Hallo,
bei den meisten läuft es auf "Bleakhouse" hinaus.
Ich eröffne dafür mal einen Leserundenvorschlag. Dort können wir uns dann über Termine unterhalten.
finsbury
Hallo,
bei den meisten läuft es auf "Bleakhouse" hinaus.
Ich eröffne dafür mal einen Leserundenvorschlag. Dort können wir uns dann über Termine unterhalten.
finsbury
Bin aber im Moment etwas irritiert, da ich eine Lesung von Oliver Twist höre, und feststelle, daß das ziemlich sentimental ist und mir etwas auf den Zeiger geht. Ich hoffe nicht alles von ihm ist so sentimental.
Nein, ist es nicht. Aber ich fand auch den Twist jetzt nicht *so* schlimm. Über die sentimentalen Stellen trösten die satirischen hinweg und im Copperfield gelingen Dickens mit sehr wenigen Sätzen ganz großartig unsentimentalen Schilderungen des menschlichen Elends. Er war ein unglaublich scharfer Beobachter, der seine Beobachtungen sehr nüchtern zu Papier bringen konnte. Wenn er es denn wollte ;-).
Ach ja, da ja der unvermeidliche Arno Schmidt genannt wurde: Mit seiner dreisten Behauptung, Gustav Frenssens "Otto Babendiek" sei besser als "David Copperfield" liegt er aber sowas von daneben.
Ach ja, da ja der unvermeidliche Arno Schmidt genannt wurde: Mit seiner dreisten Behauptung, Gustav Frenssens "Otto Babendiek" sei besser als "David Copperfield" liegt er aber sowas von daneben.
:breitgrins:
Dickens' "Aufzeichnungen aus Amerika" gibt es als zweiteiligen Radiotext inkl. Downloadmöglichkeit auf den Seiten von Bayern 2:
http://www.br-online.de/podcas…-podcast-radiotexte.shtml
Klingt nicht uninteressant.
LG
Tom
Dickens' "Aufzeichnungen aus Amerika" gibt es als zweiteiligen Radiotext inkl. Downloadmöglichkeit auf den Seiten von Bayern 2:
http://www.br-online.de/podcas…-podcast-radiotexte.shtml
Klingt nicht uninteressant.
Ich kenne den Text - der ist sehr interessant. Ob das auch für die Verradiohörung gilt, weiss ich nicht. :winken:
Hallo,
um diesen Thread mal wieder zu beleben:
Ich bin seit einigen Wochen mit den "Pickwickiern" befasst, denen sandhofer "kompositorischen Unfug" beimisst, womit er sicher nicht unrecht hat.
Dennoch ist dieser Dickens sicherlich nicht der schwächste, fehlt hier doch bisher (ich bin im letzten Drittel) jegliche Sentimentaliät.
Dafür ist die Satire, oder, wie eben auch sandhofer schreibt, der Witz, hier stark ausgeprägt, aber noch nicht so sarkastisch wie im Spätwerk.
Das einzige, woraus schon die spätere Verbitterung hervorscheint, sind die Szenen bei Gericht, die ja auch in "Bleakhose" und einigen anderen Romanen eine wichtige Rolle spielen. Ich bin in Dickens Biografie nicht darauf gestoßen, dass er in seiner Jugend und jungen Erwachsenenzeit ein einschneidendes Erlebnis mit Gerichten hatte, aber dieser Bereich scheint für ihn sehr negativ besetzt zu sein - zu Recht - nach dem was meine Beilektüre zu "Bleakhouse" ergeben hat.
In den "Pickwickiern" ist es Mr. Pickwick selbst, der durch ein abstruses, aber sehr witziges Missverständnis in einen Prozess wegen Bruchs eines Eheversprechens gezogen wird: Und auch hier schon lässt Dickens seinen vollen Hohn über den Instanzen der Rechtsprechung aus: Jedes Wort wird dem Angeklagten und den Zeugen im Munde verdreht, jedes Dokument auf das Erstaunlichste missinterpretiert.
Wenn hier noch der Schwerpunkt auf dem Witz liegt, weiß man doch, zu welcher bitteren Anklage der britischen Justiz sich das Ganze in Dickens Werk entwickeln wird.
finsbury
Hallo finsbury,
Dickens Abneigung gegen pedantische Regeln verstärkte sich während seiner Anstellung als Lehrling in einem Anwaltsbüro, anschließend als freier Berichterstatter von Doctor's Common, einem 1857 aufgelösten Zusammenschluss Londoner Gerichtshöfe zwischen der St. Pauls-Kathedrale und der Themse.
Ich kann dir die Rororo-Monographie über Dickens von Johann N. Schmidt empfehlen, darin wird dieser Zusammenhang erwähnt.
Gruß
Maria
Dickens Abneigung gegen pedantische Regeln verstärkte sich während seiner Anstellung als Lehrling in einem Anwaltsbüro, anschließend als freier Berichterstatter von Doctor's Common, einem 1857 aufgelösten Zusammenschluss Londoner Gerichtshöfe zwischen der St. Pauls-Kathedrale und der Themse.
Ich kann dir die Rororo-Monographie über Dickens von Johann N. Schmidt empfehlen, darin wird dieser Zusammenhang erwähnt.
Hallo Maria,
vielen Dank! Genau diese Biografie lese ich gerade kursorisch so nebenbei mit großen Pausen, und da habe ich doch tatsächlich diese Stelle schon wieder vergessen, jetzt aber dank deines Hinweises wiedergefunden.
Dennoch erscheint es mir interessant, dass Dickens, obwohl nur mittelbar als Lehrling, nicht als Prozessierender beteiligt, einen derartigen, man kann fast schon sagen, Hass gegen diese Institution entwickelt hat. So etwas geschieht normalerweise eher bei direkter persönlicher Betroffenheit:
Aber Dickens war eben ein scharfer Beobachter und hat die Zusammenhänge wohl schnell gesehen. Sein Einfühlungsvermögen in die Welt der Gescheiterten, eben auch bei Gericht, ist ja ebenso groß.
finsbury
Alles anzeigenHallo Maria,
vielen Dank! Genau diese Biografie lese ich gerade kursorisch so nebenbei mit großen Pausen, und da habe ich doch tatsächlich diese Stelle schon wieder vergessen, jetzt aber dank deines Hinweises wiedergefunden.
Dennoch erscheint es mir interessant, dass Dickens, obwohl nur mittelbar als Lehrling, nicht als Prozessierender beteiligt, einen derartigen, man kann fast schon sagen, Hass gegen diese Institution entwickelt hat. So etwas geschieht normalerweise eher bei direkter persönlicher Betroffenheit:
Aber Dickens war eben ein scharfer Beobachter und hat die Zusammenhänge wohl schnell gesehen. Sein Einfühlungsvermögen in die Welt der Gescheiterten, eben auch bei Gericht, ist ja ebenso groß.
finsbury
Vielleicht lags auch an den Kindheitserlebnissen. sein Vater kam mit dem Gestz in Konflikt. Auch sein Großvater wenn ich mich recht erinnere. Dickens mußte wegen den Schulden seines Vaters monatelang in einer Fabrik arbeiten. Das prägte bestimmt und machte ihn aufmerksamer fürs damalige Gerichtssystem. Könnt ich mir so erklären.
Gruß Maria
Charles Dickens: Die Pickwickier
Übersetzung von Gustav Meyrink
Dickens Roman erschien 1836/37 in Fortsetzungen als Einzelhefte und sollte zuerst nur eine Reihe von humoristischen Kommentaren zu Sportkarikaturen darstellen.
Schnell kam Dickens aber davon ab und drehte den Spieß um: Die Abbildungen kommentierten nun die humoristischen Erlebnisse des Mr. Samuel Pickwick, eines wohlhabenden Unternehmers, der sich zur Ruhe gesetzt hat und nun mit seinen Freunden Winkle, Snodgrass und Tupman den Pickwick-Club gründet, um zu reisen und zu „forschen“.
Der Roman hatte nach einem schwächelnden Anfang, der auf dem oben geschilderten Ansinnen beruhte, einen sensationellen Erfolg. Am Ende der Serie wurden jeweils über 40 000 von den Heften verkauft.
In England sind die Gestalten des Romans – wie auch andere Romangestalten Dickens - bis heute so populär wie sonst nur Gestalten der Shakespeare-Dramen wie etwa Falstaff.
Zum Inhalt:
Mr. Pickwick und seine drei Freunde reisen durch England, machen dort (scheinbare) archäologische Entdeckungen, verfolgen den Wahlkampf in einem Landstädtchen, werden mit einem Schwindler und dessen Diener bekannt. Mr. Pickwick wird aufgrund eines falsch verstandenen Heiratsversprechens von seiner Hauswirtin auf Schadensersatz verklagt und wandert wutschnaubend ins Schuldgefängnis, weil er sich weigert, die Summe zu zahlen. Sein Diener, Samuel Weller, ist ihm als eine Art lebenskluger Sancho Pansa zur Seite gestellt und bereichert selbst durch seinen Vater, dessen Frau und deren Favoriten, einen alkoholabhängigen Pastor, das Panoptikum der Romanfiguren. Am Ende löst sich alles aufs schönste auf, Ehen werden geschlossen, die Schurken zur Besserung nach Westindien geschickt und der Pickwick-Club aufgelöst, ohne dass dessen Mitglieder deshalb den Kontakt verlören.
Einordnung:
Dickens erster Roman hat einen großen Vorteil: Ihm fehlt jede Sentimentalität, der große Lesenachteil vieler der folgenden Romane.
Die Figuren sind alle als Karikaturen angelegt, selbst der herzensgute Mr. Pickwick selbst ist in vielen Zügen lächerlich. Gesellschaftskritik ist nur in den Justizszenen zu finden, ansonsten wird das bestehende System nicht in Frage gestellt.
Einige Stellen sind Perlen des Humors, z.B. die Passage, wo Mr. Winkle, der niemals zuvor eine Waffe benutzte, an einem Jagdausflug teilnehmen muss:
aus Kap. 19
Mr. Winkle feuerte und knallte inzwischen unentwegt drauflos, ohne weitere bemerkenswerte Ergebnisse herbeizuführen; Bald schoss er so hoch in die Luft, wie sich das Rebhuhn nie zu erheben liebt, bald so nahe am Boden hin, dass sich die Aussicht auf eine lange Lebensdauer der Hunde wesentlich verringerte. Im Lichte des Fantasieknallens gesehen, boten seine Schüsse viel Abwechslung und Kunstgenuss; Waren sie jedoch wirklich auf ein bestimmtes Ziel gerichtet, so mussten seine Bestrebungen als im Grunde gänzlich verfehlt bezeichnet werden. Es ist ein anerkannter Grundsatz: Jede Kugel hat ihr Ziel. Aber auf Mr. Winkles Schrotkörner angewendet, stempelte er sie zu unglücklichen Findelkindern, die, ihrer natürlichen Rechte beraubt, planlos im Weltenraum umherirrten.
Diese Schilderungskunst wird noch durch die gute Übersetzung Gustav Meyrinks unterstrichen, der auch die Cockney-Dialektausdrücke der Familie Weller in ein sehr angemessenes Berlinerisch überträgt, das witzig und auch verständlich ist.
Ein guter Anfang eines großen Schriftstellers, der wegen seiner sentimentalen Stellen bei uns manchmal unterschätzt wird.
Übrigens: Wer P:G: Wodehouse mag, wird auch die Pickwickier schätzen, denn von ihnen stammt meiner Ansicht nach der typische Wodehouse-Ton.
Ein guter Anfang eines großen Schriftstellers, der wegen seiner sentimentalen Stellen bei uns manchmal unterschätzt wird.
Wirklich? Dickens? Wann wurde Dickens jemals unterschätzt?
Wirklich? Dickens? Wann wurde Dickens jemals unterschätzt?
Willkommen im Forum, Genießerin!
Du brauchst nur hier die entsprechenden Threads ein bisschen durchzustöbern, in Literaturgeschichten deutscher Autoren oder z.B auch bei Hesse oder Vollmann nachzuschauen, da kommt öfters die Sprache auf den kitschigen, biedermeierlichen, plüschigen oder gemütlichen Dickens.
Moin, Moin!
Ein Urlaub steht an. Vielleicht sollte ich mal wieder zu einem Dickens greifen. Nur versagt sämtliche Intuition, vom mangelnden Wissen, ihn einzuordnen, ganz zu schweigen. Langer Rede, kurzer Sinn: Ich kann mich nicht entscheiden, welches der angeführten Werke ich lesen soll.
Der Raritätenladen (RL)
Martin Chuzzlewit (MC)
Dombey und Sohn (DS)
Harte Zeiten (HZ)
Klein Dorrit (KD)
Eine Geschichte aus zwei Städten (G2S)
Große Erwartungen (GE)
sandhofer, der nur das Spätwerk gelten läßt, würde sicher zu den GE oder HZ raten. Wenn man aber Dickens doch im Laufe des Lebens mal durch haben will, wäre es doch aber besser, JETZT ein früheres Werk zu lesen. Oder wie oder was? confused
Lies Trollope. :breitgrins:
Trollope ist ein guter Tipp. :breitgrins:
Die Pickwick Papers hast Du nicht auf Deiner Liste. Schon gelesen?
Moin, Moin!
Trollope ist ein guter Tipp. :breitgrins: Die Pickwick Papers hast Du nicht auf Deiner Liste. Schon gelesen?
"Die Pickwickier", "Oliver Twist", "David Copperfield", "Bleakhaus" und "Nikolas Nickleby" gelesen.
Von Trollope las ich erst vor kurzem "Septimus Harding", zuvor "Die Türme von Barchester" und habe kein weiteres Buch von ihm vorrätig. Die Bibliothek kann nichts beisteuern.
Alles anzeigen
Moin, Moin!
"Die Pickwickier", "Oliver Twist", "David Copperfield", "Bleakhaus" und "Nikolas Nickleby" gelesen.
Von Trollope las ich erst vor kurzem "Septimus Harding", zuvor "Die Türme von Barchester" und habe kein weiteres Buch von ihm vorrätig. Die Bibliothek kann nichts beisteuern.
Dann hast du ja bereits einiges aus Dickens Frühwerk gelesen. Somit könntest du die Lücken schließen und mit dem "Raritätenladen" weitermachen.
Gruß
Maria
Moin, Moin!
Dann hast du ja bereits einiges aus Dickens Frühwerk gelesen. Somit könntest du die Lücken schließen und mit dem "Raritätenladen" weitermachen.
Ich sehe, wir verstehe uns. Ich hatte tatsächlich diesen Gedankengang. :breitgrins:
Charles Dickens: David Copperfield (1848)
Dieser umfangreiche (in meiner von Gustav Meyrink übersetzten Version 950 Seiten dicke) Roman wurde von Dickens (1812-1870) selbst von allen seinen Werken am meisten geschätzt, wahrscheinlich auch, weil er in ihm sehr viel Autobiografisches verarbeitet hat.
Inhalt
David Copperfield wächst als Halbwaise an der Seite seiner jungen hübschen Mutter und der ihnen beiden sehr zugetanen Kinderfrau Peggotty in Suffolk auf. Seine frühe Kindheit ist friedlich und schön. Aber als David ungefähr sechs ist, verliebt sich die Mutter in den Geschäftsmann Mr. Murdstone und heiratet ihn. Während der Braut- und Hochzeit besucht David zusammen mit Peggotty deren Bruder, einen Fischer in dem Küstenort Yarmouth, und dessen zusammengewürfelte „Familie“, die Witwe seines Partners Mrs. Gummidge, die adoptierte Waise Emily und den Neffen Ham. David fühlt sich dort sehr wohl, doch als er zurückkommt, wohnen Mr. Murdstone und seine Schwester im Haus der Mutter und unterdrücken diese und nun auch David in massiver Weise. Er, der immer gerne gelernt hatte, wird durch sinnloses Auswendiglernen unter Androhung von Strafen immer unkonzentrierter und zieht den Zorn beider Murdstones auf sich. Wenn die Mutter David freundlich behandelt, wird sie scharf verwiesen und ist schließlich völlig eingeschüchtert und abhängig von ihnen. Irgendwann kann David es nicht mehr aushalten und verletzt Murdstone - durch dessen Grausamkeiten aufgestachelt - an der Hand. Als Folge wird er in das Internat Salemhouse in der Nähe von London verfrachtet. Hier ist es kaum besser: Das Haus wird von dem eingebildeten und brutalen Mr. Creakle geleitet, der alle Jungen bis auf den älteren James Steerforth, einen hübschen und freundlichen, aber auch sehr selbstverliebten Jüngling, maßlos verprügelt. Der kleine David, immer noch kaum älter als sieben oder acht Jahre, findet trotz der gewalttätigen Atmosphäre in Steerforth einen eigennützigen, aber dennoch gutmütigen Beschützer und einen weiteren Freund in Tom Traddles, der durch seine fröhliche, ungeschickte Art besonders viele Prügel auf sich zieht. In den Sommerferien kommt David zurück zu seiner Mutter. Diese hat inzwischen ein Baby und steht völlig unterwürfig unter der Knute der beiden Murdstones. Kurze Zeit später sterben sie und das Baby an Schwäche und fehlender Zuwendung . Murdstone sieht nun nicht mehr ein, Geld in Davids Bildung zu investieren und gibt ihn seinem Kompagnon Quinion als Arbeitskraft für die gemeinsame Weinhandlung nach London mit. Der immer noch weniger als zehnjährige Junge muss nun Schwerstarbeit im Lager der Handlung verrichten und bekommt kaum genug Geld, um sich ein karges Mahl selbst zu besorgen. Untergebracht wird er bei Mr. Micawber und dessen Familie, die kurz vor dem Schuldgefängnis stehen, weil sich Micawber durch Schuldverschreibungen immer mehr in den pekuniären Schlamassel herabzieht. Der zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt schwankende großsprecherische Micawber und seine Angehörigen führen ein ständig zwischen übertriebenen Gelagen, wenn sie wieder einen Kredit bekommen haben, und verzweifelten Hilferufen hin und her getriebenes Leben, an dem David mitleidig Anteil nimmt und schließlich die Familie im Schuldgefängnis häufig besucht, wohin diese dann doch kommt. David, der in immer prekärere Verhältnisse gerät, beschließt mit zehn Jahren, die Weinhandlung zu verlassen und zu seiner Tante nach Dover zu wandern, der Schwester seines Großvaters väterlicherseits. Diese, eine nach außen hin harte und willensstarke, aber eigentlich sehr gutherzige Frau, adoptiert den völlig abgerissenen und durch die Erlebnisse der letzten Jahre traumatisierten Jungen und schickt ihn nach Canterbury auf die Schule des Dr. Strong, wo er nun eine gute Bildung mit sinnvollen pädagogischen Methoden erhält. David wohnt beim Anwalt der Tante, Mr. Wickfield, und dessen Tochter Agnes. Die Mutter von Agnes starb bei deren Geburt, der Vater trauert immer noch um sie und ist daher dem Alkoholismus verfallen. Dies nützt sein verschlagener Gehilfe Uriah Heep aus, eine der schaurigsten und zugleich am wunderbarsten beschriebenen Gestalten Dickens‘. Während der weiteren Handlung des Romans gerät Wickfield aufgrund seiner Alkoholkrankheit immer mehr in den Einfluss Heeps, bis dieser mit Fälschungen und Lügen all dessen Eigentum in seinen Besitz gebracht hat und nun auch noch Agnes selbst zur Frau haben will. David, der Agnes zunächst wie eine Schwester liebt, beobachtet die Entwicklung mit zunehmender Verzweiflung, kann aber nichts dagegen unternehmen.
Währenddessen tritt David in Doctors Commons, London, eine Lehre zum Proctor an, eine Art unstudierten Anwalt , finanziert von seiner Tante und verliebt sich in die bezaubernde, aber völlig kindliche Dora, die Tochter seines Lehrherren Spenlow. Nach dem Tod von Mr. Spenlow und als sich Davis finanzielle Lage, die durch die plötzliche geheimnisvolle Verarmung seiner Tante sehr verschlechtert hatte, wieder durch Zusatzarbeiten verbessert hatte, heiraten David und Dora. Der junge Ehemann, der sich inzwischen einen Namen als Schriftsteller macht, findet in seiner Ehe aber wenig Halt, weil Dora nicht in der Lage ist, einen Haushalt zu führen und die Dienstboten zu beaufsichtigen. Nach einer Fehlgeburt wird Dora immer schwächer und stirbt schließlich. David geht für einige Jahre auf dem Kontinent auf Reisen, kehrt schließlich zurück und erhält nach einigen Missverständnissen die Hand von Agnes, die er eigentlich schon immer geliebt hatte.
Diese Haupthandlung wird bereichert durch viele köstlich ausgeführte Nebenfiguren, wobei einige den tragischen Teil vertreten, wie Emily, Ham, Steerfort, dessen gefühlskalte und rangstolze Mutter und seine leidenschaftliche Cousine Rosa Dartle, andere dagegen die lustig-satirische oder gemütlich-vernünftige Seite wie Mr. Micawber und seine Familie und Tom Traddles, der endlich seine Sophie und damit deren ganze Familie heiratet.
Stil und meine Meinung
Der Roman ist ein klassischer Bildungsroman, linear durch David Copperfield in der Ich-Perspektive erzählt. Er ist in zwei ungleiche Hälften geteilt, die unglückliche Kindheit und Jugend Davids bis einschließlich 13. Kapitel und der danach glückliche Aufstieg mit Hilfe der Tante und anderer freundlich gesinnter Helfer. Bis hin zur Verlobung und Hochzeit mit Dora bleibt der Ich-Erzähler auch auf dem Empfindungsniveau des Kindes, Jungen und jungen Mannes und schildert sehr genau, wie die Umwelt auf diese wirkt. Später rückt der Ich-Erzähler mehr in den Hintergrund und wird oft zum Beobachter der Geschehnisse, wenn er auch immer als Freund oder angenommener Feind darin involviert ist.
In den gefühlvollen Szenen, bei denen Liebe oder Religion im Mittelpunkt stehen, schrammt Dickens aus heutiger Sicht öfters hart am Kitsch vorbei. Der Leser wird aber durch das Dickensche Figurenuniversum mit der unnachahmlichen, zugleich satirischen und verständnisvollen Schilderung übervoll dafür entschädigt.
„David Copperfield“ habe ich mit vierzehn Jahren mit großer Freude zum ersten Mal gelesen, und ein halbes Jahrhundert später hat mir die Lektüre wieder sehr viel gegeben. Meine Lieblingsfigur war früher und ist auch heute Uriah Heep, dessen unnachahmliche Schilderung ihn jedem Leser lebhaft in Erinnerung bleiben lässt.