Hermann Hesse

  • Zitat von "Céleste"

    Was ist denn noch empfehlenswert von Hesse?


    Ich neige dazu, mit Hesse meine Mühe zu haben, weshalb ich dann auch eher zurückhaltend geworden bin, seine Bücher zu lesen - aber über die Jahre werde ich wohl doch noch das eine oder andere lesen, denke ich...


    Halbwegs empfehlendswert finde ich "Unterm Rad" - Fand die Geschichte irgendwie eindrücklich, sprachlich wohl kein Meisterwerk, aber immerhin lesbar (auch nicht so lang :zwinker: )



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • ich habe bisher nur den "steppenwolf" und im rahmen des deutschunterrichtes "unterm rad" gelesen, und fand beides ziemlich lesenswert. [size=9px] das liegt vielleicht daran, dass ich mich mit den hauptfiguren sehr gut identifizieren konnte... [/size] aber ich fand es auch erstaunlich, wie man mit einer eigentlich sehr simplen sprache so viel aufbauen kann. seine personenkonstruktionen sind einfach wunderbar, meiner meinung nach.


    es mag sein, dass der steppenwolf einige fragen aufwirft, aber ich finde, genau das macht unter anderem den reiz des buches aus, dieses seltsame, fragwürdige... gut, verachtet mich jetzt meinetwegen dafür.

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Ich kann lebenszeichen nur zustimmen, ähnlich sehe ich es auch. Was mich bei Unterm Rad so fasziniert, ist diese Aktualität. Eigentlich müsste dieses Buch in einigen asiatischen Ländern ein Bestseller sein. Auch bei einigen westlichen Eliteuniversitäten sind die Selbstmordraten hoch. Die Gründe lassen sich in "Unterm Rad" finden. Ein sehr beklemmendes und immer noch aktuelles Buch. Die meisten Schwierigeiten hatte ich mit "Steppenwolf". Das Buch fand ich viel schwerer als zum Beispiel die "Morgenlandfahrt" und "Das Glasperlenspiel". Vielleicht ist es das surrealistisch-psychologische Ende, dem ich nicht zu beikam. Einige Stellen am Anfang und in der Mitte des Buches finde ich aber bewundernswert beschrieben und die Stimmungen und Gefühle sind wirklich sehr gut wiedergegeben und nachvollziehbar. Der "Steppenwolf" ist wohl eines der Bücher die Hesse am nähesten kamen, noch vor "Morgenlandfahrt", "Knulp' und "Klingsors letzter Sommer". Letztes Buch ist immer noch mein "Lieblingshesse". Ein Buch, das ich immer wieder gerne lese und auch als Hörbuch besitze (von Gert Westphal gelesen). Und was mir eigentümlicherweise sehr liegt und nahe geht, sind Hesses Gedichte! Natürlich besitze ich die "Sämtlichen Gedichte" Hesses, wie auch viele andere Bücher Hesses. Ich mag ihn nun einmal, ich mag sein Werk und es bleibt mich fesseln, nach all den Jahren. Immer wieder gibt es etwas neues zu entdecken oder bekanntes erscheint in einem anderen Licht... Ein unendliches Thema dieser Hesse und sein Werk! FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Zitat von "lebenszeichen"


    es mag sein, dass der steppenwolf einige fragen aufwirft, aber ich finde, genau das macht unter anderem den reiz des buches aus, dieses seltsame, fragwürdige... gut, verachtet mich jetzt meinetwegen dafür.


    Dich verachten? - Weshalb denn? - Ich dachte, wir seien ziemlich tolerant, was Lesegeschmach anbelangt hier im Forum?! - Naja, sei dem, wie ihm wolle, ich persönlich werde niemanden verachten, nur weil er den Steppenwolf nicht für den letzten Mist hält - halte diese Buch ja auch nicht für völlig verunglückt und hatte mit ihm auch weniger Mühe als mit dem Narciss...
    Wobei ich schon anmerken möchte, dass das, was ich am Steppenwolf schätze, die im weitesten Sinne geselltschaftskritischen Passagen sind... Was mir bis heute unverständlich ist: Die Mordlust von Harry Haller: Weshalb er sich im magischen Theater (oder war es in einer anderen abgedrehten Passage?) daran erfreut, alles über den Haufen zu schiessen, das bleibt mir ein Rätsel - und Harry selbst wohl auch - oder habe ich da etwas falsch in Erinnerung? - Habe zwei Seiten nochmals überblättert - irgendwie erschütternd!



