Monika Maron: Artur Lanz

  • Leider hinter Bezahlschranke.

    Ja, aber die ersten - frei lesbaren - Sätze reichen ja schon.


    Daraus (Hervorhebungen von mir):

    Zitat

    Ein Missverständnis ist in die Welt gekommen. Es geht wohl auf ein Interview zurück, das Maron im August der „Berliner Zeitung“ gab. Der Frage, warum sie ein Buch nach Loschwitz gegeben habe, wurde mit einem Hinweis auf die dortige Logistik Nachdruck verliehen: „Susanne Dagen vertreibt ihre Bücher über den Antaios-Verlag. Das ist neurechtes Umfeld.“ Auch im Interview in der „Welt am Sonntag“, in dem Monika Maron am 18. Oktober bekanntmachte, was ihr von Seiten ihres Verlags widerfahren ist, wurde sie darauf angesprochen, dass „der weit rechtsaußen stehende Verleger Götz Kubitschek“ die Bücher der Reihe „Exil“ vertreibe. Das stimmt, bedeutet allerdings nicht, dass Kubitschek für das Buchhaus Loschwitz den Vertrieb organisiert. So wurde es aber im Deutschlandradio Kultur dargestellt, so wurde es von der Deutschen Presse-Agentur verbreitet, und so stand es am 21. Oktober irrtümlich auch in dieser Zeitung, denn so hatten wir die an Monika Maron adressierte Fischer-Beschwerde über Kooperation zwischen Loschwitz und Schnellroda verstanden. Die „edition buchhaus loschwitz“ ist ein Kleinstverlag, der keine Vertriebsabteilung hat, aber den Vertrieb auch nicht delegiert. Auch Amazon vertreibt die Reihe. Es ist nicht so, dass man Marons Essayband nur durch Vermittlung von Kubitschek beziehen könnte und Kubitschek an jedem verkauften Exemplar mitverdienen würde. Noch nicht einmal dies, die Duldung einer Vertriebskooperation, kann Maron von Fischer vorgehalten werden.


    Das wirft ein deutlich anderes Licht auf den Vorwurf.

  • Da bin ich ganz anderer Meinung. Mit welchem Recht werden von Monika Maron Distanzierungen gefordert? An dieser Stelle kann ich ihre Bockigkeit verstehen. Nur weil bei manchen Gesinnungswächtern der Geigerzähler verrückt spielt, muss sie sich noch nicht distanzieren oder erkären.

    Ehrlich gesagt, finde ich diese Haltung merkwürdig. Frau Maron ist ein Markenzeichen. Das weiß sie auch. Dirk Nowitzky lässt sich nicht einfach von Coca Cola für deren Zwecke zitieren. Und daher kann es Frau Maron nicht recht sein, wenn sie von _dieser_ AfD im Bundestag als intellektuelles Aushängeschild in einer Rede verwendet wird. Da fühlt man sich nicht mal geehrt, sondern ich wäre beschämt und würde daher sofort für Klarstellung sorgen. Das ist zugegebenermaßen nervig für die Autorin, aber leider notwendig. Wenn das dann ausbleibt und es zudem zweideutige Aussagen in einem NZZ-Interview fallen, dann fragt der Verlag bei einer Veröffentlichung außerhalb des Hausverlags nun mal kritisch nach. Das finde ich einen ganz normalen Vorgang. Wenn die Antworten dann nicht zufriedenstellend ausfallen, dann trennt man sich. Frau Maron spürt doch, wie empfindlich Fischer ist. Offenbar wollte sie das dann auch nicht aus dem Weg räumen. Gut, vielleicht ließ man ihr dazu auch keine Gelegenheit. Am nächsten Sonntag ist sie zur Lesung in Frankfurt. Ich werde hingehen, wenn es denn stattfindet.

