Thomas Mann und Hermann Hesse

  • Hallo hafis,


    Gut gebrüllt, Löwe... Ich kann mich Deinen Ausführungen zur Rationalität nur anschließen. Ich habe aus Zeitgründen auf eine Antwort an Lothar verzichten müssen, obwohl es mir in den Fingern juckte, deshalb freue ich mich besonders, dass Du so ausführlich geantwortet hast.


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo,
    nur eine kurze Anmerkung:


    Zitat von "hafis50"


    Ein biograph identifiziert seine dritte frau mit hermine (p.3).


    Sorry, das ist schon aus chronologischen Gründen unmöglich. Hesses Beziehung zu seiner späteren 3. Ehefrau Ninon Ausländer begann im April 1927 - vorher hat er sie nur sehr flüchtig gekannt. Das Manuskript des "Steppenwolf" wurde jedoch schon im Januar 1927 abgeschlossen.


    Gruß,
    R.

  • @ hafis50: Die 'Wahrheit über die Welt' stellt sich in verschiedenen Gegenstandsbereichen vollkommen anders dar, weshalb sich im Verlaufe der Wissenschaftsgeschichte unterschiedliche Disziplinen herausgebildet haben, die sehr wohl völlig verschiedene Untersuchungsmethoden benutzen. Das ist doch trivial, und muß ich mir dafür wirklich Beispiele ausdenken, genauso wie es trivial ist, daß zwischen Naturwissenschaften auf der einen Seite und Sozial- bzw. Geisteswissenschaften auf der anderen es wesensmäßige Unterschiede im Gegenstandsbereich gibt, die verschiedene Methoden erzwingen!? Wenn du dich daher unbedingt selbst wie ein unbelebtes und Un-Bewußtes Objekt im Sinne naturwissenschaftlicher Gegenstandsdefinitionen sehen willst, kann ich dich nicht daran hindern, aber du mußt dich dann auch nicht wundern, wenn du dann irgendwann einmal insbesondere an Mediziner gerätst, die dich dann entsprechend behandeln. (Aber bitte dann später nicht über die bösen Ärzte herziehen, wenn sie deine Subjektivität vergewaltigt haben, sondern Mitverantwortung für deine freie Entscheidung übernehmen!)


    Über die 'Effizienz' der klassischen Psychoanalyse als Therapieform hatte ich oben kein Wort geschrieben, das wäre ein völlig eigenständiges Thema, und mir liegt wenig bis nichts daran, hier als Verteidiger aufzutreten, aber wer auch hier glaubt, daß man Effizienkriterien aus Naturwissenschaft und Technik, gar aus der Ökonomie, einfach so auf dieses Gebiet übertragen kann, der glaubt tatsächlich, das menschliche Leben oder die menschliche Psyche funktioniere wie eine berechenbare Maschine. (Übersteigerten Szientismus habe ich kürzlich in ganz anderem Zusammenhang einmal 'Spockismus' getauft, in Erinnerung an diesen Mensch mit den eigentümlichen Ohren. Vor vielen Jahren fiel mir schonmal auf, von welchem Planeten Mr. Spock stammt, und seit dem sehe ich diese Figur als eine Steppenwolf-Variante, in dem der äußeren coolen Fassade des rationalen Logikers die innere Seite eines brodelnden 'Vulkans' entspricht. Mittlerweile gab es auch schon längst eine Next Generations-Folge, wo Spocks Vater auftritt, der seine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle halten kann, und die gesamte Raumschiffbesatzung mit seinen emotionalen Wallungen infiziert, ein schönes Symbol innerhalb der Unterhaltungskultur für 'die Dialektik der Aufklärung'.)


    Das Herkommen von der Literatur war in erster Linie an Friedrich-Arthur gerichtet, wobei mir nicht ganz klar ist, was du mit 'von Geburt an' meinst. War das ein Scherz? Ich wollte damit betonen, daß genau wie in der Literatur so in der Psychologie generell und in der Psychoanalyse speziell Wahrheitschancen liegen, die aus der Eigenart der Herangehensweise an die Welt resultieren. Die liegt eben darin, daß menschliches Bewußsein einen inneren Raum eröffnet, der eben nicht sichtbar, meßbar oder wiegbar ist, und den man ebenfalls wesensmäßig verfehlt, wenn man Bewußtseinsphänomene auf das Spiel biochemischer Reaktionen zu reduzieren sucht. Dieser subjektive Raum in seiner strukturierten und gesetzmäßigen Eigenart erschließt sich tatsächlich zunächst nur der eigenen Erfahrung und damit der Introspektion, und wir lesen und lieben Literatur wahrscheinlich u.a. deshalb, weil sie uns 'plötzlich' innere Räume anderer Menschen in einer differenzierten Vielfalt und einem Reichtum offenbart, die uns spontan so nicht gegeben sind. In der Sozialpsychologie nennt man ein weiteres entscheidendes Element dieses inneren und sich interaktiv konstituierenden Raumes auch 'die Reziprozität der Perspektiven' - ich weiß, daß du weißt, daß ich weiß - und ohne Einfühlung in deinen Mitmenschen und Sinnverstehen läuft im menschlichen Mit- aber auch Gegeneinander gar nichts. Zugespitzt: wenn dein Partner sagte 'Ich liebe dich!' und du antworten würdest 'Beweise es!' (im Sinne naturwissenschaftlich-empiristischer, neopositivistischer Methodologie), dann hätte ich keine Probleme damit, dir eher eine klassische Psychoanalyse als 'Heilmittel' zu empfehlen, trotz eigener Vorbehalte, als das Studium an der nächstgelegenen philosophischen Fakultät, Abteilung Wissenschaftstheorie, oder gar ein naturwissenschaftliches Fach.


    Den Gegensatz zum Wort 'rational' kann man natürlich mit 'irrational' bilden, ich bevorzuge das Wort 'emotional', weil die weitere Verfolgung dieses Begriffspaars einfach fruchtbarer ist als die vorhersehbaren Polemiken unter der Flagge des Irrationalismusvorwurfs. Für viele und insbesondere traditionell 'männliche' Denkhaltungen sind diese beiden Wörter natürlich synonym, Mr. Spock siehe oben, aber der tiefere Clou gerade der psychoanalytischen Herangehensweise besteht ja darin, die Eigenart und gegliederte Dynamik der subjektiven gefühlsmäßigen Erfahrung in analytische, kognitive und eben rationale Erklärungen zu übersetzen, und so gesehen ist gerade ein orthodoxer Psychoanalytiker natürlich ebenfalls ein 'Mr. Spock'. Die Grenzen dieses Verfahrens in therapeutischer Hinsicht haben schon Freuds Schüler selbst bemängelt, daher die unterschiedlichen Abspaltungen und Schulenbildung bis hin zur Abwendung von der Psychoanalyse überhaupt, aber wer auf Grund der prinzipiellen Schwierigkeiten, das menschliche Innenleben theoretisch wie therapeutisch zu fassen, seine Existenz leugnet und zu einem naiven Materialismus des 19. Jahrhunderts zurückwill, wie er letztlich auch den verschiedenen Spielarten des Behaviourismus oder der experimentellen Psychologie zu Grunde liegt, der schüttet meines Erachtens das Kind einfach nur mit dem Bade aus und verschenkt längst erreichte Einsichtshöhen.


    Daß sich Psychoanalyse wie Literatur läse und umgekehrt, betrachte ich daher geradezu als ein positives Merkmal, und manche Autoren hat das schon zu der sogar für mein Gefühl etwas überpointierten Aussage gebracht, mit der Psychoanalyse sei die Literatur 'gestorben'.


    Mit 'Autor' meinte ich den Autor des von dir ganz oben verlinkten amerikanischen Aufsatzes über die 'homosoziale' Lesart des 'Steppenwolfs'. Du brauchst also tatsächlich den Umweg über Zitier-Indexe u.ä. um mich - oder dich selbst? - davon zu überzeugen, daß dieser Begriff 'Homosozialität' gebräuchlich sei, von der mageren Ausbeute ganz zu schweigen??? Wenn 'Homosozialität' und Homosexualität aber NICHT immer zur Deckung kommen, dann macht es nicht viel Sinn, diesen Aufsatz zu zitieren, wenn es doch bloß um die letztlich ganz simple Ausgangsfrage ging, ob Hermann Hesse selbst oder zentrale Figuren von ihm homosexuell gewesen seien. Nicht mehr, als daß sie es nicht seien, hatte ich schließlich dazu sagen wollen.


    @ Roquairol: Das Kernargument in der 'homosozialen' Deutung Hermines ist allein schon deswegen abwegig, weil Androgynität den Geschlechtsdualismus TRANSZENDIERT, denn ein androgyner Mensch trägt sowohl 'männliche' wie auch 'weibliche' Züge bzw. keins mehr von beiden, also nur noch allgemein menschliche, weshalb man aus der Affinität zu androgynen Menschen oder literarischen Figuren gerade KEINE 'Homosozialität' ableiten kann. Androgynität bei Hesseschen Figuren ist damit genau wie das häufigere Leiden an Zerrissenheit und Hin- und Herschwanken zwischen gegensätzlichen Polen immer ein Symbol für sein Grundthema der ersehnten existentiellen Einheitserfahrung im Sinne seiner geistigen Bezugsrahmen in der westlichen und östlichen Mystik. Gerade weil es ihm im tiefsten und letzten um die umfassende Aufhebung solcher Dualismen ging, ist eine Deutung wie jene dieses Autors, die ihn umgekehrt wieder auf eine einseitige ('homosoziale') Fixierung festnageln will, daher geradezu Blödsinn der höheren Art, wie mir jetzt erst richtig bewußt wird, weil hafis immer weiter nachlegt.

  • @ Roquairol:
    Das muß kein Widerspruch sein:
    Ich kann heute ziemlich exakte vorstellungen von der traumperson haben. Dann ist es nicht überraschend, wenn die tatsächlich später getroffene wahl mit diesen übereinstimmt.


    Es war Fußnote 10:
    Biograph Friedman - Hermann Hesse, Pilgrim of Crisis
    " Wie selbst ihre Photographien zeigten, war sie die perfekte Verkörperung von Hesse's Antipoden: männlich und weiblich, Okzident und Orient. Ihre mandelförmigen Augen und ihr sinnlicher Mund auf den früheren Bildern kontrastieren mit der männlichen Strenge auf den späteren Photos...und beide Elemente waren sicher zugegen in der reifen Frau, mit der sich Hesse zu verheiraten erlaubte."


    @Lothar,
    Da die antwort zu umfangreich wäre, udn ich nun keine Zeit habe, werde ich morgen antworten.
    BTW, der link "Grenzen der Hermenutik in der Psychoanalyse" formuliert das problem exakt, -übrigens aus einer medizinisch-psychologischen fakultät.


    gruß hafis

  • @ hafis50: Es geht in diesem von dir verlinkten Hermeneutiktext nur um die Frage der Radikalisierung des hermeneutischen Blickwinkels im Sinne einer Ausschließlichkeit, nicht um die Infragestellung der hermeneutischen Perspektive überhaupt. Bevor du da langwierige Antworten ausarbeitest, möchte ich dich außerdem vorab darauf hinweisen, daß du bei mir offene Türen einrennst, wenn du einzelne Aspekte der Psychoanalyse kritisieren willst. Für mich hat die Psychoanalyse Wert, weil sie gerade der rationale(!) Versuch darstellt, die Phänomene des Irrationalen, sprich Subjektiven, Emotionalen, auf den Begriff zu bringen. Alle Kritik an ihren methodologischen Unzulänglichkeiten kann man leicht bejahen, aber entscheidend wäre es, über die Formulierung erkenntnistheoretischer Kritik hinaus eine umfassende Alternative zu benennen, die den oben benannten Raum des subjektiv in der eigenen Erfahrung gegebenen nicht wie eine black box oder als etwas zu vernachlässigbares behandelt wie in behaviouristischen Ansätzen oder reduktionistischer Neurophysiologie. Wenn du eine solche Alternative anzubieten hast oder auch eine umfassende Integration der verschiedenen Paradigmen innerhalb der Psychologie, auf die ich auch schon seit zwanzig Jahren warte, bin ich gespannt, ansonsten können wir uns das ja auch einfach sparen.