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Seine Mordlust hängt wohl mit seiner Verzweiflung zusammmen. Wenn man verzweifelt ist, ist einem alles egal, auch seine Prinzipien, denn Haller ist ja eigentlich gegen den Krieg!
    Wobei ich das gar nicht widersprüchlich finde. Er ist enttäuscht von seiner Umwelt, und will deswegen sich und alle totschießen.
    Ich kann ihn irgendwie verstehen.

  • Friedrich arthur: von hesses gedichten kenne ich bisher nur "stufen", was mir in einer passenden situation geschenkt wurde und zu dem ich daher eine sehr persönliche beziehung aufbauen konnte. wieder etwas, wo ich mich noch vertiefen müsste...
    ich denke, diese mordlust könnte auch etwas mit dem tierischen instinkt eines hungrigen wolfes zu tun haben, obwohl die verzweiflung natürlich die größte rolle spielt. harry haller hat äußerst suizidale züge, und vielleicht ist es in gewisser weise ein amoklauf... dieses ewige "schlag doch die welt tot", ich kann es nicht beschreiben...

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Zitat

    Was mir bis heute unverständlich ist: Die Mordlust von Harry Haller: Weshalb er sich im magischen Theater (oder war es in einer anderen abgedrehten Passage?) daran erfreut, alles über den Haufen zu schiessen, das bleibt mir ein Rätsel - und Harry selbst wohl auch - oder habe ich da etwas falsch in Erinnerung? - Habe zwei Seiten nochmals überblättert - irgendwie erschütternd!


    Es geht um Eifersucht ... und um Sigmund Freud bzw. C. G. Jung ... Mögen diese Andeutungen genügen.


    Gruß,
    R.

  • xenophanes: das überlese ich jetzt mal... :zwinker:


    was ich noch zum thema aktualität sagen wollte: an unserer schule war das buch auch ein brennpunkt, wir sind ebenfalls ein internat [size=9px](für "elitäre wesen", mein gott, wie ich diese differenzierung hasse)[/size], wobei diese genieschmiedencharakterisierung, wie sie bei hesse auftritt, meiner meinung nach nur in sehr begrenztem maße zutrifft... zu frühes erwachsenseinmüssen tut nicht allen gut, jedenfalls nicht jenen, die es damit ernst nehmen, wie eben giebenrath.


    aber das thema lasse ich besser.

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  • Hallo Lebenszeichen,


    "Unterm Rad" ist immer noch ein aktuelles Buch, ein Buch, dass in unsere Elitediskussion passt. Es ist ein beklemmendes Buch, so empfand ich es immer. Auch andere Bücher Hesses finde ich beklemmend, wie "Knulp", "Der Steppenwolf", das Ende von "Narziss und Goldmund" und "Demian", "Das Glasperlenspiel" usw., wobei die Enden der Romane und Erzählungen wiederum nicht nur beklemmend, sondern auch befreiend sind. Es wird eine innere Spannung und ein Leiden aufgelöst und das finde ich gut, wie tragisch es auch endet. So fand ich Knulps Ende, um ein Beispiel zu nennen, tragisch aus meiner Sicht, aber aus Knulps Sicht war es eine Erlösung. Das beherrschte Hesse wirklich großartig, die Motivation aus einer anderen Einstellung und Überzeugung, aus einem anders gelebten Leben heraus. Aber das ist nur einier der Punkte, warum ich so von Hermann Hesse begeistert bin. Es gibt viele mehr und ich lasse mir auch die Hessebegeisterung nicht mehr zerreden und zerschrieben. Kritikpunkte will ich Hesse gegenüber nicht unter den Teppich kehren, aber was bleibt ist ein überaus großes, arbeitsreiches, von Hesse vorgelebtes, nie auszulesendes Gesamtwerk, das in der deutschsprachigen Literatur seinen unsterblichen und festen Platz hat, den kein Kritiker mehr klein-, geschweige denn kaputtreden kann (wozu es wahrlich genug Bestrebungen gab)... Das freut mich letztendlich noch am Meisten, dass Hesses Werk und die weltweit große Hessefangemeinde einander gefunden haben - trotz der Literaturkritik, die Hesse übel mitgespielt hat. Ich schreibe dass aber nicht nur aus Genugtuung, sondern mir wahrer Freude...