  • Ehrlich gesagt, finde ich diese Haltung merkwürdig. Frau Maron ist ein Markenzeichen. Das weiß sie auch. Dirk Nowitzky lässt sich nicht einfach von Coca Cola für deren Zwecke zitieren. Und daher kann es Frau Maron nicht recht sein, wenn sie von _dieser_ AfD im Bundestag als intellektuelles Aushängeschild in einer Rede verwendet wird. Da fühlt man sich nicht mal geehrt, sondern ich wäre beschämt und würde daher sofort für Klarstellung sorgen. Das ist zugegebenermaßen nervig für die Autorin, aber leider notwendig. Wenn das dann ausbleibt und es zudem zweideutige Aussagen in einem NZZ-Interview fallen, dann fragt der Verlag bei einer Veröffentlichung außerhalb des Hausverlags nun mal kritisch nach. Das finde ich einen ganz normalen Vorgang. Wenn die Antworten dann nicht zufriedenstellend ausfallen, dann trennt man sich. Frau Maron spürt doch, wie empfindlich Fischer ist. Offenbar wollte sie das dann auch nicht aus dem Weg räumen. Gut, vielleicht ließ man ihr dazu auch keine Gelegenheit. Am nächsten Sonntag ist sie zur Lesung in Frankfurt. Ich werde hingehen, wenn es denn stattfindet.

    Eigentlich habe ich kein Recht, hier mitzusprechen, weil ich noch nichts von Maron gelesen habe. Aber ich habe eure Diskussion mitverfolgt und auch viele der Links nachgelesen. Ich möchte daher an dieser Stelle dir , klassikfreund, ausdrücklich Recht geben: Sicher hat Maron Recht, ihre eigene Meinung zu vielen Entwicklungen hier in Deutschland und Europa zu haben, aber sie hat als öffentliche Person und Demokratin, und das will ich ihr absolut nicht absprechen, die Aufgabe, sich deutlich von Nazis zu distanzieren, genau wie das oben in klassikfreunds gutem Vergleich mit Nowitzky und Coca Cola klar gemacht wurde (wobei das letztere ja nur eine ungewollte Inanspruchnahme für Werbung wäre). Soviel Aufwand wäre es für eine eloquente Schriftstellerin nicht, klarzustellen, bis wohin ihre Meinung geht und wo sie sich distanzieren muss.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Während der Artikel die Inhalte von Marons Texten nicht reflektiert, setzt er sich mit dem Umfeld auseinander, in dem sich die Autorin bewegt.


    Die Diskussion hier im Forum zeigt eigentlich ganz gut, woran diese Debatte m. E. krankt.


    Die Dynamik läuft ungefähr so:

    Monika Maron soll sich von etwas distanzieren, was sie nicht selbst gesagt oder getan hat, sondern was andere gesagt oder getan haben. Es geht um das Umfeld, aus dem man einen Vorurf (sie sei rechtsextrem oder nazi) konstruiert. Und dabei wird mehr oder weniger explizit gesagt: Wenn Du Dich nicht distanzierst, dann wissen wir: Du bist wie die. Oder dann behaupten wir das. Unwidersprochen.


    Und dabei spielt überraschend wenig eine Rolle, was die durchaus eloquente Monika Maron selbst alles schon in Interviews (von denen es nicht wenige gibt) und ihren eigenen Büchern gesagt und geschrieben hat. Aber das hat nicht die formelhafte Bekenntnishaftigkeit, die die mediale Öffentlichkeit von ihr fordert.


    Ich kann mittlerweile besser verstehen, wo Monika Maron darin die Parallelen zum Sozialismus erkennt. Man muss nur 'Nazi' durch 'Klassenfeind' ersetzen, und erkennt sofort die Strukturen wieder. Ich würde nicht so handeln wie sie, aber ich kann aufgrund ihrer Geschichte ein wenig verstehen, warum sie sich weigert, nach diesen Regeln (mit)zuspielen.


    Die bittere Ironie: das ist so ziemlich das Szenario, das sie in ihrem letzten Roman vorweggenommen hat.


    (Und nein, ich bin durchaus nicht der Meinung, dass unsere heute Gesellschaft eine DDR 2.0 ist...)

  • Weder der Fischer Verlag noch sonst wer hat behauptet, sie sei rechtsextrem oder gar ein Nazi. Das schwingt zugegebenermaßen mit. Aber Maron kommuniziert auf gleiche Weise. Hat sie diese Moderations-Mätzchen, die der Tagesspiegel berichtet, einfach so hingenommen? Wir wissen es nicht. Ich befürchte es jedoch.


