Lesejahr 2018

  • EIch weiss wirklich nicht, warum sich Deutsche und Österreicher(innen) auf dieses komische 'ß' kaprizieren, wenn keiner die Regeln kennt, nach dem es angewendet wird... :saint:

    :belehr: ß= stimmloses s nach langem Vokal, ist seit der neuen Rechtschreibung eine der wirklich gut verständlichen Regeln. Wenn das immer wieder falsch gemacht wird, liegt' s nicht an der Unverständlichkeit der Regel, wie bei vielen anderen Dingen auch, wie z.B. der Unterscheidung von 3. Person femininum oder Plural und Höflichkeitsform.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich werde heute zwar noch ein neues Buch beginnen, damit aber dieses Jahr nicht mehr fertig. Somit ein kleiner Rückblick auf mein Lesejahr 2018. Ich orientiere mich dabei an den Beiträgen in meinem Blog; die ersten 2108 besprochenen Bücher habe ich zwar noch 2017 gelesen, aber ich nehme ja auch dieses Jahr wieder Bücher, die ich schon 2018 gelesen habe, ins Jahr 2019, um sie zu besprechen. Das gleicht sich immer in etwa aus. 2018 habe ich 141 Beiträge gebloggt, davon sind ein paar Non-Book (Bildende Kunst, Musik, Film, eigene Reisen und zwei oder drei allgemeine Rants), sagen wir 110 bis 120 gelesene Bücher.


    Ausgezeichnete Bücher habe ich 2018 ein paar gelesen. Im Folgenden in der Reihenfolge der Lektüre:


    - Ovid: Liebeskunst
    - Charles Dickens: A Tale of Two Cities
    - Sigismund Krzyżanowski: Münchhausens Rückkehr
    - Charles Darwin: On the Origin of Species;
    - Kurd Laßwitz: Geschichte der Atomistik von Mittelalter bis Newton I
    - Bret Harte: Muck-a-Muck
    - Thomas Hardy: The Mayor of Casterbridge


    Absolutes Hailicht aber war ein anderer Hardy (und ich habe ihn tatsächlich erst Mitte Dezember gelesen!):


    - Thomas Hardy: Jude the Obscure


    Klolichter gab's wenige, was auch daran liegt, dass ich meine Lektüre eigentlich immer sehr sorgfältig auswähle. Die beiden Klolichter des Jahres 2018 waren denn auch welche mit Ansage:


    Mark Twains "Geheime Autobiografie" hatte mich schon bei den ersten beiden Bänden enttäuscht; den dritten habe ich eigentlich nur gelesen, damit ich alle drei Bände im Blog vorstellen konnte:


    - Mark Twain: Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertrieben


    Ebenfalls mit Ansage kam der absolute Flop des Jahres 2018. Ich hatte das Buch vor Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, schon einmal abgebrochen, dann aber beiseite gelegt, und 2018, angeregt durch den Briefwechsel zwischen Arno Schmidt und Hans Wollschläger nochmals hervorgesucht, abermals abgebrochen und jetzt in einen öffentlichen Bücherschrank gelegt:


    Robert Kraft: Die Templer vom Ringe

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Mein Lesejahr 2018 war etwas anders als die Jahre zuvor. Da ich nicht mehr in einer weiter entfernten Stadt arbeite, fiel bei mir sehr viel Fahrzeit mit dem Auto weg, weshalb ich fast keine Hörbücher mehr gehört habe. Das war in den Jahren zuvor ein recht bedeutender Anteil meiner 'Lektüren'. Insgesamt stehen bei mir 116 Titel auf der Liste, da waren aber auch eine Reihe recht kurzer Texte dabei.


    Meine Lesehöhepunkte waren in chronologischer Folge:


    Edouard Louis: Im Herzen der Gewalt
    Das Buch reflektiert eine Gewalt- und Vergewaltigungserfahrung eines jungen Mannes in Paris. Durch die besondere Brechung der Erzählung - Vermischung der eigenen Erinnerung mit dem Polizieprotokoll und der Wiedergabe der Erzählung durch die Schwester des Opfers entsteht ein besonders spannungsreicher und kunstvoller Text. Während Louis' erstes Buch sich in meiner Wahrnehmung noch ein wenig durch Larmoyanz und fehlende Selbstdistanz auszeichnete, hat dieser Text ein erstaunlich hohes Niveau erreicht. Sehr zu empfehlen!


    Arno Geiger: Unter der Drachenwand

    Dieser Roman aus dem letzten Kriegsjahr in der österreichischen Provinz ist ein Meisterwerk. Dem Autor gelingt eine sprachliche und atmosphärische Mimikry - die Texte lesen sich wie authentische Zeitzeugnisse. Geiger war früher schon ein sehr guter Autor, mit diesem Werk aber hat er sich selbst noch einmal weit übertroffen und vollends in die erste Garde der Gegenwartsliteratur geschrieben.


    Hans Pleschinski: Wiesenstein

    Dies ist ein furioser Roman über Gerhart Hauptmann und das Ende des 2. Weltkriegs in Schlesien. Pleschinski schildert gewohnt souverän die historischen Ereignisse, die äußerst bizarr sind: Während die Deutschen aus Schlesien vor der Roten Armee fliehen, fährt der greise Hauptmann mit seiner Entourage aus dem brennenden Dresden nach Schlesien zurück, wo er in seiner Villa Wiesenstein im Riesengebirge das Kriegsende erwarten will. Als literarische Berühmtheit erwartet er, von den Russen mit Respekt behandelt zu werden. Was auch eintrifft, jedoch muss die kleine Gesellschaft erleben, wie die Menschen um sie herum von der Roten Armee und den nachrückenden Polen zermalmt werden. Allein das lohnt die Lektüre, aber Pleschinski schafft noch mehr: Er lässt das Werk des Nobelpreisträgers noch einmal lebendig werden, das heute - abgesehen von den Dramen - kaum noch bekannt ist.


    Szczepan Twardoch: Der Boxer
    Dieses Buch ist ein Trip. Wenn man es zuschlägt, hat man das Gefühl auf Droge gewesen zu sein. Der Leser taucht ein in eine polnisch-jüdische Halbwelt von Kriminellen, Mafiosi und Gewalt im Warschau des Jahres 1939 - vor dem Einmarsch der Deutschen. Man folgt der Handlung durch Clubs, Spelunken, Box-Arenen und polnische Straflager bis nach Israel nach Kriegsende. Das ist alles spannend, verstörend, fesselnd und ungeheuer temporeich. Der zweite Band ist auf Polnisch bereits erschienen und wird hoffentlich bald im Rowohlt Verlag folgen.


    Margriet de Moor: Von Vögeln und Menschen
    Eine Frau wird für einen Mord verurteilt, den sie nicht begangen hat. Ihre Tochter emordet nach vielen Jahren die wahre Täterin.
    Um diese Konstellation herum gestaltet die Erzählerin die Geschichte von drei Frauen mit zahlreichen Verweisen und Querbezügen. Ein hochdichter und glasklarer Roman einer tollen Erzählerin.


    Monika Maron: Munin oder Chaos im Kopf
    Das Buch haben wir hier so ausführlich diskutiert, dass ich dazu nichts weiter schreibe.

    Georgij Iwanow: Zerfall des Atoms
    Ein Mann läuft durch Paris und sieht. Erinnerungen und Wahrnehmungen verschwimmen zu einem Fluß von Bildern. Darunter immer wieder Bilder einer toten Frau. Ein Text, der mich in seiner Intensität und sprachlichen Kraft an Rilkes Malte Laurids Brigge erinnert hat. Und das ist schon was...


    Lewis Crassic Gibbon, Das Lied vom Abendrot
    Eine wundervolle Entdeckung eines schottischen Klassikers, kraftvoll ins Deutsche übertragen von Esther Kinsky. Die Junge Heldin des Romans übernimmt die Bewirtschaftung einer Farm in Schottland, kämpft gegen Vorurteile, Bevormundung durch Verwandte, Gewalt und nicht zuletzt den Krieg. Klingt nach Land-Kitsch, ist aber alles andere als das. In Schottland ein Dauer-Klassiker, bei uns bisher noch nicht bekannt. Zum Glück jetzt aber verfügbar. Fortsetzung folgt.


    Reiner Kunze: Die Stunde mit dir selbst (Gedichte)

    Reiner Kunze gehört mit seinem Prosaband "Die wunderbaren Jahre" zu meinen Allzeit-Favoriten. Seine Gedichte hatte ich bisher nicht gelesen. Diese Texte von Kunze sind allerdings von einer Reife und Schönheit, dass das von nun an anders wird...


    Bisher mache ich es immer so, dass ich zusätzlich zu den Höhepunkten auch mein persönliches 'Buch des Jahres' küre. Allerdings kann ich mich in diesem Jahr nicht zwischen Geiger und Twardoch entscheiden...

    Daher gibt es meinen deutschen Roman des Jahres: Unter der Drachenwand von Arno Geiger.

    Und meinen internationalen Roman des Jahres: Der Boxer von Szczepan Twardoch.


    :saint::saint:

  • Von Geiger wollte ich vor Jahren „Es geht uns gut“ lesen, kam aber über die ersten 10 Seiten nicht hinaus, und zwar weder beim Buch noch be8m Hörbuch. Was an dem Buch so toll sein soll, blieb mir ein Rätsel.


    Daher habe ich lange gezögert, mir „Drachenwand“ zu kaufen - hoffentlich ist diese Buch wirklich besser.


    Der Twardoch ist auf meinem SUB 😊

    Einmal editiert, zuletzt von sandhofer () aus folgendem Grund: Zitat entzerrt - nix für Ungut. sandhofer

  • „Es geht uns gut“ habe ich dieses Jahr gelesen. Ich fand es ganz ok, nicht wahnsinnstoll, aber so, dass ich es relativ schnell gelesen hatte. Sobald es die „Drachenwand“ als Taschenbuch gibt, werde ich es mir zulegen.

  • "Es geht uns gut" habe ich auch gelesen und fand es recht ordentlich. Besser noch gefiel mir das Buch mit dem Flusspferd... In diesen Büchern fand ich Geiger gut, aber im neuen Roman ist er überragend. Das ist ein enormer Qualitätssprung, eine ganz andere Liga. Was möglicherweise auch damit zu tun hat, dass er in den bisherigen Büchern Hauptfiguren wählte, die etwas passiv und antriebslos sind, wenig kantig sind und insgesamt etwas blass. In 'Unter der Drachenwand' werden solche Charaktere aber in einen zeithistorischen Kontext gestellt, der viel krasser und bedrohlicher ist. Eine gewisse Langeweile, die in "Es geht uns gut" nicht zu leugnen ist, kann daher im neuen Roman gar nicht aufkommen.

  • Sehr interessante Zusammenstellung. Louis, Geiger und Kunze stehen bei mir signiert. Wobei ich Kunze auch erst dieses Jahr entdeckt habe und ihn ganz wunderbar finde.

    Louis kommt im Februar nach Frankfurt, ich habe aber einen Paralleltermin.