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • hach ja, du sprichst mir aus der seele... hesse schafft es irgendwie, dass man von der ersten seite an ein ungutes gefühl gegenüber dem ausgang des buches hat, und das trotzdem alles eigentlich mit einer nüchternheit beschrieben ist, die mich manchmal geradezu erschreckt. und trotzdem ist da immer ein unterschwelliges einfühlen, ein eigenes verständnis für den charakter. und gerade bei "unterm rad" ist das wohl nicht verwunderlich.

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Zitat

    Im September 1946 wurde Hesse der Goethe-Preis der Stadt Frankfurt, im November der Nobelpreis für Literatur verliehen. Sein Gesundheitszustand verbot ihm, nach Schweden zu reisen, um den Preis persönlich entgegenzunehmen. Aber in seiner Dankadresse erklärte er: “Ich fühle mich mit Ihnen allen vor allem durch den Gedanken verbunden, welcher der Stiftung Nobels zugrunde liegt, den Gedanken von der Über-Nationalität und Internationaliät des Geistes und seiner Verpflichtung, nicht dem Kriege und der Zerstörung, sondern dem Frieden und der Versöhnung zu dienen. Darin, daß der mir verliehene Preis zugleich eine Anerkennung der deutschen Sprache und des deutschen Beitrags an der Kultur bedeutet, sehe ich eine Gebärde der Versöhnlichkeit und des guten Willens, die geistige Zusammenarbeit aller Völker wieder anzubahnen.


    Quelle: “Hermann Hesse” von Bernhard Zeller, rororo bildmonographien, rm 50085


    Ich lese diesen und andere Sätze aus der schönen Bildmonographie immer wieder gerne. Diese Sätze lebte und schrieb Hermann Hesse mit eiserner Konsequenz und Überzeugung. Sie zeigen auch, wie sehr Hermann Hesse in der deutschen Kultur, bei all seiner Internationalität, dennoch verankert war und das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, was ihm Deutschland und viele Deutsche seit Beginn des ersten Weltkrieges alles an Leid und Beleidigungen zugefügt hat.


    Ich staune immer wieder, mit welcher Hingabe und Liebe Hermann Hesse die Kultur aus aller Welt in sich aufnahm, würdigte, verarbeitete und in seine Werke einbezog, wie er immer und überall für sie kämpfte und sie förderte. Vielleicht macht gerade dies seine große internationale Wirkung und Rezeption aus. Hermann Hesses Bücher zu lesen, macht in dieser rohen und verbohrten Zeit wieder Mut, sich auf das Menschliche, auf die Kultur, auf die Internationalität des Geistes und die Natur und deren Wechselbeziehung mit uns zurückzubesinnen.


    Seine Briefe besonders rufen uns auf, unsere entfesselte Lebensweise zu überdenken und wieder in unsere Traditionen und kulturellen Werte zu verankern, bevor wir alle dem modernen Wahnsinn erliegen werden. Diese Briefe enthalten eindringliche und unter die Haut gehende Warnungen, aber auch viel nachdenklich machende Aussagen und oft sehr poetische und wunderbare Sätze. Viele seiner Briefe könnten Mottos für neue Bücher sein, ein weites Feld, dass da brach liegt und zur Beackerung einlädt…


    Was ich mit allem ausdrücken wollte: Hermann Hesse bleibt aktuell und seine Schriften, egal welche, kann ich sehr empfehlen. Bücher Hermann Hesses sind auch ein ideales Geschenk an Familie, Freunde, Bekannte und Kollegen…


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo Hesse-Freunde!


    Kennt jemand von euch Das Buch von Alois Prinz “Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne” – Die Lebensgeschichte des Hermann Hesse (st 3742, http://www.libri.de/shop/actio…ails?artiId=3556320&nav=1 )?