  • hallo lothar,


    Diese thematik scheint dich ja besonders zu beunruhigen.
    Indem du keine einzige von dir zitierte textstelle kritisierst, stattdessen nur die schlußfolgerungen, kritisierst du ebensoviel wie ebensowenig den autor wie auch Tuskins, Tomkins und K/R, denn der autor hat ja kein eigenes modell "erfunden". Eine kritik wie in einem wissenschaftlichen disput ist das nicht.


    Der autor machte 2 feststellungen:


    1)- die homosozialität Hesse's ging über das normale hinaus, und seine homosexualität grenzte ans unnormale


    Die biographischen details dazu stehen oben. Ball stellte Hesse's zwischenmenschliche Beziehungen zu denen der Romantiker.
    Fußnote 30:
    Es gibt Menschen von eigensinniger und wunderlicher Individualität, die nicht zum Ehestande gemacht sind.
    Auch Männern kann man absolut anhänglich sein, so gut wie Frauen.
    Novalis


    ...
    So laß uns Beide Hand in Hand durcheilen
    Der vielgeliebten Kunst geweihtes Land,
    Ich würde ohne Dich die Kraft verlieren
    So Kunst als Leben weiter fort zu führen

    Tieck an Wackenroder


    Würde nicht die mehrzahl heute sagen, wer so redet, ist homosexuell?


    Tölle - Lehrbuch der Psychiatrie
    "Das homosexuelle Verhalten kann sich auf das Zusammensein und Betrachten beschränken"


    Dieses ist eine andere formulierung für homosozialität. Verändert sich die aussage, wenn man die eine oder die andere formulierung wählt? Nein. Wenn man aber dieses wort ablehnt, muß man entweder ein anderes wählen, wie "männerliebe" oder "Freundesliebe" (Hesse), oder man subsumiert alles direkt unter homosexualität.


    Ich habe nur in einigen datenbanken nachgeschaut. Wieso sind 40 Treffer wenig? Wenn ich "hypercholesterinämie" eingebe, werde ich viel mehr treffer erhalten als mit einer sehr seltenen krankheit. Die trefferzahl sagt hier nichts aus. Daß begriffe neu geschaffen werden oder verschwinden, ist nichts ungewöhnliches.


    "Es wird damit gerechnet, daß Männer zu einem Drittel bis zur Hälfte während einer begrezten Zeit ihres Leben homosexuell empfinden und von diesen etwa die Hälfte sich vorübergehend auch homosexuell verhält...Unter Männern soll bisexuelle Einstellung häufiger sein als ausschließlich heterosexuelles Empfinden."
    Es gibt nicht die homosexualität, sondern verscheidene Formen: u.a.
    Hemmungshomosexualität - gegen Frauen gehemmt, kann durch Regression erst im vorgerückten Alter auftreten (haller ist 50!)
    Neigungshomosexualität - nicht wenige flüchten in die Ehe


    Die biographie Hesse's und Haller's sprechen nicht gegen die Annahme der homosexualität. Die pschodynamik ist also viel komplexer als einfaches schubladendenken. In der summe läßt sich die schlußfolgerung also vertreten. Zumindest kann ein verdacht, aber kein Beweis formuliert werden.


    2) - Das werk kann als homosoziales coming-out gelesen werden und der aspekt der homosexualität muß berücksichtigt werden.

    Zeige eine textstelle explizit zur Androgynität, die unrichtig ist. Es geht auch nicht um die psychologie der androgynität bzw die der androgynen person (Hermine), sondern um diejenige des Betrachters der androgynen person - Haller. Es ist doch ein banaler gemeinplatz, daß die betrachtung einer androgynen person, wie im artikel richtig vermerkt, sowohl homosoziale und heterosexuelle als auch heterosoziale wie heterosexuelle Phantasien anspricht. BTW, warum haben travestie-shows männliche heterosexuelle kundschaft? Warum gibt es pornos mit speziell androgynen modellen? Haben androgyne lesben bzw. weiblich erscheinende Homosexuelle keine männliche oder weibliche züge, nur noch "menschliche"? Hier liegst du völlig falsch. Ist hier die Sexualität "transzendiert"? Im gegenteil, Sex findet statt!
    Genauso banal ist dies aus sicht der klass. neuroselehre, in der verbotene wünsche verschoben und übertragen werden. Ein verbotener aggressionstrieb führt zB zu caritativem engagement. Homosexuelle wünsche legen sich auf nicht-homosexuell belegte plätze. Männer gehen zum Militär, zum football (s.o.) etc.. Homosozialität befriedigt dann die bedürfnisse, die andernfalls die -verbotene- homosexualität befriedigt hätte.


    Fakt ist, daß das werk explizite homosexuelle und homosoziale stellen aufweist, daß dies nicht berücksichtigende interpretationen fragen offen lassen, und daß das werk -nicht nur vom autor- auch als werk, in dem homosozialität bzw. homosexualität thematisiert sind, gelesen wird.
    Ebenso fakt ist, daß die thematisierte homosoziale krise (zB dachbodenszene - Ach ich wünschte, ich hätt einen freund, der jetzt mit seiner violine käme...) ebensolchen krisen im leben Hesse's gleicht (siehe text).


    Ich gehe davon aus, daß du die analytische arbeit völlig mißverstehst oder nicht akzeptieren willst, weil sie deinen voreinstellungen widerspricht.
    Du magst antworten, daß das mißverstehen bei mir liege.
    Wie kann man jetzt zur objektiv richtigen antwort finden?
    Da sind wir beim grundlegenden problem der wissenschaftlichkeit.
    Wir sehen, daß nicht nur die frage der wissenschaftlichkeit seit beginn der PA diskutiert wird, sondern auch, daß noch nicht einmal über die theorien, das "wissen" einigkeit herrscht. Wenn die hellsten köpfe dies in der vergangenheit nicht geschafft haben, warum sollten sie es in der zukunft schaffen? Es weist darauf hin, daß objektive wahrheitskriterien nicht existieren. Dann kann aber niemand das tun, was du tust, nämlich die eigene meinung als "erkenntnis", "wahrheit" oder "wissen" zu bezeichnen.


    Im philosophie-lexikon lese ich:
    - der Behaviorismus bestreitet die möglichkeit des verstehens
    - Personenverstehen ist Selbstverstehen, daß im Analogieschluß auf andere übertragen wird (husserl)
    - Für andere ist das Du-Verstehen das Primäre, welches die möglichkeiten des eigenen Selbst erhellt (scheler)


    Du hast dich einer bestimmten schule unterworfen. Ich verwerfe nur die des simplen verstehens, schließe mich aber keiner explizit an, weil ich kein objektives entscheidungskriterium habe. Daraus folgt, daß die PA nicht wissenschaft ist, keine wahren, geschweige den sinnhaltigen sätze produziert, -es sei denn, man definiert den begriff wissenschaft anders.


    Zitat von "Lothar"

    Die 'Wahrheit über die Welt' stellt sich in verschiedenen Gegenstandsbereichen vollkommen anders dar, weshalb sich im Verlaufe der Wissenschaftsgeschichte unterschiedliche Disziplinen herausgebildet haben, die sehr wohl völlig verschiedene Untersuchungsmethoden benutzen.


    Nein. Die Psychoanalyse will aussagen über das menschliche denken und verhalten machen und tritt damit in konkurrenz zu biologie und medizin.


    Zitat von "Lothar"

    Wenn du dich daher unbedingt selbst wie ein unbelebtes und Un-Bewußtes Objekt im Sinne naturwissenschaftlicher Gegenstandsdefinitionen sehen willst, kann ich dich nicht daran hindern, aber du mußt dich dann auch nicht wundern, wenn du dann irgendwann einmal insbesondere an Mediziner gerätst, die dich dann entsprechend behandeln.


    Die naturwissenschaft schreibt dem menschen bewußtsein und leben zu.
    Hier liegt wohl eine klassische übertragung vor. Du hast wohl probleme mit der die realität abbildenden naturwissenschaft. Geisteswissenschaften haben andere aufgaben.


    Zitat von "Lothar"

    aber wer auch hier glaubt, daß man Effizienkriterien aus Naturwissenschaft und Technik, gar aus der Ökonomie, einfach so auf dieses Gebiet übertragen kann, der glaubt tatsächlich, das menschliche Leben oder die menschliche Psyche funktioniere wie eine berechenbare Maschine.


    Es ist eine illusion zu glauben, daß man effizienzkriterien ausweichen kann. Spätstens wenn der patient oder der staat den geldbeutel zücken soll, ist die effizienzfrage da.
    Natürlich ist die psyche nichts weiter als ein produkt "mechanischer, chemischer, pysikalischer" vorgänge. Dies sagt nichts über berechbarkeit aus.


    Zitat von "Lothar"

    Übersteigerten Szientismus


    Abgesehen von der frage, was mit szientismus gemeint ist, habe ich für rationalismus argumentiert. Es kann nur rationalismus geben, nicht aber zuviel davon. Ich kann 1+1=2 nicht noch richtiger ausrechen als hier schon steht!


    Zitat von "Lothar"

    wobei mir nicht ganz klar ist, was du mit 'von Geburt an' meinst. War das ein Scherz?


    Nein. Die phase in der pubertät, in der ich mich mit eher irrationalen bzw. nicht rationalen dingen (mystik etc.) zuwendete, dauerte keine 3 monate.


    Zitat von "Lothar"

    daß menschliches Bewußsein einen inneren Raum eröffnet, der eben nicht sichtbar, meßbar oder wiegbar ist, und den man ebenfalls wesensmäßig verfehlt, wenn man Bewußtseinsphänomene auf das Spiel biochemischer Reaktionen zu reduzieren sucht.


    Nein. Siehe oben. Was denn soll diese phänomene verursachen? Telekinese oder gedankenübtragung außerirdischer? Sind wir virtuelle existenzen wie in der "Welt am Draht"?
    Letzlich muß sich alles auf eine materialistische erklärung zurückführen lassen, weil nichts anderes exstiert. Die FAZ brachte in den letzten wochen eine artikelreihe zu frage der menschlichen willensfreiheit, die genau diese frage berührt.


    Zitat von "Lothar"

    Dieser subjektive Raum in seiner strukturierten und gesetzmäßigen Eigenart erschließt sich tatsächlich zunächst nur der eigenen Erfahrung und damit der Introspektion, und wir lesen und lieben Literatur wahrscheinlich u.a. deshalb, weil


    Einverstanden. Aber das sagt nichts über "erkenntnisse", erst recht erkenntnisse fremder psychen aus.


    Zitat von "Lothar"

    Zugespitzt: wenn dein Partner sagte 'Ich liebe dich!' und du antworten würdest 'Beweise es!' (im Sinne naturwissenschaftlich-empiristischer, neopositivistischer Methodologie), dann hätte ich keine Probleme damit, dir eher eine klassische Psychoanalyse als 'Heilmittel' zu empfehlen, trotz eigener Vorbehalte, als das Studium an der nächstgelegenen philosophischen Fakultät, Abteilung Wissenschaftstheorie, oder gar ein naturwissenschaftliches Fach.


    Soll man das so verstehen, daß die antwort "beweise es" krank/falsch ist?
    Wenn ja, dann widerspreche ich:
    Wenn ich die person mag, würde ich mich natürlich fragen, ob dies ein situativer scherz, eine ironie, ein sarkasmus ist oder ob es ernst gemeint ist. Ich werde natürlich nach beweisen für die proposition suchen!


    Zitat von "Lothar"

    Den Gegensatz zum Wort 'rational' kann man natürlich mit 'irrational' bilden, ich bevorzuge das Wort 'emotional'


    Wie kann man denn diese beiden begriffe gegenüber stellen? Gefühl und Intellekt? Spock machte emotionslos rationale, Pille emotionale irrationale, und Kirk -wenigstens am schluß- emotionale rationale entscheidungen.


    Zitat von "Lothar"

    Daß sich Psychoanalyse wie Literatur läse und umgekehrt, betrachte ich daher geradezu als ein positives Merkmal, und manche Autoren hat das schon zu der sogar für mein Gefühl etwas überpointierten Aussage gebracht, mit der Psychoanalyse sei die Literatur 'gestorben'.


    Freud selbst lehnte die zeichnung solch kranker figuren in der literatur ab (siehe den artikel). Wenn aber die psychologische theorie falsch ist, lese ich science-fiction, irreales zeug. Weiter ist die psychoanalytische argumentierweise schwierig zu verstehen, siehe oben.


    Zitat von "Lothar"

    Wenn 'Homosozialität' und Homosexualität aber NICHT immer zur Deckung kommen, dann macht es nicht viel Sinn, diesen Aufsatz zu zitieren, wenn es doch bloß um die letztlich ganz simple Ausgangsfrage ging, ob Hermann Hesse selbst oder zentrale Figuren von ihm homosexuell gewesen seien. Nicht mehr, als daß sie es nicht seien, hatte ich schließlich dazu sagen wollen.


    Sorry, aber du hast die argumentation, den analytischen gedankengang nicht verstanden. Das erklären hat natürliche grenzen. Das muß man dann letztlich akzeptieren. Ebenso unterstellst du natürlich, daß der autor sich selbst nicht richtig verstanden hat. In den naturwissenschaften gibt es dazu den peer-review, der texte vorher kontrolliert.
    Wenn du also das alles für falsch hälst, kannst genausogut du falsch liegen. Damit sind wir wieder bei wissenschaftlichkeit und erkenntniswert angelangt.
    gruß hafis

  • Zitat von "Lothar"

    aber entscheidend wäre es, über die Formulierung erkenntnistheoretischer Kritik hinaus eine umfassende Alternative zu benennen, die den oben benannten Raum des subjektiv in der eigenen Erfahrung gegebenen nicht wie eine black box oder als etwas zu vernachlässigbares behandelt wie in behaviouristischen Ansätzen oder reduktionistischer Neurophysiologie. Wenn du eine solche Alternative anzubieten hast oder auch eine umfassende Integration der verschiedenen Paradigmen innerhalb der Psychologie, auf die ich auch schon seit zwanzig Jahren warte, bin ich gespannt, ansonsten können wir uns das ja auch einfach sparen.


    Warum ist eine black box schlecht?
    Weil es in der menschlichen natur liegt, weiße punkte auf der landkarte nicht akzeptieren zu können und diese dann mit mythen u.ä. füllt. Das ist nicht rational.


    Der ausschluß gewisser modelle von vornherein zeigt gerade, daß nicht wissenschaftlich gearbeitet wird. Auch in geisteswissenschaftlicher hinsicht spricht dies für eine nicht auf erkenntnisse gerichtete hermenutik, sondern eine mit voreinstellungen arbeitende dogmatische hermenutik.
    Wiisenschaftlichkeit zeigt sich darin, die eigene position fortlaufend als falschj widerlegen zu wollen.


    Die erstaunlicherweise negativ konnotierten totschlag-formulierungen al la "reduktionistisch" sind wohl folge der speziellen abendländischen gesitesgeschichte. Natürlich wird sich letztlich alles auf neurophysiologie reduzieren lassen. Und nur solchen "handfesten", ergo intersubjektiv nachprüfbaren ergebnissen wird ein erkenntnisgewinn zukommen. Daneben natürlich auch induktiv erworbenen beobachtungen.


    Psychoanalyse als Theorie autopoietischer Systeme versucht eine dritte position neben den naturwissenschaften und der Verstehens-schule aufzubauen.
    Soll die Psychoanalyse den naturwissenschaftlichen Standards nicht gerecht werden und sollen stattdessen 'Verstehen' und 'Interpretieren' im Vordergrund stehen, "lassen sich zwar alle Bedenken beseite räumen, die sich daraus ergeben, daß die Psychoanalyse offensichtlich nicht den von vielen Naturwissenschaftlern geforderten Standards entspricht; es ergibt sich in der Folge jedoch das Problem, nicht recht angeben zu können, welchem Modell und welchen damit verbundenen wisenschaftlichen anforderungen die Psychoanalyse entsprechen müßte, um den Titel 'Wissenschaft' berechtigterweise tragen zu dürfen. Allzuvieles an der Freudschen Theorie muß aus traditioneller Sicht unplausibel erscheinen, gleichgültig, ob, man die naturwissenschaftliche oder die 'verstehende' Auslegung favorrisiert."


    Gelesen habe ich es nicht. Ich erwarte aber auch nicht, daß es jemals zu einer entscheidenden integration kommen wird. Wo gab es das in den geisteswissenschaften denn schon mal?


    FAZ 19., S. 34:
    "...wird ebenso als Episode im Kampf der Regierung gegen die Kultur gedeutet wie die Bestrebungen, die Auslegung dr Psychoanalyse zum Schutze der Patienten etwas deutlicheren Regeln zu unterwerfen...In der Debatte um die Psychotherapie haben die Psychologen und Psychiater geradezu hysterisch reagiert. Mit ihnen solidarisierten sich bekannte Schriftsteller: 'Laßt uns unsere Scharlatane'


    FAZ 17.2. über das auslöschen der psychoanalyse und psychosomatik in berliner kliniken.
    gruß hafis

  • @hafis


    Zitat

    Lothar hat folgendes geschrieben::
    Wenn man wie du von der Literatur her kommt


    Ich bin von geburt an Naturwissenschaftler, Rationalist, Empirist, Positivist, Popperianer, Russelaner...


    Wenn man so ungenau einen Text wahrnimmt, dass man nicht mal bemerkt hat, dass Lothar bei seiner Bemerkung Friedrich-Arthur gemeint hat, und einfach alles auf sich bezieht, dann sollte man vielleicht nicht ganz so laut brüllen. Seit Tagen verfolge ich diese Diskussion und bewundere Lothar, für seine Geduld weiter auf solchen Unsinn hier zu antworten.


    Mein Prof. (ein Naturwissenschaftler), sagt immer wieder was von Naturwissenschaftlicher Erkenntnis zu halten ist:
    Sie ist immer nur der aktuelle Stand des Irrtums!

  • Hallo Prinz,


    Zitat

    Mein Prof. (ein Naturwissenschaftler), sagt immer wieder was von Naturwissenschaftlicher Erkenntnis zu halten ist:
    Sie ist immer nur der aktuelle Stand des Irrtums!


    Du hast offenbar die Stärke dieses Ansatzes nicht verstanden.


    Wieviele Irrtümer sind nicht schon in den Archiven verschwunden, weil es zum Ehrenkodex eines Wissenschaftlers gehört, vor dem Frühstück drei liebgewordene Theorien zu verwerfen - <b>und</b> sich an Beobachtungen statt an Spekulationen zu halten (Beispiel: Das Michelson-Morley-Experiment).


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Zitat von "Prinz Karneval"

    @hafis



    Mein Prof. (ein Naturwissenschaftler), sagt immer wieder was von Naturwissenschaftlicher Erkenntnis zu halten ist:
    Sie ist immer nur der aktuelle Stand des Irrtums!


    Prinz Karneval,
    1- bei so langen threads und bei nur begrenzter zeit kann solch ein fehler mal vorkommen. Wie relevant er für die sache ist, kann wohl (nicht) jeder für sich selbst beantworten


    2- wenn es wahr wäre, daß du diese "diskussion verfolgt" hättest, dann wüßtest du, daß im post 9:48 uhr lothar mich angesprochen hat:
    "@hafis...War das ein Scherz?"


    3- mit hinweis auf harald's richtige bemerkung kann man nur schließen, daß du keine ahnung davon hast, was mit Popper, rationalismus, empirismus, Russell usw., mit wissenschaftlicher methode allgemein gemeint ist.


    Zu folgern ist, daß allenfalls deine bemerkungen das prädikat unsinn verdienen.
    Etwas pauschal, ohne begründung zu bewerten, ohne irgendetwas sachliches beizusteuern, ist noch nicht einmal schlechter stil.


    Prinz Karneval, Nomen est Omen, noch viel Spaß im karneval.
    Bis dich am Aschermittwoch...


    >>>>>>>>>>
    In der heutigen FAZ wird die oben angesprochene Artikelserie zum menschl. bewußtsein fortgesetzt.
    Heute der hirnforscher Christof Koch:
    "...Das Instrumentarium der Philosophie -eine durch Introspektion angereicherte logische Argumentation- ist der enormen Komplexität und Unzugänglichkeit des menschlichen Geistes nicht gewachsen---
    Am Ende dieses Verstehens könnte die Erkenntnis stehen, daß die traditionelle Formulierung des Leib-Seele-Problmes gar keinen Sinn hatte...
    Ob uns eine endgültige Theorie des Bewußtseins aus praktischen, methodischen oder ontologischen Gründen versagt bleiben wird, kann allerdings nur die Neurowissenschaft ergründen."


    gruß hafis

  • noch etwas zum "nicht-existenten unsinn" homosozialität:
    http://www.yahoo.com:
    homosocial? 10400 treffer
    homosociality 1020 "
    homosozialität 48 "
    Tagung zu HSo, zu HSo in werken von melville, pynchon..., zur HSo im mittelalter...


    Homosozialität ist stichwort im Pschyrembel - dem standard-wörterbuch für mediziner.


    Designing Men:
    "Homosozialität: "to describe the basic structure of patriarchy men pleasing men via the medium of woman. Sedwick beschreibt den Prozeß, durch den Männer versuchen, zwischen sich eine Intimität zu etablieren, gewöhnlich in einer dreiecksbeziehung mit einer Frau, die dazu dient, das Verhalten der Männer als 'Homosozialität' zu verkleiden.
    'Homosozial' ist ein gelegentlich in der Geschichts- und Sozialwissenschaft benutztes Wort, wo es soziale Bindungen zwischen Personen des gleichen Geschlechtes beschreibt; es ist ein Neologismus, offenkundig durch eine Analogie mit Homosexualität geformt, und genauso offenkundig soll es sich von Homosexualität unterscheiden."


    Dreiecksbeziehung? - Steppenwolf?! (Hesse)-harry-hermine-pablo


    How Homosociality Shapes Men's Heterosexual Relations
    "Heterosexueller Sex heterosexueller Männer kann Medium des männlichen Bonding sein."


    Literaturcafe-Roman Graf-Kaspar Hauser
    gruß hafis


    Jeder Tag ist Faktentag

  • Ich kenne Menschen, die verbringen die meiste Zeit ihres Lebens mit Haustieren.
    Sind offenbar bestialosozial. :elch:

  • @ hafis50: Nun, wenn du dir die Freiheit nimmst, deine postings hemmungslos mit allen möglichen Links anzureichern, um deine Gesprächspartner zu zeitraubender Lektüre zu zwingen und fremde Autorität für deine eigene Position auszuborgen, nehme ich mir natürlich die Freiheit zu kursorischen Zusammenfassungen. Darin bin ich übrigens ganz gut und geübt, und ich glaube nicht, daß ich den für unser Gespräch wesentlichen Punkt des Hermeneutiktextes verpasst habe. Ich kenn' das Prinzip aus anderen Foren zu anderen Themenbereichen, und da gibt es einen Zeitgenossen, der sich tatsächlich nicht scheut, 'Belege' von BILD- oder SUPER-ILLU-Online zu posten, um seine Ansichten zu untermauern. Immerhin wurde mir gerade durch seine lächerliche Übertreibung einmal bewußt, daß es sich hier prinzipiell IMMER um eine Karikatur wissenschaftlicher Gepflogenheiten handelt, denn du irrst dich durchaus, wenn du glaubst, daß wir hier einen Diskurs nach wissenschaftlichen Standards führen könnten. Wissenschaft besitzt nicht nur geistige Regeln und Prinzipien sondern ist auch in einen formalen und institutionellen Rahmen eingebunden, der mit bestimmten Verfahrensweisen einhergeht, die in einem solchen Internetforum nicht gegeben sind. Das kann man bedauern, und ich bedauere es auch zuweilen, aber es hat meiner Meinung nach vor allem damit zu tun, daß wir uns immer noch in der Steinzeit des Mediums befinden, daß als MASSENmedium deutlich jünger als zehn Jahre ist. Wieviel Jahrzehnte und wieviel Verkehrstote hat es wohl gedauert zwischen der Erfindung des Autos und der Einführung der Ampel? (@ all: Sollte ich mich allerdings in einem Irrtum über außergewöhnliche Voraussetzungen und Umgangsformen speziell in DIESEM Forum befinden, dann würde ich die Registrierungspflicht für neue Teilnehmer empfehlen, inclusive eines Eingangstestes, der auch die hier vorausgesetzten Neologismen abfragt. Ich bin hier nur ein partieller Gast, weil Dostoevskij in einem Thread auf hhesse.de einen link zu diesem Thema gesetzt hatte, und wollte eigentlich keinem virtuellen Seminar aus der Abteilung 'Wissenschaftstheorie für Fortgeschrittene' beitreten.)


    Ich kann auch nur noch einmal wiederholen, daß das Ausgangsproblem in der schlichten Behauptung von alpha bestand, Hermann Hesse bzw. zentrale literarische Figuren von ihm seien homosexuell gewesen. Ich habe daraufhin eine ganz einfache aber meines Erachtens für das in Frage stehende Problem völlig ausreichende Definition von Homosexualität ins Spiel gebracht, nach der 'homosexuell' ein Mensch genannt werden sollte, der AUSSCHLIEßLICH Sex mit Menschen eigenen Geschlechts hat im Unterschied zu bisexuellen Menschen, die Sex mit beiden Geschlechtern haben. Im Sinne dieser Definition, die sich übrigens nur am common sense und keineswegs an der psychoanalytischen Auffassung orientiert, waren weder Hermann Hesse der Autor noch Harry Haller die literarische Figur homosexuell, und damit war meines Erachtens das Thema auch schon wieder beendet. Der von dir ins Spiel gebrachte Text über die homosoziale Lesart des 'Steppenwolfs' bringt von vorneherein einen ganz neuen Gesichtspunkt in die Debatte, der nur dann mit unserem Ausgangsthema noch etwas zu tun hätte, wenn man 'Homosozialität' als Vor- oder Übergangsstufe zur Homosexualität begreifen will oder als Disposition etc., was er meines Erachtens indirekt auch tut. Dein Beharren auf dieser Perspektive ist aber allein deswegen schon so seltsam, weil es nicht mal diesem Text gelingt, 'Homosozialität' und Homosexualität bei Hermann Hesse bzw. Harry Haller zur Deckung zu bringen, sondern es läuft schon da und letztlich auch bei dir, soweit du dich ihm anschließst, auf ein schillerndes Raunen, Insinuieren, Vermuten, Nahelegen und suggestivem Deuten hinaus. Eine solche projektive Herangehensweise ist auch ziemlich einfach, denn da es 'homosexuelle'(bisexuelle) Aspekte im 'Steppenwolf' GIBT genau wie überschwengliche Männerfreundschaften in Hermann Hesses Leben, wird man immer empirische Belege für die Grundthese finden. Wahr oder falsch wird sie aber erst dadurch, indem man eine überwältigend selbstevidente PROPORTION in den affektiven Bezügen aufweisen kann, und da genügt es natürlich nicht, selektiv Textstellen aus Romanen bzw. biographischen Zeugnissen anzuführen, die FÜR die eigene These sprechen sondern man müßte Hermann Hesses gesamten Lebensweg wie sein gesamtes Werk einer Gesamtschau unterziehen. Homosozialität als SCHLÜSSELkategorie der Deutung (nicht nur) des 'Steppenwolfs' liefe dann vor allem darauf hinaus, sämtliche affektiven Bezüge in Leben und Werk zu Frauen auszublenden, abzuwerten oder als 'maskiertes homosoziales Begehren' umzudeuten - beispielsweise jedes einzelne an eine Frau adressierte oder von einer Frau inspirierte Liebesgedicht usw. usf. - und alle männerfreundschaftlichen Orientierungen dementsprechend aufzuwerten.


    Jetzt mal ganz ehrlich: bist du davon wirklich überzeugt? Und hast du dafür auch die Textkenntnis nicht nur von seinem Riesenwerk sondern auch, was biographische Zeugnisse angeht?? Also ich habe im Laufe der Zeit nicht nur eine ganze Menge von Hermann Hesse gelesen, in den letzten zwanzig Jahren z.B. alle seine großen Romane mit Ausnahme des 'Glasperlenspiels' mindestens dreimal, sondern auch ziemlich viel über ihn, und gerade zum 'Steppenwolf' findet sich eine breite Sekundärliteratur, wovon ja 99% Makulatur wäre, wenn die homosoziale Lesart als Schlüsseldeutung korrekt wäre!!??


    Der 'Steppenwolf' ist ein sehr vielschichtiges und komplexes Buch, in den die unterschiedlichsten Einflüsse und geistigen Traditionen miteingegangen sind: romantische Zivilisationskritik, hinduistisch-buddhistische Elemente und vor allem taoistische Mystik, Hesses Nietzsche-Rezeption, seine langjährige Auseinandersetzung mit dem Werk von Goethe und vor allem natürlich die Psychologie C.G.Jungs, die selbst wiederum alle möglichen vorpsychologischen Geistestraditionen enthält wie Gnosis, Alchemie, westliche Mystik u.ä. Wenn du das alles kritisieren willst: bitte sehr, aber ein solches Unterfangen liefe immer noch auf etwas völlig anderes hinaus, als der reduktionistische Versuch, sämtliche inhaltlichen/biographischen Aspekte in Kategorien der Geschlechterbeziehungen, seien sie nun homosexuell oder 'homosozial' strukturiert, erschöpfend erfassen zu wollen. Die tatsächlich vorkommenden homo-/bisexuellen Aspekt im 'Steppenwolf' oder die männerfreunschaftlichen Bezüge in Hermann Hesses Leben erklären sich vor allem aus seiner grundlegenden Tendenz der Kritik vorgegebener sozialer Ordnungen, die natürlich auch vorgebene starre Rollenmuster miteinschließt, aber die tiefere Deutung dieser Aspekte wird man immer nur über die Schiene seiner spirituellen Grundpositionen, seiner Orientierung an mystischer Einheitserfahrung, verstehen, die SÄMTLICHE Grenzen zwischen Menschen und Geschlechtern, zwischen Ich und Du, ja sogar zwischen Geist und Natur transzendieren will. Die homosoziale Deutung als Schlüsselkategorie liefe dagegen auf das Errichten von neuen Ein- und Ausgrenzungen hinaus, und erreicht einfach nicht die Tiefe, Erklärungsreichweite und Radikalität der literarischen wie autobiographischen Zeugnisse als auch längst formulierter umfassender Interpretationen. (Der Einstieg in die Breite der Deutungen findet sich im Materialienband von Suhrkamp zum 'Steppenwolf', aber natürlich auch in jeder der großen Biographien usw.)


    Das ganze wird vor allem auch dadurch verwirrend, weil ich diesem Neologismus 'Homosozialität' durchaus etwas abgewinnen könnte, wenn man ihn gemäß seiner Definition tatsächlich als gleichgeschlechtliche aber NICHT-sexuelle Orientierung anwenden würde, denn der klassisch-orthodoxe Sexualitätsbegriff der Psychoanalyse wurde ja schon oft für seinen universellen Geltungsanspruch kritisiert, wodurch (im Alltagssinne) nicht-sexuelle Aspekte des Lebens sprachlich sexualisiert wurden. So wie du ihn hier in Anwendung auf Hermann Hesse aber eingeführt hast und vor allem in Übereinstimmung mit diesem Autor scheint mir aber nur das spiegelverkehrte Problem vorzuliegen, so daß ich im Moment nicht entscheiden kann, ob dieser neue Neologismus an sich etwas taugt oder nicht.


    Was aber die Frage seiner Verbreitung angeht: ich mußte schon beim erstenmal schmunzeln, als du mit diesen Zitierindexen ankamst, denn das beantwortet man natürlich selbstbewußt aus seinem Sprachgefühl und seiner Allgemeinbildung heraus, aber mir ist durch dein Beharren klargeworden, daß du hier ernsthaft ein Gespräch nach akademischen Maßstäben führen willst, bei dem der Inhalt eines medizinischen Standardlexikons oder gar internationale Diskussionsstände in Fachkreisen zur Beurteilung der Kompetenz deines Gegenübers herangezogen werden. Das kannst du natürlich tun, und du befindest dich damit in völligem Einklang mit dem, was man allgemein Szientismus nennt, womit man die Tendenz bezeichnet, sämtliche Dinge des Lebens unter wissenschaftlichem, letztlich naturwissenschaftlichem, Blickwinkel zu betrachten und ihren Wert daran zu messen, aber ob du dich da auch noch im Einklang mit deinen gewöhnlichen Mitmenschen befindest, ist eine ganz andere Frage. Es fiele mir leicht, jetzt darüber zu spotten - 'magere' Ausbeute hatte ich deine Indexfunde deshalb genannt, weil schon allein in diesem einen Thread die Wörter 'homosozial' und 'Homosozialität wahrscheinlich häufiger vorkommen dürften als in deinen übrigen deutschen Nachweisen zusammen - aber zum einen habe ich ungefähr vom Alter von 15 bis Ende 20 oder Anfang 30 eine ziemlich ähnliche Haltung wie du eingenommen (ich bin jetzt 43), zum anderen hat eine solche Kontroverse ausgerechnet am Beispiel von Hermann Hesse und seinem 'Steppenwolf' durchaus exemplarischen Charakter, denn es gibt kaum einen zweiten Autor des 20. Jahrhunderts von Weltrang wie ausgerechnet ihn, der alternative Sinnangebote zum westlichen Rationalismus populär gemacht hat. Dein Beharren auf die homosoziale Lesart des 'Steppenwolfs' läßt sich damit auch einfach nur als der Versuch verstehen, eine erschöpfende Deutung im Rahmen deines grundlegenden diesseitig-rationalen und wissenschaftlichen Weltbildes zu finden, was ja legitim ist, aber die 'Fakten' geben das gerade nicht her, jedenfalls was die primäre und sekundäre Quellenlage zu Hermann Hesse angeht. Wenn du einen Autor wie ihn, der wie kaum ein anderer für die breite Hinwendung zu mystischem und alternativ religiösem Gedankengut steht, grundlegend kritisieren willst, dann mach das besser explizit in Auseinandersetzung mit seinen Quellen als über den Umweg einer mißverständlichen, einschränkenden und verzerrenden Deutung.


    Reduktionistische Haltungen haben in Naturwissenschaft und Technik tatsächlich große Triumpfe gefeiert, aber da geht es eben immer nur um äußere, materielle und unbelebte Dinge und Zusammenhänge. Ob diese Triumphe in den Lebenswissenschaften Biologie und Medizin tatsächlich das gleiche Ausmaß haben, ist heftig umstritten und beispielsweise Teil der aktuellen Debatte um die Gentechnologie u.ä., aber klar scheint mir vor allem zu sein, daß der Versuch, psychologische, geistige und soziale Verhältnisse auf natürliche Voraussetzungen zu reduzieren, als gescheitert gelten darf, was mit dem sogenannten Phänomen der 'Emergenz' erklärt wird, nach dem auf komplexeren Systemebenen qualitativ neue Systemeigenschaften entstehen, die sich nicht aus den untergeordneten Elementen ableiten. Konrad Lorenz hat schon 1973 in seinem Buch 'Die Rückseite des Spiegels' auf solche immanenten Grenzen der Erklärungsreichweite naturwissenschaftlicher Theorien im Zusammenhang mit der Entstehung des Bewußtseins hingewiesen, und meiner Ansicht nach sind die damit einhergehenden vielfältigen erkenntnistheoretischen Probleme bis in die Gegenwart strittig und ungelöst.


    Natürlich kannst du Kriterien formulieren, um eine Liebeserklärung eines Partners zu überprüfen, aber du würdest damit nur zeigen, daß du von Mißtrauen, Verlust- und Kontrollwünschen etc. beherrscht wärest, vom Wunsch GEliebt zu werden, anstatt den anderen selbst zu lieben. Es war unter anderem einmal die tiefe und schmerzliche Einsicht in das grundlegend aggressive und im Wortsinne lieb-lose Wesen herkömmlicher naturwissenschaftlicher Methodologien und Gegenstandauffassungen, die mich zu bestimmten früheren geistigen Identifikationen auf Distanz gehen ließen, mindestens insoweit damit eine umfassende und welterklärende Totaleinstellung gemeint war. Vertrauen, Schönheit, Freundschaft, Anmut, Gerechtigkeit,Wahrheit, Liebe, 'Poesie'... gehen in einer streng szientistischen Weltsicht letztlich verloren, weil sie entweder gar nicht behandelt werden, als 'unwissenschaftliche' Phänomene abgewertet oder lächerlich gemacht werden oder reduktionistisch entstellt werden, siehe Analyse der Schönheit unter evolutionistischen Blickwinkeln u.ä.


    (Verstehe übrigens immer noch nicht, was du mit 'von Geburt an' meintest, denn eine komplexe wissenschaftstheoretische Position ist doch immer nur Ergebnis eines langwierigen geistigen Lernprozesses, der verschiedene und sehr exclusive Voraussetzungen braucht??)


    Seit zehn bis 15 Jahren ziehe ich daher auch alle möglichen Philosophien und geistigen Systeme als wahrheitsfähig in Betracht, die normalerweise unter streng rationalistisch-aufklärerischen Gesichtspunkten ausgeschlossen wären, wobei man übrigens seine rationalistische Prägung nicht an der Garderobe abgeben muß, wenn man einen alternativen Raum betritt. Der meiner Meinung nach fortgeschrittenste Versuch einer Kritik des herrschenden Rationalismus im Sinne einer geistigen Öffnung für alternative bzw. 'integrale' Sichtweisen findet sich wohl in den Arbeiten von Ken Wilber, auch wenn ich da selbst einige grundlegende Einwände habe, die aber jetzt wohl zu weit führen würden.


    In der berühmten Zugfahrt im 'Felix Krull' macht der Held ja Bekanntschaft mit den drei großen rätselhaften Fragen des Daseins über die Entstehung des Seins aus dem Nichts, der Geburt organischen Lebens aus anorganischer Materie und der Geburt des Bewußtseins aus tierischen bewußtseinslosen Vorformen. Ich glaube nicht, daß der herrschende Rationalismus je eine Antwort zumindest auf das erste Problem finden wird, so daß die Letztbegründungen aller wissenschaftlichen Theorien immer unsicher bleiben, und damit irgendwie umzugehen bleibt legitimer Gegenstandsbereich menschlicher Anstrengungen, nennen wir sie nun Religion, Mystik, Philosophie, Weisheit oder wie auch immer. Die Bücher Hermann Hesses sind eine privilegierte Annäherung an die Grenzbereiche herrschender Sichtweisen, aber inwieweit die verschiedentlichen vorgeführten geistigen Grenzüberschreitungen einen tieferen Sinn machen oder nicht, kann letztlich nicht mehr werkimmanent oder unter rein literarischen und nicht mal mehr unter bloß psychologischen Gesichtspunkten entschieden werden sondern nur noch in tiefer Auseinandersetzung mit seinen Quellen.


    Grüsse von
    Lothar

  • hallo Lothar,
    Der gedanke einer abschließenden zusammenfassung ist gut:


    Das herumdefinieren, ob nun nur homosexualität, oder auch eine nur zeitlich begrenzte, oder eine bisexualität gemeint war, bringt nichts. Eher , ob Hesse nicht zeitlebens hetereosexuell war, und ob dieses für die interpretation relevant ist.


    Zu kritisieren war dann ein falscher gebrauch von sprache, ein fehlendes unterscheiden von meinen, wissen und urteilen.


    Der satz "Hesse homosexuell ?- ein dummer gedanke"


    ist empirisch nachprüfbar und damit falsifizierbar.
    Die vorgelegten biographischen daten sprechen eher dafür als dagegen, -was allerdings, wie Palmer richtig vermerkt, keine schlußfolgerung zuläßt.
    Der oben genannte satz ist damit unwahr.


    Der satz Das werk handelt nach auffassung von XYZ auch von homosexualität


    ist ebenso nachprüfbar.
    Er ist zutreffend, weil "wissenschaftler", lexika und leser dieses so sagen.
    Er kann damit nicht als "unsinn" bezeichnet werden.


    Der satz Das werk handelt auch von homosexualität


    ist nicht empirisch oder logisch-deduktiv beantwortbar. Für eine antwort verbliebe die hermeneutik.
    Ein philosophisches lexikon zeigt aber, daß es lediglich eine vielzahl von denkrichtungen mit teilweise widersprüchlichen aussagen gibt.


    -Das bedeutet entweder, daß es keine objektive wahrheitskriterien zur unterscheidung zwischen richtiger und falscher interpretation gibt.
    Dann wäre der obige satz wie jeder andere auch ohne sinn.


    -Oder es bedeutet, daß es eine möglichkeit der richtigen und falschen interpretation gibt, daß aber der weg dahin strittig ist.
    Das bedeutet, daß verschiedene interpretationen vorgebracht werden, die für sich allein nicht als richtig oder falsch bezeichnen lassen.
    Dann gäbe es einen wettstreit der interpretationen, bei dem diejenige als die beste gälte, die die wenigsten fragen offen ließe (mit der folge, daß die interpretationen sich auch mit der zeit ändern könnten). Wenn man einen wettstreit der interpretationen postuliert, postuliert man eine differenz zwischen interpretations-können und weniger-können. Die entscheidung erfolgt dann nicht durch stimmen-zahl, sondern stimmen-gewicht. Der interpretation eines "Könners" wird mehr gewicht zukommen als der eines einzelnen lesers, zB mir.
    Dann wären "unsere" meinungen ziemlich unmaßgeblich. "Autoritäten" und "kanonische" texte wären dann die gewichtigen wegweiser zur "richtigen" interpretation.
    Aus diesem grund habe ich natürlich die zitate gebracht, weil man annehmen kann, daß in "wissenschaftlichen" papieren mehr wissen und können sich kondensiert hat als woanders, und weil sie mit anderen interpretationen im konkurrenz treten sollen.
    Ich glaube, hier lägen im prinzip naturwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche methode nicht weit auseinander, -ein fortlaufender versuch, der wahrheit näher zu kommen. Als naturwissenschaftlich geschulter weiß ich aber, daß es nur thesen, keine wahrheiten gibt. Ein geisteswissenschaftler könnte eher annehmen, die wahrheit zu kennen.


    Zitat von "Lothar"

    denn du irrst dich durchaus, wenn du glaubst, daß wir hier einen Diskurs nach wissenschaftlichen Standards führen könnten. Wissenschaft besitzt nicht nur geistige Regeln und Prinzipien sondern ist auch in einen formalen und institutionellen Rahmen eingebunden, der mit bestimmten Verfahrensweisen einhergeht, die in einem solchen Internetforum nicht gegeben sind.


    Es ist bemerkenswert, zu postulieren, daß wahrheit und richtigkeit von aussage davon abhängen, in welchem "formalen und institutionellem Rahmen" sie getroffen werden. Das kann ich aus logischen gründen nicht akzeptieren.
    Die verwendung der obigen sätze in der alltagssprache ist den gleichen kriterien zur wahrheit oder sinnhaftigkeit unterworfen wie in einem wissenschaftlichen text.


    Zitat von "Lothar"

    Ich habe daraufhin eine ganz einfache aber meines Erachtens für das in Frage stehende Problem völlig ausreichende Definition von Homosexualität ins Spiel gebracht, nach der 'homosexuell' ein Mensch genannt werden sollte, der AUSSCHLIEßLICH Sex mit Menschen eigenen Geschlechts hat im Unterschied zu bisexuellen Menschen, die Sex mit beiden Geschlechtern haben.


    Das ist wiederum ein beispiel für den ungenauen gebrauch der sprache:
    Das mediziner-buch brachte eine andere definition. Welche gilt nun, diese oder deine? Letztlich aber unwichtig. Siehe oben,


    Zitat von "Lothar"

    Im Sinne dieser Definition, die sich übrigens nur am common sense und keineswegs an der psychoanalytischen Auffassung orientiert, waren weder Hermann Hesse der Autor noch Harry Haller die literarische Figur homosexuell, und damit war meines Erachtens das Thema auch schon wieder beendet.


    Palmer, die leser und andere sagen, daß haller und pablo homosexuelle ausrichtungen zeigten. Damit steht meinung gegen meinung, siehe oben. Du allerdings setzt dich in die rolle der allerhöchsten, das thema entscheidende und die diskussion beendende interpretationsinstanz.
    Dieses widerspricht aber der (natur-+geistes-)wissenschaftlichen methode, sofern diese den erkenntisgewinn sucht. Auch aus sicht der geisteswissenschaften ist der interpretationsvorgang zu keinem bestimmten zeitpunkt abgeschlossen, -allein weil sich mit der zeit neue lesarten bilden, siehe gender....
    Mein lexikon sagt mir, daß in der dogmatischen hermenutik, die nicht auf erkenntnisgewinn aus ist, dagegen die auslegung festgelegt ist. Welche rolle diese in der literatur heute spielen soll, weiß ich nicht.


    Zitat von "Lothar"

    Dein Beharren auf dieser Perspektive ist aber allein deswegen schon so seltsam, weil es nicht mal diesem Text gelingt, 'Homosozialität' und Homosexualität bei Hermann Hesse bzw. Harry Haller zur Deckung zu bringen, sondern es läuft schon da und letztlich auch bei dir, soweit du dich ihm anschließst, auf ein schillerndes Raunen, Insinuieren, Vermuten, Nahelegen und suggestivem Deuten hinaus.


    Jetzt kritisierst du deine eigene methode des "verstehens" oder "einfühlens", und der psychoanalyse.
    Dir scheint es noch immer nicht zu gelingen, zwischen den figuren und dem autor zu trennen. Der für dich unakzeptable gedanke einer homosexualität Hesse's läßt ebenso gewisse interpretationen seiner werke als unzulässig erscheinen. Ich habe schon mehrmals Palmer's schlußfolgerung zugestimmt, daß die antwort hier ungewiß bleiben muß.
    Auch ein nicht homosexueller autor kann doch dieses thema verwenden.


    Der satz "Dem text gelingt es nicht, Homosozialität und homosexuallität zur Deckung zu bringen"
    ist möglicherweise in gewissem rahmen falsifizierbar. Der Autor nahm an Jung angelehnte theorien zur Scham und theorien zum (homosozialen) Coming-Out, und stülpte diese dem Steppenwolf über, um zu sehen, ob das werk sich mit diesen theorien lesen lasse. Er fand heraus, daß dieses funktioniert.
    Da der sinngehalt und der gebrauch von begriffen in solchen gedankensystemen vordefiniert ist, (während die frage der wahrheit dieser begriffe ausgeblendet bleibt) kann man die anwendbarkeit dieser theorien prüfen, indem man schaut, wieviele interpretatorische fragen beantwortet werden. Der autor findet, daß diese anwendung fragen beantwortete, die andere interpretationen nach meinung der literaturwissenschaftler nicht beantworten konnten. Anschließend fragt er, ob homosozialität oder homosexualität im leben des autors eine rolle spielten.
    Die verschränkung von homosozialität und homosexualität wird auf S.2 detailiert geschildert. Ich sehe überhaupt keinerlei unklarheiten darüber, was gemeint ist. Ebensowenig, inwieweit die theorien zur Scham und zum Coming-Out falsch angewendet wurden. Einwände müßten dann präzisiert werden (s.o.), ansonsten wären sie keine einwände. Und dies natürlich alles vor und mit der gesamten peer-group, um eine interpretatorische übereinstimmung zu erzielen.
    Wenn man an die eine richtige interpretation und an den wettstreit der interpretationen glaubt, hat doch auch das faktum gewicht, daß sowohl palmer wie auch X (depicting men) -bei meinem nur oberflächliche lesen des zweiten textes- der dreiecksbeziehung in verbindung zu homosozialität eine ähnliche rolle zuzuschreiben scheinen:


    (aus letzterem): Obiges zitat zur rolle der frau fortgeführt:"...Dieser Wunsch, seine eigene Macht mit der anderer Männer zu vereinigen, ist eine mögliche nicht-genitale form des Eros, dieser Begierde und Anziehung, die den übertriebenen Impuls zur Homosozialität schaffen...Wenn sich der 'male gaze' auf einen anderen Mann legt, droht Homosozialität sich in Homoerotismus zu desintegrieren, wie die Novellen von DH Lawrence zeigen."



    Zitat von "Lothar"

    Grundthese finden. Wahr oder falsch wird sie aber erst dadurch, indem man eine überwältigend selbstevidente PROPORTION in den affektiven Bezügen aufweisen kann, und da genügt es natürlich nicht, selektiv Textstellen aus Romanen bzw. biographischen Zeugnissen anzuführen, die FÜR die eigene These sprechen sondern man müßte Hermann Hesses gesamten Lebensweg wie sein gesamtes Werk einer Gesamtschau unterziehen.


    Nein. Es gibt keine beziehung, daß für einen bestimmten beweis selbstevidenz vorliegen muß. Das wäre ja tautologisch. Ebensowenig gibt es eine regel, daß der beweis eine bestimmte "proportion" haben muß.


    Zitat von "Lothar"

    Homosozialität als SCHLÜSSELkategorie der Deutung (nicht nur) des 'Steppenwolfs' liefe dann vor allem darauf hinaus, sämtliche affektiven Bezüge in Leben und Werk zu Frauen auszublenden, abzuwerten oder als 'maskiertes homosoziales Begehren' umzudeuten - beispielsweise jedes einzelne an eine Frau adressierte oder von einer Frau inspirierte Liebesgedicht usw. usf. - und alle männerfreundschaftlichen Orientierungen dementsprechend aufzuwerten.


    Wenn es so ist, dann ist es so. Warum soll das inakzeptabel sein?


    Zitat von "Lothar"

    Jetzt mal ganz ehrlich: bist du davon wirklich überzeugt?


    Ich finde, daß diese interpretation die fragen, die in der sekundärliteratur angeblich offen geblieben waren, besser beantwortet.
    Ein anderer weist die offenheit dieser fragen durch eine andere lesart zurück: zB das magische theater sei einfach nur die schilderung eines drogenrausches. Punkt.
    Ich habe wohl deutlich gemacht, daß ich nicht viel vertrauen in das auffinden der einen richtigen interpretation habe und daß ich Verstehen und Einfühlung ebensowenig wie psychoanalyse als methoden des gesicherten erkenntnisgewinns sehe. Das heißt, ich werde (fast) nichts verwerfen und nichts als die ultima ratio auf den thron heben.
    Darin unterscheiden wir uns. Ich stehe einer interpretation indifferent gegnüber. Es würde mir keine probleme machen, wenn Homosozialität oder irgendetwas anderes die "Schlüsseldeutung" wäre. Ebensowenig beharre ich auf sie. Vielmehr werde ich sie in konkurrenz zu anderen setzen. Ich werde also versuchen, meine eigenen "Meinungen" zu widerlegen. Allerdings könnte ich dir ein beharren auf der sichtweise eines werkes, das "alternative Sinnangebote" anbietet, unterstellen. Ebensowenig würde sich die lesart 'homosozialität' gegen diese oder andere lesarten richten! Ein werk kann doch vielschichtig und facettenreich sein. Es geht auch nicht, die andere lesart als "reduktionistisch" zu verdammen. Wie kann denn eine interpretation überhaupt reduktionistisch sein, und die andere nicht?


    Zitat von "Lothar"

    breite Sekundärliteratur, wovon ja 99% Makulatur wäre, wenn die homosoziale Lesart als Schlüsseldeutung korrekt wäre!!??


    Wiederum der glaube an die EINE richtige lesart-interpretation. Ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob diese deutung allen 99% widerspricht, ebensowenig, daß diese 99% alle auf die gleiche weise das werk interpretieren.
    Und selbst wenn, was heißt das? Es ist ein interpretationsangebot neben anderen. Der "Markt" muß entscheiden, welche interpretation zu welchem zeitpunkt die meiste zustimmung findet. Interpretationen ändern sich, siehe oben den gender-ansatz. Wo ist die instanz, die über gültigkeit und ungültigkeit entscheidet? Ich sehe sie nicht.


    Ich glaube durchaus, daß ein werk verschieden gelesen wird. Vorbildung und voreinstellungen werden dafür sorgen.
    Interpretationen dagegen beanspruchen etwas objektivierbares, daß intersubjektiv zustimmung findet. Man muß zwischen beidem unterscheiden.


    ad trefferzahl 'Homosozialität': s.o.: sehr viele treffer , trefferzahl irrelevant


    Zitat von "Lothar"

    aber klar scheint mir vor allem zu sein, daß der Versuch, psychologische, geistige und soziale Verhältnisse auf natürliche Voraussetzungen zu reduzieren, als gescheitert gelten darf, was mit dem sogenannten Phänomen der 'Emergenz' erklärt wird, nach dem auf komplexeren Systemebenen qualitativ neue Systemeigenschaften entstehen, die sich nicht aus den untergeordneten Elementen ableiten.


    Nichts ist ferner. Die oben zitierte artikelserie in der FAZ bringt ein entgegengesetztes bild, -wenn wir nicht die fachliteratur bemühen wollen.
    Emergenz steht nichts entgegen und ist lediglich ein begriff aus der komplexitätstheorie, also aus dieser reduktionistschen physiker-ecke. Konrad lorenz darf man heute doch wirklich nicht mehr bemühen (gab es nicht auch vorwürfe, experimente manipuliert zu haben?). Wenn die neurowissenschaften sich mit diesen fragen beschäftigen, kann man erwarten, daß, wie obiger FAZ-autor es sagte, die möglichkeit oder unmöglichkeit, gewisse fragen zu beantworten, von eben diesen wissenschaften kommen wird. Auch das forschungsgelder fließen und stellen existieren, läßt nicht an einen glauben ans scheitern denken.


    Zitat von "Lothar"

    Vertrauen, Schönheit, Freundschaft, Anmut, Gerechtigkeit,Wahrheit, Liebe, 'Poesie'... gehen in einer streng szientistischen Weltsicht letztlich verloren, weil sie entweder gar nicht behandelt werden, als 'unwissenschaftliche' Phänomene abgewertet oder lächerlich gemacht werden oder reduktionistisch entstellt werden, siehe Analyse der Schönheit unter evolutionistischen Blickwinkeln u.ä.


    Das sehe ich überhaupt nicht so. Gefühle, poesie etc. sind wichtige bestandteile meines selbst und definieren u.a. mein (wohl-)befinden. Wie sollen sie dadurch "entwertet" werden, daß ich zeige, welche neuro-aktivität bei welchem gefühl abläuft? Auch kann die beschäftigung mit naturwissenschaft oder auch mathematik selbst vergnügen bereiten wie mit poesie.
    Ob man also bein lösen von mathematischen aufgaben, beim schachspielen, oder bei mystik und philosophie sein vergnügen findet, könnte vor allem von der eigenen person abhängen. Dann würden sich die unterschiede nicht in der richtigkeit oder unrichtigkeit eines weltbildes (zB rationalismus) begründen.


    Zitat von "Lothar"

    (Verstehe übrigens immer noch nicht, was du mit 'von Geburt an' meintest, denn eine komplexe wissenschaftstheoretische Position ist doch immer nur Ergebnis eines langwierigen geistigen Lernprozesses, der verschiedene und sehr exclusive Voraussetzungen braucht??)


    Das läuft auf die frage hinaus, wieviel die umwelt und wieviel die veranlagung zur persönlichkeitsbildung beitragen...


    Naturwissenschaften und religion bzw. mystik geben antworten auf unterschiedliche fragen: Wie funktioniert die wirklichkeit? versus Wie gehe ich mit dem leben um?
    Die aufgabe der Philosophie ist etwas uneindeutig.
    "Rationalismus" und solche fragen bzw. gefühle schließen sich überhaupt nicht aus. Man lese nur die autobiographie des positivisten, philosophen, mathematikers, kirchen- und religionskritikers und agnostikers Bertrand Russell.


    P.S.: DER rationalismus steht natürlich gegen den empirismus, popperismus. usw.
    Hier gemeint ist wohl etwas anderes.


    gruß hafis

  • hallo,
    ich habe mich über den begriff der Emergenz schlauer gemacht.


    Nach meiner meinung recht brauchbare, weil prägnante definitionen der angelegten philosophischen probleme im "Lexikon der Neurowissenschaften" (online):


    Emergentismus: Theorie der Emergenz - "Position, die sich von substanzdualistischen und reduktionistischen Theorien des Lebens und des Geistes gleichermaßen abgrenzt....assoziiert man die Merkmale des Neuartigen, Unvorhersagbaren oder Irreduziblen"
    Schon zu Beginn des letzten jahrhunderts.
    Aktuell noch wegen des Qualia-problemes, der erklärung der subjektiv wahrgenommenen Eigenschaften wie Farbsinn, Geruchsinn, Emotionen und Körperempfindungen. Sie widersetzen "sich nach Auffassung vieler Philosophen einer reduktionistischen Analyse..." Aber dann: "Eine Reihe von autoren bestreitet daher die Existenz von Qualia überhaupt".


    Bei theorien der zB Selbstorganisation steht Emergenz nicht für das irreduzible, sondern für das sich-von-selbst-ergeben.


    Reduktionismus - "Die höheren Integrationsebenen komplexer Systeme sind demnach vollständig aus der Kenntnis der elementaren Bestandteile erklärbar."


    Der Emergentismus ist also eine theorie neben anderen.
    Falls man den reduktionismus als erklärung ausschließt, folgt daraus aber noch nicht, daß
    a- es andere erklärungen gibt, die nicht die neurowissenschaft geben kann, oder
    b- daß es überhaupt andere erklärungen geben wird.
    Dazu paßt ja die oben zitierte bemerkung von Koch, daß es noch nicht absehbar sei, ob eine theorie des bewußtseins "aus praktischen, methodischen oder ontologischen Gründen" unmöglich sei.