    Davon abgesehen: Es ist nicht viel passiert, ein Verlag trennt sich von einer Autorin. Ist das nicht sein gutes Recht? Ich kann auch nicht als Arbeitnehmer einfach bei jemandem anderen tätig werden, ohne das abzustimmen. Es würde für Verstimmungen sorgen, ganz unabhängig davon, welcher Verlag gewählt worden ist. Wenn man sich als Verlag marketingtechnisch um die Autorin bemüht, dann will man auch alle Früchte ernten. Aber offenbar war Maron mit dem Marketing für ihr letztes Buch ohnehin nicht zufrieden (stand in irgendeinem Artikel). Da gibt es also schon länger Gräben, die man nicht ausgeräumt hat.


    Ich halte es daher für _nicht_ notwendig, sich mit einer einzigen geschriebenen Zeile auseinanderzusetzen. Wenn man sich gegenseitig nicht mehr vertraut - wobei wir nicht feststellen können, womit das nun anfing, dann trennt man sich lieber. Fischer hat das Gespräch angeboten, welches angeblich ausgeschlagen wurde.

  • Weder der Fischer Verlag noch sonst wer hat behauptet, sie sei rechtsextrem oder gar ein Nazi. Das schwingt zugegebenermaßen mit.

    Ja, den Eindruck habe ich. Dem Vernehmen nach wurde bei S. Fischer gesagt, MM sei 'politisch unberechenbar'. In jedem Fall meine ich, dass der Vorwurf im Raum steht, sie sei 'zu rechts'.


    Zum Rest Deiner Ausführungen: Ja, da hast Du recht. Es gibt immer wieder Situationen, in denen sich Verlage von Autoren trennen (und umgekehrt). Martin Walser und Suhrkamp ging es ja ebenso. Was diesen Fall jetzt so brisant macht, ist imho die Frage, ob Stimmen wie die von MM noch in einen Mainstream-Verlag passen. Oder umgekehrt: Ob man es namhaften Autorinnen durchgehen lassen kann, mit Rechten zu kuscheln....


    Ingo Schulze hat darüber heute ausführlich in der Süddeutschen Zeitung geschrieben. Er hat die Trennung bedauert und hätte sich gewünscht, dass man nicht so schnell das Tischtuch zerschnitten. Zugleich betont er aber auch, dass er froh ist, dass S. Fischer nicht weggeschaut hat, was die Verbindungen von Monika Maron angeht.

  • Anbei ein Artikel von Monika Maron, der vor etwa einem Jahr in der NZZ erschienen ist:


    https://www.nzz.ch/feuilleton/…r-zu-vergleich-ld.1519713


    Mich verstört der Artikel doch etwas, da er so gar kein Wort zu rechten Phänomenen enthält, die so gar nicht hinnehmbar sind. Man mag die ungeordnete Zuwanderung im Jahr 2015 kritisieren, könnte aber im selben Atemzug auch mal was zu brennenden Flüchtlingsheimen sagen. Und zur Menschlichkeit dieses Merkel-Akts eben auch kein Wort.


    Das Interview, welches ich oben erwähnte, ist von Mitte 2017 und inzwischen hinter einer Bezahlschranke (oder es gibt ein weiteres, welches ich jetzt nicht finde):

    https://www.nzz.ch/feuilleton/…r-ld.1303513?reduced=true


    Schwarz-grün wird dort als größtes Übel bezeichnet. Merkel mit Göring-Eckardt als größter anzunehmender Wahlunfall! Einige Monate nach dem Artikel ist die AfD mit über 12 Prozent erstmals in den Bundestag eingezogen und das war durchaus absehbar, aber Maron verliert im Vorfeld kein Wort dazu. Marons Haltung findet man durchaus in der CDU und es war sicherlich der Anlass einiger CDU-Mitglieder, die konservative Werteunion zu gründen, die in vielen Positionen der AfD nahesteht.


