Thomas Mann und Hermann Hesse

  • Hi Leute :zwinker:


    Wow, ist ja toll, was aus "meinem" Thread geworden ist! Man könnte es bereits als "Sekundärliteratur" zu Hesse bezeichnen, ohne Scherz, bin echt begeistert.


    Denn schon allein der Umstand, dass sich Leser derart viele Gedanken zu einem Werk machen und das auch noch auf hohem Niveau, fasziniert mich.


    Ich selbst nehme alles etwas lockerer, mag beide, Thomas Mann und Hesse. Thomas Mann war meiner Meinung nach der gewandtere Sprachvirtuose, besonders dort, wo er "erzählt". Hesse versteht es besser, Philosophisches in lebendiges Geschehen umzuwandeln, wo Thomas Mann es in Diskussionen der Protagonisten abhandelt. Natürlich auch eine legitime Lösung und gar nicht so weit hergeholt, wenn ich mir diesen Thread hier anschaue. Bisher glaubte ich immer, die intellektuellen Gesprächspassagen bei Thomas Mann seien sehr unrealistisch. Doch Ihr beweist das Gegenteil. Ich bin wirklich beeindruckt.


    Freud und Jung schliessen sich genauso wenig aus. Ich als Vielträumerin finde Freuds Beobachtungen der Traumarbeit sehr treffend. Mit dem Libido-Begriff meinte er ja keineswegs nur die Sexualität, was heute oft verkannt wird, leider.


    Jungs kollektive Archetypen und Gottesbilder (mit denen er lediglich die menschlichen Vorstellungen von Gott und nicht Gott selbst meinte, also keineswegs religiöse Vorgaben machte) passen meiner Meinung nach eher auf die Volksmythen/-sagen/-märchen und Religionen, da sie nicht das persönliche Vorbewusste, sondern das kollektive Unbewusste der Menschheit darstellen. Persönlich werden sie erst wieder durch Jungs Aktive Imaginationsmethode, angereichert mit der von Freud übernommenen Assoziationsmethode und der typisch Jungschen Vergleichsmethode (welche allerdings wieder ins Kollektive führt).


    Um auf das leidliche Thema mit der Homosexualität zu kommen: Ich finde es müssig, ständig darüber nachzudenken, ob der Autor nun homosexuell war oder nicht, als ob ein Homosexueller ständig sexualisiert denken und schreiben würde. Sogar über Kafka gibt es ein Sekundärbuch, in der aber auch wirklich alles von Kafka homosexuell gedeutet wird. Ich warf das Buch enttäuscht weg. Ich finde, Hochliteraten wie Kafka, Thomas Mann und Hesse verdienen es, auf vergeistigter Basis betrachtet zu werden, denn sie alle (auch Freud und Jung) waren grosse Köpfe ihrer Zeit und ihr Einfluss bis in unser Jahrtausend kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.


    Aber ich will hier keinen neuen intellektuellen Streit entfachen. Es sind nur ein paar nette, freundliche, ganz liebe, klitzekleine Gedanken meinerseits.
    :breitgrins:


    Good-bye, Evelyne

  • hallo hafis, lothar, flach u.a.,


    eure diskussion ist sicher sehr intelligent, aber ich glaube zum eigentlichen thema, waren hesses romanfiguren schwul oder sogar er selbst hat sie nicht viel beigetragen. eher zur allgemeinen verwirrung.


    homosozialität hat zum beispiel mit homosexualität absolut nichts zu tun, sie ist auch keine vorstufe davon wie in manchen beiträgen (hafis) angedeutet. vielmehr ist es gerade so, dass homosexuelle oft heterosozial sind und homosoziale selten homosexuell. die meisten menschen und nicht nur künstler wie hesse sind homosozial und fühlen sich außerhalb der paarungszeit am wohlsten unter gleichgeschlechtlichen. stammtische und fussballstadions auf der einen, kaffeekränzchen und anderes auf der anderen seite sind beispiele dafür. auch im tierreich findet man bei homosozial lebenden arten zum beispiel wildpferde keine homosexualität, dagegen bei heterosozial lebenden tieren wie zum beispiel bonoboaffen sehr viel.

  • Nun, endlich geklärt, ob Hesse oder Mann oder womöglich gar Dostojewski schwul war? Prima. Und nu? Liest man deren Werke nun mit anderen Augen? Ach herrje. Ich schnapp jetzt ein Eis :eis: (Hals kühlen) und warte auf meinen bestellten Briefwechsel.
    Grußlos, der Troll
    :fluch:

  • Also, ich finde die These, daß Mann und Hesse schwul seien, ja schon irgendwie interessant, v.a. wenn man sich dann mal bewußt überlegt, wo in ihren Büchern man Stellen finden kann, die dies belegten. Zu Hesse kann ich leider nicht viel sagen, jedoch zu Mann - es herrscht ja zwischen Hanno und Kai in den Buddenbrooks eine sehr intime Beziehung, und es sind einige auffällige Stellen darin, an denen man die Homosexualität Manns erkennen könne, als z.B. Kai Hanno unaufhörlich beide Hände küßt. Es ist ja unumstritten, daß Mann sich in Thomas Buddenbrook verkörpert; Hanno ist sein Sohn und somit ein Teil von Thomas selbst, der letztendlich stirbt, wie auch Mann, der seine Homosexualität nicht habe ausüben können.

    Der Tod ist groß.
    <br />Wir sind die Seinen
    <br />lachenden Munds.
    <br />Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
    <br />wagt er zu weinen
    <br />mitten in uns.
    <br />
    <br />R.M. Rilke

  • Zitat von "*illegal_alien*"

    Hanno ist sein Sohn und somit ein Teil von Thomas selbst, der letztendlich stirbt, wie auch Mann, der seine Homosexualität nicht habe ausüben können.


    hallo,
    wo meinst du eine scheinwelt/ ein doppelleben von thomas buddenbrook hinsichtlich seiner sexuellen neigungen erkannt zu haben? oder meinst du hanno? ich bin etwas verwirrt.
    habe das buch kürzlich zu ende gelesen und wäre für hinweise dankbar.
    muss gegebenenfalls nochmal selbst nach stellen suchen.


    gruß
    matthias

    &quot;i was the fool because i thought...i thought the world...turns out the world thought me...it's all the other way 'round...we're upside down...&quot;

  • Ja, ich meine Hanno, die Beziehung zwischen ihm und Kai ist ziemlich eng. Thomas Buddenbrook könnte mit Hanno und der Beziehung zu Kai seine Homosexualität ausdrücken wollen, die er letzten Endes wegen der äußeren Einflüsse aufzugeben hatte, da es sittenwidrig war; auch Hanno mußte sterben. Wenn Du vielleicht mal "Tod in Venedig" liest - sofern Du ihn bisher noch nicht gelesen hast - merkst du noch deutlicher solche Anzeichen, da darin direkt von einer Liebe zwischen Aschenbach und Tadzio gesprochen wird. Damit Du mich nicht falsch verstehst, ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß Th. Mann schwul gewesen sei, will aber diese These nicht gleich bejahen. Jedoch ist sicher, daß er eine gewisse Verbundenheit zum männlichen Geschlecht hatte, sei es nun homosexueller oder homosozialer Art. Wichtig ist aber endlich nicht, ob es so gewesen ist, oder nicht - sofern er homosexuell war, bedürfte er noch größerer Bewunderung, da er einen wahnsinnigen Druck der damaligen Gesellschaft ausgesetzt gewesen sei - fest steht jedoch, daß er ein großer Künstler war, und er einzig und allein dafür gerühmt werden sollte. So, und jetz is mir schlecht vor lauter Konjunktiven *g*

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  • Ich grüße die Runde und möchte noch einmal den Briefwechsel zwischen Thomas Mann und Hermann Hesse ans Herz legen, oder einfach nur so empfehlen! FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "troll"

    Nun, endlich geklärt, ob Hesse oder Mann oder womöglich gar Dostojewski schwul war? Prima. Und nu? Liest man deren Werke nun mit anderen Augen?


    Und nu? Z.B. diese Pressemeldung:


    Über die homoerotischen Abenteuer Thomas Manns


    Berlin (AP) «Drei Tage noch und ich werde den Jungen überhaupt nicht mehr sehen. Sein Gesicht vergessen. Aber nicht die Abenteuer meines Herzens.» Diese Sätze schrieb Thomas Mann im Juli 1950 in sein Tagebuch. Jahrzehnte später fiel der so angehimmelte Hotelpage aus allen Wolken, als er nach Veröffentlichung der Tagebücher Manns von dem Liebesgeständnis erfuhr. Davon habe er nichts gewusst, noch nicht einmal etwas geahnt. Das Verhältnis sei immer nur «nett und freundlich» gewesen, sagte er.


