Beiträge von Jana

    Hallo ihr Lieben,
    @hallo Hubert,


    ich habe noch gar keine Bücher gelesen, die Arno Schmidt geschrieben hat. Aber ich habe von anderen gehört, dass er einen eigenen Schreibstil hat. Auf was muss ich mich da einstellen? Wenn mir der Autor nicht gefallen sollte, klinke ich mich wieder aus.


    Liebe Grüße Jana

    Hallo ihr Lieben,

    Zitat

    Steffi: Man sollte nicht vergessen, dass es Zola ja nicht darum ging, komplexe Charaktere zu entwerfen sondern nur eine Seite eines Menschen. Als psychologische Studie finde ich den Roman sehr interessant und spannend - auch im Hinblick auf die damalige Zeit sehr modern !


    Was nicht passiert, ist die bewusste und reflexive Auseinandersetzung mit der Mordtat. Aber unbewusst geschieht bei Laurent und Therese wirklich eine Menge, vielleicht kann man das mit einem Gefühl eines schlechten Gewissens gleichsetzen.
    Wenn ich gegen irgendwelche moralischen Grundsätze verstoßen habe, geht das meistens mit einem schlechten Gefühl einher. Deshalb bin ich auch auf den Begriff des Gewissens gekommen, wegen des schlechten Gefühls, dass Laurent und Therese ja umher treibt. Es gibt ja auch Menschen, die töten, ohne jemals anschließend ein schlechtes Gefühl zu bekommen. Von diesen Menschen unterscheiden sich ja Laurent und Therese, weil einige Veränderungen in ihrem Leben auftreten.
    Ich sehe den Schwerpunkt des Romans auch eher in dem psychologischen Bereich.
    Ich kann mir in der Hinsicht nicht helfen: ich denke die ganze Zeit an den Freud´sche ödipale Entwicklungsphase. Der Junge liebt die Mama, der Papa hindert den Jungen und das Gewissen entwickelt sich. Hier gibt es keinen Jungen, sondern Laurent. Therese ist die Mama und Camille ist der Papa, allerdings wird Camille getötet, aber ein schlechtes Gefühl entwickelt sich bei Therese und Laurent. Ödipus tötete ja auch den Papa.


    Nun ja, das ganze ist jetzt erst einmal nur ein Deutungs-Angebot, das nicht stimmen muss. Ich sehe den Schwerpunkt ebenso eher im psychologischen, nicht im sittlich-moralischen Bereich. Denn Laurent und Therese setzen sich nicht bewusst mit ihrer Tat auseinander.


    Liebe Grüße Jana

    Hallo ihr Lieben


    Zitat

    Steffi: „Ob es wirklich das schlechte Gewissen ist, das beide die schreckliche Schuld immer wieder erleben läßt ? Oder die Erkenntnis, dass sich im Prinzip an ihrem Leben nichts geändert hat ? Mir fällt es schwer, eine Erkenntnis zu suchen, ein Motiv, etwas das Zola uns mitteilen will. Momentan vermute ich, es gibt keine "Lehre", sondern "nur" einen Einblick“


    Ne, ich glaube auch nicht, dass uns Zola mit seinem Roman irgendeine moralische Lehre vermitteln will. Was ich aber denke, ist, dass Laurents Tat (Ermordung Camilles) ihm mindestens ein schreckliches Gefühl einbringt mit einer psychischen Störung (das Gespenst Camilles tritt Laurent gegenüber. Dieser Geist würde Laurent nicht erscheinen, wenn ihm seine Tat gleichgültig wäre.) Noch bevor Laurent den Mord ausführt, macht er sich keine Gedanken über die Folgen seiner Mordtat. Aber nach seiner Mordtat verändert sich Laurent.
    Es gibt Menschen, die kein Gewissen keinen Sinn für ein moralisches Gefühl haben. Doch von dieser Sorte ist Laurent nicht die ganze Zeit.
    Zu Beginn der Handlung, als er Therese kennen lernt, ist er ein rein triebgesteuerter Mensch. Nach seiner Tat verändert er sich. Er beginnt wieder zu malen: Camilles Gesicht taucht immer wieder auf. „Er (Laurents Freund) konnte ja nicht die furchtbare Erschütterung erahnen, die diesen Mann (Laurent) verwandelt ... Wahrscheinlich hatte sich im Organismus von Camilles Mörder ein seltsames Phänomen vollzogen. Es ist schwierig für die Analyse, bis in solche Tiefen vorzudringen.“ (191, XXV. Kapitel) Laurent macht eine Veränderung durch infolge der Mordtat. Hier ist es noch eine Veränderung, die sich durch seine Bilder ausdrückt. Später werden sich Laurents Handlungen gegenüber Therese ändern: er wird sie schlagen. Diese Handlungen kommen aber nicht aus dem Nichts, sondern folgen aus seiner Mordtat. „Mehr als zwanzig Mal gingen sie zur Tür des Polizeikommisariats ... Bald war es Laurent, der den Mord gestehen wollte ...“ (XXXI. Kapitel 252) Zum Schluss werden sich Laurent und Therese töten, gerade weil sie nicht mehr Camilles Geist ertragen können „... und bedachten das schmutzige Leben, das sie geführt hatten und auch künftig führen würden, wenn sie feige genug wären, weiterzuleben.“ (XXXII Kapitel 259)


