November 2009: Eugène Sue - Die Geheimnisse von Paris

  • Es liegt übrigens nicht nur am Buch, dass ich so langsam vorwärts komme. Wie schon gesagt: Sue scheint langsam in die Gänge zu kommen, und bei der Erzählung des Chourineur, wie er Murph gerettet hat, habe ich mich sogar dabei ertappt, dass ich angefangen habe, nur noch Achtelssätze zu lesen, um rasch zum Ende der Erzählung zu kommen und zu wissen, wie es denn nun genau vor sich gegangen ist. Das war bisher - spannungstechnisch - das Highlight der Lektüre.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich habe jetzt am Wochenende den erste Teil gelesen und wusste ja, dank Eurer Beiträge bisher, ungefähr was mich erwartet.


    Vorab sei gesagt: Ich lese das Buch gern, zwar mit ironischer Distanz, fühle mich aber durchaus unterhalten. Der Karl May Bezug (habe in meiner internetfreien Jugend im letzten Jahrtausend den kompletten Karl May gelesen) ist mir auch sofort aufgefallen. Erwähnt wurde aber noch nicht, dass auch die christliche Tünche über allen guten Taten ebenfalls sehr ähnlich ist.


    Die Stärken des Romans liegen sicher in der meinem Eindruck nach ziemlich naturalistischen Milieuschilderung inklusive den detaillierten sozioökonomischen Angaben über Preise / Löhne oder auch das Justizsystem. Außerdem versteht es Sue ausgezeichnet Spannung aufzubauen und hier im besten Sinne unterhaltend zu schreiben.


    Die Schwächen sind offensichtlich und wurden ja auch schon angesprochen: Die Handlung ist insofern kolportagehaft als immer wieder extrem Unwahrscheinliches passiert (das "zufällige" Treffen zu Beginn auf dem Feld, die überraschenden Bezüge zwischen den Personen etc.).
    Die analytische Reflexion fehlt mir auch, womit jetzt nicht nur explizite Kommentare gemeint sind. Ein guter Vergleich ist hier "Rot und Schwarz", das ja ebenfalls eine soziologische Milieuschilderung zum Ziel hat (wenn auch nicht der "Gosse") und wo Stendhal sich auf einem komplett anderen Niveau bewegt.


    Richtig ist sicher, dass vor Sue in dieser Drastik die "Unterschicht" meines Wissens nicht geschildert worden ist, zumindest in der französischen Literatur. "Woyzeck" konnte Sue ja sicher nicht kennen, aber "Oliver Twist" geht natürlich in eine ähnlich Richtung und ist 10 Jahre früher erschienen.


    Erstaunlich finde ich, wie der erzählerische Typus ((reicher) Superheld bestraft die Bösen und belohnt die Guten) seit der Antike so viele anspricht. Ein Beleg dafür, dass die evidente Gerechtigkeitslücke im Leben die Menschen seit jeher stark beschäftigt.


    Das diesem Typus intellektuell etwas Lächerliches anhaftet, hat schon Cervantes erkannt und brillant in seinem "Don Quijote" umgesetzt, der ja auch eine Art Herzog Rudolf verkörpert, aber bei jedem seiner Versuche an der Wirklichkeit scheitert. Das war nicht ganz 250 Jahre vor den "Geheimnissen von Paris" und sollten eigentlich jedem Autor mit Anspruch verbieten, das wieder aus der narrativen Schatztruhe heraus zu suchen.


    Gruss
    CK


  • Der Chourineur ist nicht uninteressant.


    Nein. Über seine endgültige Abkehr vom Töten heißt es in I/20:


    "Sehen Sie,(...)...als ich den Schrei des armen Tieres hörte, das sich nicht einmal wehrte...als ich das Blut auf meinem Gesicht fühlte...das warme Blut ...das lebendige Blut...(...) da habe ich meinen Traum wiedergesehen ... den Feldwebel ... und all die armen jungen Soldaten, die ich niederstach, und die sich nicht wehrten, und die mir sterbend so sanft in die Augen blickten...so sanft...dass sie mich zu bedauern schienen. Ach! Gnädiger Herr! Es ist zum Verrücktwerden!"


