Preis der Leipziger Buchmesse 2020

  • Heute wurden die Nominierten bekanntgegeben:


    https://www.preis-der-leipzige…minierungen/Belletristik/


    Im Bereich Belletristik sind dabei zwei "Schwergewichte" - mit Lutz Seiler und Ingo Schulze wird das gewissermaßen ein 'Kampf der Titanen'...


    Ingo Schulze hat den Preis bereits 2007 einmal gewonnen für seinen Band "Handy".
    Lutz Seiler hingegen gewann 2014 den Deutschen Buchpreis für den Roman "Kruso".


    Auf die beiden neuen Romane dieser Autoren bin ich gespannt wie ein Flitzebogen.

    Leider ist noch keiner der Romane der Nominierten bisher erschienen. Lediglich der wohl eher ins Genre der Lyrik gehörende Band von Maren Kames (Luna Luna) ist bereits lieferbar, aber der interessiert mich eher weniger.


    Erfreulich ist auch, dass in der Kategorie Übersetzung die Neuübersetzung von George Eliots "Middlemarch" bei Rowohlt nominiert wurde, ebenso eine Übersetzung von Texten Charles' Baudelaires.

  • In den Roman "Power" habe ich in der letzten Woche einmal im Buchladen reingeschaut. Eine Rezension dazu habe ich auch gelesen. Das Buch ist nichts für mich. Der Stil hat mich nicht angesprochen, die Handlung finde ich auch nicht wirklich interessant. Das lasse ich also einmal liegen.


    Gelesen habe ich letzte Woche den Roman von Ingo Schulze. Erzählt wird die Geschichte eines Dresdner Buchhändlers und Antiquars, der sich zu Zeiten der DDR in seine eigene verschrobene und irgendwie abgeschottete Welt zurückzieht, mit der Wende aber unter die Räder des Kapitalismus gerät und zu einer mehr oder weniger verkrachten Existenz wird. Auf den ersten 150 Seiten fand ich das ganz unterhaltlich und fröhlich erzählt, als Leser wird man da auch entsprechend angefüttert mit Verweisen auf klassische Literatur und entsprechender bibliomanischer Atmosphäre. Dann aber gewinnt das Buch enorm an Fahrt, als die Hauptfigur und sein Sohn zu Verdächtigen von rechtsradikal motivierten Straftaten werden. Die Perspektive des Roman wechselt - und nun wird die Geschichte noch aus der Sicht von anderen Personen erzählt. Und plötzlich fächert sich die Handlung viel weiter auf, es kommen neue Perspektiven hinzu, es kommen neue Details ans Licht. Die ganze Problematik der Wende, der Anpassungsdruck, die unterschiedlichen Strategien, sich auf das Neue einzustellen, werden diskutiert. Das fand ich hochspannend und auch hochbrisant. Eine der wichtigen Figuren ist ein Ilja Gräbendorf, der sich als Schriftsteller einen Namen macht und sich - aus Sicht der Dresdner - dem Westen und seinen Medien andient und damit Erfolg hat (ich habe mich gefragt, ob damit Durs Grünbein gemeint sein könnte?). Eine weitere Figur ist der Schriftsteller "Schultze", dessen Biographie auch Parallelen zum Autor aufweist, und der sich an die literarische Aufarbeitung des Schicksals der Hauptfigur macht.


    Das Buch ist raffiniert konstruiert und durch seine politische und gesellschaftliche Brisanz wirklich ein Roman zur Zeit. Aus meiner Sicht hätte der das Potenzial, ähnlich breit diskutiert zu werden wie Monika Marons "Munin". Er stellt unbequeme Fragen, ohne platte Antworten zu geben. Ich bin sehr auf die Diskussionen in Leipzig gespannt!


    Jetzt bin ich bei der Lektüre von Lutz Seilers Roman "Stern 111". Auch hier wird die Geschichte der Wende erzählt, aber in einer wirklich seltsamen Konstellation: Die Eltern des 26jährigen Carl Bischoff aus Gera fliehen sofort nach dem Mauerfall in den Westen, Carl bleibt zurück, zunächst in Gera, später in Berlin, wo er sich als werdender Dichter einer halbanarchischen Gruppe von Hausbesetzern anschließt. Wie schon in "Kruso" erzählt der Autor bildreich, sinnlich, poetisch und witzig. Das hat eine solche Klasse, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass er den Preis dafür nicht bekommt.

  • Schade. Aber isist wohl vernünftiger so ?(

    Ich bin mit der Entscheidung nicht zufrieden und halte sie auch für falsch. Dieses Coronavirus wird unglaubhlich hochgespielt. Aber nachdem die Behörden der Buchmesse hohe Auflagen gemacht haben, hatten die Verantwortlichen keine andere Wahl mehr.


    Die Buchmesse wäre dringend nötig gewesen, besonders in dieser schlimmen Zeit. Ein Forum, ein Ort, an dem sich intelligente Menschen über vier Tage lang austauschen, an dem Literatur eine Stimme bekommt und wichtige Zeitfragen besprochen werden, wird dringend gebraucht. All das findet jetzt nicht statt. So sehr viele Einzelne sich auch bemühen und so gut viele Buchhandlungen vor Ort auch arbeiten: das können sie niemals auffangen. Und das wird auch nirgendwo nachgeholt. Deshalb finde ich die Absage wirklcih tragisch.

  • Es werden noch andere Messen abgesagt, zum Beispiel die H & H Handarbeitsmesse in Köln.

    Zeitgleich drängen sich in den Fußballstadien die Menschen wie eh und je, da macht sich niemand was draus.

    Finde ich eigentlich merkwürdig.

    In Leipzig gibt es seit einigen Jahren ebenfalls eine Handarbeitsmesse "Leipziger Wollefest" Ende März - nach meiner Erinnerung eher klein und nicht international, aber es ist ein Weilchen her, dass ich sie besucht habe - und Anfang April das A Cappella-Festival, das vielen Musikfreunden am Herzen liegt. Hoffentlich findet wenigstens das wie geplant statt.

  • Zeitgleich drängen sich in den Fußballstadien die Menschen wie eh und je, da macht sich niemand was draus.

    Das ist offenbar eine deutsche Spezialität. Hier in der Schweiz ist landesweit alles abgesagt, und zwar von Amtes wegen abgesagt, das über 1000 Personen am gleichen Ort versammeln würde. Der Autosalon in Genf genau so, wie praktisch alle grösseren Acts von Bands, Comedians etc. Und natürlich auch Fussball und Eishockey. Unter 1000 Personen dürfen / müssen die Kantone selber entscheiden.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Bei sehr großen Messen mit vielen Ausstellern aus Übersee kann ich das eher nachvollziehen. Denn viele dieser Aussteller (und Besucher) sagen Messen derzeit ab. Von der Londoner Buchmesse liest man, dass viele amerikanische Verlage und Besucher aus Ostasien wohl abgesagt haben - also wurde die komplette Messe schließlich abgeblasen.


    Für Leipzig sah ich dieses Problem kaum. Es ist - vom Publikum und von den Ausstellern her - eine deutsche und mittel/osteuropäische Messe. Und in Sachsen gab es bisher wenige Corona-Fälle. Daher hatte ich gehofft, die Messe könne stattfinden.


    Der Preis der Leipziger Buchmesse soll nächste Woche trotzdem irgendwie vergeben werden.

  • Ich habe über die Leipziger Buchmesse gelesen, dass es dort regelmäßig eine "Manga-Halle" gibt mit asiatischen Ausstellern, die auch jedes Mal sehr voll sein soll.

    Keine Ahnung, ob das stimmt, aber wenn ja, ist das sicher auch ein Gesichtspunkt.

  • Keine Ahnung, ob das stimmt, aber wenn ja, ist das sicher auch ein Gesichtspunkt.

    Das stimmt beides. Und was das Corona-arme Sachsen betrifft: Ein Grund mehr, hier auf die Bremse zu treten. Die getroffenen Massnahmen sollen ja das Virus nicht stoppen - nur den Verlauf der Epidemie so weit verlangsamen, dass die Gegenmassnahmen einigermassen greifen können.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich habe über die Leipziger Buchmesse gelesen, dass es dort regelmäßig eine "Manga-Halle" gibt mit asiatischen Ausstellern, die auch jedes Mal sehr voll sein soll.

    Keine Ahnung, ob das stimmt, aber wenn ja, ist das sicher auch ein Gesichtspunkt.

    Ja, stimmt. Ist das nicht als 'Manga Comic-Con' oder so sogar eine eigene Messe in der Messe?
    Das hatte ich nicht auf dem Schirm, weil ich diese Halle nicht besucht habe...

  • Hoffen wir, daß nächstes Jahr die Messe stattfindet (würde sie gerne mal besuchen). Vielleicht bleibt uns als Trost, daß interessante Bücher den Preis/die Preise bekommen:)


    Und natürlich, dass diese Coronavirusgeschichte möglichst rasch und nur mit wenig Verlusten vorbeizieht...

  • Eben habe ich in der Süddeutschen Zeitung gelesen, dass die Preisverleihung am 12. März um 0905 Uhr von Deutschlandfunk Kultur in der Sendung „Lesart“ übertragen werden wird.


    Live mithören werde ich wohl nicht können, aber sobald meine Sprechstunde am Vormittag vorbei ist, guck ich mal, was bzw. wer ausgezeichnet worden ist :)

  • Lutz Seilers Roman "Stern 111" habe ich nun beendet. Es fällt mir wirklich sehr schwer zu sagen, welchen Roman ich besser finde. Schulze und Seiler haben beide ausgezeichnete Bücher geschrieben, die sehr unterschiedlich die Wendezeit und Nachwendezeit beschreiben. Das Buch von Seiler ist poetischer, wie seinerzeit schon Kruso. Durch die Gegenüberstellung der Geschichten Carls und der seiner Eltern schafft der Roman auch eine Öffnung, die wichtig ist. Und die Atmosphäre im Berlin der 'Zwischenzeit' zwischen Mauerfall und Vereinigung der DDR mit der BRD ist wahrscheinlich noch nie so intensiv eingefangen worden.


    Daneben kommt Schulzes Roman zunächst einmal etwas konventioneller daher, gewinnt aber durch den doppelten Perspektivenwechsel dann eine solche Tiefe, dass ich das Buch für keinesfalls schlechter halte als das von Seiler. Ich will den Roman noch einmal lesen, diesmal aber von hinten, d.h. die Teile in umgekehrter Reihenfolge.


    Und nun kommt der Knaller: Heute habe ich mit der Lektüre von Leif Randt begonnen. Das Buch ist äußerlich hässlich, das Cover scheußlich. Eigentlich wollte ich das nur der Vollständigkeit halber lesen. Ich hatte gar keine Erwartungen an das Buch. Aber das erste Kapitel ist wirklich umwerfend gut. Völlig anderer Ton, völlig anderes Thema. In der Süddeutschen Zeitung schrieb jemand, es sei ein "virtuos lauwarmes Meisterwerk". Das sieht man schon am ersten Kapitel. Wenn das so bleibt, weiß ich wirklich nicht, wem ich den Preis gönnen soll...

  • Ich kenne auch keines davon, aber mich würde interessieren, warum Du das Cover so hässlich findest.

    Ich habe es mir bei Google angesehen und finde es in keiner Richtung besonders bemerkenswert.

    Ich kann mich erinnern, dass man mir mal in einem anderen Forum dieses Buch sher ans Herz gelegt hat und ich konnte mich bis dato wegen des Covers, das ich entsetzlich finde, nicht zum Lesen durchringen (obwohl ich es aus der Onleihe laden könnte und mich das Cover dann weiter gar nicht belästigen würde - aber jedes Mal, wenn ich meinen Merkzettel aufrufe, fühle ich mich aufs neue abgeschreckt).


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