Brecht und Thomas Mann

  • Hallo,
    nachdem ich einige Stücke Bert Brechts gelesen habe, wollte ich mich mit einem anderen Autoren auseinander setzen. Da fiel mein Blick auf Thomas Manns Zauberberg, den ich mal angefangen habe, aber noch nicht beendete.
    Puh, das war ein absoluter Kulturschock :zwinker: für mich, besonders wenn ich Zeitgeschichte mit berücksichtige. Thomas Mann hat mir der Figur des Hans Castorp ein "Sorgenkind des Lebens" geschaffen, der sich aus dem Arbeitsleben und dem gesellschaftlichen Leben vollständig zurückzieht (ich habe bis jetzt erst die Hälfte des Romans gelesen). So ein Rückzug zum Sanatorium "Berghof" ist ja nicht verkehrt. Man findet dann eine innere Einkehr zu sich selbst und kann sich mit wichtigem Bildungsgut auseinander setzen (Hans Castorp führt gerne lange Gespräche mit Settembrini, einem Gelehrten). Dazu kommt man nicht, wenn man sich unten im Tal um das berufliche Leben kümmern muss. Und genau das ist ein Thema Brechts, insbesondere das Leben des Proletariers, der nicht ausreichend Geld zum Überleben hat und der schwer zu kämpfen hat, um sich seine Wünsche zu finanzieren.
    Ich will beide Autoren nicht schlecht machen. Aber wenn ich mir überlege, in welchem Zeitraum der Zauberberg entstanden ist (1912-1924: zur Zeit des 1. Weltkrieges und der Arbeitskämpfe um bessere Arbeitsbedingungen usw.) und ich kaum, bis gar keine Bezüge zur politischen Zeitgeschichte im Zauberberg finde, dann kommt das bei mir schon sehr merkwürdig an. Dafür kann man im Zauberberg viel über die Zeit als philosophischer Gegenstand nachdenken. Deshalb vielleicht schreibt Thomas Mann auch so detailgenau. Mal abgesehen davon, dass das wohl auch zu seinen Schreibelementen gehört. Das wollte ich nur mal loswerden.


    Liebe Grüße

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Zitat

    Dazu kommt man nicht, wenn man sich unten im Tal um das berufliche Leben kümmern muss. Und genau das ist ein Thema Brechts, insbesondere das Leben des Proletariers, der nicht ausreichend Geld zum Überleben hat und der schwer zu kämpfen hat, um sich seine Wünsche zu finanzieren


    Bei Brecht ist diese ganze Arbeiter-Romantik nur Schein. Brecht entstammte guten Verhaeltnissen; wollte sich nur als Rebel und Revoluzzer wichtigmachen. In anderen Worten, er ist einem pubertaeren Sinn fuer Auflehnung nie entwachsen. Das selbe gilt fuer sein Verhaeltnis zu Frauen (und seinen Kindern). Verantwortunglos.
    Zudem stellt sich die Frage warum Brecht so besorgt war um Arbeiterverhaeltnisse, dann aber den (politisch ziemlich sinnlosen, und oekonomisch irrelevanten) Beruf des Schriftsteller waehlte. ach, Brecht sah sich wohl als "intellektueler Arbeiter", was immer das auch sein soll. Er unterstuetzte tyrannische Regierungen; das kann man alles von Th.M. wohl nicht sagen, seine Literatur ist nun mal nicht an heroisch stilisiertes Zeitbild gebunden.


    Wünsche zu finanzieren
    Was brauchen Arbeiter denn? Deutschland sucht den Superstar, und andere Banalitaeten, oder was soll ich mir darunter vorstellen.
    bessere Arbeitsbedingungen
    Warum fuer bessere Arbeitsbedingungen kaempfen? wenn einem etwas nicht gefaellt, na ja, dann love it or leave it. Niemand zwingt einen freiwillig fuer nen Ausbeuter zu arbeiten, wenn man dies zu laesst ist man ja wohl selbst schuld, und beutet sich gewissermassen selbst aus.


    Es stellt sich die Frage ob Arbeiter-Literatur ueberhaupt Sinn macht. (Wer liest noch den Arbeiter-Kitsche der Dreiziger?). '"Fragen eines lesenden Arbeiters" ,was soll das sein? Die meisten Arbeiter lesen ueberhaupt nicht. Man koennte alle Arbeiter aus der Menschheitsgeschichte streichen, und es wuerde keinen Unterschied machen.


    Mir ist voellig undeutlich warum Brecht immer noch so geschaetzt wird. Seine Poesie ist formlos, vulgaer,veraltet und stupid. Seine Theaterstuecke sind von ihren Themen her ueberholt und hypokrit (wenn man Brechts eigenes Leben betrachtet). Zugegeben, die Form seiner Stuecke ist innovativ und nicht schlecht, aber keinenfalls als originell zu bewerten. Reich-Ranicki lobt ihn auch nur noch weil, er ihn nach dem Krieg verehrt hat, und nicht als inkonsequenter Kritiker dastehen will.
    Vergessen wir auch nicht die hartneckigen Geruechte von Schweizer Bankkonten.
    Ein aufschneiderischer Maulheld ,mehr nicht.
    das wollte ich mal kurz loswerden.[/i]

  • Guten Tag miteinader, da bin ich eine Verriss-Diskussion geplatzt, tut mir leid, wenn ich da auch meinen Senf dazugeben möchte:


    Ad Bertold Brecht:
    Seine Poesie interessiert mich so wenig wie irgendeine andere Poesie auch, aber die Geschichten und vor allem die Theaterstücke schätze ich sehr. Die Stücke sprühen von einem bitter-bösen Sarkasmus, den ich liebe, einer Zeitkritik die nur zu verständlich ist und einem Idealismus, der lobenswert sein mag. Bercht war kein Arbeiterdichter, nein, beileibe nicht, er liebe das Leben auch zu sehr um ein ausgemergelter Idealist zu sein, aber er setzte seine scharfe Zunge ein. Ja, natürlich, die Zeit des Proletariats ist vorbei, der Arbeiter im eigentlichen Sinne des Wortes ist nur noch ein rares Exemplar in unserer Gesellschaft, man kennt ihn kaum noch. Aber damit ist noch nicht gesagt, dass das Problem unserer Gesellschaft gelöst ist: sehr egalitär ist sie noch immer nicht, wird sie wohl auch nie sein, aber ein schöner Traum ist es dennoch.


    Ad Thomas Mann:
    Wie üblich lege ich auch hier ein gutes Wort für diesen grossen Dichter ein:
    Erstens: Thomas Mann sah sich immer als ein Kind des bürgerlichen Zeitalters und etwas zu spät geboren, er fühlte sich nicht in der Welt des Proletariers, sondern in jener des Grossbürgers zu Hause, der sich keine Sorgen über das materielle Überleben zu machen braucht, sondern von seinem Vermögen lebt. Mann verkehrte auch ziemlich ausschliesslich in solchen Gesellschaftsschichten, natürlich auch mit dem Bildungsbürgertum, aber Arbeiter kannte er schlicht und einfach fast nicht, weshalb sie für Ihn auch nicht ein wirkliches Thema waren.
    Zweitens: Mann war lange Zeit bestrebt, die Politik nicht in seine Literatur einfliessen zu lassen und konnte seinen Bruder Heinrich überhaupt nicht verstehen, der nicht der gleichen Auffassung war, ja, es kam zwischen den Brüdern schlussendlich auch wegen politischen Ansichten zu Zwistigkeiten. Man lese dazu „Betrachtungen eines Unpolitischen“. Mann hoffte, der Kunst in einer von der Politik unabhängigen Sphäre huldigen zu können und erst viele Jahre nach dem Zauberberg musste er auf Druck seiner Kinder und der Zeitgeschichte diese Konzeption aufgeben. Doktor Faustus ist das Ergebnis.
    Drittens: Mann war von den Arbeiterkämpfen in München eher bedroht als von ihnen begeistert, sollte er also ein Loblied auf sie singen? – Das wäre noch viel heuchlerischer gewesen als bei Brecht.


    Wenn euch etwas nicht passt, so hängt mich auf, ich bin es mir langsam gewohnt. :winken:



    p. S. Jana, ich begehe die Frechheit einen Satz aus einem anderen Brecht – Beitrag von dir zu zitieren und zu verreissen: „Brecht selbst arbeitete gerne im Kollektiv, mit mehreren Menschen zusammen.“ Oh ja, man sagt aber, dass er die Ideen der anderen sich selbst zuschrieb und seine MitkünstlerINNEN eher ausnutzte als förderte, aber dies nur nebenbei und ich bin schliesslich auch nicht dabei gewesen...

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo ihr Lieben,
    ich bin vor einigen Tagen das erste Mal auf diese Seite gestoßen und habe einen Beitrag über Brecht und Gay gelesen. Ich wollte hier nur noch einiges über die Person Brecht mitteilen. Dabei allerdings weniger auf die Werke eingehen. Da empfehle ich die Literatur aus dem Reclam-Verlag. und vieles mehr. Brecht ist ja kein unbekannter Autor.


