Marcel Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

  • Ich habe ja immer noch mein Proust Projekt laufen, die Recherche im Original und vergleichend mit der neuen dt. Übersetzung von Bernd Jürgen Fischer zu lesen. Band 1 und 2 hab ich schon durch, Band 3 folgt dann als nächstes, voraussichtlich im Q1 des nächsten Jahres.

  • Mit etwas Verspätung habe ich Band 3 nun auch hinter mir. Allerdings nur in der französischen Version Le Côté de Guermantes von 1921.


    Da ich erstaunlich wenig Probleme mit der Fremdsprache hatte, habe ich mir die deutsche Version für irgendwann mal in der Pension aufgehoben.


    Alle guten Dinge sind 3, das erste mal auf engl. das zweite Mal auf frz, und irgendwann mal auf dt.

    Seit der ersten Lektüre sind mehr als 20 Jahre vergangen und ich habe bemerkt, dass ich auf andere Dinge geachtet habe als damals. Seine Hysterie und sein weltfremder Umgang mit Menschen und seine Träumereien in die er sich verrannt hat haben mich sehr amüsiert. Auch die gestochen scharfe Gesellschaftskritik und der Humor der darin steckt. Manchmal hat er sich gar arg verrannt. Die militärischen Ausführungen in Doncières waren schon sehr ausufernd.


    Die Idealisierung des Adels mit der Erkenntnis bei näherer Betrachtung dass alles nur Schein ist, wie eine Seifenblase in einem Frankreich, das von gescheiterten Revolutionen und Kriegen identitätslos ist. Bourgeoisie vs. alten Adel, vs. Pseudoadel aus dem Kaiserreich.

    Die drei Schichten haben aber eines gemein - immer größer werdendes Aufkommen von Antisemitismus.


    Zentrales Thema ist in diesem Band auch die Dreyfus Affäre die das Land beschäftigt hat. Frust, den Krieg und somit Elsass und Lothringen an die Preußen verloren zu haben waren Mitgründe einen Sündenbock zu suchen. Die Gerichtbarkeit war alles andere als fair. Urteile ohne Beweismittel waren nicht selten. So auch in diesem Fall.


    Während des Lesens habe ich mich dann näher mit der Dreyfus Thematik auseinander gesetzt und parallel noch J'accuse von Emile Zola und Diebe vor Gericht. Die Entstehung der modernen Rechtsordnung im 19. JH von Rebekka Habermas gelesen.


    Manchmal hat das Buch Längen, die Ausführungen schweifen ab, was ich an sich gerne mag und Einblick in das manchmal wirre Innenleben des Autors bietet. Ich habe aber auch überlegt, wie so ein Wälzer heute verlegt werden würde.

    Gibt es heute überhaupt noch Chancen solche monumentalen literarischen Werke zu schaffen? Ist unsere Zeit nicht zu schnelllebig dafür geworden? Diese Fragen werden mir bleiben, ich habe keine eindeutigen Antworten darauf, aber es lohnt sich für mich darüber nachzudenken.


    Band vier folgt in den nächsten Monaten oder im nächsten Jahr, je nach Lesegusto.

  • Die Bände 1 bis 3 habe ich gerne gelesen, weil die Gesellschaftsszenen mit ihren ironischen Schlaglichtern mich für die "wirren Gedanken" entschädigte. Ab Band 4 habe ich mich mehr oder weniger nur noch hindurch gequält, weil da die Liebesbeziehung mit all ihren Zwängen in den Vordergrund gelangt.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • An Qualen kann ich mich nicht mehr erinnern, aber manchmal hätt ich den armen kleinen dummen Buben entweder geschüttelt oder mal etwas untergetaucht zur Abkühlung. Dies wäre aber wahrscheinlich hinderlich gewesen, weil dann hätte er sicher wieder schwerwiegende Krankheiten davon getragen.


    Niemand träumt so wirr wie Proust, ich hab ja einen Hang zum Irrsinn, vielleicht liegts daran )

  • An Qualen kann ich mich nicht mehr erinnern, aber manchmal hätt ich den armen kleinen dummen Buben entweder geschüttelt oder mal etwas untergetaucht zur Abkühlung. Dies wäre aber wahrscheinlich hinderlich gewesen, weil dann hätte er sicher wieder schwerwiegende Krankheiten davon getragen.


    Niemand träumt so wirr wie Proust, ich hab ja einen Hang zum Irrsinn, vielleicht liegts daran )

    Ich stecke auch gerade im Band 3. Schön für dich, dass du es auf französisch lesen kannst.

    Seinerzeit in den früheren 80ern hatte ich die "Recherche" mehrfach gelesen. Ich weiß nicht, warum. Ich muss irgendwas drin gefunden haben, wovon ich jetzt, 40 Jahre später, merke, dass ich dabei bin, es zu finden. Denn manchmal würde ich den armen kleinen dummem Buben gerne schütteln oder abkühlen. Den, der ich damals war. Denn Lesen führt zu Einsichten, ab und an, und zum Lesen gehören auch die Leseerinnerungen.

    Schönster aller Träume: alle Bücher, die ich wiederlesen möchte, jederzeit wiederlesen können ...

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)