    gruß hafis

  • Hallo hafis50,
    ich verfolge jetzt seit geraumer Zeit die Diskussion zwischen Dir und Lothar, welche neurophysiologischen Prozesse dafür auch immer verantwortlich zu machen sind, ich habe nun doch den unüberwindlichen Drang, Deine Denkattitüde kurz zu kommentieren. Nachdem ich leider nicht über so viel Zeit verfüge, um so lange Beiträge zu schreiben, wie Du, nur die folgenden Anmerkungen:
    In irgendeinem Deiner vorhergehenden Briefe gabst Du eine kleine Charakteristik Deiner Denkhaltung, indem Du Dich als Rationalist, Empirist, Popperianer, Russellianer, Naturwissenschaftler etc. bezeichnet hast. Zudem scheint es zu Deinen normalen geistigen Attitüden zu gehören, dass Du bei Fragen oder Zusammenhängen, die Dir nicht wirklich geläufig sind, das jeweils passende Lexikon zur Hand nimmst, und dort die betreffenden Einträge eins zu eins übernimmst, um Dich auf die Höhe des betreffenden Wissenstandes zu heben. Das bist Du, insofern Du hier als Argumentierender auftrittst. Auf dieser Basis schreibst Du seit vielen Briefen in Variationen immer wieder dasselbe.
    Sich mit philosophischen Fragen auseinander zu setzen (und das tust Du zwangsläufig, wenn Du Dich z.B. mit der Leib-Seele-Problematik auseinander setzt), bedeutet eine sehr große Leseanstrengung. Diese Anstrengung muss ich Dir (vielleicht auch dem einen oder anderen besonders gewitzten Neurowissenschaftler) dringend ans Herz legen, wartet sonst noch lange eine Annäherung an die Wahrheit (schön dass Du immer wieder die wissenschaftstheoretischen Überzeugungen Poppers zitierst, aber den Prozess der Wissenschaft als einen Annäherungsprozess an die Wahrheit zu verstehen, ist nicht selbstverständlich, auch diese Überzeugung wird in der Philosophie vielfältig diskutiert, zudem bewegst Du Dich mit solchen Äußerungen nicht mehr im Rahmen der von Dir ausgelobten Empirie, denn wie lässt sich diese Behauptung falsifizieren?). Auf der Basis, die Du Dir von Geburt an angeeignet hast, würde ich intellektuell etwas demütiger sein, das wäre eine sympathischere Attitüde (diese Geste könnte man bei gutem Willen auch aus Poppers Falsifikationslehre herauslesen, so becheiden war er aber, was seine philosophischen Beiträge angeht, leider nicht. Welchen Status haben die eigentlich, können sie falsifiziert werden?)
    Diesen Mangel an Kenntnissen versuchst Du nun mit dem Griff zum Philosophielexikon zu beheben. Nicht nur dass ich befürchte, es handelt sich dabei um den Griff in ein elektronisches Philosophielexikon, nein, ich befürchte noch vielmehr, Du glaubst, dass könnte Deine mangelnden Kenntnisse der Philosophiegeschichte kompensieren. Schade nur, dass es viele solcher Lexikas gibt, und dass sich schon die von Russell oder Popper in Auftrag gegebene (hat nicht stattgefunden, ich weiß) inhaltlich unterscheiden würden. Solche Lexikas haben ja nun genau den schlimmen Mangel, dass sie nicht funktionieren wie ein naturwissenschaftliches Lexikon, denn es gibt keinen allgemein akzeptierten Forschungsstand der Philosophie. Mit einem Wort: Es ist ein wenig naiv, was Du äußerst, wenn es sich um Begriffe handelt, die ihren originären Ort in der Philosophie haben (dies gilt auch für Herrn Koch, denn seine Beschreibung philosophischen Vorgehens findet man vermutlich nicht einmal in einem Deiner Lexikas, wieso beschreibt er Philosophie dann so?).
    Naivität und Philosophie scheinen zwei sich ausschließende Ausdrücke zu sein, Philosophie dient der Beseitigung der Naivität nicht in diesem oder jenem Denken, sondern in Bezug auf alle Formen des Denkens, also auch das naturwissenschaftliche (bitte nicht im Lexikon nachschauen, ob Du einen Eintrag findest, das ist eine Behauptung über das, was unterschiedlichste Philosophien zu sein scheinen)
    Zum Schluss frage ich mich, was Dich eigentlich antreibt, Dich mit Literatur zu beschäftigen? Was interessiert Dich daran? Ist sie für Dich Anlass, interpretatorische Hypothesen mit Zähnen und Klauen zu verteidigen? So richtig verstehe ich nicht, warum Du Dich z.B. bei Deinem intellektuellen Koordinatensystem gerade mit Hesse beschäftigen musst. Macht Dir das denn Spaß? Mich würde das auf jeden Fall mehr interessieren, als die leicht durchschaubaren und immer gleichen Variationen des einen und selben.
    Schöne Grüße
    Flach

  • @ hafis50: Lassen wir's doch damit einfach auf sich beruhen. Ich denke, wir haben genug Argumente zum Thema ausgetauscht, und jeder, der hier sonst noch mitliest, wird sich mittlerweile ganz gut eine eigene Meinung gebildet haben können, inwiefern Hermann Hesse, der Autor bzw. Harry Haller, seine literarische Figur, hetero-/homo-/bisexuell bzw. 'homosozial' gewesen sind, und welchen Stellenwert das ganze für die Beurteilung von Leben und Werk insgesamt hat. Für weitergehende Diskussionen von durchaus interessanten wissenschaftstheoretischen bzw. naturphilosophischen Fragen fehlt mir im Moment einfach die Zeit, und mein Hinweis auf die Institutionalisierung von Wissenschaft sollte vor allem auch bedeuten, daß es ohne die Aufstellung und Kontrolle von Verfahrensregeln normalerweise nicht viel Sinn macht, sich mit solchen schwierigen Themen eingehender zu beschäftigen.



    Gruß
    Lothar

  • Hallo Flach1,


    Zitat von "Flach1"

    In irgendeinem Deiner vorhergehenden Briefe gabst Du eine kleine Charakteristik Deiner Denkhaltung, indem Du Dich als Rationalist, Empirist, Popperianer, Russellianer, Naturwissenschaftler etc. bezeichnet hast.


    Es ist doch offensichtlich, daß dies eine nur rhetorische abgrenzung gegen methaphysiken, idealismus etc. war. Die genannten richtungen widersprechen sich ja teilweise. Ich würde mich selbst keiner dieser richtungen oder irgendeiner anderen zuordne, -aus den genannten gründen.


    Zitat von "Flach1"

    Zudem scheint es zu Deinen normalen geistigen Attitüden zu gehören, dass Du bei Fragen oder Zusammenhängen, die Dir nicht wirklich geläufig sind, das jeweils passende Lexikon zur Hand nimmst, und dort die betreffenden Einträge eins zu eins übernimmst, um Dich auf die Höhe des betreffenden Wissenstandes zu heben.


    Das ist blödsinn.
    Ich habe oben versucht, klar zu machen, daß ich deshalb fremdtexte und lexika-definitionen zitierte, weil dieses der standard einer wissenschaftlichen arbeit ist. Eine solche arbeit beginnt mit der klärung der definitionen der gebrauchten begriffe. Anschließend erfolgt eine darstellung der schlußfolgerungen anderer zu diesem thema, und dann kommen die eigenen überlegungen.
    Es mag sein, daß wissenschaftliches denken für manche nicht nachvollziehbar ist.
    Offenbar hast du noch niemals ein wissenschaftliches papier zu gesicht bekommen.
    Ebenso kann man so personen, die meinen, eine frage sei geklärt, nachweisen, daß dies nicht so ist. Diese kann man nicht dadurch erreichen, daß man wie du nur eigene urteile denen der anderen entgegenstellt. Wie haben in der kirchengeschichte bibelexegeten gearbeitet? Indem sie die interpretationen von X denen des Y gegenüberstellten, und dann einen "wettstreit der zitate" begannen.


    Was soll "mir nicht geläufig sein"? Details! Zumindest in diesem punkt bist du nicht auf dem laufenden.
    Solch bösartige ignoranz findet man eben nur bei "geisteswissenschaftlich" geprägten.


    Zitat

    Auf dieser Basis schreibst Du seit vielen Briefen in Variationen immer wieder dasselbe.


    Blödsinn. Wenn ich immer das gleiche geschrieben hätte, hätte sich ja kein thread entwickelt. Simple logik, die so manches hirn schon überfordern kann.


    Zitat

    Sich mit philosophischen Fragen auseinander zu setzen (und das tust Du zwangsläufig, wenn Du Dich z.B. mit der Leib-Seele-Problematik auseinander setzt), bedeutet eine sehr große Leseanstrengung.


    Daß du solche probleme damit hast, finde ich echt bedauerlich.


    Zitat

    Diese Anstrengung muss ich Dir (vielleicht auch dem einen oder anderen besonders gewitzten Neurowissenschaftler) dringend ans Herz legen, wartet sonst noch lange eine Annäherung an die Wahrheit


    Hohle arroganz. Irgendwo hat hier jemand das passende zitat vom Simplicissimus gebracht. Nur der weise weiß, daß er die wahrheit nicht weiß. Siehe Popper, für den deine leseanstrengungen offenkundig nicht gereicht haben.
    Die verhaltenspsycholgie nennt obiges die "überoptimismus- oder selbstüberschätzungsverzerrung". Oder wenn ein sehr gefestigtes weltbild vorliegt, dann kognitve dissonanz.


    Zitat

    schön dass Du immer wieder die wissenschaftstheoretischen Überzeugungen Poppers zitierst, aber den Prozess der Wissenschaft als einen Annäherungsprozess an die Wahrheit zu verstehen, ist nicht selbstverständlich, auch diese Überzeugung wird in der Philosophie vielfältig diskutiert, zudem bewegst Du Dich mit solchen Äußerungen nicht mehr im Rahmen der von Dir ausgelobten Empirie, denn wie lässt sich diese Behauptung falsifizieren?)


    Aufmerksames lesen hätte gezeigt, daß ich mich nur in methodischen oder inhaltlichen einzelfragen auf andere bezogen habe. Ich habe aber niemals gesagt, daß ein bestimmtes system "richtg" sei. Das gegenteil ist richtig. Ich habe unterstrichen, daß es zu allem unterschiedliche, konträre meinungen gibt. Das zu beweisen, war und ist der sinn solcher zitate/belege.
    Nur irrationale "geisteswissenschafftler" zeigen solche arroganz in der behauptung, die wahrheit zu kennen.
    Und eine belehrung über das falsifizierungsproblem von Popper's falsifizierungsthese brauche ich nicht.


    Die menschen stehen vor diesen fragen, und sie weichen diesen fragen nicht aus mit der begründung, der sicher richtige weg zur ihrer beantwortung sei noch nicht gefunden. In diesem sinne ist weder in diesem thread noch in deinem post irgendetwas konstruktives für das thema von dir gekommen. Wenn etwas (vermeintlich) unzutreffendes geschrieben wurde, warum hast du nicht an der diskussion zur sache teilgenommen? Dort hätte sich gezeigt, was jemand konstruktiv mit kompetenz beitragen kann. Und das bist du schuldig geblieben.


    Einfach nur ohne irgendwelche sachlichen begründungen etwas als unsinn zu bezeichen, ist belanglos, weil es jeder so machen kann.


    Nichts weiter als ein intellektueller dünnbrettbohrer, der unter dem mantel der anonymität oder hinter einem großen rücken stehend, versucht, einem rücklings in die wade zu beißen.
    Erbärmliche persönlichkeit, die so etwas nötig hat! Flach - Ja das ist flach.
    Kann es sein, daß Flach1 und Prinz Karneval die gleiche person sind?


    Zitat

    Auf der Basis, die Du Dir von Geburt an angeeignet hast, würde ich intellektuell etwas demütiger sein, das wäre eine sympathischere Attitüde


    1- was darf man über jemanden behaupten, den man nicht kennt?
    Ich habe Hesse vor dem urteil homosexualität in schutz genommen, weil sie sich nicht beweisen lasse.
    Was weißt du über mich? Nichts. Offenbar ist alles in diesem thread über behauptbarkeit und nicht-behauptbarkeit gesagte dir durch das wohl recht breit gestrickte neuronengitter gerieselt.
    2- ich habe nichts weiter gesagt als daß ich mich allenfalls ganz kurz mit nicht-rationalen gedankensytemen beschäftiigt habe, im gegensatz zu manchen altersgenossen.
    Worin liegt hier arroganz?
    Ist dieses fehllesen absichtlich oder unabsichtlich?


    Zitat

    denn es gibt keinen allgemein akzeptierten Forschungsstand der Philosophie. Mit einem Wort: Es ist ein wenig naiv, was Du äußerst, wenn es sich um Begriffe handelt, die ihren originären Ort in der Philosophie haben (dies gilt auch für Herrn Koch, denn seine Beschreibung philosophischen Vorgehens findet man vermutlich nicht einmal in einem Deiner Lexikas, wieso beschreibt er Philosophie dann so?)


    Wenn man in einem lexikon unter zB "wissen" nachschlägt, bekommt man eine zeitlich und thematisch geordnete darstellung der forschung dazu.
    Das zu geben ist doch die aufgabe eines lexikon.
    Welche "begriffe" und welche "beschreibung" Kochs sind gemeint?
    Typisch, daß nur geurteilt, nichts spezifiziert ist.
    Wenn man den text tatsächlich gelesen hätte, wüßte man, daß Koch kein philosoph, sondern hirnforscher ist.
    Und wenn es um die entscheidung geht, ob in einer sache ein hochkarätiger, in den USA tätiger, und in der FAZ schreibender forscher oder ein anonymer poster hier in einer frage recht habe, dann würde ich ex-ante immer die gleiche plausibilitätsvermutung anstellen.

    Zitat

    Zum Schluss frage ich mich, was Dich eigentlich antreibt, Dich mit Literatur zu beschäftigen? Was interessiert Dich daran? Ist sie für Dich Anlass, interpretatorische Hypothesen mit Zähnen und Klauen zu verteidigen? So richtig verstehe ich nicht, warum Du Dich z.B. bei Deinem intellektuellen Koordinatensystem gerade mit Hesse beschäftigen musst. Macht Dir das denn Spaß? Mich würde das auf jeden Fall mehr interessieren, als die leicht durchschaubaren und immer gleichen Variationen des einen und selben.


    wenn man den thread verfolgt hätte, würde man wissen, daß nicht ich dieses thema begonnen habe, sondern andere. Ich habe zunächst angemerkt, daß eine gewisse behauptung unrichtig sei und habe dann folgend nur auf weitere anfragen hin weiter geantwortet.
    Ebensowenig habe ich behauptet, daß ich mich mit Hesse beschäftige habe, -außer daß ich vor längerem den Steppenwolf gelesen habe.
    Offenbar verwechselst du mich nun auch noch mit Lothar.
    Was rauchst du?



    Sandhofer hatte die definition eines trolls gegeben.
    Hier ist einer.


    gruß hafis

  • abschließend, da ich keine zeit mehr hatte:


    Zitat von "Flach1"

    Diesen Mangel an Kenntnissen versuchst Du nun mit dem Griff zum Philosophielexikon zu beheben.


    Den begriff "Emergentismus" habe ich nicht in einem philosophie-lexikon, sondern in dem Lexikon der Neurowissenschaften nachgeschlagen.
    Nach einer bemerkung von Lothar habe ich über den mir bekannten begriff der systemtheorie "emergenz" in einem lexikon nachgeschlagen und meine vorherige antwort modifiziert.
    Beantworte mal:
    Wieviele der hier lesenden kennen diese beiden begriffe?
    Kann aus nicht-kenntnis dieses begriffes auf irgendeinen "mangel an kenntnissen" geschlossen werden?
    Der gleiche vorwurf müßte an Lothar gehen, weil er "Homosozialität" nicht kannte.
    Geht es in einer diskussion nicht darum, sein wissen zu erweitern?
    Wenn ein flach das nicht nötig hat, weil er der wahrheiten gewiß ist, oder wenn er nichts konstruktives aus seinem so großen wissensfundus beitragen will, was sucht er dann hier?
    Ich sehe nichts als arroganz.

    Zitat

    Naivität und Philosophie scheinen zwei sich ausschließende Ausdrücke zu sein, Philosophie dient der Beseitigung der Naivität nicht in diesem oder jenem Denken, sondern in Bezug auf alle Formen des Denkens, also auch das naturwissenschaftliche


    Das ist lediglich eine meinung. Andere würden der philosophie (noch) eine andere rolle als die der kontrolle des richtigen wissenschaftlichen denkens zusprechen, wohl auch hier.
    Waren Plato, die realisten, die metaphysiker etc. "naiv"?


    Zitat

    Zum Schluss frage ich mich, was Dich eigentlich antreibt, Dich mit Literatur zu beschäftigen? Was interessiert Dich daran? Ist sie für Dich Anlass, interpretatorische Hypothesen mit Zähnen und Klauen zu verteidigen?


    Schon wieder verwechselst du mich mit Lothar.
    Woher kommt das?
    Ebenso übersiehst du, daß nicht ich diese themen angefangen haben, sondern andere. Die frage geht also an den falschen.


    Ich habe an keiner hypothese festgehalten. Ich schrieb, daß nach meiner meinung die eine richtige interpretation vielleicht gar nicht existiere, oder daß sie vielleicht nicht feststellbar ist, oder daß es mehrere "passende" interpretationen geben kann, oder auch, daß interpretationen mit der zeit sich ändern können.
    Hier war es Lothar, der daran festgehalten hat, daß jene interpretation falsch und eine andere richtig sei.
    Allenfalls könnte man mir ein festhalten an einer methode vorwerfen. Ich habe aber deutlich gemacht, daß ich weder Popper noch irgendetwas anderes für einzig "richtig" oder einzig anwendbar halte, daß etwas lediglich im rahmen der "rationalität" liegen muß.


    Wenn ich zu keinem dieser themen oder fragen ein urteil habe, etwa weil ich solche urteile für unmöglich halte, kann ich in einer diskussion kein eigenes, sondern allenfalls fremde urteile vorlegen. Ja, dies ist eine ignoranz. Ich kenne in den angesprochenen geisteswissenschaftlichen fragen ("Diese interpretation ist richtig/falsch") nicht die "richtigen" eindeutige antworten.
    Ist die intellektuelle hürde für diesen schluß so hoch?


    Wenn du mich zuvor mit Popper in verbindung gebracht hast, wird die frage umso unverständlicher:


    Wenn ich kein urteil habe, dann werde ich dieses kein-urteil-haben überprüfen (falsi.,verif.) wollen. Dies kann ich dann nur dadurch tun, daß ich gegensätzliche urteile einander gegenüberstelle. Das kann ich nur dadurch tun, daß wenn ich ein urteil beobachte, diesem ein fremdes gegenüberstelle, was wegen des charakters als fremdurteil eben nur als zitat geschehen kann.
    Gleiches werde ich tun, wenn ich mich einer urteilsunverbindlichen "meinung/hypothese" nähern will.
    Meine meinung zur psychoanalyse bzw zu den möglichkeiten des erkenntnisgewinns in den geisteswissenschaften habe ich deutlich gemacht. Der palmer-text bzw. dieser thread diente der überprüfung jener.
    Aber soviel bereitschaft zur kritik eigener meinungen kann man wohl nicht von jedem erwarten.
    Ebennso unverständlich muß dann bleiben, warum ich mich auch mit dingen befasse, die "außerhalb meines intellektuellem koordinatensystems liegen". Deine unbeantwortete "neugier" zeigt, daß einfühlen und verstehen als mittel der hermeneutik zumindest hier versagen, -um mal wieder aufs ursprungthema zurückzukommen.
    gruß hafis

  • Hallo hafis50,
    mir ging es eigentlich nur um den Bereich, den Du sehr häufig bemühst, das scheint der der Philosophie zu sein (zumindest schien er es bisher gewesen zu sein). Du äußerst Meinungen zur Wissenschaftstheorie allgemein, Hermeneutik, zum Verhältnis von Leib-Seele (Geist-Körper, Bewusstsein-Materie , nenne es wie Du willst), Du machst Äußerungen über (oder schleppst Sie implizit in Deinen Äußerungen mit) den Begriff der Wahrheit, der Methode, der Wissenschaft überhaupt, der Naturwissenschaft, Geisteswissenschaft, der Rationalität, Du nennst bestimmte Philosophen (und keine anderen) etc. etc. Deine Äußerungen, die mit diesen Fragen zusammenhängen, ergehen, so weit ich sehen kann, nicht in der Form des "ich meine", sondern sie kommen mit einem Ton großer Überzeugtheit daher. Entschuldige, dass ich nicht gemerkt habe, dass Du immer nur sehr bescheiden meinst, vielleicht bin ich aber nicht der einzige, der solche Mutmaßungen hatte.
    Ich persönlich kann aus meinen Äußerungen wiederum nicht erkennen, wieso ich unerschütterlich glaube, wahr zu sprechen, glaube schon gar nicht im Besitz irgendeiner Wahrheit zu sein. Wenn das bei Dir genauso ist , dann gibt es ja gar keinen Dissens zwischen uns.
    Was ich mit intellektueller Demut meine, ist folgendes: ich finde, nur ausreichende Kenntnisse der Geschichte der Philosophie, der unterschiedlichen philosophischen Verfahren, der unterschiedlichen Konzeptionen, und zwar äußerst unterschiedlicher, erlauben es, sich so klar und überzeugt über die oben genannten philosophischen Themen (implizit wie explizit) zu äußern, wie Du das tust (auch wenn ich mich darin nun geirrt haben sollte). Dass ich daran zweifle, dass diese Vorleistung bei Dir vorliegt (übrigens käme ich nie auf die Idee, mich selbst in diesem Sinne für kompetent zu halten, deswegen ergehen durch mich auch keine solchen dekretorischen Äußerungen), ergibt sich aus Deinen sehr eingeschränkten Bezugnahmen auf spezifische Philosophien und deren Verfahren. Die ungenügende Kenntnis der Geschichte der für die Leib-Seele-Problematik in Frage stehenden Begriffe, wäre auch der Vorwurf an bestimmte Neurowissenschaftler, zumindest an die (ein Beispiel wäre Herr Koch), die so tun, als ob sie über den Status ihrer Disziplin und der Philosophie so viel Kenntnis besitzen, dass sie sich wie Herr Koch darüber äußern, wer wie erfolgreich sein wird bei der Aufklärung ganz bestimmter Fragestellungen. Dies scheint mir halt ein bisschen anmaßend, denn woher weiß er das, so wie er sich über die spezifische Methode der Philosophie (Introspektion + logische Argumentation) äußert, weiß er offensichtlich nicht sehr viel über Philosophie.
    Was mich zu guter Letzt doch etwas stutzig macht, ist Deine Bekundung, dass Du außer dem Steppenwolf von Hesse nichts kennst, diesen vor langer Zeit gelesen hast, und trotzdem weißt, dass die von Dir ins Spiel gebrachte Interpretation eine der vielen haltbaren Interpretationen über den Steppenwolf ist. Natürlich finde ich es dann für jemandem wie Lothar schade, wenn er, der offenkundig reichhaltige Kenntnisse besitzt, mit Dir so diskutiert, als ob Du ein ebenbürtigen Gesprächspartner bist, wenn es um Fragen der Interpretation des Steppenwolf geht. Dein Interesse an Hesse (damit meinte ich Dein Engagement in diesem Ordner) scheint sich dann doch nicht aus einer unmittelbaren Beziehung zum Steppenwolf zu speisen, sondern daraus, dass Du versuchst, andere darauf hinzuweisen, dass sie etwas übersehen haben, oder etwas nicht kennen etc. Das ist sicher ehrenwert, aber doch etwas anderes, als wenn ich mich z.B. inhaltlich am Steppenwolf interessiere. Und abschließend: Mit Zähnen und Klauen verteidigen, heißt in diesem Fall, eine Interpretation unter allen Umständen als eine der möglichen ausweisen zu wollen (und dies, wie sich jetzt herausstellt, ohne den Bezugspunkt (den Steppenwolf) hinreichend daraufhin untersuchen zu können, denn ihn vor langer Zeit gelesen zu haben, erfordert schon viel fotografisches Gedächtnis, um dies zu leisten). Dass etwas eine Interpretation ist, dass sie eine der vielen möglichen ist, entscheidet sich möglicherweise nicht schon dadurch, dass es einen Text von einem Literaturwissenschaftler über den Steppenwolf gibt, der sich Interpretation nennt und inwendig konsistent ist. Zumindest müsste man erst einmal darüber diskutieren, ob dies tatsächlich schon ausreichend ist.
    Dass Du ein schnell und komplex denkender, mit hohen Ansprüchen ausgestatteter Argumentierender bist, steht für niemanden in Frage. Ich finde es nicht ehrenrührig (und auch keine Beleidigung), jemanden darauf hinzuweisen, dass man findet, dass der anscheinend vorliegende Kenntnisstand (in diesem Fall im Bereich der Philosophie) ihn zu weniger entschiedenem und verbissenem Auftreten veranlassen sollte (könnte), denn das ist ja ein jederzeit behebbarer Mangel (der sich im Fall der Philosophie eben nicht durch das Lesen von Lexikonartikeln beheben lässt, wie schön wäre das. Dass dem so ist, ist zumindest eine der wenigen Überzeugungen, die ich aufzuweisen habe, Du kannst mich aber gern vom Gegenteil überzeugen).
    Flach1