ZDF sucht Deutschlands schönste Seiten
Rankings sind problematisch, machen Spaß und erhitzen die Gemüter. Nach "Unseren Besten" nimmt das ZDF jetzt die Literatur ins Visier: Unter der Regie von Elke Heidenreich werden die 50 deutschen Lieblingsschmöker ermittelt. Ein spannendes Projekt: Abstimmen darf jeder, erlaubt ist - bis auf Hetzliteratur - alles, was gefällt.
Wer der beste Deutsche aller Zeiten ist, steht bereits fest: Adenauer. Und wer wichtiger ist - Gottschalk oder Goethe - weiß nach der ZDF-Sendung Unsere Besten" auch jeder: TV-Entertainer Thomas Gottschalk, dem Dichter um immerhin fünf Prozentpunkte überlegen. Weil die Ranking-Sendung so beliebt war, wird demnächst auch die Literatur in die Abstimm-Arena gebeten.
Wie ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut heute in Köln mitteilte, beginnt die Suche nach den Lieblingsseiten der Deutschen am kommenden Dienstag mit einer Sondersendung aus der Reihe "Lesen!", moderiert von Elke Heidenreich. Welche Titel dann schließlich zu den beliebtesten Büchern Deutschlands gekürt werden, entscheidet sich bei einer großen Show, durch die Johannes B. Kerner am 1. Oktober führen wird.
Dass sich die Texte gegen eine allzu simple Ranglistenverwertung sträuben könnten, weiß Bellut natürlich. Der ZDF-Chef räumt ein, eine Top-oder-Flop-Liste für die Literatur könne problematisch werden. Dennoch erhofft man sich eine "aufregende Suche nach den ganz persönlichen Favoriten" - abseits von Bestsellerlisten und Literaturkanons.
Das Ranking soll also mehr ein Forum sein, so hofft man in Mainz und wünscht sich durch die Sendungen und eine Stimmabgabe, die zwischen 6. Juli und 6. August per Internet (http://www.dasgrosselesen.zdf.de) bzw. per Postkarte erfolgen kann, eine "Diskussion über Leseerlebnisse". Mit der Aktion will sich das ZDF außerdem deutlicher als Kultursender profilieren.
Die Literaturhitliste wird Heidenreich zusammen mit dem Noch-Chefredakteur und Mitherausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit", Michael Naumann vorschlagen: 50 Bücher sind für die Liste vorgesehen. Auf der Internetseite des ZDF findet sich ab 6. Juli außerdem eine Vorschlagsliste von 200 Titeln, die jedoch für die Abstimmung keineswegs verbindlich ist.
Leseratten können ihren Lieblingsschmöker also aus allen Stillagen und Gattungen auswählen - egal ob Klamauk oder schwere Kost. Einziges Kriterium: Die Bücher müsen in deutscher Sprache oder in deutscher Übersetzung erschienen sein. Texte, die zu Gewalt und Fremdenhass aufrufen, auf dem Index jugendgefährdender Schriften stehen sowie Sachbücher, die ausschließlich Ratgeberfunktion haben, müssen allerdings draußen bleiben.
Weil selbst die ehrenvolle Literatur nicht ohne PR auskommt, wird während der Wahlphase auch die Werbetrommel gerührt: Spots mit Prominenten wie Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki, Fußballtrainer Ottmar Hitzfeld, Komiker Helge Schneider, Modeschöpfer Wolfgang Joop oder Sängerin Sabrina Setlur sollen das Interesse an der Aktion fördern. Die Trailer-artigen Beiträge würden auch während der Sendungen zur Tour de France eingespielt, kündigte Bellut an. Man geht die Sache also sportlich an - und mit großer medialer Entschiedenheit.
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,306527,00.html