    Ich fand dazu folgenden Text:

    Zitat

    Hermann Hesse ist der weltweit meistgelesene Autor deutscher Sprache. Jede Generation entdeckt ihn neu und immer wieder sind seine Leser jung. Alois Prinz erzählt Hesses Leben, von der Kindheit im schwäbischen Calw, den Krisen auf dem Weg des Erwachsenwerdens, von seinem Engagement in der Welt und seinen Rückzug in das Tessiner Dorf Montagnola, wo Hesse sein Leben von vorne anfängt. Doch Alois Prinz zeigt auch den unbekannten Hesse, “den biedersten Rebell der deutschen Literatur”, wie Marcel Reich-Ranicki ihn nannte. Ein Rebell war er, doch warum bieder? Hat Hesse eigentlich selbst nach der Botschaft gelebt, die in seinen Büchern steht? Und warum hat er seine Leser davor gewarnt, ihn als Vorbild zu nehmen? Alois Prinz erzählt sein Leben spannend und kenntnisreich – aber auch so zurückhaltend, daß man die Antworten auf diese Fragen selbst findet.


    Quelle: Suhrkamp


    http://www.suhrkamp.de/titel/t…nr=45742&hl=alois%20prinz


    Liest sich doch recht spannend. Die FAZ meinte dazu:

    Zitat

    Spanend wie ein Roman… eine hervorragend gelungene Biographie, deren größtes Verdienst nicht zuletzt darin besteht, unsere Klischee-Vorstellung von Hesse aufzubrechen und unsere Neugier von der Person auf das Werk zurückzulenken.


    Ich lese zur Zeit immer wieder gerne im Büchlein “Magie der Farben”, über Malerei und Freundschaft und kann mich dabei wegdenken. Auch erfreue ich mich an den etwas naiven, farbprächtigen expressionistischen Aquarelle und Federzeichnungen Hesses ( http://www.libri.de/shop/actio…ails?artiId=1335975&nav=1 )


    Grüße, FA


    (gleicher Beitrag im Literaturcafé und Klassikerforum)

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo, ich bin neu hier. Ihr habt ja geschrieben, da Hermann Hesse gerne malte. Zu diesem Thema möchte ich noch gerne anmerken (er ist mein Lieblingsschriftsteller), dass er doch das Buch "Rosshalde" geschrieben hat, und ich meine mich richtig zu entsinnen, dass es dort um einen Maler ging. Dieses Buch ist auch sehr autobiographisch, letztlich geht es da ja um eine unglückliche Ehe - um seine unglückliche Ehe. Er sah die missliche Lage des Künstlers gegenüber dem Leben, er sah die Unsinnigkeit seines Versuchs, in der Ehe eine intime Beziehung zum Leben zu erreichen und einen Platz in der Gesellschaft für sich selbst zu finden. Seine Meinung: der Künstler ist nur Beobachter und Schöpfer.
    Liebe Grüße
    Tournesol :sonne:

    Kluge Menschen suchen sich die Erfahrungen selbst aus, die sie zu machen wünschen (Aldous Huxley)

  • Hallo Tournesol235,


    herzlich willkommen im Klassikerforum und dem wachsenden Hesse-Ordner!


    Vielleicht ist dies noch interessant zu wissen:


    “Die dunkle und wilde Seite der Seele”
    Hermann Hesses Briefwechsel mit seinem Psychoanalytiker Josef Bernhard Lang 1916-1945
    http://www.libri.de/shop/actio…uctDetails?artiId=5196627