    alle Infos zu Brecht aus: Jan Knopf: Bertolt Brecht. Reclam (7,10 Euro)
    zu Leben:
    10. Februar 1898 (Augsburg) - 14. August 1956 (Berlin)
    Bert Brechts Vater Berthold Friedrich war zuerst kaufmännischer Angestellter, später stieg er auf und wurde Fabrikbesitzer einer Papierfabrik. (Bert Brechts Geburtsname lautete: Eugen Berthold, später nannte sich BB: Bert oder Bertold Brecht). Brecht war schon seit seiner Geburt Herzkrank.
    da der Vater beruflich Karriere machte, lebten die Brechts schnell in guten Verhältnissen. Allerdings wohnten sie in der Klaucke-Vorstadt Augsburgs im Arbeiterviertel.
    Brecht lernte früh Latein, brachte sich autodidaktisch die verschiedensten Gedichtformen bei und spielte Gitarre, dichte Lieder dazu. Englisch und Französisch waren nicht unbedingt seine Lieblingssprachen, weil er sie nicht so gut beherrschte.
    Brecht wäre beinahe von der Schule verwiesen worden. Grund: Brecht sollte 1916 einen Aufsatz zu dem Thema schreiben: warum es süß und ehrenvoll sei, für das Vaterland zu sterben. Brechts Antwort: Das sei alles nur Zweckpropaganda. Es ist nicht ehrenvoll für das Vaterland zu sterben. Jeder hat Angst vor dem Tod. Schon früh zeigt sich Brechts Widerspruchsgeist. Die Lust, gesellschaftlich gegebene Verhältnisse nicht als gegeben anzusehen, sondern sie zu kritisieren. (später entwickelte er aus diesem Ansatz - das sage ich jetzt ganz lax dahin, ohne dass ich das irgendwie überprüft habe!!!! - seine theoretischen Überlegungen zum epischen Theater (Verfremdungs-Effekt), in denen es genau darum geht: die gegebenen Verhältnisse so zu verfremden, dass das Gewöhnliche/Alltägliche nicht mehr zu erkennen ist. Eine neue Situation entsteht, die darauf wartet, neu gesehen zu werden und verändert zu werden.)
    Brecht studierte Medizin in München und wurde 1917/18 Militärkrankenwärter in Augsburg. In München besuchte er auch ein Theaterseminar, durch das er Frank Wedekind kennen lernte.
    Brecht suchte schon früh Kontakt zu anderen Künstlern. Er lernte 1918/19 Karl Valentin, Leon Feuchtwanger, Arnold Bronnen usw. kennen. In der Zeit schreibt er seine ersten Stücke.
    Schon 1923 (1. Hitlerputsch) wurde BB auf eine schwarze Liste der Nationalsozialisten gesetzt, weil er das Gedicht: "Die Ballade vom toten Soldaten" geschrieben hat. Falls die Nationalsozialisten an die Macht kamen, gehörte Brecht zu den ersten Personen, die zu verhaften seien.
    im Februar 1933 floh Brecht aus Deutschland. Im Exil gründete er den DAD (Deutscher Autorendienst). Brecht half emigrierten Schriftstellern zu etwas Geld, indem er kleine poetische und feuilletonistische Texte vermittelte. Brecht selbst erhielt von seinem Verlag kein Geld mehr. Brechts Vater Friedrich unterstützte hier seinen Sohn finanziell.
    Brecht lebte polygam, er war mit Helene Weigel (Jüdin) verheiratet. lebte Brecht im Einverständnis seiner Frau polygam? wusste seine Frau von seinen Geliebten? ich weiß es nicht. ist das für seine texte wichtig? gibt es da widersprüche zwischen seinen texten und seinem leben?
    Brecht hat in vielen Stücken, die er schrieb, andere Prosa und Dramenstücke als Grundlage gehabt. Aber er hat sie umgearbeitet und ihnen eine neue Aussage gegeben. (Allerdings habe ich mich nicht so intensiv damit beschäftigt. da gibt es andere Brecht-experten, die mehr dazu sagen können, als ich. allerdings ist das auch immer eine nette angelegenheit, texte miteinander zu vergleichen.) Brechts Dreigroschen-Oper und Gays Beggar s Opera: Brecht übernimmt viele Figuren und Handlungszüge aus der Vorlage Gays. Bei Brecht neu ist 1) die zu Beginn des Stückes ausgeführte Hochzeitsszene: Polly heiratet Mackie Messer. 2) Gay hat zeitgeschichtliche Kritik an den Politikern geübt und Brecht hat die gesellschaftlichen Verhältnisse der Arbeiter und Angestellten und ihre Ausbeutung von den Arbeitgebern angesprochen. Das sieht man, wenn man Den Arbeitgeber Peachum mit seinen angestellten Bettlern vergleicht. Es gibt dazu bestimmt noch einiges zu sagen.
    Brecht selbst arbeitete gerne im Kollektiv, mit mehreren Menschen zusammen. Brecht wollte nicht nur für das Theater schreiben, sondern auch für das neue Medium: Film. Die Dreigroschenoper wurde zum Film: Die Beule umgearbeitet. Zu Brechts Arbeitshaltung hat auch Walter Benjamin einiges gesagt.)
    zentrale Themen Brechts: Hunger, Armut, Ausbeutung: wie lebe ich mit bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen, ohne mich selbst zu verraten oder aufzugeben? welche kompromisse kann ich eingehen, welche nicht? (ist mir spontan gekommen. ich denke da an galilei, der ja seine these widerrufen hat, weil die wahrheit nicht aufzuhalten ist, und er noch weiter leben und weiter forschen kann. oder auch an die 7 Todsünden der Kleinbürger. Das Ziel der Hauptfigur ist das eigene Haus. Dafür geht sie mehrere Kompromisse ein, entwürdigt sich auch.)
    Brechts Menschenbild (Mackie Messer) Ich lasse mal Mackie Messer aus der Dreigroschen-Oper sprechen:
    „2. Dreigroschen-Finale: Mac: (...) Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Erst muss es möglich sein auch armen Leuten Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden. (...) Denn wovon lebt der Mensch? Indem er stündlich den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frisst. Nur dadurch lebt der Mensch, dass er so gründlich vergessen kann, dass er ein Mensch doch ist.“ (S. 64)
    Wird hier der Mensch als rein guter Mensch betrachtet? Meiner Ansicht nach nicht. Hier wird der Mensch als jemand gesehen, der als arbeitender Mensch aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse ausgebeutet wird bzw. selbst ausbeutet.
    Denkt man beispielsweise an die Angestellten der Billig-Lebensmittel-Läden (Aldi, Lidl). Die Angestellten verdienen wenig, dürfen keiner Gewerkschaft angehören, arbeiten viel. Dennoch wird der Aldi/Lidl gut besucht, gerade weil dort die Lebensmittel billig sind. Das Preisverhältnis kann aber nur u.a. durch die Ausbeutung der Angestellten gesichert werden. Und Geld spielt leider eine große Rolle, spätestens dann, wenn sich jeder selbständig finanzieren muss. Dann ist es wichtig, wie viel der einzelne verdient, um seine notwendigen Ausgaben (Versicherungen, Lebensmittel, Miete usw.) decken zu können und seine Wünsche (Urlaub, Bücher, Sport) zu erfüllen.
    zentral: nicht der Charakter (psychologisch, Innenleben) einer Figur war für Brecht wichtig, sondern eine gewisse Haltung/Einstellung. So war die Figur des Galilei Wissenschaftler. Und als Forscher geht er seinen Wissenschaften nach, auch wenn er von der Kirche eingesperrt/bewacht wird.
    (Eine Warnung vorab: selbst wenn ich jetzt auf den ersten Blick recht viel schreibe, heißt das nicht, dass das Geschriebene nicht mit vorsicht zu genießen ist oder immer gar wahr/richtig ist. Ich habe aber meine Quelle angegeben, so dass sich jeder eine eigene Meinung bilden kann.!!!!)
    zu den Werken empfehle ich jetzt wirklich den Jan Knopf. Der ist ein Mitherausgeber der Gesamten kritischen Werke.)

