ Fahrt und dem Anschlag der Freier erfährt. - Mir ist noch aufgefallen, dass Medon, der Herold (wohl noch aus der Zeit Odysseus‘) Penelope mit den Worten „meine Königin“ anredet - und das gerade in einer Situation, als sie sich besonders ohnmächtig fühlt.


    Mit diesem Gesang habe ich mich etwas beeilt, damit ich endlich zum fünften Gesang und damit zu Odysseus komme.

  • Danke Telemachos für deine Hinweise !


    So konnte ich noch heute die Schadewaldt-Übersetzung bestellen und erwarte, dass ich am Montag weiter lesen kann. Der deutsche Buchhandel ist schon seine gebundenen Preise wert.


    Gestern las ich noch den 2. Gesang in der Martin-Übersetzung und kann nur mit dem Kopf schütteln. Nicht wegen der Übersetzung, sondern der Götter und besonders der Göttinnen wegen. Ich bin versucht auszurufen: Typisch Frau!
    Da kann Athene jede Gestalt annehmen, kann Wind zum Segeln herbei rufen und eine ganze Bande Männer hypnotisieren, (was die meisten Frauen können) und was macht sie damit?


    Statt zügig Ordnung zu schaffen, d.h. die Freier aus dem Palast zu werfen, den Wind für Odysseus wehen zu lassen, lässt sie den kleinen Telemachos zappeln, wie einen Frosch im Milchkrug. Alles nur der Spannung wegen, alles nur Homer zuliebe, dass er sein Epos verfassen kann. Die Sterblichen als Spielzeug , damit sich die Götter nicht langweilen. Dabei machen sie sich gegenseitig genug Verdruss um umtriebig zu sein. Vielleicht zweifelt die Glutäugige ja auch an der Herkunft von Telemachos und will ihn auf die Probe stellen. Sie versichert ihn zwar ihrer Unterstützung und steigt auf sein Schiff, (dabei bringen Frauen an Bord Unglück) lässt aber die Möglichkeit des Scheiterns offen. Gefragt ist also Mut und der ernsthafte Wille das Vorhaben auszuführen. Auf die Hilfe der Götter ist eben kein Verlass. Damals nicht, heute nicht. Ob das mal gut geht ?


    Ich hoffe ihr habt nichts dagegen, dass ich mich in die Leserunde einklinke. Nächste Woche bin ich auf Reisen, mit Schadewaldt im Tornister, wenn mich nicht das Pech oder die Götter verfolgen.

  • Lost: Im Gegenteil, klinke dich nur ein.


    Telemachos hat die Frage ja schon beantwortet. Aufgrund der saloppen Sprache habe ich den Christoph Martin im Buchhandel gelassen und mich für Schadewaldt entschieden.


    Das mit "Typisch Frau" finde ich einen netten Einwurf, denn ich hätte das gar nicht so gesehen, dass sie ihn zappeln lassen will und nur hinhalten. Als Frau liest man das eben doch noch anders. :zwinker:


    Wirklich weiter bin ich noch nicht gekommen, aber ich bin schon sehr gespannt ob Nestor ein wenig weiterhelfen kann.


    Katrin