    Im Lexikon wird der Begriff „Gewissen“ wie folgt erklärt: Das Gewissen bezeichnet ein das eigene Urteilen und Handeln wertendes (Mit-)Wissen. Im Gewissen nimmt der einzelne Distanz zu sich ein, um zu prüfen, auf welche Weise moralisch relevante Entscheidungen und Handlungen zustande gekommen sind. Je nachdem, ob diese Prüfung nach den zugrundegelegten Kriterien positiv oder negativ ausfällt, empfindet der einzelne ein „schlechtes“ oder „gutes“ Gewissen.“
    Was der Leser im Roman nicht erfährt, ist, ob sich Laurent mal in sein stilles Kämmerchen gesetzt hat, um über seine Mordtat nachzudenken. Was der Leser aber erfährt, ist der Verfall der beiden Hauptpersonen. Laurent sucht in der Leichenhalle nach Camille. Laurent geht es nicht gut, als er die Wasserleiche Camilles sieht. Laurent malt immer wieder Camilles Gesicht, als er anfängt als Maler zu arbeiten. Seine Mordtat an Camille verfolgt ihn. Das Verhältnis zwischen Laurent und Therese verändert sich auch. Laurent wird aggressiver gegenüber Therese, er schlägt sie, er schiebt ihr auch die Schuld an seiner Mordtat zu. Laurent will seine eigene Mordtat verleugnen, kann es aber nicht, weil der tote Camille eine zentrale Rolle in seinem Leben einnimmt. Deshalb bin ich ja auch der Ansicht, dass sich bei Laurent ja auch erst das Gewissen aufbaut. Je schlechter er sich fühlt, er will ja Therese bei der Polizei für den Mord anzeigen und Therese ihn, desto mehr erkennt er seine eigene Verantwortung für die Tat. Warum sollten sich beide, Therese und Laurent, sonst töten?


    Liebe Grüße Jana

    Hallo ihr Lieben,


    sorry, jetzt war ich einige Tage nicht mehr da und ich wollte noch an einige Punkte anknüpfen, die vor einigen Tagen geschrieben wurden. Ich lese mich gleich erst durch eure Diskussion.


    Was typisch für die Romantik ist, ist ja die Welt des Unbewussten, Irrationalen, Träumerischen, Märchenhaften, wie das riff-raff und Steffi ja schon gesagt haben. Besonders wurde die Figur der romantischen Ironie benutzt, also eine Methode zur kritischen Reflexion über das Gegebene, indem der Gegensatz zwischen Realem und Idealem / Irrealem bewusst wird. Bsp.: die Figur des Sandmanns wird in Hoffmanns Erzählung real und die Brillengläser, durch die Nathanael schaut, verändern seine Sichtweise, seine Wirklichkeitserfahrung. Vgl. Auch unter dem Suchwort : Ironie : http://www.uni-siegen.de/~ifan/ungewu/heft6/node13.html


    In Zolas Roman kommen zwar nicht-reale Gestalten vor (Camilles Geist), aber sie treten nicht in Erscheinung. Keine der beiden Hauptfiguren nimmt auf dem Wege der Kommunikation Kontakt zu Camilles Geist auf. Die Träume spielen eine große Rolle, indem sie das Schlafverhalten Thereses beeinflussen, aber der Roman bleibt in der Beschreibung der Handlung in der Wirklichkeit, soll heißen: es werden keine „Spukfiguren“, keine „phantastische Figuren“ oder „Märchenfiguren“ eingeführt. Es wird meines Erachtens keine Illusionswelt aufgebaut.


    Ich kenne von Edgar Allen Poe nur „Der Rabe“ und da ist es ja wirklich tierisch dunkel und schaurig.


    Zitat

    Steffi: „Einen Unterschied zu Zola sehe ich eigentlich nur dahingehend, dass das Motiv bei Poes Figuren meist irrational ist, während in "Thérèse Raquin" der Mord das Ergebnis kühler Kalkulation und Berechnung darstellt;“


    Hier habe ich noch eine Nachfrage: Ich stimme dir zu, dass Laurent seinen Mordplan kühl kalkuliert und darauf baut, bloß nicht entdeckt zu werden.
    Wie verraten sich die Mörder bei Poe? Geben sie es selbst öffentlich zu oder verraten sie sich ungewollt? Oder werden sie entdeckt?
    Was Laurent aber nicht will, ist eine öffentliche Bloßstellung seiner selbst. Einmal geht es ihm bei seiner Mordtat darum, nicht entdeckt zu werden.
    Im XXVI Kapitel kommt es dann zu Laurents Bloßstellung. (202 Reclam) Camilles Geist treibt ihn und Therese in den Wahnsinn. Beide lassen sich gegen ihren Willen Geständnisse entschlüpfen. Erst dadurch verraten sich beide bei Madam Raquin.