    Nun, drei Jahre später könnte Maron mal was zu den überwiegend peinlichen Reden der AfD im deutschen Bundestag sagen und dass diese Partei eben auch keine Lösung ist. Ich finde nichts. Dann diese Veröffentlichung. Und die westdeutsche Empfindlichkeit der Intellektuellen vor rechten Strömungen dürfte ihr doch bekannt sein. Aber wo sonst soll diese Empfindlichkeit beheimatet sein? Maron und wohl auch Tellkamp werden es zukünftig schwer haben. Jetzt wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt.

  • Ich habe die Debatte hier passiv verfolgt. Für eine aktive Beteiligung an der Wallenstein-Diskussion an anderem Ort hatte ich leider keinen Nerv und keine Zeit mehr, andere haben sie hervorragend weitergeführt.

    Ich hatte schon JHNewman bezüglich des "Lanz" geschrieben, er hat dafür Verständnis gezeigt, dass ich nur ungern Stellung beziehen wollte, jetzt mache ich es trotzdem noch einmal.


    Die Ereignisse um Monika Maron sind symptomatisch für das Heranwachsen der jetzt voll einsetzenden Krise im Land. Sie hatte 2018 in "Munin" seismographisch erfasst, dass hierzulande etwas gründlich schiefläuft und die Kommunikation schwer gestört ist. Das Jahr 2015 war der Beginn einer schweren Krise, deren Ende nicht in Sicht und deren Ausgang völlig ungewiß ist, es wird auch nicht besser, wenn man auf andere Länder (mit Ausnahmen) schaut, meine russischen Freunde sinnieren auch darüber, ob man lieber Katzenbilder oder Pflanzen posten soll.

    Aber hier machen wir ja noch unsere Arbeit, lesen, reden über Literatur und schreiben selber


    Jetzt machte ich mit dem "Munin" im Frühjahr 2018 eine Ausnahme. Bis dahin hatte ich mich nur im Zusammenhang mit Christa Wolf zur Gegenwartsliteratur geäußert (Erwin Strittmatter und Hermann Kant hatten mich nie nahe berührt), und jetzt ist auch noch Günter de Bruyn gegangen, der in seinen "Märkischen Forschungen" (1979) meisterhaft und mit leiser Ironie geschildert hatte, wie sich ein leitender Wissenschaftler, mit Macht ausgestattet, über menschlichen Anstand hinwegsetzte, die Leute manipulierte und für andere skrupellos "Schicksal spielte".


    "Helden" ("Lanz") werden klugerweise nicht aus der Deckung gehen, wenn sie isoliert werden und nur mißverstanden dastehen und sich ziemlich einsam fühlen müssen. Man braucht gar nicht wieder den allseits zitierten Spruch Bertolt Brechts herauskramen von dem Land, in dem "Helden" nötig seien, das haben andere zum Genüge getan.


    In der DDR, in der Monika Maron als Tochter ausgerechnet des Innenministers aufwuchs und in der ich auch 35 Jahre lebte, war man es gewohnt, bei zunehmendem Druck von oben und außen "in Deckung" zu gehen, weil offene Kritik mißliebige Folgen nicht nur für sich, sondern auch für die Familien haben konnte (z.B. wurden Bildungschancen der eigenen Kinder beschnitten, Isolierung durch Rufmord). 99 Prozent wählten bis zum Schluss die Kandidaten der Nationalen Front, na und.

    Die Begriffe "Sippenhaft" und "Blockwart" sind allerdings für mich viel zu sehr mit der ersten Diktatur verbunden, die Holocaust und Weltkriegsentfesselung zu verantworten hatte, als dass ich sie selbst verwenden würde; sicher, es gab Abschnittsbevollmächtgte und Beauftragte, die das "Hausbuch" zu führen und Übernachtungen zu registrieren hatten.
    (in der Sache kann man natürlich so seine Vergleiche anstellen: ein im Westen aufgewachsender, mir bekannter Wirt erklärte in einem "sozialen Medium", dass er alle gastronomischen Einrichtungen bei den Behörden anzeigen würde, von denen er durch seine Gäste gehört (nur gehört!!!) habe, dass dort die Corona-Bestimmungen nicht eingehalten würden, also nicht etwa durch eigene Beobachtung; klar, der Mann hat Angst um seinen Laden, aber es gibt Grenzen).


