Brechreiz qua Inhalt?
Vor einigen Monaten las ich Jüngers Essay 'Der Waldgang'. Darin steht viel Gutes, klar Erkanntes und brillant Formuliertes zum Thema des geistigen Widerstands, der inneren Aufrichtigkeit, der Einsamkeit des Abweichlers, dem Standhalten gegenüber dem Druck der Mehrheitsmeinung bis hin zum aktiven Widerstand gegen Unrecht. Man kann sich dieser Mischung aus geistiger Klarheit und stilistischer Brillianz gut überlassen - solange man nicht darüber nachdenkt, in welcher historischen Situation dieser Essay entstanden ist: kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der Nazizeit zu Beginn der modernen bundesrepublikanischen Geschichte. Über den Widerstand gegenüber dem totalitären Naziregime liest man darin aber fast nichts, sondern in prophetisch-raunendem Ton spricht der Essay von der kommenden Bedrückung. Warum sinniert ein Mann mittleren Alters, der sich mit dem Naziregime offenbar recht gut arrangiert hatte, zu diesem Zeitpunkt über den Widerstand? Angesichts der Umstände kann mit der Bedrohung also vor allem die Bedrohung durch die moderne Gesellschaft gemeint sein, mithin das, was wir als moderne westliche Demokratien verstehen. Es ist dieser anitmoderne, antiwestliche und antidemokratische Impuls, der bei mir einen Brechreiz auslöst.
Zu den Stahlgewittern gab es übrigens in einem der letzten Literaturclubs auf SF1 eine sehr gute Diskussion:
http://www.srf.ch/player/tv/li…39-4469-8901-1c0e39f1d767