    Zitat

    Riff-raff: „Ein naturalistischer Roman muss ja nicht notgedrungen ein Verbrechen zum Inhalt haben, aber da es in "Thérèse Raquin" um Mord geht und hauptsächlich um die daraus resultierenden Folgen - "einer Art Mordhysterie" wie Zola das bezeichnet (Kap. XXII, Reclam S. 166) -, ... könnte man diese Beschäftigung mit der Nachtseite menschlicher Leidenschaften eventuell als "romantisch" bezeichnen?“


    Ein interessanter Gedanke: vielleicht ist hier auch so etwas wie ein Gegensatz verbunden. Diese Gedankenfigur hat Steffi ja schon angesprochen. Die „Mordhysterie“ als Merkmal der Romantik. Allerdings ist die Handlung der Ermordung triebgesteuert. Zola beschreibt keine schaurige Umgebung oder Situation, in der der Mord geschieht. Statt dessen handelt es sich eher um eine Herbst-Idylle auf der Seine in Paris. Camille hindert Laurent daran, mit Therese zusammen zu sein. Laurents Liebeslust wird durch Camille behindert. Es sind demnach auch ganz real nachvollziehbare Gefühle/Leidenschaften, die Laurent zu seiner kühl kalkulierten Tat bewegen. Das gehört eher zum Naturalismus, weil hier die Triebhaftigkeit, weniger die Hysterie und der Wahn dargestellt wird. Nathanaels Wahnvorstellung in E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ sind viel intensiver beschrieben, als Laurents Wunsch aus reiner Triebbefriedigung zu töten.


    Liebe Grüße Jana

    Hallo ihr Lieben,


    Zitat

    Wenn ich Jana aber richtig verstanden habe, erwartet sie nicht, dass alle ihre Eindrücke mit Zitaten oder Kapitelangaben belegen, sondern nur, dass man wenn man zitiert, auch sagt, wo das Zitat steht.


    Jap, Hubert! Du hast mich richtig verstanden. Dabei brauche ich nicht unbedingt die Seitenangaben, weil wir alle andere Ausgaben benutzen. Das Kapitel müsste als Orientierungspunkt reichen. Ich benutze, wie du richtig erkannt hast, die Reclam-Ausgabe.

    Zitat

    Nein, natürlich nicht... Ist mir übrigens erst später aufgefallen, dass viele in diesem Forum hier unter ihrem echten Namen schreiben, da hätte ich mir den Nick echt sparen können.


    Ist ja alles Geschmackssache mit den Nick. Mein Rufname lautet auch nicht Jana, sondern Anja.


    Liebe Grüße Jana

    Hallo ihr Lieben!

    Zitat

    Auch nach der kirchlichen Lehre, stammt der Mensch nicht von Gott ab, sondern wurde von Gott erschaffen und da nach der kirchlichen Lehre der Affe auch von Gott erschaffen wurde .....?
    Demnächst startet hier ein Bibelprojekt und da werden wir, hoffe ich, auch über die Frage diskutieren, ob der Widerspruch zwischen Darwin und der Kirche überwindbar ist. Vielleicht interessiert dich ja dieses Projekt.


    Lest ihr da ein bestimmtes Buch Darwins? Woran orientiert ihr euch in eurer Diskussion? Klar habe ich Interesse.
    Ich schaue dann schon mal auf der Seite nach.


    Grüße Jana

    Hallo ihr Lieben!


    Zitat

    riff-raff: Sehr interessanter Gedankengang... - Zola scheint aber seinen Figuren jegliches Gewissen abzusprechen. Tieren und Partnerbeziehungh vollbrachter Mordtat unter Ängsten und Halluzinationen leiden, führt das aber stets auf "Blut" und "Nerven", also rein körperliche Ursachen, zurück.


    Dem kann ich nicht ganz zustimmen. Allerdings ist auch eine Entwicklung bei den einzelnen Figuren nach der Mordtat sichtbar.
    Es heißt zwar: Seine (Laurents) Gewissensbisse waren rein physischer Natur ... (XXII. Kapitel), aber! Camilles Gespenst such ihn dennoch heim. Wenn Laurent keine wie auch immer gearteten Gewissensbisse, Reuegefühle hätte oder die sich nicht anbahnten, würde ihn Camilles Gespenst in seiner Lebensweise nicht stören. Außerdem wohnen 2 Seelen in seiner Brust. (Reclam, S. 184, KapitelXXIV) Bei Laurent baut sich das Gewissen bzw. ein Wissen über seine schuldhafte Tat auf. Die nächste Stufe des "Gewissenaufbaus" würde ich dann sehen, als er Therese ebenso als Camilles Mörderin betrachtet. (S. 217, Kapitel XXVIII) Ebenso heißt es: "Das Dasein des Mörders war seit dem Tage, da Therese auf den höllischen Gedanken gekommen war Gewissensbisse zu haben und Camille laut zu bejammern, furchtbar geworden." (231, XXIX. Kapitel)
    Auch Thereses Gewissen meldet sich nicht sofort nach der Mordtat.


    Hallo ihr Lieben, könntet ihr bitte immer eine Kapitelangabe machen, wenn ihr Zitate bringt? Danke schön.


    Zitat

    Hubert: Was bleibt ohne diese Klischees: Ein Blick in die dunklen Abgründe der menschlichen Seele? – und das ist ja schon mal nicht schlecht.

    (Exkurs: zumal Freuds Theorie der Psychoanalyse ja auch von einem Triebapparat ausgeht. Ich fühle mich daran erinnert. Und ich assoziiere mit der Handlung auch die Geschichte mit dem Ödipus-Komplex oder auch mit dem Ödipus-Mythos. Nur, diesmal ist Camille in der Position des Vaters und erst nach der Ermordung Camilles wird bei Laurent das Gewissen, das Über-Ich geweckt. Na ja, Freuds Theorie existierte ja noch nicht einmal, als Zolas Buch erschien.)


    Zitat

    Hubert: Nun, die Story des Romans, zumindest so weit ich sie bis jetzt überblicke, halte ich für durchaus realistisch, nur Zolas implizite Erklärung ist m.M. nach falsch.


    Das war auch ein Grund, warum ich mich über die Handlung so aufgeregt habe: 1) warum begehen 2 erwachsene Menschen einen Mord und werden dafür nicht bestraft? Sie werden ja durch ihr schlechtes Gewissen bestraft, nicht durch eine äußere Strafinstanz. Das wurde mir erst beim 2. Lesen bewusst. 2) Warum müssen die Mörder ausgerechnet noch diesem sozialen Umfeld angehören? Also aus der ärmeren Schicht?


    Ich assoziiere jetzt einfach ein bisschen herum. Das ist auch bitte eher als Exkurs zu verstehen: Zur Zeit Zolas kam Darwins Lehre auf, durch die die kirchliche Vorstellung: Der Mensch stamme von Gott ab – unterlaufen wird und die neue Vorstellung: der Mensch stammt vom Tier (vom Affen ab) abgelöst wurde.
    Deshalb habe ich mich gefragt, inwieweit hier auch das „Liebesleben“ der Tiere als Vergleich eine Rolle spielen konnte. Also könnte sich hieraus die Frage entwickeln: inwieweit unterscheidet sich der Mensch vom Tier durch sein Handeln?
    Camille und Laurent interessieren sich für Therese und umgekehrt. Wenn 2 Tiermännchen um ein Tierweibchen streiten und 1 Tiermännchen dabei den Kampf verliert, dann geht das besiegte Männchen. Der Sieger bekommt keine Gewissensbisse, keine Schuldgefühlte. Bei Therese, Camille und Laurent sieht das aber anders aus. Obgleich beide tierische Leidenschaften haben, bekommen Therese und Laurent im Laufe der Zeit nach der Tat Schuldgefühle und Gewissensbisse. Darin unterscheidet sich der Mensch vom Tier: Er hat moralische Gefühle / Gewissen. ´


    Liebe Grüße Jana

    Hallo ihr Lieben,


    Zitat

    Auch die Äußerung zu Therese nachdem Kamill tot war und sie zu lesen begann, schreibt Zola in einem kurzen Satz: Sie wurde zur Frau , beschäftigt mich.


    Ich habe das Gefühl, dass Thereses Leidenschaft durch Laurent geweckt wurde und durch Camilles Tod wird ihre Vernunft geweckt. Die Leidenschaft zwischen Laurent und Therese nimmt direkt nach der Ermordung Camilles rapide ab, d.h. es gibt keine Leidenschaft mehr zwischen beiden. Dafür leiden beide an ihrem schlechten Gewissen.


    Verglichen mit der Entwicklung eines Menschen (sehr schematisch und skizzenhaft betrachtet), ist die Kindheit mit der Betonung der Triebe gleichzusetzen (also die Zeit, in der sich Laurent und Therese lieben) und das Erwachsensein mit der Zeit der Vernunft, des Gewissens usw. also die Zeit nach Camilles Tod.


    Liebe Grüße Jana

    Hallo ihr Lieben,


    ob ich die Elixiere des Teufels mitlese, weiß ich noch nicht. Hängt von der Diskussion ab, die ihr führen werdet - ob sie mich reizt.
    Ich haber mal vor einigen Monaten Hoffmanns Elixiere gelesen und war überhaupt nicht begeistert. Zumal das Stück ja selbst von Hoffmann innerhalb kürzester Zeit geschrieben wurde, weil er - falls ich da richtig informiert bin - das Stück geschrieben hat, weil er Geld brauchte.
    Ich kannte von E.T.A. Hoffmann nur den Sandmann. Das Stück hat mich absolut umgehauen. Da waren die Elixiere echt enttäuschend. Aber, das hängt alles von eurer Diskussion ab. :winken:


    Das Buch habe ich auf jeden Fall vorliegen und ich werde ab dem 22. Mai öfter mal auf die Seite schauen.


    Liebe Grüße Jana

    Zitat

    riff-raff: Wollte man böse sein, könnte man sagen, die ganze Schuld liege bei Madame Raquin. Wäre Camille ein Tier gewesen, er hätte schon angesichts seiner rein physischen Ausstattung nicht lange überlebt, dafür hätte schon die natürliche Auslese gesorgt (surviving of the fittest).


    Der Gedanke mit der natürlichen Auslese ist super. Denkst du da eventuell an Darwins Lehre?


    Ich merke jetzt, wie gut mir das mehrmalige Lesen des gesamten Textes tut. Ich verstehe jetzt, glaube ich, Zolas Ansatz "in den Gegebenheiten eines kraftvollen Mannes und einer unbefriedigten Frau das Tier aufzuspüren" (Vorwort).


    Da ist ein Figurenvergleich meiner Ansicht nach wichtig, um zu sehen wie sehr Laurent und Therese eigentlich nur durch ihre Triebe und Bedürfnisse zu Handlungen motiviert werden.
    Reclam, S. 37, Kapitel V Laurent ist ein absoluter Faulpelz. Seine Handlungen werden durch seine Triebe und Gelüste bestimmt. Als sein Vater ihn nicht mehr finanziell unterstützt und Laurent "am Horizont die Not aufsteigen sah, hatte er angefangen, nachzudenken. (...) er würde keinen einzigen Tag ohne Brot in Kauf genommen habe ..." Also verabschiedete er sich von seinen Malerambitionen und wurde Avokat. Zu Beginn war Therese für ihn auch eine leicht zu habende Frau, für die er kein Geld bezahlen musste. (VI. Kapitel)


    Bei Therese liegt es nur ein wenig anders. Bevor sie Laurent kennen lernte, befand sich Therese in einem immer gleichen einschläfernden Trott. Ihre eigentlichen Triebbedürfnisse hatte sie unterdrückt. Ihre Mutter war die "Tochter eines Stammeshäuptling" (S.49, VII. Kapitel) Therese hatte ihre Instinkte und wollte ebenso durch die Gegend pirschen.
    Thereses Leidenschaft und ihre Triebe werden durch den ersten Kuss, den sie mit Laurent austauscht, geweckt. (S. 47, VII Kapitel) "Ihr Körper wurde zur Leidenschaft geweckt."
    Und dann sind Laurent und Therese nur Leidenschaft und Trieb. Als beide in ihrem Ehebett sich miteinander verlustieren, gehorchen sie ihren Instinkten und Laurent wird versteckt, als Madam Raquin das Zimmer betritt. Bei beiden meldet sich im Anschluss daran nicht die Vernunft oder irgendein Anstandsgefühl. Keiner gesteht Camille das "Fremdgehen", den "Betrug" ein. Auch als Laurent Camille tötet, weiß der Leser nur: "vor Angst zitterten ihr (Therese) beim Gehen die Knie" (S. 79, XI. Kapitel) Nach dem Anschlag auf Camille, wird Therese ohnmächtig "ihre Nerven gaben nach". An Land angekommen, in einem Bett in einem Gasthaus liegend fürchtet sich Therese "in einem Anfall den Mord zu gestehen" (S.90, XII. Kapitel) Therese denkt hier nur an ihre eigene Leidenschaft mit Laurent zusammen zu sein. Ihr schlechtes Gewissen oder gar die Vernunft spielt hier keine Rolle.


    Zitat

    riff-raff: Wie viel Leid hätte vermieden werden können... Ich denke dabei hauptsächlich an Thérèse, die am meisten darunter hat leiden müssen im Dunstschein des kranken Camille aufzuwachsen (so sehe ich Thérèse auch weit mehr als Opfer als Täterin).


    Klar ist Therese als Kind leider, leider, leider von Madam Raquin abhängig und leider, leider, leider erhalten Thereses Leidenschaften bei der Madam nicht so viel Aufmerksamkeit, wie sie sollten. Dennoch ist Therese (auch wenn du das in deinem Beitrag zurecht!!!! überspitzt geschrieben hast) leider kein Opfer, sondern eine Mittäterin, die über die Folgen ihrer Leidenschaften (Beseitigung ihres Ehemannes durch Mord) nicht nachdenkt.


    Das Interessante an den Figuren Laurent und Therese ist ja, dass beide sehr leidenschaftliche und durch ihre Triebe gesteuerte erwachsene!!! Menschen/Figuren sind. Eigentlich könnte man davon ausgehen, dass Erwachsene auch verzichten können müssten bzw. die Folgen ihrer Handlungen mitdenken müssten. Das scheint mir aber bei Laurent und bei Therese nicht wirklich der Fall zu sein.


    Liebe Grüße Jana
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    Hallo ihr Lieben,
    hallo Steffi :winken:


    tja, da bin ich wirklich über das Ziel hinausgeschossen und 10 meter vom zielpunkt entfernt gelandet.
    ich wusste nicht, dass jeder leser ungefähr auf dem selben Lesestand sein sollte, wenn über das Buch diskutiert wird.


    Auf der einen Seite war es schon spannend, weil ich gerne das Ende der Handlung kennen wollte, auf der anderen Seite fand ich die Handlung so absolut abwegig, so unglaubwürdig, dass ich absolut froh war, als ich endlich den Text zu Ende gelesen habe. Was ich daran abwegig finde, ist, dass Laurent und Therese so handeln, wie sie handeln. Ich meine jetzt das XI. Kapitel. Deshalb wundert es mich nicht, dass sie so ein schlechtes Gewissen hinter her haben. Das ist doch meiner Ansicht nach eine logische Schlussfolgerung aus den Handlungen im XI Kapitel. Warum muss man darüber so viele Worte verlieren?


    Vielleicht mache ich damit etwas, was jetzt noch nicht ansteht. Ich bewerte die beschriebene Handlung aufgrund ihrer moralisch-sittlichen Glaubwürdigkeit. Und diese Glaubwürdigkeit sehe ich für mich noch nicht gegeben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen so leichtgläubig und unbedacht diese Tat (XI. Kapitel) ausführen.


    Für mich ist das auch der erste Zola und ich kenne noch nicht seine Vorstellungen und Funktionen, die die Literatur ausmachen sollen. Vielleicht steckt da ja für die Zeit des 19. Jahrhunderts ein wesentlicher Fortschritt in der Darstellung und Analyse des Menschen als (in diesem Beispiel) stark triebgesteuertes Wesen.