    In der DDR war für einige Millionen Westdeutschland ein Gegenentwurf, täglich konnte man Westfernsehen hereinbekommen, wenn man es denn wollte. 1989 setzten sich Zehntausende in Richtung Westen in Bewegung, und die Ereignisse wurden dadurch rasant beschleunigt. Bis dahin gab es vielleicht einige hundert konsequente Oppositionelle, aber nur ein ganz geringer Prozentsatz von ihnen wollte die Herstellung der Einheit, bestimmt mehr als 90 Prozent hingegen eine bessere DDR. Man kritisierte Krisenerscheinungen, aber nur ganz wenige wollten den Staat abschaffen, in dem sie lebten.

    Für Abermillionen aber war der Westen nicht der täglich empfundene Gegenentwurf. Millionen waren auf die Sowjetunion und das Perestrojka-Experiment orientiert, dessen Höhepunkt ich in der ersten Jahreshälfte 1989 in Moskau und Leningrad erlebte. Ich hatte nie an Ausreise gedacht und kannte in der BRD keinen Menschen persönlich.

    Millionen Menschen wollten nur vernünftig leben, eine annehmbare Wohnung, für sich und ihre Kinder ausreichend zu essen haben und ihnen Bildungschancen zugänglich werden lassen. Sie lasen nicht mehr das "Neue Deutschland" mit seinen Erfolgsmeldungen bis zum Schluss 1989, sie sahen nicht mehr die "Aktuelle Kamera" mit den weltentrückten Gesichtern der Herrschenden.


    Die jetzige Bundesrepublik eine DDR 2.0 ? Ich finde die jetzige Situation viel bedrückender, weil keine Hoffnung mehr aufkommen kann. In der DDR brauchte man nicht auf das "Parlament", die Volkskammer zu achten, hat aber in den drei Jahrzehnten seit 1990 zumindest Geschmack am Parlamentarismus gefunden, der jetzt zerstört wird. Einzig auf Teile der Gerichtsbarkeit ist noch einigermaßen Hoffnung zu setzen. Kein Redner in Sicht, der dem Volke einige Zuversicht in diesen Krisenzeiten geben würde (der Bundespräsident für mich ein hilfloser, verbissener Langweiler mit verengtem Blick).

    Im Unterschied zu den meisten von Euch hier - und ich werde damit sicher Widerspruch ernten - lese ich nicht mehr die tonangebenden Medien westdeutschen Ursprungs und die dortigen Debatten um Monika Maron, sehe ich nicht mehr fern.

    Millionen Menschen in den neuen Bundesländern machen es jetzt wieder, wie sie es vor 1989 gewohnt waren, "die Schotten dicht", sie tauchen ab, spielen nicht den "Helden", sind nur noch für ihre Familien da. (für die, die noch etwas Papiernes lesen, der Witz von der "Neuen Züricher Zeitung" als dem "Westfernsehen von heute", es ist schon so, dass aus der Schweiz noch nüchtern über Deutschland berichtet wird). Es hat sich in vieler Augen eine "Meinungsdiktatur" eingeschlichen, vieles schwappte zudem aus Amerika herüber, zu dem die meisten im Osten keine innere Beziehung haben, wo im Unterschied zum Osten die Religion immer eine so große Rollle spielten, dass auch Abgefallene ihren Extremismus beibehielten.

    Im Herbst erlebte ich im heimatlichen Thüringen wieder eine gewohnte, in vielen Gesprächen bestätigte Gelassenheit als Grundstimmung in der Bevölkerung. Die Leute fürchten sich kaum vor Corona, sondern vor dem Verfall der Wirtschaft, des gesamten Gesundheitswesens in allen übrigen Bereichen und der Volksbildung. "Laß die da oben reden, im Fernsehen und in den Zeitungen berichten sie, wie sie das vor 1989 auch getan haben." Da gehen die Leute aus Gewohnheit weder zu Demonstrationen, wie im überhitzten Zentrum Berlins, noch zu "Corona"-Partys, niemand ereifert sich über Genderdebatten, Rassismus und den Nazi, der hinter jedem Busch lauert.


    Der entscheidende Unterschied zur DDR ist, dass man heute Abermillionen von Menschen, wahrscheinlich einen Großteil, dermaßen durch in Szene gesetzte Meinungsbildner in den Medien (deren Voraussagen in den wenigsten Fällen eintrafen) in Panik versetzt hat, dass jetzt ein Teil der Bevölkerung dem anderen physisch an die Gurgel gehen kann, den er an seinem Mundlappen erkennt. Da nützt auch in den Nahverkehrsmitteln keine echte Maskenbefreiung mehr etwas - asthmakranke Menschen werden ebenfalls bedroht.


    Monika Maron hat vieles vorausgesehen. Sie wird sich kaum daran stören, was in den westlich dominierten Medien der offiziellen Kulturlandschaft noch über sie geschrieben wird. Sie hat die 80 erreicht, hat immer Widerstand geleistet, wenn sie es für richtig hielt, sie hat großen Einsatz gezeigt und ein sinnvolles Leben geführt. Sie braucht sich von niemandem zu distanzieren, mit dem sie gekünstelt in Verbindung gebracht wird und den sie wahrscheinlich gar nicht persönlich kennt. Von ihrer Freundin auch nicht. Wir suchen uns unsere Freunde in Ost und West selber, es werden immer Gleichgesinnte da sein.

    Es wird ein harter Winter kommen (nicht unbedingt schnee- und eismäßig), es kommen schlimme Zeiten, aber sie hat es hinter sich. Warum das Land so gespalten ist und kein Ende in Sicht ist, hat sie versucht intuitiv zu erfassen.

    Nun verschwinde ich erst einmal wieder, Herr Drosten braucht mich nicht zum Führen eines Tagebuches zu ermahnen, das mache ich seit 1965, sie füllen anderthalb Meter Regale, meine Memoiren sollen noch irgendwie versöhnlich enden.


    Das Ende hier zu apokalyptisch? Der Optimist: es kann ja noch schlimmer kommen.

  • Schwarz-grün wird dort als größtes Übel bezeichnet. Merkel mit Göring-Eckardt als größter anzunehmender Wahlunfall! Einige Monate nach dem Artikel ist die AfD mit über 12 Prozent erstmals in den Bundestag eingezogen und das war durchaus absehbar, aber Maron verliert im Vorfeld kein Wort dazu. Marons Haltung findet man durchaus in der CDU und es war sicherlich der Anlass einiger CDU-Mitglieder, die konservative Werteunion zu gründen, die in vielen Positionen der AfD nahesteht.


    Nun, drei Jahre später könnte Maron mal was zu den überwiegend peinlichen Reden der AfD im deutschen Bundestag sagen und dass diese Partei eben auch keine Lösung ist. Ich finde nichts.

    Es ist Dein gutes Recht, davon befremdet zu sein. Nur eine Anmerkung möchte ich aber machen: Es ist interessant, dass bei den Optionen, die für MM infrage kommen, die AfD mit keinem Wort erwähnt wird. Sie zählt nicht zu den Parteien, die MM als mögliche Wählerin überhaupt diskutiert. Als einzige Option nennt sie die FDP und gibt zu, damit sogar gegen ihren Willen Merkel zu wählen.


    Das finde ich mindestens bemerkenswert. Denn im Umkehrschluss bedeutet das für mich: sie hält die AfD für unwählbar. Was angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe schon recht interessant ist...

  • Zitat Maron (NZZ vom 30.06.2017):

    Oder nehmen wir die AfD. Ich sehe in ihr die logische Folge eines Parlaments ohne Opposition und einer sturen, als alternativlos propagierten Politik, deren Konsequenzen unabsehbar sind. Von Beginn an wurde diese Partei bekämpft, als sei sie der Gottseibeiuns, auch als es die aus heutiger Sicht «gute AfD», die professorale Lucke-AfD, war. Warum ist es links, wenn einer Partei, die demokratisch legitimiert in dreizehn Landtagen und demnächst wahrscheinlich im Bundestag sitzt, Tagungsräume verweigert werden, wenn die Arbeitsplätze ihrer Mitglieder gefährdet sind, ihre Wohnhäuser angegriffen, ihre Autos abgefackelt und sie selbst zusammengeschlagen werden? Und warum bin ich rechts, wenn ich das undemokratisch, dumm und brutal finde?

    Zitat Ende.


    Ja, das ist undemokratisch, dumm und brutal. Warum schreibt sie nicht:

    Oder nehmen wir die AfD. Ich sehe geltungssüchtige Politiker, die sobald sie erst mal im Parlament sitzen, jegliche Scham verlieren, und gar den Schießbefehl an Grenzen fordern. Es gibt ja ganze Bücher über die Dummheit in dieser Partei. Und daher ist es gut, dass diese Partei bekämpft wird. Wenn das die einzige Alternative sein soll, die Bürger noch auf die Reihe bekommen, dann mag es mit dem Demokratieverständnis der Bevölkerung nicht weit her sein.


    Schöne Grüße,

    Thomas

  • Warum schreibt sie nicht:

    Ja, ich weiß schon... Du musst ja auch gar nicht gut finden, was sie da schreibt. Du musst ihr auch nicht zustimmen. Das tue ich in vielen Punkten auch nicht. Aber ich kann das aushalten, was sie da schreibt, ohne sie gleich aus dem Diskurs zu verbannen. Und das ist eigentlich auch bloß das, was ich von anderen und von unserer Kulturindustrie auch erwarte. ;)

  • Wir tun uns schwer damit. Man muss dazu nur ins Nachbarforum schauen. Dürfte Maron selber dort noch schreiben? Und dennoch verstehe ich solch einen Banner durchaus, denn die Durchseuchung von rechter Gesinnung ist in Foren, die das unmoderiert lassen, kaum auszuhalten.

    Ich verstehe aber auch, dass man diesen Diskurs vielleicht doch zu schnell abgebrochen hat. Ein schwieriges Thema, wenn man nicht die Details und persönlichen Empfindlichkeiten kennt.

    Vielleicht gibt es ein paar Antworten am Sonntag von Maron. Moderator ist Martin Maria Schwarz, der für seine hervorragenden, reflektierten Fragen bei mir ganz hoch im Kurs steht. Es gibt keinen besseren Moderator, der er es meist schafft, eine Verbindung zum Autor aufzubauen und sich nicht nur gerne selber reden hört (wie so manche xxx-Redakteurin). Ist der letzte Tag vor dem Lockdown der Kultur.

  • Vielleicht gibt es ein paar Antworten am Sonntag von Maron. Moderator ist Martin Maria Schwarz, der für seine hervorragenden, reflektierten Fragen bei mir ganz hoch im Kurs steht. Es gibt keinen besseren Moderator, der er es meist schafft, eine Verbindung zum Autor aufzubauen und sich nicht nur gerne selber reden hört (wie so manche xxx-Redakteurin). Ist der letzte Tag vor dem Lockdown der Kultur.

    Was für eine Veranstaltung ist das? Live oder medial?

  • Aus dieser ganzen Diskussion kann ich nur entnehmen, dass die Gräben zwischen Ost und West - gerade auch bei den Intellektuellen - anscheinend viel tiefer sind, als ich je geahnt habe. Z.B. diese Vorstellung, dass hier eigentlich gar keine Demokratie mehr herrscht und man sich deshalb resigniert ins Privatleben zurückziehen müsse, finde ich sehr befremdlich. Natürlich haben wir immer wieder mit Einseitigkeiten, medial gehypten Themen und der Pandora-Büchse der sozialen Medien zu kämpfen, aber Demokratie besteht nun mal aus Diskurs, und der strengt an, tut weh und macht einen oft wütend. Dennoch ist es für mich nach den Erfahrungen gerade unserer deutschen Geschichte die einzig menschliche Staatsform. Ich finde es zutiefst verstörend, dass viele Menschen sich anscheinend aus diesem Diskurs zurückziehen, verletzt schweigen oder sich rechtsnationalen Parteien mit einem chauvinistischen Menschenbild zuwenden.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)