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Hallo erst einmal und lieben Dank für die prompte und mich anregende Antworten.
    Mit dem Mann / Brecht - Artikel wollte ich erst meinen ersten Leseeindruck loswerden. Wie gesagt, es kam mir wie ein Kulturschock vor: erst Brecht, dann Mann.
    In dieser Mann-Filmbiografie wurde gesagt, dass die Manns über die Zeitpolitik super informiert wurden. Thomas Mann verlangte sogar von seinen Kindern, dass sie sich jede Woche ein zeitpolitisches Thema aussuchen sollten und darüber bei Tisch berichten sollten. Also: politisches Bewußtsein war schon zentral im Hause der Manns. Ich habe sogar auch schon daran gedacht mir die "Betrachtungen einen Unpolitischen" durchzulesen, die ja auch in die Zeit des Zauberberges fallen.


    Was die Literatur der 20iger Jahre angeht: da will ich in nächster zeit sowie so noch Döblin: Berlin Alexanderplatz u.a. lesen.


    Ich persönlich habe bis jetzt immer Schwierigkeiten gehabt, Thomas Mann zu lesen. Ausnahme war: Felix Krull, weil das ein Abenteuer- und Reiseroman für mich war. Zu den Romanen und Novellen habe ich persönlich kaum Zugang gefunden, was ich schon ändern möchte. Deswegen lese ich ja auch den Zauberberg. Ich habe immer wieder gehört, dass das Thema des "Zerfalls" eine wichtige Rolle spielt im Werk Manns. Die Familiengeschichte der Buddenbrocks endet ja damit, dass die Familie aufgrund einer Krankheit zugrunde geht. Der Zauberberg endet, so wie ich das aus dem Klappentext entnehmen konnte, ja auch mit dem Zerfall bzw. mit dem Krieg und dem Tod.


    Ich wollte auch gar nicht gegen Thomas Mann wettern, sondern nur meinen ersten Leseeindruck wiedergeben, in der Hoffnung, dass ich durch andere kompetene Lesepartner einen neuen Blickwinkel auf das Werk bekomme.


    Nur eine Frage: Haltet ihr mich für eine Brecht-Liebhaberin, nur weil ich einen etwas ausführlicheren Artikel über Brecht geschrieben habe? Na ja, war wohl der erste Eindruck, der immer haften bleibt, was?


    Liebe Grüße
    Jana





    :breitgrins: :breitgrins:

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • I.
    ....…


    Es ist wahr: ich verdiene noch meinen Unterhalt
    Aber glaubt mir: das ist nur ein Zufall. Nichts
    Von dem, was ich tue, berechtigt mich dazu, mich satt zu essen.
    Zufällig bin ich verschont. (Wenn mein Glück aussetzt, bin ich verloren.)
    Man sagt mir: iss und trink du! Sei froh, dass du hast!
    Aber wie kann ich essen und trinken, wenn
    Ich dem Hungernden entreiße, was ich esse, und
    Mein Glas Wasser einem Verdurstenden fehlt?
    Und doch esse und trinke ich.
    .....


    II.
    ....…


    Die Straßen führten in den Sumpf zu meiner Zeit.
    Die Sprache verriet mich dem Schlächter.
    Ich vermochte nur wenig. Aber die Herrschenden
    Saßen ohne mich sicherer, das hoffte ich.
    So verging meine Zeit
    Die auf Erden mir gegeben war.
    .....


    III.
    Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
    In der wir untergegangen sind
    Gedenkt
    Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
    Auch der finsteren Zeit
    Der ihr entronnen seid.
    Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd
    Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt
    Wenn da nur Unrecht war und keine Empörung
    .....


    Ihr aber, wenn es so weit sein wird
    Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
    Gedenkt unserer
    Mit Nachsicht



    Bert Brecht

  • Thomas Mann war immer sehr informiert und interessiert an der Politik. Das steigerte sich vor allem nach seiner Auswanderung, aber auch zuvor war die Zeitungslektüre ein wichtiges Tagesprogramm. Seine politische haltung machte eine grosse Entwicklung durch. Als er die Betrachtungen schrieb, stand er noch sehr hinter der deutschen Politik. Gegen Ende des Schreibprozesses änderte dies, aber er schrieb es im angefangenen Sinne fertig. Ich habe im Moment mehr die zeit des Exils präsent und von da weiss ich, dass er politisch sehr engagiert war. Er hielt immer wieder Reden, machte Rundfunksendungen, setzte sich für Emigranten ein, verhandelte mit Politikern, mit denen er auch privat verkehrte. Die politische Seite spielt in allen seinen Romanen mit, teilweise offensichtlicher, teilweise etwas indirekter.


    Viel Spass beim Zauberberg!! Ichhabe das Buch geliebt, muss allerdings gestehen, dass mir mit der zeit die Dialoge zwischen Naphta und Setembrini etwas zuviel wurden...Mein Philosophieprofessor, seines Zeichens ein grosser Freund der Schriften Manns meinte mal ganz lakonisch: Lesen sie den zauberberg, da werden sie viel finden. Einiges können sie aber getrost überblättern, das artet zu sehr in Blablabl aus...;) Ich habe es nciht überblättert, aber vielleicht etwas schneller gelesen... :redface:

  • Hallo ihr Lieben,


    ich habe mir jetzt ein Hörspiel zum Zauberberg geholt. Ich befürchte nämlich, dass ich das Buch doch eher aufgebe. Mal schauen, allerdings befürchte ich, dass das Hörspiel eher die Dialoge und weniger die Zwischengedanken des Gedankens thematisiert.


    Kennt ihr eventuell einen guten "Thomas Mann"-Biografen?


    Was mich am meisten stört an dem Roman, ist, dass Mann manchmal sehr ausführlich über die Patienten erzählt. Dabei haben die einzelnen Personen echt nichts in ihrem Leben gemacht, außer: reich geheiratet. Allerdings kommen streckenweise wirklich gute Abschnitte über "Was ist Zeit" oder "Was ist Leben" (also die ganzen philosophischen Themen). Vielleicht muss ich den Zauberberg bzw. den Berghof so verstehen: es ist die Zeit, um geistig zu arbeiten, sich philosophische Fragen zu stellen. Das ist ja genau das, was der junge Hans Castorp macht. Er sucht ja immer nach Fragen und Literatur und sucht ja die Diskussion mit Settembrini. Problematisch ist nur: Vom Denken allein lebt der Mensch nicht allein. Während sich Naphta und Settembrini durch ihre Lehrertätigkeit einmal das Sanatorium, die Behandlung und ihr eigenes Leben finanzieren können, ist der junge Hans Castorp als Ingenieur zwar in der Lage sich mit Hilfe seines Berufes sein Leben zu finanzieren, aber als Naturwissenschaftler muss er sich den Raum / die Zeit erst schaffen, um philosophische Fragen zu stellen. Die Zeit und der Ort ist der Besuch des Sanatoriums. Als Naturwissenschaftler / Ingenieurs hat man eigentlich nicht unbedingt das Umfeld, um sich mit philosophischen Fragen zu konfrontieren. So macht der Zauberberg für mich Sinn und so kann ich Hans Castorps Liebe zum Sanatorium auch nachvollziehen.


    Liebe Grüße
    Jana

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Hallo Jana


    Gute Mann-Biographie: Hermann Kurzke, Thomas Mann


    Es gibt von Mendellson auch eine sehr gute, dreibändige, die reicht aber nicht bis zum Schluss seines Lebens. sndern hört knapp vor dem Faustus auf.


    Zum Zauberberg: Ich denke, wie einige andere auch, dass das Schneekapitel das erklärende zum Roman ist. Vor allem der kursiv gedruckte Satz ist der schlüssel zum Roman. Das sagte sogar Thomas Mann selber mal!


    Der Mensch soll um der Güte und der Liebe willen dem Tode keine herrschaft einräunmen über seine Gedanken.


    In dem Sanatorium herrscht der Tod, er ist der allgegenwärtige Gefährte. Wer in das Sanatorium kommt, wird ihm quasi übergeben und entkommt ihm nicht mehr. Der Tod ist das Ziel und beherrscht die Gedanken. Nun verirrt sich Castorp im Schnee, läuft im Kreis und bricht ermattet nieder. Es ist unklar, ob der den Traum noch träumt oder ob er ihn denkt im aufwachen. Auf alle Fälle ist es wie eine Erleuchtung. Um der LIebe und der Güte willen sollen man dem Tode keine herrschaft einräumen. Qussi ein kategorischer Imperativ. Kant argumentierte mit der Vernunft, Mann mit der Liebe.

  • Hallo zusammen!


    Aisha
    Meinst Du Peter de Mendelssohn: Der Zauberer? Davon gabs aber m.W. nur einen Band + einen aus dem Nachlass von de Mendelssohn.


    Und bei Kurzke denkst Du an Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk von 1999?


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • 2 Brecht-Gedichte, die ich ganz toll finde:


    Die Bücherverbrennung


    Als das Regime befahl, Bücher mit schädlichem Wissen
    Öffentlich zu verbrennen, und allenthalben
    Ochsen gezwungen wurden, Karren mit Büchern
    Zu den Scheiterhaufen zu ziehen, entdeckte
    Ein verjagter Dichter, einer der besten, die Liste der
    Verbrannten studierend, entsetzt, daß seine
    Bücher vergessen waren. Er eilte zum Schreibtisch
    Zornbeflügelt, und schrieb einen Brief an die Machthaber.
    Verbrennt mich! schrieb er mit fliegender Feder, verbrennt mich!
    Tut mir das nicht an! Laßt mich nicht übrig! Habe ich nicht
    Immer die Wahrheit berichtet in meinen Büchern? Und jetzt
    Wer ich von euch wie ein Lügner behandelt! Ich befehlte euch:
    Verbrennt mich!



    Rudern, Gespräche


    Es ist Abend. Vorbei gleiten
    Zwei Faltboote, darinnen
    Zwei nackte junge Männer. Nebenbei rudernd
    Sprechen sie. Sprechend
    Rudern sie nebeneinander.

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Liebe Aisha,


    vielen Dank für die Info. Ich werde mich dann mal nach der Literatur umschauen.
    Meine erste Interpretation sollte sich nicht auf den gesamten Roman erstrecken, sondern für mich eine Erklärung sein, um das Dasein Hans Castorps in dem Sanatorium begreiflich zu machen. Welche Bedeutung der Tod hat, weiß ich jetzt noch nicht. Vielleicht stimme ich dir am Ende des Romans zu. Mal schauen.
    Was für mich einfach unbegreiflich war, ist die Tatsache, dass ein junger, lebensfroher Mensch wie Hans Castorp, der sich eigentlich beruflich auf eigene Beine stellen kann (als Ingenieur wird man einfach gut bezahlt) für eine lange Zeit ganz aus dem gesellschaftlichen Leben aussteigt und im Sanatorium auf dem Berg lebt. Das Sanatorium ist vom gesellschaftlichen Leben im herkömmlichen Sinne abgeschnitten. Da muss sich niemand um den Lebensunterhalt kümmern. Alltägliche Sorgen bleiben außen vor. Settembrini bedauert es ja zu tiefst, dass sich Hans Castorp noch nicht einmal um zeitpolitische Themen kümmert. Hans Castorp liest noch nicht einmal die (Tages)zeitung. Er muss sich ja selbst "Arbeit" suchen, um sich nicht zu langweilen. Er kümmert sich um die Moribunden, besucht sie, versucht ihnen die letzten Stunden so gut wie nur möglich zu gestalten. Dafür stellt sich Hans Castorp philosophische Fragen: Was ist Zeit, Was ist Leben. Das sind Fragen, die er sich scheinbar unten im Tal, während seines alltäglichen Lebens nie gestellte hat. Sonst würde er sich ja nicht so intensiv mit solchen Dingen beschäftigen und so gerne lernen wollen, also mit Settembrini und Naphte zusammen sein wollen. Dann würde die Thematik des Todes super gut reinpassen.
    Aber! ich habe gerade mal die Hälfte des Buches gelesen. Vielleicht schaffe ich es, das Hörspiel jetzt am Wochenende (spätestens bis Dienstag) zuende zu hören. (Wo soll denn dieses Kapitel im Schnee im Roman sein: Mitte; Ende des Romans?)
    Der Tod spielt mit Sicherheit eine große Rolle. Als Hans Castorp im Sanatorium ankommt, von Joachim abgeholt wird, sieht er ja, wie die Leichen in einem Schlitten ins Dorf gebracht werden. Sie werden wie Sachen behandelt. Der gesellschaftliche Umgang mit dem Tod ist schon eine sehr interessante Sache.
    Ich bin schon gespannt, wie der Roman endet.


    Liebe Grüße Jana

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Liebe Jana
    So jung und lebensfroh war Hans Castrop gar nciht. Er betonte von Anfang an, wer in seinem Umfeld alles gestorben sei und wie das auf ihn gewirkt hatte. Der Tod ist von Anfang an präsent. Er wird beschrieben als ein in seinem Trott verhafteter ängstlicher Mensch, der Angst vor neuem hat. Menschen gegenüber eher gefühlskalt.


    Wird ein solcher Mensch aus seinem Trott gerissen, dann ist er sehr anfällig für Einflüsse von aussen,die ihm eine Sicherheit versprechen. Diese Sicherheit sah er in den medizinischen Versorgungen in dem Sanatorium. Endlich würde er dazu gehören, wenn er nur krank wäre. Endlich kein Aussenseiter, sondern einer, der dazu gehört... SO abwegig finde ich persönlich das also alles nciht.


    Liebe Grüsse
    Sandra

  • Hallo Jana


    Zitat von "Jana"

    Aber! ich habe gerade mal die Hälfte des Buches gelesen. Vielleicht schaffe ich es, das Hörspiel jetzt am Wochenende (spätestens bis Dienstag) zuende zu hören. (Wo soll denn dieses Kapitel im Schnee im Roman sein: Mitte; Ende des Romans?)


    Das Kapitel "Schnee" findet sich im 6. Kapitel.