    Zitat

    Eine der ungewöhnlichsten Gestalten aus Hesses Freundeskreis ist der Psychoanalytiker Josef Bernhard Lang (1881 – 1945). Ohne diesen, C.G. Jung nahestehenden, Arzt wäre es dem Dichter wohl kaum geglückt, die tiefe Depression zu überwinden, in die ihn der Erste Weltkrieg gebracht hatte. Die Zäsur in Hesses Werk, die mit dem Demian einsetzte, sein Weg vom traditionsverbundenen Erzähler zum experimentierfreudigen Visionär künftiger Entwicklungen, nahm damals ihren Anfang. Durch J.B. Lang, der unter anderem ein Buch unter dem Titel Hat ein Gott die Welt erschaffen? publizierte, lernte Hesse das Weltbild der Gnostiker und deren Abraxas-Symbolik kennen, die lange vor Nietzsche das traditionelle Denken in Frage stellte.
    “Andre Leute mögen dies und jenes von Kunst verstehen”, schrieb Hesse an Lang, “aber die dunkle und wilde Seite der Seele versteht niemand so gut wie du.” Die sich schon bald zur Freundschaft entwickelnde Beziehung zeigt Lang als Hesses Agenten bei der Bewältgung seiner familiären Probleme, zugleich aber auch, wie sich die Rolle von Arzt und Patient allmählich umkehrte. Von Schicksalsschlägen getroffen, war Lang schließlich selbst auf Hesses Hilfe angewiesen.
    Lang war es auch, der Hesse den Anstoß zur Aquarellmalerei gab. Im Verlauf ihrer Gesprächstherapie forderte er ihn auf, seine Träume nicht nur mündlich, sondern auch bildnerisch darzustellen. Dabei entdeckte Hesse sein Talent zum Malen und Zeichnen.


    Bis heute galt diese Korrespondenz als verschollen. Überraschend ist sie nun aufgetaucht und wird hier erstmals vollständig publiziert. Der Briefwechsel gibt einen faszinierenden Einblick in eine Beziehung, die im April 1916 beginnt und 1945 mit dem Tod Langs als Patient jener psychiatrischen Klinik endet, in der er seine ärztliche Laufbahn begann.


    Quelle: Suhrkamp-Verlagsvorschau 1. Halbjahr 2006


    Grüße an alle Hesseaner(innen),


    FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Lieber Friedrich-Arthur: Vielen Dank für den interessanten Link zu diesem Buch und Deine Begrüßung. Schön, dass ich so ein interessantes Forum gefunden habe.
    Viele Grüße
    Tournesol

    Kluge Menschen suchen sich die Erfahrungen selbst aus, die sie zu machen wünschen (Aldous Huxley)

  • "Roßhalde", 1914


    Vor zwei Jahren, im Januar 2007, las ich „Demian“ und war sehr enttäuscht. Natürlich, auch ich habe in meinen jüngeren Jahren Hermann Hesse verzehrt, und war begeistert, weil Hermann Hesse in seiner Art zu schreiben mich innerseelisch sehr berührt hatte. War es nun jetzt vorbei mit Hesse, nur weil ich ein paar Jahrzehnte gealtert bin? Hat mich „Demian“ nicht angesprochen, nur weil ich meine Jugendzeit hinter mich gelassen habe? Das alles kann ich nicht wissen, denn in meiner Jugend war mir „Demian“ entgangen. Seit zwei Tagen weiß ich aber, dass ich mit Hermann Hesse längst nicht abgeschlossen habe – nie abschließen werde können, denn sein früher Roman „Roßhalde“ (1914), der mir wie „Demian“ entgangen war, belehrte mich nun eines Besseren, und ich kann sagen, Hermann Hesse hat seit langem wieder mal mein Herz getroffen.


    In einem Brief an seinem Vater vom 16.03.1914 schreibt Hesse, der Roman handele „vom Problem der Künstlerehe überhaupt, auf der Frage, ob überhaupt ein Künstler oder Denker, ein Mann, der das Leben nicht nur instintiv leben, sondern vor allem möglichst objektiv betrachten und darstellen will – ob so einer überhaupt zur Ehe fähig sei...“ (zit. aus Martin Pfeifer, Hesse-Kommentar zu sämtlichen Werken,1990 Seite 144; suhrkamp-TB).


    Der berühmte Kunstmaler Johann Veraguth lebt mit seiner Ehefrau Adele und seinem Sohn Pierre auf dem Herrensitz Roßhalde. Allerdings hat sich die Ehe auseinandergelebt, sodass das Paar auf verhältnismäßig engem Raum getrennt lebt. Frau Veraguth lebt mit Pierre im Obergeschoß, Johann lebt abgesondert vom Hauptgebäude in einem im Park errichteten Atelier, an dem zwei Zimmer als Wohnraum eingerichtet wurden. Das Zerwürfnis in der Familie hat auch dazu geführt, dass der ältere Sohn Albert auf auswärtige Schulen geschickt worden ist, nur in Ferienzeiten besucht Albert Roßhalde.