    Das ist innerhalb der etwa tausend Seiten, die ich bis jetzt gelesen habe, die einzige Stelle, die mich hat aufhorchen lassen, die mich berührt hat und mir originell und echt vorkam.


    Aber wie wird sie dann gleich wieder moralisch süß-sauer überzuckert:
    Rudolf war tief gerührt. (...) Einen Augenblick lang hatte fast der tierische Blutinstinkt über den Menschen gesiegt, aber dann hatte die Reue sich doch stärker erwiesen. Das war nicht nur schön, sondern auch eine große Lehre.


    Unsäglich auch, dass der Chourimann als Kolonist nach Algerien geschickt wird.

  • Zitat von "xenophanes"

    Also im dritten Teil fand ich.......


    Machst Du eigentlich Speed-Reading?? :entsetzt:


    Ich lese näher beim Tempo der Originalleser, täglich ein-zwei Kapitelchen. Dabei fällt auf, wie einfach es jeweils ist, den Faden immer gleich wieder zu finden.
    Was noch nicht so klar ist, warum das Werk Geheimnisse von Paris heisst. Ich meinte, irgendwo gelesen zu haben, die Stadt sei die eigentliche Hauptakteurin, aber Paris ist bis jetzt nicht mehr als eine zufällige Kulisse. Ändert sich das noch?

  • Na ja - ein bisschen mehr als zufällig ist Paris wohl schon im ersten Teil. Ähnliches könnte wohl allenfalls das zeitgenössische London vorzuweisen gehabt haben. Alle andern europäischen Städte waren zu jener Zeit wohl zu klein, um diese Art von organisiertem Bodensatz beherbergen zu können.


    Ich komme ein bisschen schneller vorwärts als Maja, aber auch nicht allzu rasch. Was weniger am Text liegt als am realen Leben ... :sauer:


    Nein. Über seine endgültige Abkehr vom Töten heißt es in I/20:


    Das ist in meiner Ausgabe II, 2 und 3, iirc. Jedenfalls nicht I. Im zweiten Teil werden nicht nur haufenweise neue Leute eingeführt, wir erfahren in diversen Rückblenden auch einiges über schon eingeführtes Personal. Das macht die Erzählung ein bisschen ruhiger und abgerundeter, wie ich finde.


    Unsäglich auch, dass der Chourimann als Kolonist nach Algerien geschickt wird.


    Weshalb? Als Idee finde ich die Sache ziemlich rund und gut motiviert. Einzig das gottähnliche Gehabe von Rodolphe nervt. Wie der alttestamentarische Jahwe führt er seinen Hiob Chourineur kreuz und quer an der Nase herum. Verspricht ihm hoch und heilig, ihn nicht zu bescheissern und bescheissert ihn am Laufmeter. Und keiner verliert ein Wort darüber ... :rollen:

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  • Schön langsam werde ich warm mit dem Buch, was wohl zu gleichen Teilen daran liegt, dass die einzelnen Episoden ausführlicher werden und ich mich mit dem Stil arrangiert habe.


    Im 2. Teil lernt man die Mieter eines Hauses kennen, die eine interessante Mischung der unterschiedlichen sozialen Schichten bilden, deren Lebensgeschichten teilweise ein eigenes Buch wert wären und von denen einige (welch Zufall) auf verschiedene Weise des Lebensweg Rudolfs schon gekreuzt haben oder anderweitig von Bedeutung für ihn sind. Diese typischen französischen Mietshäuser mit der geschwätzigen und allwissenden Concierge hat es also damals auch schon gegeben. Das Ehepaar Pipelet hat mir das eine oder andere Schmunzeln entlockt.


    Inzwischen bin ich im 3. Teil, in dem Sue von seiner Methode, wesentliche frühere Ereignisse von seinen Protagonisten erzählen zu lassen, endlich abweicht. Damit liest sich das Buch für mich schon ganz anders, auf gewisse Weise bin ich jetzt in der Geschichte angekommen.


    Grüße
    Doris


  • Das ist in meiner Ausgabe II, 2 und 3, iirc. Jedenfalls nicht I.


    Ja, im französischen e-Text ist das auch so. Ich zitierte die Insel-Ausgabe, da ist es I/20.



    Weshalb? Als Idee finde ich die Sache ziemlich rund und gut motiviert.


    Der Metzgereibetrieb wird dem Chourimann angeboten, um ihn auf die Probe zu stellen. Er besteht die Probe , bekommt beim Schlachten eines Schafs die Krise, kann kein Blut mehr sehen.


    Zitat

    Wir müssen es allerdings Rudolf zugute halten, dass er diese Reaktion erhofft, ja geradezu erwartet hatte. Und er hatte willentlich die Szene im Schlachthaus herbeigeführt.


    Nun soll der Chourimann Kolonist werden. Es handelt sich dabei nicht nur um Ackerbau und Viehzucht, sondern


    Zitat

    ...ich (habe ) diese Güter absichtlich erworben... sie befinden sich am Rande des Atlasgebirges, das heißt an den Vorposten, und sie sind den häufigen Angriffen der Araber ausgesetzt. Dort muss man ebenso Soldat wie Landmann sein...Die Kolonisten haben sich zu einer Miliztruppe zusammengeschlossen... Sie (werden Sie)... zum Führer einer ... durch ihre Tapferkeit beseelten kleinen Armee machen. ... weil ich Ihre natürliche Tapferkeit in nützliche Bahnen lenken wollte


    Die Idee ist rund und gut motiviert für einen Mann, der gerade der Gewalt und dem Töten abgeschworen hat? Wie abstrus ist das?
    Natürlich entspricht diese Idee der damals üblichen Praxis der europäischen Kolonialmächte, ihre Schwerverbrecher in die Kolonien abzuschieben. das Mutterland war sie los und dort konnte ihre (kriminelle) Energie in "nützliche Bahnen " gelenkt werden. Uaah!

  • Ich seh schon, ich hinke heilllos hinterher.


    Mit eurem Lesetempo komme ich nicht mal annähernd mit, ich werde den Roman einfach langsam weiter genießen und eure Eindrücke zu den Kapiteln dann nachlesen und hin und wieder auch meinen Senf dazu geben.


    Katrin

  • Ja, im französischen e-Text ist das auch so. Ich zitierte die Insel-Ausgabe, da ist es I/20.


    Mit andern Worten: Da ist eine Ausgabe überarbeitet. Ich tippe auf die deutsche ...


    Die Idee ist rund und gut motiviert für einen Mann, der gerade der Gewalt und dem Töten abgeschworen hat? Wie abstrus ist das?
    Natürlich entspricht diese Idee der damals üblichen Praxis der europäischen Kolonialmächte, ihre Schwerverbrecher in die Kolonien abzuschieben. das Mutterland war sie los und dort konnte ihre (kriminelle) Energie in "nützliche Bahnen " gelenkt werden. Uaah!


    Ja, die Idee ist gut und rund. Weil: Sue macht auch ganz klar, dass das Abmurksen im Chourineur sehr, sehr tief verwurzelt ist. Insofern kann es allenfalls in gute (= dem Vaterland nützliche) Bahnen gelenkt werden. Der Chourineur wird entweder als definitiv geläuterter Mensch zurückkommen und Priester werden, oder in den Kolonien sein Leben für einen guten Zweck (d.i. das Vaterland) lassen - wollen wir wetten?

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  • Ich seh schon, ich hinke heilllos hinterher.


    Mit eurem Lesetempo komme ich nicht mal annähernd mit, ich werde den Roman einfach langsam weiter genießen und eure Eindrücke zu den Kapiteln dann nachlesen und hin und wieder auch meinen Senf dazu geben.