    Vielleicht war es im alltäglichen Leben so, dass jede Frau und jeder Mann sehr vernunftbetont und nach bestimmten Konventionen und Regeln leben musste. Die eigenen Triebbedürfnisse wurden missachtet und unterdrückt. Wenn dem so sein sollte, finde ich den Text Therese Raquin von Zola revolutionär. Er macht dann genau auf diese Missstände aufmerksam, indem er die Triebe, das Lustempfinden betont, analysiert, beobachtet usw. Das würde auch erklären, warum Zola so stark für seinen Text Therese angegriffen wurde.
    In diesem Zwiespalt stecke ich nun. Aber ich lasse mich gerne noch auf weitere Einzelheiten ein.
    Für mich ist Literatur, wenn sie hochwertig sein soll, auch immer eine Auseinandersetzung mit den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen. Literatur kann dann einen eigenen, alternativen Denk- und Lebensraum schaffen. Deswegen ist für mich Literaturbesprechung nicht nur die Besprechung bestimmter Strukturelemente des vorliegenden Textes, sondern auch immer - ein bisschen - Auseinandersetzung mit der gegebenen gesellschaftlichen Situation. (Führt das jetzt zu weit?)


    Zitat

    Steffie: Ich glaube nicht, dass die sozialen und gesellschaftlichen Hintergründe einen Einfluß auf die Geschichte haben sollen. Thérèse und Laurent wollen nicht aus ihrem Leben oder ihrer gesellschaftliche Stellung ausbrechen, sie suchen nur die Möglichkeit ihre Triebe zu befriedigen.


    Ich denke auch wie du, dass die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse der beiden Hauptfiguren nicht unbedingt verantwortlich für ihre Handlungen zu machen sind. In erster Linie spielen wirklich ihre Triebe und Leidenschaften eine große Rolle.
    Nein, was ich meinte: Wenn ich den gesamten Text nehme und ihn mit den gesellschaftlichen Verhältnissen der Zeit, in der Zola gelebt hat, zu welchem Ergebnis würde ich da kommen? Das habe ich in meinem vorherigen Absatz (vor dem Zitat) versucht auszudrücken.

    Hallo ihr Lieben :winken:


    Jetzt versuche ich mich auch eher an einer etwas detailierteren Analyse des Textes.


    Obgleich Paris (aus Sicht der Postkarten und der TV-Filme) eine so schöne Stadt ist, beschreibt Zola so wenig Orte und Plätze (obgleich es mit Sicherheit viel mehr Plätze in Paris gäbe). Alles spielt nur an wenigen Stellen: Und diese Plätze und Orte sind noch so düster und langweilig gehalten. Es gibt aus meiner Sicht nur eine Ausnahme: die Fahrt der dreien zur Seine im XI. Kapitel. Da gibt es sogar einen Ort, der eher einem Paradies ähnelt, der aber wiederum nicht ganz ohne eine gewisse Todesnähe und Melancholie auskommt. Alle drei gehen an einem Sonntag, die Sonne scheint warm, nach Saint-Ouen und finden auf einer Insel eine angenehme Lichtung. Hier ruhen sie sich aus. Aber hier passiert nicht nur etwas angenehmes, sondern auch etwas brutales.
    Also:

    Zitat

    Steffie: Überhaupt kommt es mir immer mehr so vor, als ob Zola nur den dunklen Teil der Persönlichkeit darstellt. Habt ihr bisher etwas positives gefunden ? Naja, in dem Vorwort beschreibt er ja seine Intention, nur den animalischen Aspekt (= Triebe ?) aufzeigen zu wollen.


    In der Hinsicht kann ich da von seiten der Menschen wirklich nur den dunklen Aspekt sehen, wie du schon sagtest.
    Vielleicht müsste man da jetzt so einen Farbvergleich machen. Wer bekommt welche Farbe zugeordnet? Hier wären dann die Natur, der Mensch und die Stadt/Kurzwarenladen zentrale Elemente für diesen Farbvergleich.


    Besonders wäre dann ein Vergleich des Menschen mit der Natur wichtig.
    Ich vermute mal, dass die Natur farbenprächtiger, als der Mensch (und die Stadt?) beschrieben wird.
    XI. Kapitel S. 75 Reclam-Ausgabe:
    "grüner Grasteppich", "abgefallene Blätter bildeten am Erdboden eine rötliche Schicht", "kupferfarbenes Gewölbe der sterbenden Blätter"
    die Figuren hingegen werden nicht mit natürlichen Farben verglichen (S. 77)
    Thereses Gesicht war von "matter Blässe", (als Vorausdeutung: ) Camilles weißter, toter, in den Falten der Röcke ertrunkener Kopf usw.


    Mir ist aufgefallen, dass viele Plätze der Natur, Lebewesen und Pflanzen farblich weiter beschrieben werden. Bei den Menschen ist das eher weniger der Fall. Da kommen eher so grobe Farbangaben zur Sprache wie (XII.Kapitel, S. 89: Fahrt mit der Kutsche) Reglos und stumm saßen sie in der Dunkelheit, der grelle Schein einer Gaslaterne oder S. 73 Laurents und Thereses Blicke treffen sich: "Für einen AUgenblicks Dauer waren ihre dunklen, glühenden Blicke einander begegnet." (Ende X. Kapitel)


    Vorausdeutungen:
    In dem Text befinden sich viele Elemente, die schon auf das Ende hinweisen, so, als hätten die einzelnen Figuren eine gewisse Intuition, wie die Handlung ausgehen könnte.
    Therese vergleicht den Kurzwarenladen in Paris mit einer Gruft.
    Laurents Portrait verweist ja auch auf weiteres.
    Zeit:
    Es ist doch auffallend, dass Zola bestimmte Ereignisse herausgreift und gerade die werden innerhalb kürzester Zeit erledigt, während gerade die anderen Tage in einer gewissen Gleichmäßigkeit dahin plätschern. Die Zeit spielt sowie so hier eine große Rolle. Aus der groben Erinnerung habe ich das Gefühl, das Zola das im Laufe der Handlung öfter macht: Zeiten, die dahin plätschern im Gegensatz zu zentralen Ereignissen, die konzentriet und punktgenau analysiert werden.