    Die beiden Söhne sind der Mutter sehr anhänglich. Albert hat für seinen Vater nur Unsympathie übrig. Johann Veraguth liebt den jüngeren Pierre abgöttisch. Auf keinen Fall möchte er ihn verlieren, darum scheut er die Ehescheidung. Trotzdem, Johann ist nicht für das Familienleben geschaffen, das sieht man z.B. daran, dass, wenn Pierre seinen Vater im Atelier besucht, was dem Vater erwünscht ist, er seinen Sohn aber nicht zuhört, wie Pierre es doch erwartet. Zu sehr ist Johann in seine Kunst vertieft, als das er sich nahestehenden Personen öffnen kann.


    Als sein Bruder Otto, ein Weltreisender, zu Besuch kommt, werden Johann die Augen geöffnet. Es wird eine Entwicklung in Gang gesetzt, die dazu führt, dass sich der Maler von seiner Familie lösen kann, um als freier Künstler zu leben. Als e Höhepunkt des Romans empfand ich, wie Otto Johanns schwierige Situation beleuchtet, dann der Höhepunkt sich ausdehnt, in dem erzählt wird, wie aus dem schicksalsergebenden Mann sich ein Mann entwickelt, der sein eigenes Schicksal in die Hand nimmt und sich eine erfüllende Wendung in seinem Leben schafft. Herrlich und medizinisch korrekt dargestellt ist die Meningitis des jüngsten Sohnes (vgl. Pfeifer, Seite 149ff..)


    An dieser Stelle weist Pfeifer im Hesse-Kommentar auf den Zusammenhang zwischen Pierres Tod um dem Tod Echos aus Thomas Manns „Doktor Faustus“ hin. Im Übrigen, den Pfeifer-Kommentar empfehle ich als Sekundärlektüre.


    Die Szenen, Johann Veraguth bildermalend, das sei noch gesagt, gefallen mir auch sehr gut, zumal mir Hesses Art zu schreiben sowieso gefällt, die Art, wie er schreibend die Natur einfängt und die innerseelische Entwicklung des Protagonisten. Damit trifft Hermann Hesse voll in mein Herz.


    Schwelgt ihr auch manchemal in Hesse-Erinnerungen? :winken:


    Liebe Grüße
    mombour

  • Zur "feministischen Diskussion" warum Hesse im Glasperlenspiel nur von Eliteschulen für Männer und nicht für Frauen erzählte:


    Hesse antwortet:" Wenn in einer Dichtung nur von Männern erzählt wird, so sollte das von den Frauen nicht als eine antiweibliche Haltung angesehen werden. Eine Frau nämlich, die wirklich lesen gelernt hat und die Voraussetzung zu einem kastalischen Leben besitzt, wird an ein Kunstwerk niemals die Frage richten: warum es denn gerade diesen Stoff und nicht einen andern zum Inhalt habe, warum ein Dichter sich zum Beispiel erlaube, von den Leiden des Jünglings Werther zu sprechen, statt von den Taten Alexanders. Sie wird vielmehr an dem Geistigen und Übergeschlechtlichen in einem solchen Buch ohne Ressentiments teilhaben. Und wenn es sie danach verlangt, wird sie ein Buch schreiben, in dem sie das gleiche Problem von der weiblichen Seite her darstellt. Jeder vernünftige Mann wird ihr dafür dankbar sein."(Michels(Hg.), Mat.1, S.288)


    Es bleibt halt ein Gedanke seiner Zeit, finde ich. :zwinker:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Hallo Fuu!


    Ich habe Deinen letzten Beitrag, der ja schon in eine allgemeine Hesse-Diskussion führt, mal an den allgemeinen Hesse-Thread angehängt. Nix für Ungut!


    Grüsse


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Danke sandhofer! :winken:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij