Autoren über andere Autoren

  • Hallo allerseits


    Ich lese gerade "Dr. Schiwago" und habe mir eine interessante Stelle markiert, die ich gleich zitieren werde.
    Hier erklärt der Autor seine Ansichten über andere Autoren. Auch bei Dostojewski ist mir Ähnliches schon untergekommen.
    So dachte ich mir vorhin, dass es auch mal interessant sein könne, zu erfahren, wie Schriftsteller über andere Schriftsteller denken oder in diesem Falle dachten.


    Also:


    " Von allem, was russisch ist, liebe ich zur Zeit am meisten die russische Kindlichkeit eines Puschkin und eines Tschechov, ihre scheue Zurückhaltung vor so hochtönenden Begriffen wie 'die letzten Ziele der Menschheit' und ihre Unbesorgtheit um ihr eigenes Wohlergehen. Natürlich hatten sie auch von diesen Dingen bestimmte Vorstellungen, aber sie hätten ihren Ideen nie auf so unbescheidene Weise Ausdruck verliehen - das entsprach nicht ihrem Geschmack und ihrer Denkweise! Gogol, Tolstoi und Dostojewskij haben sich voller Unruhe auf den Tod vorbereitet. Sie suchten nach dem Sinn des Lebens und kamen zu gewissen Schlussfolgerungen. Puschkin und Tschechow dagegen waren bis zuletzt durch die täglichen Sorgen abgelenkt, die ihr Künstlerberuf mit sich brachte. Ihr Leben war eine Kette von Einzelereignissen persönlicher oder beruflicher Art, die niemanden außer sie selbst etwas angingen. Aber gerade diese individuellen Zufälligkeiten ihres Daseins sind jetzt Allgemeingut geworden. Wie Äpfel, die noch grün vom Baum gepflückt wurden, sind sie erst allmählich reif und süß geworden und haben erst in der Nachwelt ihre wahre Bedeutung erlangt."

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Hallo Daniela


    zu dem Thema kann ich den Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller nennen und empfehlen. Zuanfangs konnten sie sich bzw. ihre Werke nicht ausstehen äußerten sich ziemlich harsch. Dann aber begann eine tiefe Freundschaft voller Respekt und gegenseitiger Anerkennung.


    Ich habe Briefwechsel als Hörbuch: "Der Götter zweite Jugend"


    Steffi und ich haben dazu im Hörbuchforum gepostet.


    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen!


    Briefwechsel zweier befreundeter Dichter sind in jedem Fall ein Fundgrube. So auch der zwischen Armin und Brentano. Ähnlich der zwischen Körner und Schiller (wo wir v.a. auch erfahren, was Schiller von Goethe dachte, wenn er mal nicht so happy über den Kollegen in Weimar war ...)


    Böttiger (Literarische Zustände und Zeitgenossen) bezieht auch Wieland mit ein.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    es gibt auch einen Briefwechsel zwischen Hesse und Thomas Mann, die ja gute Freunde waren, obwohl Thomas Mann ansonsten von anderen Schriftstellern nicht sehr viel hielt. Kennt den jemand?


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Hubert"

    Hallo zusammen,


    es gibt auch einen Briefwechsel zwischen Hesse und Thomas Mann, die ja gute Freunde waren, obwohl Thomas Mann ansonsten von anderen Schriftstellern nicht sehr viel hielt. Kennt den jemand?


    Gruß von Hubert


    Hallo Hubert,
    leider noch nicht. Obwohl ich es schon mal eingeplant hatte. Dein Beitrag erinnert mich wieder daran und auch mein Thomas Mann Kalender, in dem es ein sehr schönes Bild der Beiden gibt.


    Wir hatten übrigens in den gemeinsamen Leserunden bisher nie einen Briefwechsel. Warum das wohl so ist?


    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,
    hallo Maria,


    mein Wunsch wäre ja, die Alterswerke von Hesse und Mann, also „Das Glasperlenspiel“ und „Doktor Faustus“, zusammen einmal im Klassikerforum zu lesen. Die beiden Romane haben ja einiges gemeinsam und in diesem Zusammenhang könnte man dann auch den Briefwechsel der Beiden lesen.