    Katrin


    Tröste Dich, ich habe auf Grund meiner diversen anderen Lektüren auch gerade mal erst 80 Seiten geschafft, diese aber mit Genuss. Anfangs kamen mir Namen wie "Tschurimann", "Schallerin" oder "Marienblume" zwar auch etwas seltsam vor, aber inzwischen stört mich das nicht mehr, denn die Geschichte selbst ist gut genug erzählt um zu fesseln. Und wie sagte Goethe bereits in einem seiner besseren Stücke? "Namen sind Schall und Rauch" (oder so ähnlich, ich bin jetzt zu faul um nachzuschlagen oder nachzugooglen). Die Pariser Subkultur des 19. Jahrhunderts kannte ich bisher nur aus einer Kurzgeschichte Bram Stokers ("Das Festmahl der Ratten" heißt sie, glaube ich), und allein dieses Milieu ist doch recht faszinierend. Von den "Geheimnissen" habe ich auf den wenigen Seiten natürlich noch nicht viel erfahren, aber immerhin bin ich nun doch neugierig, woher die Schallerin stammt und warum ihre Mutter sie nicht haben wollte, wie die "Eule" behauptet ... demnächst mehr in diesem Theater!


  • Er ist nicht nur Schablone - er ist einfach schlecht. Zwecks Spannung beginnt Sue mit einer Schlägerei, dann gehen drei einander praktisch Unbekannte, in und aus einem Milieu, das dem Einzelnen eigentlich äusserste Zurückhaltung beibringen sollte, nicht nur zusammen einen saufen - sie erzählen einander noch gegenseitig ihre Geschichte, weil Sue gemerkt hat, dass er seinen Figuren doch noch einen Hintergrund geben sollte und er sich - weiss der Henker, warum - scheut, dies in einer auktorialen Erzählung zu tun, die hier die einzig angemessene Form gewesen wäre.


    Könnte es sein, dass Sue - wie auch Karl May bei seinen Kolportageromanen - nach Zeilen bezahlt wurde? Dann ist der Erzählstil durchaus sinnvoll, wenn zwar nicht literarisch, so aber doch wirtschaftlich, denn durch das Erzählen gibt es immer wieder Gelegenheit zu mehr oder minder intelligenten Einwürfen und Nachfragen der Zuhörenden, die sich natürlich in zusätzlichen Zeilen niederschlagen.


  • Ja, die Idee ist gut und rund.


    Ja, so gut und rund wie der Entschluss Kongo-Müllers seine verkrachte Existenz in Europa aufzugeben und im Kongo "Neger" abzumurksen.



    Der Chourineur wird( ... )als definitiv geläuterter Mensch zurückkommen...


    Er ist doch schon geläutert( siehe meine Zitate). Nu hat er doch gerade bewiesen , dass er nicht mal mehr ein Schaf töten kann. Warum sollte er jetzt wieder mit dem Abmurksen anfangen?



    Insofern kann es allenfalls in gute (= dem Vaterland nützliche) Bahnen gelenkt werden.


    Was Vaterland? Rudolf von Gerolstein ist der Souverän eines deutschen Operettenstaates, was geht ihn die Patriiie oder Algérie francaise an?



    wollen wir wetten?


    Nein. Den Chourineur werden wir beim Ehemaligentreffen auf Schloss Gerolstein wiedersehen, so wir solange durchhalten.


    Fazit: Das ganze ist eigentlich unsäglicher Mist! Sue entlarvt sich hier als Zyniker, Doppelmoralist, Rassist.

  • Was Vaterland? Rudolf von Gerolstein ist der Souverain eines deutschen Operettenstaates, was geht ihn die Patriiie oder Algérie francaise an?


    « Tout homme a deux pays, le sien et puis la France. » Henri de Bornier (1825-1901), La Fille de Roland, Acte II, scène 3. (1875)

  • Bin endlich mal wieder zum Lesen gekommen. Und dann gerate ich ausgerechnet in ein paar moralisierende Kapitel mit permanenter Gottanrufung. Das ist genau das richtige in meiner gegenwärtigen Stimmung. :grmpf:
    Im Kapitel "Murh und Rudolf" ist Sue ja auch ein "Ausrutscher" passiert. Was Rudolf da macht, wird von Murph so hingestellt, wie ein Experiment. Mir fällt die Phrase nicht mehr ein, sie war aber sehr abwertend. So als ob es ein Experiment mit was Niederem wäre, wie mit Mikroben. Der näheren Beachtung eigentlich nicht würdig. Sue sitzt ganz schön hoch auf seinem Roß.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)


  • « Tout homme a deux pays, le sien et puis la France. » Henri de Bornier (1825-1901), La Fille de Roland, Acte II, scène 3. (1875)


    :breitgrins: Ganz schön chauvinistisch und borniert der Herr Bornier!



    Tout homme a deux pays ... » Henri de Bornier (1825-1901), La Fille de Roland, Acte II, scène 3. (1875)


    Wirklich jeder? Und der Franzose? Oder gehört er nicht zur Spezies Mensch?


    Jetzt weiß ich endlich auch ,woher General de Gaulle möglicherweise den nicht unwitzigen Spruch hatte: Ich liebe Deutschland so sehr, dass ich froh bin, dass es zwei davon gibt. (Kleine Anmerkung zum 9.November) :breitgrins:

  • Heute morgen konnte ich den Beginn des 2. Teils lesen, wo der Chourineur das Haus mir der Metzgerei erhalten soll. Superkitschig! Und doch: das ist der Stoff aus dem die Träume vieler Leute sind, ein unschuldig Armer oder Bestrafter wird von einer guten Fee erkannt und gerettet. Wie im Märchen! (Wie auch schon die Versorgung von Marie.)


    Mich interessiert wieder einmal die Frage, warum das Werk ein solcher Erfolg war. Ich kann mir vorstellen, das gerade auch solche Szenen die Phantasie der Leser anregten, sie aus dem Alltag heraus hoben. Durch die Form des Fortsetzungsromans ergab sich da viel Diskussionsstoff: Wie geht es wohl weiter? Was würde ich tun, wenn mir jemand ein Haus schenken würde? Hat der Chourineur das verdient? etc.


  • Mich interessiert wieder einmal die Frage, warum das Werk ein solcher Erfolg war. Ich kann mir vorstellen, das gerade auch solche Szenen die Phantasie der Leser anregten, sie aus dem Alltag heraus hoben. Durch die Form des Fortsetzungsromans ergab sich da viel Diskussionsstoff: Wie geht es wohl weiter? Was würde ich tun, wenn mir jemand ein Haus schenken würde? Hat der Chourineur das verdient? etc.


    Ich denke, das liegt in der Kombination von damals "skandalösen" Stoff in Kombination mit gut gemachter Spannungsdramaturgie.


    CK

  • Fazit: Das ganze ist eigentlich unsäglicher Mist! Sue entlarvt sich hier als Zyniker, Doppelmoralist, Rassist.


    Lieber Gontscharow, das müsstest du schon erläutert. Ich sehe nirgendwo entsprechende Positionen Sues. Im Roman deutet er an verschiedenen Stellen Zusammenhänge zwischen Physiognomie und Charakter an, das war aber damals in der Wissenschaft verbreitet und wir können es ihm nicht persönlich vorwerfen. Mir erscheint es eher so, dass er eigenen philanthropische Neigungen auf Rudolph projiziert. Sue sehe ich mehr als naiven Menschenfreund, denn als Zyniker. Je weiter er in seiner Geschichte kommt, um so mehr entwickelt und erörtert er praktische Ratschläge für eine "gerechte Gesellschaft" Es gibt Passagen, in denen er quasi den Lehrstücken Brechts vorgreift und seine Vorstellungen durch seine Figuren vorspielen lässt.