Hallo,
ich bin jetzt mit den ersten 6 Kapiteln durch.
Der Begriff "Fontanopolis" stammt von der Herausgeberin meiner Ausgabe, Christine Hehle:
[kaufen='978-3351031237'][/kaufen]
und spiegelt wider, wie wichtig der Berliner Hintergrund für diese und andere Fontanesche Romane ist. Es wird ja auch hier im Forum immer wieder betont.
Mir gefiel das 1. Kapitel auch sehr und wie Vita Activa hatte ich den Eindruck einer filmischen Darstellungsweise. Der Blick aufs Haus, der Blick aus dem Fenster auf die Straße runter und zurück hoch zur Pittelkow, die von der Arbeit läßt, als sie den Briefträger sieht, die lästernde alte Lierschen, Olga und ihr Geschwisterchen (hab ich es überlesen, oder wird gar nicht genannt, ob es Junge oder Mädchen ist?): all dies macht einen sehr lebendigen, plastischen Eindruck auf mich, wie in einem Film.
Die gesellige Runde der drei Frauen und drei Männer erinnert mich ein wenig an das Sextett, dem Lene und Botho bei Hankels Ablage in "Irrungen, Wirrungen" begegnete. Hier wie dort die Damen von kleinbürgerlicher, die Herren von adeliger Herkunft, hier wie dort mit Pseudonymen versehen (dort aus Schillers Jungfrau, hier aus Mozarts Zauberflöte). Dennoch sind Unterschiede vorhanden. Dort waren es Prostituierte (wie man zumindest mit Hilfe der Anmerkungen vermuten konnte), hier sind es Damen aus dem Kleinbürgertum, die sich von dem Verhältnis mit solchen Herren materielle Vorteile versprechen, aber nicht mit dem Herzen dabei sind. Das gilt zumindest für Pauline: sie reagiert widerwillig auf den Brief des "Ollen", ist immer verstimmt wenn von seiner Seite Witzeleien kommen, die sie nicht versteht. Andererseits ist wohl ein großer Teil der Wohnungseinrichtung von ihm. Dass es sich bei den beiden um ein intimes Verhältnis handeln muß (Fontane ist hier ja immer sehr zurückhaltend), geht für mich aus der Szene hervor, wie sie ihm auf seiner Halbglatze den Takt schlägt (Ende 5. Kapitel).
Stine und der junge Graf sind wie Lene und Botho und gehören irgendwie nicht mit dazu: es gibt ja wieder ein sehr schönes Kapitelende (5. Kapitel):
Nur der junge Graf und Stine schwiegen und wechselten Blicke.
Wie Katrin war mir auch die kleine Olga aufgefallen. Sie erinnert mich etwas an die Tochter Melanie Van Straatens. So wie diese schon die Zukunft vorausahnte, bündelt Fontane auch hier den Unmut gegen die Verhältnisse der Erwachsenen in einem Kind. Es wird ihr viel an Arbeit aufgetragen, damit das gesellige Beisammensein der Erwachsenen gelingt und warum soll man dann nicht mal über die fehlenden Rosinen in einem Kuchen mäkeln dürfen?
Gruß
Klaus