    Liebe Grüße Jana

    Hallo ihr Lieben,


    ich nehme nur an einer Leserunde zu einem Patrick Süßkind Text teil, wenn nicht "Das Parfüm" behandelt wird. Wenn das Parfüm Thema wird, dann würde ich allerhöchstens nur mal einen Blick auf eure Beiträge werfen.


    Liebe Grüße Jana

    Hallo ihr Lieben!


    Ich glaube, ich sollte nicht an einer Lesung teilnehmen. Ich schreibe zu viel Text. sorry


    Erst einmal zu meiner ersten Leseerfahrung: Jetzt habe ich den Roman endlich durch, puh! – und, ehrlich gesagt, noch keinen wirklichen Zugang zu dem Buch. Was soll das? Am Ende dachte ich, na endlich, das sie das ... gemacht haben, wurde auch wirklich Zeit.
    Deshalb lasse ich mich jetzt auf eine intensivere Diskussion über den Text ein und lese mit euch den Text genauer.
    Vorab will ich aber noch einige Fragen formulieren, die mich auch interessieren:


    Wenn ich an den deutschen Naturalismus denke, dann fällt mir Gerhard Hauptmann: Die Weber ein, eine Studie über die Arbeitsbedingungen der Weber – das ist in Zolas Stück gar nicht der Fall. Statt dessen wird das Liebesleben einer armen Kurzwarenhändlerin beschrieben. Wo finden sich die naturalistischen Elemente in dem Roman, wo gibt es noch romantische oder ?realistische? Elemente? Nun ist natürlich Zolas Roman der erste naturalistische Roman, deshalb interessieren mich ja gerade die Elemente, die ihn zu einem naturalistischen machen bzw. welche Elemente weisen noch auf die vorherige Epoche zurück?


    Wie sah der reale (berufliche) Alltag der Frauen in der beschriebenen Zeit aus? Gab es schon Liebesehen – oder bestimmten die Eltern die Ehepartner? Wie sah es im Allgemeinen mit Trennung in der Verlobungszeit und in der Ehe aus? Diese Frage hängt eng mit dem jeweiligen Verhalten der beiden Hauptfiguren Laurent und Therese ab. Inwieweit konnten sie sich aufgrund der gesellschaftlich real gegebenen Konventionen anders verhalten bzw. mussten ihren Trieben/ Leidenschaften gehorchen?


    Das sind allerdings Fragen, die man zu Beginn des Textes noch nicht beantworten kann, sondern erst nach Beendigung des Textes. Ich wollte sie nur aufschreiben, um sie nicht aus den Augen zu verlieren.



    Zu den Temperamenten schaut doch auch auf die Seite:
    Hier findet ihr eine ausführliche Darstellung der Temperamentenlehre aus der Sicht der Psychologie:
    http://www.uni-saarland.de/fak…he_temperamentenlehre.pdf


    Hier sind den verschiedenen Temperamenten Farben zugeordnet. Es ist eine Seite der Mediziner:
    http://tcm-arbeitskreis.uni-hd…edizinisches/typen1.shtml



    Zitat

    riff-raff schreibt: Aus meinem Deutschunterricht weiss ich noch, dass die Naturalisten darauf aus waren, die Vorgehensweisen und Methoden der modernen Naturwissenschaften (Physik, Chemie, Medizin usw.) auf die Literatur zu übertragen; oberstes Ziel war eine „Verwissenschaftlichung“ der Kunst, eine objektive Darstellung der Wirklichkeit. Schon damals habe ich mich gefragt, ob das überhaupt möglich sei..


    Der Begriff der Wissenschaften zur Zeit des 19. Jahrhunderts ist ein etwas anderer als der des 20. Jahrhunderts. Richtungsweisend ist hier Auguste Comte und die Richtung des Positivismus zu nennen. Und im Endeffekt besagt der Positivismus nur, dass er ein konsequenter Empirismus sein will, d.h. dass er sein Hauptaugenmerk nur auf ausschließlich zu beobachtende Dinge legt. Auguste Comte beschäftigte sich daher auch intensiv mit den Methoden der Sozialwissenschaften und verlangte, dass alle Sätze aus Erfahrungsbegriffen, nicht aus mathematisch-logischen Begriffen zusammengesetzt werden.


    In einem schlauen Buch habe ich zum Thema Naturwissenschaften und Literatur folgendes gefunden:


    „In der Schrift Le roman expe´rimental (1880) hebt Zola die Synthese von Literatur und Naturwissenschaft, Kunst und Experiment hervor und konstatiert, (...) ,Der Romanschriftsteller muß wie ein Wissenschaftler den Menschen studieren. Er muß die den Menschen determinierenden psychischen, physischen und sozialen Mechanismen erforschen. (...). Wie in einer Versuchsanordnung sollen diese Faktoren (Vererbung und Milieu) im Roman zur Geltung kommen. Der Roman wird zum Experimentalroman.“ (Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur, dtv, Bd. 7, S. 37)


    Danke schön riff-raff! Du hast mich auf wichtige Dinge aufmerksam gemacht, als du die ersten Kapitel analysiert hast. So muss das auch laufen. :winken:


    (Das ist ein weiterdenken der These riff-raffs, nicht ein falsch verstehen. Riff-raff hat den Vergleich mit dem Establishing Shot benutzt, um die ersten Kapitel zu analysieren, stimmt das? nachfragen ist dann doch besser.)
    Dabei ist mir nämlich folgendes aufgefallen: Zola berichtet, erzählt in Rückblenden und Zola rafft die Zeit. Allerdings werden einzelne, für die gesamte Handlung wichtige Entscheidungen und Handlungen innerhalb 1 Tages entschieden und dieser 1 Tag wird dann auch relativ ausführlich beschrieben.
    Bsp.: (III. Kapitel) Acht Tage nach Camilles Hochzeit mit Therese kommt der junge Mann auf die Idee, nach Paris zu ziehen. Ein/zwei Tag später fährt seine Mutter nach Paris und besorgt dort den neuen Laden für Kurzwarenwäsche.
    (III. Kapitel) Innerhalb eines Tages verlässt die Familie Vernon und zieht noch am selben Tag nach Paris.
    Und der Hochzeitstag findet natürlich auch innerhalb eines Tages statt.


    Was somit in Opposition zueinander steht, sind diese einzelnen Tage, in denen entscheidendes für die Handlung passiert gegenüber der Zeitraffung. Durch diesen Gegensatz wird, meines Erachtens, die Öde und Langweiligkeit in Thereses Leben sehr deutlich. „Drei Jahre folgten die Tage einander, und einer war wie der andere; ...) (III. Kapitel)
    Was dadurch natürlich auch auffällt ist die nicht-lineare Struktur der Erzählung innerhalb der ersten 4 Kapitel. 1. Kapitel: Beschreibung der Passage du Pount-Neuf. Hier ist der Ort des eigentlichen Geschehens. 2. Kapitel: Darstellung der zentralen Figuren im Rückblick 3. Kapitel: Der Entschluss und die Umsetzung, nach Paris zu ziehen. Camilles und Thereses Heirat. 4. Kapitel: Leben in Paris. Das Treffen alter Bekannter an den Donnerstag-Abenden.


    Ich würde den ganzen Roman gerne mit dem Aufbau eines geschlossenen Dramas vergleichen. Dann verstehe ich die einzelnen Tage, in denen wichtiges für die Handlung geschieht, als Elemente der dramatischen Handlung.
    Dann würde ich den Roman nach folgendem Schema strukturieren:


    Einleitung:
    1./2. Kapitel: in Rückblicken und Berichten werden die Figuren und die Orte dargestellt.
    Ab dem 3. Kapitel beginnt die eigentliche Handlung: erst Camilles Wunsch mit seiner Ehefrau nach Paris zu ziehen sorgt für ein Zusammentreffen mit Laurent. Ab dem 3. Kapitel wird die Handlung linear aufgebaut, auch wenn Zola dort mit Zeitraffung arbeitet. Das zentrale Problem: Camilles und Thereses Heirat als absolute Ödnis ist dort schon eingeführt, denn jeder Tag gleicht dem anderen und Therese schmückt das gemeinsame Wohn- und Schlafzimmer nicht aus. Als sie Laurent liebt, verändert sie ihre Wohnung.
    (Ich möchte hiermit nicht riff-raff widersprechen. Wenn man Zolas Stück als Theaterstück aufführen würde, würde ich aus dem selben Grund wie riff-raff angegeben hat, mit dem 5. Kapitel die Handlung beginnen lassen.)


    Ab dem 5. Kapitel sehe ich durch das Auftreten Laurents ein erregendes Moment gegeben. Therese sieht Laurent und verknallt sich prompt in ihn. Diese Liebe beruht auf Gegenseitigkeit.


    (Jetzt gehe ich nur ganz grob über die Handlung hinweg!!!)
    Die Handlung nimmt an Spannung zu. Laurent und Therese treffen sich heimlich. Laurent schmiedet einen Mordplan (IX).
    Höhepunkt: Laurent führt diesen Plan aus (XI Kapitel). Die Liebe zwischen Laurent und Therese verändert sich. Sie distanzieren sich voneinander.


    Was dann einen zentralen Teil des gesamten Romans ausmacht, ist das Leben beider Figuren im Wissen darüber, dass beide Camille getötet haben. Das führt dann zum eigentlichen Schluss der Handlung.


    Was ich noch nicht kapiert habe, ist die Selbstverständlichkeit der Figuren, diesen Mord zu begehen und nicht mal darüber nachzudenken, welche Folgen das für beide haben kann.
    Beide Figuren (Laurent und Therese) handeln nur aufgrund ihrer Leidenschaft: Beide lieben einander, also treffen sie sich. Camille stört ihr Liebesverlangen, also muss er beseitigt werden. Am leichtesten ist die Tötung. Beide haben keine Angst davor entdeckt zu werden, beide machen sich keine Gedanken über ein mögliches schlechtes Gewissen. Und dann endet der Roman so, wie es meiner Ansicht nach vielen Menschen geht, die gegen ihr Gewissen gehandelt haben: Sie bekommen Schuldgefühle, zeigen Reue.


    Deswegen auch meine Frage nach dem beruflichen und sozialen Alltagsleben einer Frau in der jeweiligen gesellschaftlichen Zeit. War es damals üblich, dass Frauen mit einem „Langeweiler“, sprich Camille, verheiratet waren und sich einen Liebhaber wie Laurent wünschten? Einfachste, und im Endeffekt auch zerstörerischste Lösung: die Tötung des Ehemannes.