    Gruß Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Wie ich! den Zauberberg bis jetzt verstanden habe:


    Exkurs/Hintergrundinformationen: Zauberberg entsteht in der Zeit zwischen 1912-1924:
    1) Was in der Zeit passierte: Streit mit seinem Bruder Heinrich Mann über die Bedeutung der Politik (Kaisertum / Republik / Krieg)
    2) Seine Frau kam in ein Sanatorium


    Katia Mann gehört zur reichsten Familien Münchens. Kurz nach Monikas Geburt erkrankte sie an Tbc; lange Sanatoriumsaufenthalte, später Genesung. Siehe hierzu auf die Seite: (http://www.fembio.org/biograph…-familie/katia-mann.shtml)
    Der Zauberberg spielt in einem Sanatorium und Thomas Mann verarbeitet sehr viel medizinisches Wissen in seinem Roman (Psychologie: Krokowski ist „Seelenzergliederer“, Röntgenstrahlung, Katarrh usw.)
    3) Eigene Kinder befanden sich in der Pubertät, als der Zauberberg geschrieben wurde (Erika: 14 – 20 Jahre) => alle Kinder Thomas Manns haben Schulen mit reformpädagogischen Ansatz besucht. Manns Interesse an der (beruflichen, seelischen, geistigen, sozialen ) Entwicklung der eigenen Kinder scheint ihm sehr wichtig zu sein.
    Die Figur Hans Castorps befindet sich in seiner Zwischenphase zwischen Ausbildung (Examen als Schiffsbaumeister absolviert) und Berufsleben (Hans Castorp hat sich als Praktikant bei einem Schiffsbauunternehmen beworben).


    Thema:
    Zu den wesentlichen Themen im Zauberberg gehört
    1) der Tod und
    2) Gestaltung der einem Menschen verbleibenden Lebenszeit.


    Die Figur Hans Castorp:
    Vorinformationen:
    Er ist sehr früh Waise geworden. Als er 7 Jahre alt war, sind sowohl seine Eltern, als auch sein Opa gestorben. Demnach spielt der Tod eine zentrale Rolle im Leben Hans Castorps. Sein nächster Erziehungsberechtigter war der in Hamburg lebende Onkel.
    Hans berufliche Laufbahn wurde von außen gesteuert. Hans selbst wusste nicht, welchen Beruf er ergreifen sollte. Das Ingenieursstudium hat sich ergeben.
    Er ist 23 Jahre alt, kommt aus Hamburg. Er hat sein Examen als Ingenieur abgeschlossen. Die Prüfungszeit hat ihn sehr beansprucht. Sein Hausarzt rät ihm zu Luftveränderung. Deshalb fährt er zu Joachim nach Davos ins Sanatorium, um sich zu entspannen. Seine berufliche Laufbahn ist insoweit gesichert, als er ein Praktikumsplatz in einer Schiffbaumeisterei in Hamburg zugesichert bekommen hat.
    Die entwicklungspsychologische Zeit Hans Castorps kann man eventuell als Suche nach dem eigenen Lebensweg beschreiben. Er bekommt im Sanatorium die Möglichkeit, seine eigenen Neigungen/Fähigkeiten kennen zu lernen: Er philosophiert gerne, engagiert sich sozial: er kümmert sich um die anderen Moribunden, er verliebt sich in Frau Clawdia Chauchat. Er verbummelt aber auch gerne die Zeit und will nicht mehr in das alltägliche berufliche Leben zurückkehren. Schließlich bleibt er, obgleich er so gut wie kerngesund ist, über 8 Jahre im Sanatorium.


    Meine These: Eines seiner eigentlichen Probleme ist, dass er seinen eigenen beruflichen Lebensweg (und eventuell deshalb auch Lebenssinn) noch nicht gefunden hat. Sein Ingenieursstudium füllt ihn nicht 100 % aus. Statt dessen liebt er das Leben im Sanatorium, obwohl er schon ein Jahr nach seinem Aufenthalt von Dr. Behrens als gesund diagnostiziert wurde.
    Was ist Hans Castorp?
    Nach der Aussage des Erzählers zu Beginn des Romans: Ein Exempel. Wofür?
    1) Für das Leben eines jungen Menschen, der seinen eigenen Lebensweg noch nicht kennt? Oder
    2) für einen jungen Menschen, der seine Leidenschaft für die geistige (philosophische) Arbeit erkennt. Diese geistige Arbeit kann ihm aber nicht im Tal / im Alltagsleben seinen Lebensunterhalt finanzieren? Oder
    3) für einen Taugenichts, weil der junge Mensch 8 Jahre im Sanatorium lebt ohne am gesellschaftlich-bürgerlichen Leben teilzunehmen? oder
    4) Als Exempel wie alle Patienten des Sanatoriums für das untergehende spätbürgerliche Leben vor dem 1. Weltkrieg


    Ausgangssituation:
    Hans sagt selbst über sich aus, dass er sich am wohlsten fühlt, wenn er nichts tut. Er denkt, dass er nicht für das Arbeiten geschaffen ist, also für die praktische, technische Arbeit des Ingenieurs. Schon in den ersten Tagen seines Aufenthaltes fängt Hans an zu philosophieren. Er findet in Naphta und Settembrini seine Pädagogen.
    Als Dr. Behrens ein Jahr später im August Hans Castorp bescheinigt kerngesund zu sein, so dass Hans mit Joachim wieder ins Tal und somit ins Alltagsleben reisen könnte, will Hans nicht abreisen und widerspricht der Diagnose des Arztes.
    Hans lebt 8 Jahre in dem Sanatorium. Am Ende seiner Zeit wird er als Soldat in den 1. Weltkrieg eingezogen.
    Naphta, Settembrini, Hans und Joachim diskutieren des öfteren über den Begriff der Arbeit im Verlaufe der europäischen Geschichte. (bsp.: mittelalterliche Mönche verstanden Arbeit als asketische Übung usw.)


    Orte:
    Es gibt eine Spannung zwischen dem oben gelegenen Berghof und den im Tale liegenden Dörfer.
    Das Sanatorium Berghof wird öfter als Ort der Dumpfheit, Langeweile, Freiheit, Ort der Lebensuntauglichkeit beschrieben. Settembrini führt sogar mehrere Beispiele für die Gefahr der Sanatoriumsbesuche an: 1) ein Patient, ein junger Mann, hat sich so an das Leben im Sanatorium gewöhnt, dass er nicht mehr in der Lage war das alltägliche Leben in seinem Heimatort aufzunehmen. Der junge Mann redete die gesamte Zeit nur über seine Temperatur und seine Krankheit. Seinen Beruf konnte er ebenso wenig ausführen. 2) Ein junger Mann soll sich sogar erhängt haben, weil er die lange Aufenthaltszeit im Sanatorium nicht mehr aushielt. Auch Joachim geht vor Ablauf seiner Behandlungszeit.
    Das Tal und die Dörfer im Tal besitzen, besonders laut Settembrinis Aussagen, die zugeschriebenen Eigenschaften der praktischen Arbeit und der Lebenstauglichkeit.


    Die Bedeutung des Todes:
    Im Schneekapitel (6. Kapitel) werden wichtige Gedanken zu diesem Themenkomplex angesprochen:
    1) wer aber im Körper das Leben erkennt, erkennt den Tod und man muss zum Leben das Gegenteil denken
    2) Der Mensch ist Herr der Gegensätze: Liebe und Tod stehen in Opposition zueinander
    3) Der Mensch soll um seiner Liebe und seiner Güte willen dem Tod keine Herrschaft über sich einräumen über seine Gedanken
    => der Tod gehört mit zu den zentralen Themen des Zauberbergs. Der Tod und der Sterbeprozess werden in diesem Roman aus unterschiedlicher Perspektive immer wieder behandelt.
    Hans selbst ist Waise. Joachim erzählt, dass Tote mit einem Bob ins Tal gefahren werden, Hans und Joachim erleben einen Sterbenden. Hans schläft in dem Bett, in dem 1 Tag vorher eine Frau gestorben ist usw.


    Liebe Grüße
    Jana

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Liebe Aisha,


    danke schön für das Kompliment. Ich habe den Zauberberg bis zur Hälfte gelesen und den Rest in der Hörspiel-Variante bis zum Schluss gehört.


    Mir hat der Roman echt Freude bereitet und ich habe da jetzt auch eine Menge für mich persönlich heraus ziehen können. Gerade das Thema Tod finde ich in dem Roman in seiner vollen Breite verarbeitet. Ich kenne auf Anhieb keine Bücher, die sich so intensiv damit auseinander setzen. Das hat mich extrem beeindruckt.


    Außerdem gibt es ja auch im Internet noch nette Seite über Thomas Mann und den Zauberberg, die ich auch aufgerufen habe. Ich weiß nicht, ob der Link funktioniert. Ansonsten einfach über google suchen. Vor allen Dingen bin ich froh, dass ich Zugang zu Thomas Mann gefunden habe. :bang:
    Auch wenn es doch eher über das Hörspiel funktionierte. :rollen:
    http://www.dhm.de/lemo/html/we…nst/zauberberg/index.html
    http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MannThomas/

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Hallo ihr Lieben :winken:


    Ich hoffe, ich habe jetzt niemanden mit meinen langen Beitrag über den Zauberberg verschreckt. Der Roman ist keine Kleinigkeit, den man innerhalb kürzester Zeit einfach mal herunter liest. Ich glaube, dass es sich eher lohnen würde, den Zauberberg mal in einem gemeinsamen Thread zu besprechen. Irgendwann einmal. Die anderen Mann-Bücher wurden ja auch schon sehr ausgiebig besprochen.


    Liebe Grüße Jana Sabeth


    P.S. Ich lese zur Zeit aus der SZ-Ausgabe: Thomas Bernhard: Der Untergeher? Hat da jemand Interesse mitzulesen?
    Ich gehe auch noch zu einem anderen Thread zur SZ-Ausgabe

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)


  • Hallo Jana
    du hast bestimmt niemanden mit deinem schönen Beitrag erschreckt. Du hast vieles ausgedrückt, was ich auch empfunden habe, als ich den Zauberberg las und hörte. Nur ist es schon länger her und so ist es für mich schwierig wieder die ganzen Gefühle von damals auszugraben.


    Frage:
    War Hans nicht 7 Jahre im Sanatorium?
    Die Zahl Sieben spielte ja eine große Rolle in dem Buch. Auch in dem Namen Settembrini steckt die Zahl drin (sette, ital. = sieben).
    Es gab auch 7 Tische, soweit ich mich erinnere und die Nummer des Zimmers von Hans Castorb war 34 (3+4) und noch andere Dinge die mir gerade nicht einfallen.


    Hast du dich auch erschrocken als du das Pfeifen des Pneumothorax im Hörspiel hörtest? :breitgrins:


    Ich fand deinen Bericht beeindruckend.


    die Leserunde zu T. Bernhard kommt mir zu früh. Das schaff ich leider nicht. Aber mach doch einfach mal einen Lesevorschlag zu Thomas Bernhard. Vielleicht möchtest du ja zu einem späteren Zeitpunkt noch ein Buch von ihm lesen.


    Sollte sich dir doch noch jemand anschließen (Der Untergeher) dann wünsche ich euch viel Freude bei der Leserunde.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)