    Thomas Manns Tagebucher sind so faszinierend, weil sie die private, intime Kehrseite eines der bedeutendsten deutschen Erzähler enthüllen. Sie stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung (bis 5. September) im Schwulen Museum im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Dieses widmet sich - zum 50. Todestag Manns am 12. August 1955 - in der Ausstellung «Applaus muss sein» den homosexuellen Seiten des Schriftstellers.


    «Er hatte immer homosexuelle Bedürfnisse, aber gelebt hat er sie nie», sagt Kurator Wolfgang Theis. Erst durch die posthume Veröffentlichung der Tagebücher ab 1975 seien die Neigungen bekannt geworden. In ihnen habe er sich zu seinen Bedürfnissen bekannt. Der 1875 in Lübeck geborene Thomas Mann habe seine homosexuellen Neigungen als Schwäche betrachtet und eine Frau geheiratet. Insgesamt hatte das Paar sechs Kinder, darunter Erika, Golo und Klaus. Sie hätten «das Triebschicksal ihres Vaters» geteilt, es aber mehr oder weniger öffentlich gelebt.


    Allerdings sind auch im Werk des Literaturnobelpreisträgers homoerotische Tendenzen zu finden, vor allem in seiner 1912 erschienenen Novelle «Tod in Venedig». In ihr beschreibt er sehr gefühlvoll die Liebe eines alternden Mannes zu einem jungen Knaben. Dadurch, dass Thomas Mann seine Homosexualität sublimiert habe, sei ein umfangreiches Werk voller Anspielungen und Verweise entstanden, erklärt Theis.


    Die Ausstellung zeigt Thomas Mann, der durch den Roman «Buddenbrooks» (1901) bekannt wurde, auch im Kreis seiner Familie. Beleuchtet werde auch der Bruderzwist mit Heinrich Mann, der Kampf gegen Hitler im amerikanischen Exil und die Nachwirkungen seines Werks in Literatur, Film und Fernsehen.


    Darüber hinaus werden die Verfilmungen seiner Romane vorgestellt und seine Vorbilder zitiert. Anschaulich wird die Ausstellung durch die zahlreichen Fotos, Plakate, Bücher und Exponate wie Büsten und Skulpturen.


    Thomas Mann sei wie kaum ein andere Schriftsteller eine Identifikationsfigur für homosexuelle Männer, sagt Theis. Schliesslich habe er 1922 zu den Unterzeichnern der so genannten Hirschfeld-Petition zur Abschaffung des Paragrafen 175 des Reichsstrafgesetzbuches gezählt, der Gefängnisstrafe für Homosexualität unter Männern vorsah. Allerdings dauerte es doch bis 1994, bis die Regierung Helmut Kohl den im Dritten Reich noch verschärften und später modifizierten Paragrafen endgültig abgeschafft habe.


    http://www.schwulesmuseum.de/


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Da ich in diesen Tagen meine Zeit auf die Lektüre von Briefen Hesses verwende, bin ich auf eine Briefstelle gestossen, die zu der alten Diskussion gehört:


    Hesse schrieb im März 1931 an Fra Dr. Mia Engel:
    [...]Erstens was die Freundschaften Goldmund-Narziss, Veraguth-Burkhardt, Hesse-Knulp etc betrifft. Dass diese Freundschaften, weil zwischen Männern bestehend, völlig frei von Erotik seien, ist ein Irrtum. Ich bin geschlechtlich "normal" und habe nie körperlich erotische Beziehungen zu Männern gehabt, aber die Freundschaften deshalb für völlig unerotisch zu halten, scheint mir doch falsch zu sein. Im Fall Narziss ist es besonders klar. Goldmund bedeutet für Narziss nicht nur den Freund und nicht nur die Kunst, er bedeutet für Narziss auch die Liebe, die Sinnenwärem, das Begehrte und Verbotene.[...]


    Die Briefe sind im Allgemeinen sehr zu empfehlen, mir jedenfalls bringen sie den Menschen Hermann Hesse wesentlich näher.


    Es grüsst
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo alpha,


    danke für den Einwurf und das Zitat. So verstehe ich Hesses in seinen Werken auch. Er hat Freundschaft wohl wie Nietzsche verstanden und darüber hinaus, denn er war beziehungsfähig und -willig, was ja Nietzsche nur sehr sehr begrenzt war (ich will hier nicht über Schwierigkeiten in diesen Beziehungen schreiben). Überhaupt stimme ich dir zu, dass man sich Hesse als Menschen nur über seinen Briefwechsel erst richtig anzunähern vermag. Teilweise unterstreicht er Auffassungen und Ansichten, die er auch in seinen Büchern vertritt, teilweise wurden mir aber auch grundsätzlich neue Dinge bekannt. Er war sowieso recht offen in seinen Briefen und dabei ehrlich zu sich und anderen, wie zum Beispiel bei seinen Aussagen über sein Vaterland, die Malerei usw. Schade, dass ich mir den gesamten Briefwechsel zur Zeit nicht leisten kann, aber ich habe einige Auswahlbände, die helfen auch schon weiter. Hesse bezog in seinen Briefen klar Stellung und konnte auch einige unangenehme Wahrheiten deutlich aussprechen. Aber ich will nicht zu weit gehen... Hesses Briefwechsel ist aber sicher zu empfehlen!


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Kann nicht vieles in Thomas Manns Verhalten auch aus seiner Rivalität zu seinem älteren Bruder Heinrich Mann herrühren?


    Die Geschichte der ungleichen Brüder


    Eine Frage, die ich mir schon länger stelle und weshalb ich mir damals den Briefwechsel zwischen Thomas Mann und Heinrich Mann kaufen wollte.


    Der Bruder Heinrich Mann


    bzw.


    Thomas Mann / Heinrich Mann: Briefwechsel 1900 - 1949


    Grüße, FA


    [size=9px]Edit: Ich habe mal die Links etwas verschönert. Könntest Du das demnächst auch machen, FA? Dann schaut das besser aus und man weiß auch, worum es sich bei dem Link handelt. Außerdem werden die Postingfenster dann nicht so sehr in die Breite gezogen. LG nimue[/size]

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  • Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • oh je ... dieser thread hat es ja in sich. einerseits freue ich mich, so ein forum wie dieses gefunden zu haben, und in vielen beiträgen zeigen sich hier höhen als auch tiefen des umgangstons, der vielleicht das boardklima ausmachen könnte. ich werde acht geben. ein umfeld von belesenen menschen ist etwas besonderes, einzigartig wird es dann, wenn trotz jeder selbstverliebten intelligenz oder belesenheit auch noch soziale kompetenzen spürbar bleiben.


    ich finde es übrigens überhaupt nicht schlimm, sich darüber den kopf zu zerbrechen, ob ein schriftsteller schwul ist oder gewesen ist. denn ich habe just überhaupt nichts dagegen, und wüsste auch nicht, an welcher stelle so etwas stören könnte. das schwulsein ist schon eine wichtige komponente, die man imo ruhig belichten darf.


    zum einen erweist sich bei einigen, ich würde sogar sagen vielen schriftstellern die suche, die sehnsucht oder die sexuelle begierde nach dem gegenstück als kreative antriebsfeder. was beispielsweise würde an gedichten else lasker-schülers noch übrig bleiben, wenn sie ihre sehnsucht aus ihren texten verbannen hätte müssen? hätte nabukov je "lolita", wilde "dorian grey" geschrieben, wenn sie nicht irgendwas hätten verarbeiten wollen? selbst trauer oder liebeskummer ist der antrieb für kreativität, und näher beleuchtet verbirgt sich als ursache dafür nichts anderes als die sehnsucht nach dem erfülltsein mit einem passenden gegenstück. der sexuelle trieb - oder wie immer man es netter bezeichnen will - ist etwas, wofür man ruhigen gewissens dankbar sein kann.


    zum anderen tritt bei mann immer wieder zu tage, wie reizvoll er männer oder "knaben" fand. seine beschreibungen nehmen durchaus platz in seinen werken ein. und diese teile lesen sich für mich alles andere als uninteressant. manchmal lassen sich gedanken nur mit diesem hintergrundwissen verstehen.* warum sollte es dann schlimm sein, sich darüber auszutauschen, welcher sexuellen gesinnung jemand ist? der adressatenbezug (ob hingezogen zu mann oder frau z.b.) ist ja schon wichtig.


    *ich habe vor kurzem die tagebücher seiner letzten jahre gehört. und ich denke sogar, dass er "schon" starb, weil er nicht tun und lassen und ausleben konnte, was er wollte. ihm fehlte der anreiz. wenn er in seinen aufzeichnungen von einem schönen knaben berichtete, dann flammte sein schreibeifer plötzlich noch mal auf. aber er sah sich vielleicht gezwungen, diesbezüglich bedeckt zu halten. er wollte es ja vllt. den anderen recht machen. am "felix krull" hat er sich so dermaßen gequält und eisern zur disziplin gezwungen. dabei fiel ihm nichts mehr dazu ein. vermutlich seitdem er sich von dem bild der zweieinigkeit vom weiblichen und männlichen der leserschaft wegen verabschieden und alles auf die zweieinigkeit von mutter und tochter reduzieren musst. dabei wünschte er sich sogar, noch einmal von der leidenschaft zum schreiben befallen zu werden. das wäre vielleicht passiert, hätte er sich verliebt wie er wollte und hätte davon in aller freiheit schreiben können.


    für viele homosexuelle menschen war es damals eine große bürde, sie mussten sich so sehr verstecken. dabei ist ihre homosexualität imo eine art geschenk. nicht nur für sie selbst, eigentlich für alle ihre mitmenschen. doch diese halten verkrampft manchesmal die augen zu und machen ihnen es schwer. so viele homosexuelle/bisexuelle sind zutiefst feinsinnig und kreativ veranlagt, als hätte das eine mit dem anderen zu tun. und wäre mann vielleicht heterosexuell gewesen, vielleicht wäre er dann ein trockener und staubiger bibliothekar geworden, aber hätte niemals die leidenschaft des schreibens erfahren.


    wie man vielleicht lesen kann, bin ich auch deutlich eher ein fan der thomas mann´schen schreibweise. um hesse hatte ich mich auch mal bemüht, aber keinen zugang gefunden. seine gedichte wirken auf mich grob. mir fehlt das feine und subtile oder auf der anderen seite das ausdrucksstarke und makabre. seine metaphern erreichen mich einfach nicht.

    es gibt keinen höheren zweck der kunst, als in den menschen diejenige lust zu entzünden, wo sein ganzes wesen von aller irdischen qual [...]befreit wird und ihn so erhöht, dass er, sein haupt stolz und froh emporrichtend, das göttliche schaut, ja mit ihm in berührung kommt.
    <br />
    <br />(e.t.a. hoffmann)

  • Hallo zusammen!
    Hallo mathilda und herzlich willkommen! :blume:


    Zitat von "mathilda"

    hätte nabukov je "lolita", wilde "dorian grey" geschrieben, wenn sie nicht irgendwas hätten verarbeiten wollen?


    Ich glaube nicht, dass man einen grossen Autor darauf reduzieren darf, dass er in seinem Werk "etwas verarbeiten" hätte wollen. Grosse Literatur geht weit übers Persönliche des Autors hinaus.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • danke für das willkommen und die grüße.


    du siehst es glaube ich zu einseitig und negativ, was ich beschrieb. ich habe weder große noch kleine autoren auf das verarbeiten reduziert. das verarbeiten ist allerdings bestandteil des schreibens. weil schreiben ein akt der denk-arbeit ist. wenn es nicht bewusst passiert, geschieht es unbewusst. die persönlichkeit wird von all den erlebnissen, den erfahrungen, den genetisch bedingten veranlagungen, den empfindungen, der wahrnehmung geprägt. ver-arbeiten bedeutet doch nur das umsetzen dieser psychischen und physischen prozesse als geistige arbeit und entwicklung von erkenntnissen oder bedürfnissen beispielsweise und ist durchaus so sehr menschlich, dass nicht einmal ein "großer" schriftsteller davon ausgenommen sein kann.

    es gibt keinen höheren zweck der kunst, als in den menschen diejenige lust zu entzünden, wo sein ganzes wesen von aller irdischen qual [...]befreit wird und ihn so erhöht, dass er, sein haupt stolz und froh emporrichtend, das göttliche schaut, ja mit ihm in berührung kommt.
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    <br />(e.t.a. hoffmann)