    Liebe Grüße


    Hubert


  • Hallo Hubert
    Hallo zusammen,


    das wäre für mich eine Herausforderung und ich wäre dabei, obwohl mir schon ein bißchen Bange ist vor diesen Werken, aber zusammen in einer Leserunde wage ich mich daran.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo allerseits


    Ich habe heute etwas Neues zu diesem Thema entdeckt und zwar bei Dostojewski - er beschreibt in seinem Vorwort zu seiner Erzählung "Die Sanfte", auf welche Weise er die Eindrücke des Erzählers schreibt und zwar so, dass der Eindruck entsteht, der Erzähler würde seine Gedanken vor sich hinmurmeln oder auch "nur" denken (was er in der Geschichte dann auch tut), und jemand notiert sie.


    Daher kommt laut Dostojewski selbst auch der etwas holprige Erzählstil, denn die Gedanken werden so notiert, wie sie kommen, mehr oder weniger, und nicht vorher geordnet.


    Er sagt dazu: "In gewisser Hinsicht hat es so etwas schon mehrfach in der Literatur gegeben - Victor Hugo hat zum Beispiel in seinem Meisterwerk "Der letzte Tag eines zum Tode Verurteilten" fast den gleichen Kunstgriff verwendet, und obwohl er keinen Stenografen einbezogen hat, hat er sich eine noch größere Unwahrscheinlichkeit erlaubt, in dem er unterstellte, dass ein zum Tode Verurteilter die Möglichkeit (und die Zeit) hat, Aufzeichnungen nicht nur am letzten Tag, sondern sogar in der letzten Minute zu führen. Doch hätte er diesen phantastischen Ansatz ncht gewählt, gebe es auch das Werk nicht - eines der realistischsten und wahrheitsgetreuesten Werke von allen, die er geschrieben hat."


    .... was mich natürlich veranlasst, mir dieses realistische und wahrheitsgetreue Werk zu besorgen :)


    liebe Grüße


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Vor einiger Zeit habe ich auf einem Flohmarkt drei Bändemit Aufsätzen und Artikeln Theodor Heuss´gefunden. Einer heißt "Vor der Bücherwand. Skizzen zu Dichtern und Dichtung" und enthält gut lesbare kurze Abhandlungen über diverse Dichter und Schriftsteller. Ich nehme es immer wieder gerne zur Hand, weil mir der Stil von Heuss gut gefällt. Positiv würdigend, humorvoll und sehr belesen. Leider gibt es das Buch nur noch antiquarisch. Die beiden anderen Bände heißen "Lust der Augen. Stilles Gespräch mit beredtem Bildwerk" und "Von Ort zu Ort. Wanderungen mit Stift und Feder"


    Gruß
    Erika



    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • Hallo allerseits
    Hallo Maria


    Zitat

    Von Sir Walter Scott wollte ich schon lange etwas lesen, 1) weil er oft in anderer Literatur zitiert wird (z.B. Virginia Woolf: Zum Leuchtturm),


    Was sagt denn Virginia Woolf über Sir Walter Scott?


    Ich wollte sowieso schon mal sagen, dass ich mich total freue, weil hier ja wirklich einige von Meinungsaustauschen (oder -täuschen????) Autor zu Autor wissen und auch Literaturhinweise geben konnten, aber ich habe nicht erfahren, WAS gesagt oder gedacht wird.


    Außerdem, das hatte ich aber nur im Kopf und nicht geschrieben, finde ich besonders interessant, wenn die Autoren in ihren Werken über andere Autoren etwas schreiben, denn das ist ja dann der Allgemeinheit zugänglich gewesen und nicht wie Briefwechsel o.ä. doch mehr oder weniger privat und höchstens nach dem Tode besonders Interessierten.


    liebe Grüße


    :winken:


    Daniela

    &quot;Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde.&quot; - John Irving

  • Hallo zusammen,
    Hallo Daniela


    Zitat von "elahub"

    Was sagt denn Virginia Woolf über Sir Walter Scott?


    Virginia Woolf sagt persönlich nichts über Sir Walter Scott, sie baut ihn in ihre Geschichte "Zum Leuchtturm" ein. Es geht um eine Diskussion an der Essenstafel, welche Bücher vergessen werden und da der Gastgeber Mr. Ramsey selbst ein Buch geschrieben hat und befürchtet es würde irgendwann mal in Vergessenheit geraten, kommen ihm gewisse Ängste hoch. Insbesondere ging es um "Waverley" von Sir Walter Scott mit dem er das Genre des historischen Romans begründete. Mehr wird aber nicht erwähnt.


    Zitat

    Ich wollte sowieso schon mal sagen, dass ich mich total freue, weil hier ja wirklich einige von Meinungsaustauschen (oder -täuschen????) Autor zu Autor wissen und auch Literaturhinweise geben konnten, aber ich habe nicht erfahren, WAS gesagt oder gedacht wird.


    achso.
    Das liegt vielleicht daran, daß man die Bücher nicht immer parat hat.


    Darf ich dich mit einer Satire auf Thomas und Heinrich Mann trösten?


    Franz Blei: Der Thomasmann und der Heinrichmann (1919)

    Beide dieser Tiere gehören zu einer Familie mittelgroßer Holzböcke, sind holzig und zäh wie Holz, aber von verschiedener Farbe bei sonstiger Gleichheit ihrer Natur und Lebensweise.


    Man findet sie immer auf demselben Baume lebend, aber auf dessen verschiedenen Seiten, da sich die beiden Holzkäfer durchaus nicht leiden mögen.


    Bohrt der Thomasmann unten an einem Baum, so sitzt auf dem gleichen der Heinrichmann oben. Findet der eine die bebohrte Linde saftig, so findet sie der andere morsch; und umgekehrt.


    Das Seltsame ist, daß sich beide immer im Baume irren und auf einer Eiche zu käfern meinen, wenn es eine Tür aus Kiefer, auf einer Fichte, wenn es eine Kommode aus Linde ist usw.


    Immer aber findet aus Ärger über des andern Anwesenheit der eine morsch, was der andere für saftig erklärt. Nur wenn man beide diese Käfer auf einen Federhalter setzt, geben sie sich eifrig ihrer Tätigkeit hin, indem sie emsig darauf hinauf und hinter laufen. Was die Farbe anlangt, an der man die beiden Tierchen unterscheidet, so zeigt der Thomasmann schwarz-weiß gestreifte Flügeldecken, während die des Heinrichmanns blau-weiß-rot mit manchmal auftauchenden und rasch wieder verschwindenden winzigen roten Tupfen sind, die sich übrigens auch durch leichtes Reiben entfernen lassen.


    Zitat zu finden in "Mann oh Mann - Satiren und Parodien zur Familie Mann" Herausgegeben von Uwe Naumann.


    :winken:


    Grüße von
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo allerseits
    Hallo Maria



    Das ist gut möglich; wir müssen dieses Thema ja auch nicht innerhalb ein paar Tagen abhandeln. FALLS jemand mal in einem für alle zugänglichen Werk auf so eine Meinung über andere Autoren stößt, wäre es ja schön, wenn er dies hier kundtun würde. Wir haben doch Zeit ... :zwinker:


    Zitat

    Darf ich dich mit einer Satire auf Thomas und Heinrich Mann trösten?



    Vielen Dank dafür!!! :bussi:


    :winken:


    Daniela

    &quot;Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde.&quot; - John Irving

  • Ein typischer Vertreter der Autor-über-andere-Autoren-Schriftsteller war wohl Hermann Hesse. Ob in seinen Rezensionen oder Aufsätzen, in einigen seiner Gedichte, in seinem Briefwechsel, aber auch in seinen Romanen und Erzählungen (z.B. Die Morgenlandfahrt, Das Glasperlenspiel, Der Steppenwolf), die Liebeserklärungen, Hommagen, Verknüpfungen usw. zind zahllos. FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Liebes Forum,


    ein Gigant über einen anderen: Goethe über Shakespeare. Angefangen hat es mit der berühmten Rede des 22-jährigen Goethe beim ersten deutschen Shakespeare-Tag 1771, wo der junge Autor versucht, das vorher fast übermächtige Vorbild in einen literaturhistorischen Zusammenhang zu bringen, also versucht, es zu entmythologisieren. Auch in dem Entwicklungsroman "Wilhelm Meister" (ich glaube, im ersten Teil, der Lehrjahre) wird Shakespeare unter theatralischen Gesichtspunkten ausführlich behandelt.


    Viele Grüße,
    Gitta

  • Ein Hinweis auf Arno Schmidt darf natürlich nicht fehlen. Dessen Ich-Erzähler lassen sich sehr häufig über Literatur und andere Autoren aus. Daneben hat Schmidt zahlreiche Rundfunk-Dialoge über andere Autoren geschrieben, ein Buch über Karl May ("Sitara und der Weg dorthin") und, wenn man so will, eines über EA Poe ("Zettel's Traum").


    Btw, Karl May: Da gibt es auch immer wieder Passagen, in denen sich der Ich-Erzähler über andere Autoren auslässt, meist nach dem Motto: "Alles Schund! Aber ich habe alles selbst erlebt!".


    Überhaupt dürfte es schwer fallen, einen Autor zu finden, in dessem Werk nicht auf die ein oder andere mehr oder weniger deutliche Form auf andere Autoren eingegangen wird.

  • Hallo allerseits


    In meinem aktuellen Buch "Schnee" von Orhan Pamuk spielt eine Theatergruppe eine wichtige Rolle.
    Sunay, der Chef dieser Truppe, hat einen Traum:


    "Mein Lebensziel ist es nicht, diese Verbrecher, Reaktionäre und Terroristen zu bestrafen", sagte Sunay. "Es gibt ein Stück, das ich seit Jahren aufführen will, und deshalb bin ich jetzt hier. Es gibt einen englischen Autor namens Thomas Kyd. Shakespeare hat den Hamlet von ihm geklaut. Ich habe ein unterschätztes und vergessenes Stück Kyds entdeckt, die Spanische Tragödie. Es handelt von einer Blutfehde und von einer Rache, und es gibt ein Stück im Stück. Funda und ich warten seit fünfzehn Jahren auf eine Gelegenheit, dieses Stück aufzuführen."


    Meine Frage ist jetzt: Kennt jemand diesen Thomas Kyd? Und weiß jemand, ob etwas dran ist an der Behauptung, Shakespeare habe Hamlet von ihm geklaut?


    Dieses Thema spielt in dem Buch keine große Rolle, interessiert mich jetzt aber doch.


    Orhan Pamuk ist ein türkischer (zeitgenössischer) Schriftsteller, dürfte also auch kulturell weder mit dem einen noch mit dem anderen viel zu tun haben.


    Bin mal gespannt auf Eure "Eingaben" :))


    Daniela

    &quot;Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde.&quot; - John Irving

  • Zitat von "Hubert"

    Hallo zusammen,


    es gibt auch einen Briefwechsel zwischen Hesse und Thomas Mann, die ja gute Freunde waren, obwohl Thomas Mann ansonsten von anderen Schriftstellern nicht sehr viel hielt. Kennt den jemand?


    Gruß von Hubert


    Ich greife mal dieses alte Post auf und geb noch meinen Senf dazu:


    Dass Thomas Mann von andern Schriftstellern wenig hielt, möchte ich vehement bestreiten. Er hat Fontane verehrt, Tolstoi ebenso, Goethe sowieso. Schiller hat er gerne gelesen, Dostojewski auch. Das sind die, welche mir aus dem Stegreif grad einfallen und über die er auch immer mal wieder schrieb - und das wohlwollend. Also nicht den armen Mann in die Pfanne hauen als Konkurenzverunglimfenden Egomanen...(das waren nicht deine Worte, ich übertreibe ;) )


    :winken:

  • Hi Cosima!


    Hubert ist (leider!) seit längerem in diesem Forum nicht mehr aktiv - aus dem Kontext seines Postings heraus (Briefwechsel) würde ich aber vermuten, dass Hubert Th. Manns in der Tat gespanntes Verhältnis zu seinen zeitgenössischen Kollegen meinte, angefangen ja bei seinem eigenen Bruder.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus