März 2003: James Joyce - Ulysses

  • Hallo zusammen


    mit den "Rindern des Sonnengottes" bin ich auch noch nicht durch, seltsamerweise lasse ich mich gern ablenken ;-)


    Es strapaziert schon die Nerven, obwohl ich es faszinierend finde, wie sich die Sprache im Kapitel entwickelt, aber es ist ja nicht nur die Sprache, sondern auch das Thema. Im Moment erfahre ich so einiges über die Gebärmutter *gg*


    Ich hoffe das nächste Kapitel läuft wieder flotter.


    Zitat von "fevvers"

    Vom "Nausikaa"-Kapitel habe ich etwa die Hälfte gelesen, ich habe das Buch gestern Abend beiseite gelegt, weil ich ebenfalls sehr ernüchtert war. Darüber, dass Gertys Träumereien wohl unerfüllt bleiben werden, da sicherlich viele Blooms Ansicht teilen, dass ein körperlicher Makel bei einer Frau schwerer wiegt. Und über Blooms abfällige Bemerkungen über Frauen. Er ist mir endgültig unsympathisch geworden.


    Ich fragte mich während des Lesens, warum Bloom sich so ergeben in das Schicksal des gehörnten Gatten drängen läßt. Warum tut er nichts, selbst wenn es aussichtslos sein sollte!! Sogar seine Uhr blieb um 16.00 Uhr stehen, die Zeit wo sich Boylan und Molly trafen.


    Als ich das Nausikaa-Kapitel las und auch zu der obigen Ansicht kam, kam mir der Gedanke, ob Bloom seine Frau nicht auch als "behindert" ansieht, da sie ihm keinen männlichen Nachkommen mehr gebären kann. Ist sie es nicht derwert?


    Vielleicht?????


    Zitat von "fevvers"


    Es wurde in diesem Kapitel nochmals der Hund "Garryowen" erwähnt, der schrecklich Köter aus dem Pub - habe ich das richtig verstanden: Gerty ist des Bürgers Enkelin?


    ist mir ganz entgangen. Kannst du mir die Stelle näher beschreiben, damit ich es nochmals nachschlagen kann?


    Hubert: danke für die Zusammenfassung des "Helios" Kapitel mit den div. Stilrichtungen. Es ist nun viel klarer.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen


    JMaria: Hervorragende Idee von Dir die Dubliners zu lesen. Irgendwo habe ich gelesen, daß man die Werke Joyces in chronologischer Reihenfolge lesen sollte. Auf meinem SUB liegen die Dubliners jedenfalls auch schon.


    Fevvers:


    Zitat

    Gerty ist des Bürgers Enkelin?


    Genau so habe ich das auch verstanden.


    Zitat

    Also, liebe Mitleser, ich für mein Teil betrat ein Kapitel (Rinder des Sonnengottes), in dem meine Leidensfähigkeit als Leser bis aufs äußerste strapaziert wurde!


    Rainer, Du sprichst mir aus der Seele! Dieses Kapitel ist die reinste Zumutung. Zähne zusammenbeißen und durch! Auch dieses Kapitel endet mal - aber dann kommt schon das nächste:


    Gerade habe ich "Circe" geschafft. Ein Kapitel wie ein einziger Drogenrausch, das sich unmöglich zusammenfasssen läßt oder gar deuten. Völlig surreal. Sämtliche Personen bisher tauchen wieder auf. Sie wechseln ihr Geschlecht, Alter, Wesensart. Nichts ist unmöglich. Bloom gebiert acht Kinder und wird bei lebendigem Leibe verbrannt. (Ich glaube sogar von der Feuerwehr). Dinge beginnen zu sprechen.
    Sehr ergreifend fand ich das Schlußbild, als sich Bloom als einziger um den zusammengeschlagenen Stephen kümmert, in ihm seinen Sohn erkennt und dann noch sein verstorbener Sohn Rudy, jetzt ein 11-jähriger Knabe, als Traumbild erscheint.
    Verstanden habe ich von den Anspielungen und Symbolen in diesem durchgeknallten Kapitel wohl das wenigste, aber trotzdem hat es mir einen Riesenspaß gemacht :breitgrins:
    Die Namen der Soldaten, Gemeiner Compton und Gemeiner Carr, sollen übrigens von zwei persönlichen Feinden Joyces in Zürich stammen, wie Burgess schreibt.


    Und weiter geht´s mit "Eumäus".


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen !


    Maria + Hubert: Eure Diskussion über die Dubliners finde ich sehr interessant. Da muss ich ja wohl die Dubliners auch lesen !


    Zitat

    "So betreten wir ein Kapitel stilistischer Parallaxe, in dem sich der Bloom, den der junge Dr. Dixon am 23. Mai 1904 wegen eines Bienenstichs behandelte, gesehen durch den Schleier der Sprache des 14. Jahrhunderts, verändert hat."
    (Hugh Kenner, Ulysses)


    Genau ! Deshalb hat mir dieses Kapitel doch ganz gut gefallen. Ich fand es nach einiger Zeit gar nicht mehr so schwer zu lesen und die vielen Stilrichtungen erlaubten ja einen ganz guten Einblick in die sprachliche Entwicklung der Menschheit !


    Aber jetzt dieses Circe-Kapitel :schnarch: - damit kann ich gar nichts anfangen ! Schrecklich, ich lese und lese und komme mir vor wie in einem einzigen Alptraum. Und nach dem lesen habe ich schon wieder alles vergessen ...


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi,


    dass Dir das Circe-Kapitel wie ein Alptraum vorkommt, ist durchaus nachvollziehbar. Die Schwierigkeit in diesem Kapitel ist, das die reale Handlungsebene oft ohne Übergang in eine nicht-reale, zweite Handlungsebene übergeht. Manchmal sind beide Handlungsebenen sogar untrennbar miteinander verbunden. So tadelt der Vater (Rudolph), der sich ja ebenso wenig wie Blooms Mutter oder Molly im Bordellviertel befindet, Bloom wegen dem real gekauften Fleisch. Das Fleisch spielt also sowohl auf der realen als auch auf der nicht-realen Ebene eine Rolle. Unabhängig davon ist das Kapitel aber doch gegliedert. Da in diesem Kapitel Bloom und Stephen am Ende einer von Beginn an geplanten Entwicklung sich endgültig treffen, wird der ganze bisherige Handlungsablauf des Romans rekapituliert, d.h. wie im 1. Kapitel des Romans tritt zuerst Stephen auf und zwar mit einem Freund – etwas später folgt der (längere) Auftritt Blooms, der wie am Morgen allein ist und zunächst beim Metzger einkauft. Danach hat jedes der vorangehenden Kapitel einen eigenen Auftritt. Nachdem Bloom und Stephen am Schluß des Circe-Kapitel allein zurückbleiben, folgt in den folgenden letzten Kapitel (Nostos) der Heimweg. Nostos ist meiner Meinung nach der beste Teil des ganzen Romans. Also nicht aufgeben.


    Zitat:
    Eure Diskussion über die Dubliners finde ich sehr interessant. Da muss ich ja wohl die Dubliners auch lesen
    !


    Da „Dubliner“ anscheinend auf allgemeines Interesse stößt, habe ich das Buch und „Ein Porträt des Künstlers als junger Mann“ in die Lesevorschläge aufgenommen. Ich würde bei beiden gerne nochmals mitlesen habe aber zunächst noch folgende Bücher auf der Liste: Montaigne, Effi Briest, Alexis Sorbas. Wenn Du Dich also noch etwas gedulden könntest, würde ich mich freuen.


    Viele Grüße


    Hubert

  • Hallo !


    Also ich habe das Circe-Kapitel doch noch geschafft ! Vielleicht hatte ich einen guten Tag erwischt ? Danke, Hubert, für deine Erläuterungen, das wäre mir nie aufgefallen :zwinker:


    Das nächste Kapitel habe ich auch schon in Angriff genommen - alles sehr ausführlich, aber auch bei Homer geht es ja mehr um Gespräche als um Handlungen. Hier wird ja auch das Circe-Kapitel noch etwas erhellt und beim durchblättern habe ich wieder etwas mehr verstanden !


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen


    Ich habe mich jetzt durch die Bandwurmsätze des Eumäus-Kapitels gequält. Sehr ermüdend fand ich es. Liegt aber vielleicht auch daran, daß mir die nötige Konzentration gefehlt hat, weil ich sehr mit Urlaubsvorbereitungen beschäftigt war. Ich bin nämlich für die nächsten zwei Wochen weg und muß mich deshalb aus unserer Leserunde verabschieden. Den Ulysses kann ich leider nicht mitnehmen und bis ich wiederkomme seid ihr bestimmt fertig. Ich werde die restlichen Kapitel dann lesen wenn ich wieder da bin (das Eumäus-kapitel wahrscheinlich nochmals) und bin schon gespannt auf Eure Beiträge.


    Viel Spaß noch
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo Ikarus

    Wenn ich in dem Tempo weiterlese, bin ich in 2 Wochen noch nicht durch ;-)


    Ich bin immer noch im Circe-Kapitel, komme nun zu dessen Ende. Meine Gedanken muß ich noch ordnen.


    Wollte dir jedoch noch einen schönen Urlaub wünschen, viel :sonne: und Erholung.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo alle zusammen,
    ich habe nun das "Rinder"-Kapitel beendet und es hat mir recht gut gefallen. Vor allem die am Mittelhochdeutschen angelehnten Passagen haben mich begeistert und meine Achtung vor dem Übersetzer abermals gesteigert. Wenn ich richtig gezählt habe, spielt Joyce darin mit insgesamt neun versch. Erzählstilen, das passt ja wieder wunderbar zum Thema Schwangerschaft. Alles in allem war ich dann aber auch froh, dass Mortimer Edward Purefoy endlich das Licht der Welt erblickt hatte.
    Im Augenblick machen sich bei mir ziemliche Ulysses-Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Es ist nicht so, dass mich der Fortgang des Romans nicht mehr interessieren würde, aber irgendwie reicht es jetzt vom Umfang eigentlich schon. :zwinker: Wie geht es Euch?


    @ Ikarus: Schönen Urlaub, und ich glaube kaum, dass wir in den nächsten zwei Wochen durch sind, ich denke, bei mir dauert's bestimmt noch bis Bloomsday.


    Gruß, Fevvers

  • Hallo zusammen !


    ikarus: ebenfalls einen schönen Urlaub (wenn du das noch liest :rollen: )


    Das Eumäus-Kapitel fand ich eigentlich nicht schlecht - wahrscheinlich weil ich so froh war, Circe hinter mir zu lassen; so gings ja Odysseus auch :smile: .


    Bloom sinnt, angeregt durch den Matrosen, über neue Einkommensquellen nach, vielleicht Vergnüngsreisen, Stephen bedauert sich eher selbst - oder kommts vom vielen Alkohol ? - und bringt gedanklich nicht viel zustande.


    Besonders gut hat mir natürlich die Einschätzung über die Heilige Schrift gefallen "...daß die kleinen Stellen sämtlich echte Fälschungen sind, höchstwahrscheinlich von Mönchen in den Text hineingetragen ..." und weiter geht es zu Shakespeare. Das erinnert ja wieder an Homer, da auch nicht sicher ist, wer nun der Autor der Odyssee ist. Sollte etwa ein Schriftsteller nicht allein für sein Werk verantwortlich sein als vielmehr die Leser, die etliches hineininterpretieren ?


    Dann folgt die allgemeine Lobrede über Irland und die Hoffung, es werde sich als Achillesferse Englands erweisen. Immer wieder klingt auch das Thema Auswanderung an - könnte hier ein Retter Irlands (evtl Parnell)auftauchen ?


    Insgesamt ist das Eumäus-Kapitel allerdings weniger durch Handlungen als durch Gespräche geprägt. Die langen Schachtelsätze, Erzählungen des Matrosen und der anderen Kneipenbesucher, Blooms und Stephens Unterhaltung usw. geben einige Einblicke in Blooms und Stephens Charakter.


    Das nächste Kapitel, Ithaka, habe ich bereits in Angriff genommen: wieder überrascht Joyce den Leser - ein Frage-und Antwortspiel mit satirischen Ausmaßen beginnt !


    Gleich zu Beginn muß Bloom in sein Haus einsteigen, weil er den Schlüssel vergessen hat - auch Odysseus muß sich gewaltsam Eintritt verschaffen. Mal sehen, wies weitergeht ...


    Gruß von Steffi

  • Hallo ihr Lieben,


    ich verfolge Eure Diskussion gespannt und möchte schon die ganze Zeit ein paar Zwischenfragen einstreuen. Darf ich?


    1. Hat es euch viel gebracht, die Odyssee vorher zu lesen? Ist es unbedingt empfehlenswert oder nicht so notwendig zum Verständnis?


    2. Auch ich würde die Dubliners gerne mit euch lesen, habe aber gesehen, dass es verschiedene Ausgaben gibt. Welche sollte man nehmen?


    3. Ihr gebt immer wieder Kapitel an, aber in meinem Ulysses finde ich keinerlei Kapitelüberschriften. Tituliert ihr aus dem Inhalt oder habt ihr andere Ausgaben?


    Das war es erstmal! Jetzt wird weitergelernt und ich wünsche euch noch viel Spaß mit dem Ulysses. Eure Diskussion wird mir bestimmt helfen, wenn ich mich Ende dieses Jahres alleine durchkämpfe :-)


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo Nimue,


    Zitat von "nimue"

    1. Hat es euch viel gebracht, die Odyssee vorher zu lesen? Ist es unbedingt empfehlenswert oder nicht so notwendig zum Verständnis?


    Ja, es hat viel gebracht. Schon allein, weil es Spaß macht, die - mehr oder weniger - deutlichen Anspielungen auf die "Odyssee" und was Joyce aus ihnen gemacht hat, beim Lesen aufzuspüren. (Man ist bei dieser Lektüre dankbar für wirklich jedes "Aha!"-Erlebnis...) In der Sek.lit. wie dem Gifford wird zu Beginn eines jeden Kapitels die entsprechende Passage aus der "Odyssee" zusammengefasst, aber die Lektüre des Originals oder einer sehr guten Nacherzählung kann das natürlich nicht ersetzen. Sicherlich kann man den "Ulysses" auch so lesen, aber ich finde, man hat mehr davon, wenn man Homer kennt.


    Zitat von "nimue"

    3. Ihr gebt immer wieder Kapitel an, aber in meinem Ulysses finde ich keinerlei Kapitelüberschriften. Tituliert ihr aus dem Inhalt oder habt ihr andere Ausgaben?


    Die Kapitelüberschriften finden sich in den Schemata, die Joyce selbst nach Erscheinen des Buches erstellt hat. Zunächst wurden sie im Freundeskreis weiter gereicht, später von Lit.wissenschaftlern publiziert. Ich habe mir dieses ins Buch gelegt, und das hat sich als ganz nützlich erwiesen. Die Kapitelanfänge muss Du selbst suchen. :smile:
    Liebe Grüße, Fevvers

  • Hallo Nimue


    Ich kann nur das bestätigen was Fevvers geschrieben hat. Mit Homer findet man einen besseren Einstieg in "Ulysses".


    In der Chronik unseres Gemeinsamen Lesens, findet sich auch die "Analysis", die ich immer vor Beginn eines Kapitels lese und danach nochmals. Sehr hilfreich. Ich werde nie den gesamten "Ulysses" verstehen, aber wenn man den Kern erkennt, dann wird man schon von James Joyces Wanderung durch Dublin mitgezogen.


    Manche Kapitel fürchtet man mehr, manche empfindet man leichter, besonders wenn man gleich rausfindet, wie es sich mit Homers Odysseus verhält.


    zu deiner Frage nach "Dubliner" Ich würde ich die Suhrkamp Ausgabe empfehlen. Die habe ich und bin zufrieden.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo nimue !


    Nach jedem Ulysses-Kapitel überlege ich nochmal, welche Aussage für mich das dazugehörige Odysseus-Kapitel hatte und das hilft dann beim Verständnis des Ulysses ganz gut. Aber du darfst dir nicht vorstellen, dass Joyce dies 1:1 umsetzt, er interpretiert, analysiert, ironisiert ... Und dann kommt noch die eigene Interpretation, eigene Gedanken usw. dazu - es ist nach jedem Kapitel für mich sehr spannend!


    Manchmal kommen dann natürlich auch so Punkte, da verstehe ich gar nichts mehr - aber da ich keine Ambitionen habe, möglichst alles zu verstehen (aus diesem Alter bin ich raus :breitgrins: ), stört mich das nicht. Natürlich könnte man jetzt jede Menge Sekundärliteratur dazu lesen, aber das sind eben größtenteils auch nur Thesen, die jemand aufstellt. Ich beschränke mich auch auf die Analysis, die Maria erwähnt hat. So wie ich Joyce bis jetzt verstanden habe, regt er die Leser doch dazu an, seine eigenen Gedanken zu haben - ich glaube, eine einzige Wahrheit gibt es nicht. Anhand der Biografie, bei der ich leider noch nicht sehr weit gekommen bin, habe ich schon mitbekommen, dass einiges auch einfach Begebenheiten aus Joyces Leben sind und er diese geschickt einsetzt.


    Auf jeden Fall viel Spaß beim "Alleingang" - es lohnt sich auf jeden Fall !


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen


    mal ein kleines James Joyce Erlebnis aus dem Alltag, falls man einen Zahnarztbesuch alltäglich nennen kann.


    Jedenfalls, es geschah gestern - mein Zahnarzt sagt immer vor der Behandlung, ich soll mir etwas angenehmes vorstellen. Ich mache das meist so, daß ich mich in mein Lesezimmer, das sehr gemütlich ist, geistig zurückziehe und mir mein aktuelles Buch Revue passieren lasse.


    Tja, das ist nicht immer angebracht: denn plötzlich schoss mir das Bild von Mr. Leopold Bloom durch den Kopf, mit heruntergelassen Hosen mit der ehrenwerten Mrs. Mervyn Talboys und ihrer Peitsche aus dem Circe-Kapitel: "Ich werde dir die Hölle heiß machen. Du sollst mir tanzen wie Sankt Veit!"


    Ich schnell meinen rechten Arm gehoben - der Zahnarzt hat dann gleich unterbrochen (ist ein Zeichen zwischen uns für Pause). Er fragte was mich so amüsiert, ich meinte dazu nur, er solle lieber nicht fragen, die Antwort dauert zuuuu lange *gg*


    Hinterher hab ich ihm dann gesagt, daß mir eine Szene von "Ulysses" in den Sinn schoss, er war ziemlich erstaunt und meinte, an Ulysses hätte auch noch kein Patient auf seinem Stuhl gedacht.


    Ich hoffe das nächstemal erscheint mir nicht das Bild eines Blooms in Babykleidung:


    Bloom in Babykleid und -mäntelchen, dickköpfig, mit einem Glückshäubchen aus dunklem Haar, heftet große Augen auf ihr flüssiges Unterkleid und zählt dessen Bronzeschnallen mit einem pummeligen Finger, seine feuchte Zunge lallt und lispelt...


    Stellt euch das einmal vor! :sonne:


    Eigentlich amüsiert mich das Circe-Kapitel, obwohl es sehr abgefahren ist mit diesen Halluzinationen, Blooms Schuldgefühlen. Fängt ja alles ganz harmlos an, mit dem Rückblick des Tages. Die wechselnde Kleidung Blooms und die Kleidung der anderen, fand ich sehr unterhaltsam. Ich konnte mir die Szenerie immer gut vorstellen.


    Weiß jemand, ob eine "erblühte Wasserlilie" etwas bedeutet? Bei mir auf S. 614 Bloom steht vor Gericht und plädiert auf nichtschuldig und hält eine erblühte Wasserlilie in der Hand.


    Ist euch aufgefallen, daß nun auch Elias in der Geschichte als Person auftaucht? Wieder werden Bibeltexte zum Jüngsten Gerichtstag zitiert. Ich nehme mal an, das geht in die Richtung Schuldgefühle.


    Später wendet sich das Blatt und Bloom wird bejubelt bis es zum Höhepunkt einer Krönung zum König kommt. Warum dieser Wechsel?


    "Gott schütze Leopold den Ersten" Zitat Ende.


    und Bloom schwört auf seine Hoden, was soll man davon halten, ziemlich schräg.


    Der Mann im MacIntosh erscheint und verschwindet wieder.


    Danach geht es wieder Abwärts mit der Sympathie für ihn. Frauen nehmen sich das Leben. Das erinnert mich an religiösen Wahn und Massenselbstmord.


    Mitchristen und Antibloomiten, der Mann, der sich Bloom nennt, kommt aus der tiefsten Hölle und ist eine Schande für jeden Christenmenschen.


    Dann ein Menetekel an der Wand: "Eine Totenhand (schreibt an die Wand): Bloom ist doof!"


    ich sags ja, viele Bibelbezogene Abwandlungen.


    Diese paar Gedanken wollte ich mal kurz mitteilen :)


    Fevvers, die Verbindung mit den Neun Monaten und die Entwicklung der Sprache im Helios-Kapitel, hätte ich nie entdeckt. Super.


    Steffi: bist du schon durch? Zum Glück ist Circe das längste Kapitel, ich hoffe ich komm dir noch nach :)


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen


    Nach den "Rindern" nun diese "Circe"-Episode, die mir klar macht, was die Furcht/ Ehrfurcht vor Ulysses ausmacht. Verwirrend, für mich einfach nur schwer zu lesen. Der sportliche Ergeiz durchzuhalten war für mich auf lange Strecken größer als der Spaß am Lesen.
    Möchte dazu noch Zitate von Hugh Kenner anmerken:


    "Auf der erzählerischen Ebene ergibt sich die Notwendigkeit der Circe-Episode nicht unmittelbar"


    "Welchem Zweck dient Circe außer dem, uns zu verwirren?"


    "Die `Halluzinationen´ bestehen fast ausschließlich für uns"


    Ende Zitate.


    Zwei Kapitel, die es wirklich in sich haben! Wow!
    Dabei nochmals Dank an Hubert, der mir mit seinem Beitrag einiges leichter machte.


    Dann die Kutscherkneipe! Welch´ Erlösung! Das "Eumäus"-Kapitel eine Wohltat. In einem Rutsch mit Vergnügen zu lesen, obschon mir der Sinn/Unsinn dieser langen, häufigen Schachtelsätze verborgen blieb.


    Gruß
    Rainer

  • Hallo,


    @ Maria: Dein Zahnarzt wird diese Behandlung wohl auch nicht mehr vergessen. Vielleicht solltest Du vor dem nächsten Termin lieber etwas anderes lesen. Beruhigend, dass Du Dich, an den Behandlungsstuhl gefesselt, nicht an Blooms Ausruf "Vivisezier mich!" erinnert hast. :breitgrins:


    Ich stecke immer noch im "Circe"-Kapitel fest und fühle mich beim Lesen, als ob die Dame auch mich in ein Schwein verwandelt und ich leider das Gegenmittel vergessen hätte. Die Andeutungen auf die vorausgegangene Handlung sind recht deutlich, aber das reicht mir als 'Klammer' nicht. Interessant ist es für mich nur szenenweise, ich sehe keine Verbindung, die alles zusammen hält oder fügt.
    Andererseits: Halluzinationen sind nun mal chaotisch. Bislang hat mir die Gerichtsszene, die auch Maria offenbar so beeindruckt hat, gut gefallen. Leopold muss ja ein verdammt schlechtes Gewissen haben, das Konvertieren zum kath. Glauben hat seine volle Wirkung entfaltet.
    Eines beschäftigt mich am meisten: Wieso bekommt Bloom überhaupt welche? Der hat doch im "Rinder"-Kapitel längst nicht so viel gesoffen wie Stephen und die Medizinstudenten, oder habe ich da etwas nicht mitbekommen?
    Ich werde am WE versuchen, noch etwas sportlichen Ehrgeiz zu entwickeln, kann aber auch sein, dass ich, zum ersten Mal, den Rest des Kapitels einfach aus lasse. Schließlich habe ich als Leserin [url=http://www.bibliomaniac.de/texte/prim3/pennac2.htm#Das%20Recht,%20Seiten%20zu%20%FCberspringen]Rechte[/url]. *g*


    Gruß, Fevvers

  • Hallo zusammen


    Zitat von "Fevvers"

    @ Maria: Dein Zahnarzt wird diese Behandlung wohl auch nicht mehr vergessen. Vielleicht solltest Du vor dem nächsten Termin lieber etwas anderes lesen. Beruhigend, dass Du Dich, an den Behandlungsstuhl gefesselt, nicht an Blooms Ausruf "Vivisezier mich!" erinnert hast. :breitgrins:



    mach mich nicht schwach, ich habe sowieso schon Probleme mit der Angst auf dem Zahnarztstuhl. Aber wenigsten beruhigt es mich, dass ich noch soviel Humor habe, daß mir solche Bücherstellen einfallen. Ist doch beruhigend. :smile:


    Zitat


    Ich stecke immer noch im "Circe"-Kapitel fest und fühle mich beim Lesen, als ob die Dame auch mich in ein Schwein verwandelt und ich leider das Gegenmittel vergessen hätte. Die Andeutungen auf die vorausgegangene Handlung sind recht deutlich, aber das reicht mir als 'Klammer' nicht. Interessant ist es für mich nur szenenweise, ich sehe keine Verbindung, die alles zusammen hält oder fügt.

    .


    Ja, mit dem Verstehen wird es immer schwieriger, wie es bereits Ikarus und Steffi erwähnten. Einen Zusammenhang konnte ich nicht mehr finden, nur ab und zu einen "roten Faden" der ein Aha-Erlebnis in mir auslöste.


    Ansonsten hielt ich es wie Rainer:


    Der sportliche Ehrgeiz war auch bei mir zu Gange, ich wollte es einfach schaffen. Das Zitat von Hugh Kenner finde ich sehr passend.


    Zitat von "Steffi"

    Das Eumäus-Kapitel fand ich eigentlich nicht schlecht - wahrscheinlich weil ich so froh war, Circe hinter mir zu lassen; so gings ja Odysseus auch .


    Ich glaube so ergeht es mir auch. Ich habe nun mit dem Eumäus-Kapitel angefangen, noch kann ich keine Schachtelsätze feststellen, bin schon gespannt darauf. Aber eigentlich mag ich es ausführlich. Ich lass mich überraschen.


    Zitat

    Wieso bekommt Bloom überhaupt welche? Der hat doch im "Rinder"-Kapitel längst nicht so viel gesoffen wie Stephen und die Medizinstudenten, oder habe ich da etwas nicht mitbekommen?


    vielleicht ein schlechtes Gewissen wegen seinen sexuellen Fantasien?
    Circe war ja auch voll damit.


    Zitat

    Ich werde am WE versuchen, noch etwas sportlichen Ehrgeiz zu entwickeln, kann aber auch sein, dass ich, zum ersten Mal, den Rest des Kapitels einfach aus lasse. Schließlich habe ich als Leserin [url=http://www.bibliomaniac.de/texte/prim3/pennac2.htm#Das%20Recht,%20Seiten%20zu%20%FCberspringen]Rechte[/url]. *g*


    Lass uns wissen, wie du dich entscheidest. :winken:


    Ich hatte euch doch nach der "blühenden Wasserlilie" gefragt (Gerichtsszene), die Bloom in der Hand hält. Ich habe im Netz etwas gefunden. Auf einer Esoterikseite wird erwähnt, daß die Wasserlilie für unerreichbare Wünsche steht.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo !


    Ja, Schuldgefühle - das erklärt doch im Circe-Kapitel einiges, danke :smile:


    Maria: Wasserlilie sagt mir auch nichts, ist das identisch mit Lotusblüte ? Allgemein stehen Lilien ja für Reinheit, Unschuld, Keuschheit.


    Maria schrieb:

    Zitat


    Steffi: bist du schon durch? Zum Glück ist Circe das längste Kapitel, ich hoffe ich komm dir noch nach


    Nein, ich habe ein kleines Päuschen eingelegt. Ich wolllte euch nicht davoneilen und bin immer noch in der Mitte des Ithaka-Kapitels. Wie gesagt, finde ich es äußerst ironisch und amüsant: Fragen die man nie zu stellen wagte und Antworten, die man nie hören wollte ! Es erinnert mich sehr an Monty Python - Filme bzw. den englischen Humor allgemein.


    Es geht um die Beziehung Stephens und Blooms, so wird Stephen zu Stoom und Bloom zu Blephen. Eine Handlung ist nicht mehr zu erkennen, einzig eine Art pseudowissenschaftliche Behandlung der beiden Charaktere. Joyce nimmt die Interpretationen vorweg - der Leser darf nur noch die Informationen einsaugen !


    Bin gespannt, was ihr davon haltet !


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen


    Fevvers schrieb:
    "Eines beschäftigt mich am meisten: Wieso bekommt Bloom überhaupt welche?" (Halluzinationen)


    Die Antwort ist nach Hugh Kenner einfach: Bloom bekommt gar keine Halluzinationen!


    Bevor ich in eigenen Worten Unsinn schreibe (denn selbst die sek. Literatur ist nicht immer einfach), zitiere ich lieber wieder Kenner.


    "Die zahlreichen weiteren sogenannten Halluzinationen erscheinen in erster Linie, so müssen wir vermuten, dem Geist des Textes, da das beobachtbare Verhalten keiner Person dadurch im geringsten beeinflußt wird. Es ist nicht gewiß, daß Bloom zu irgendeinem Zeitpunkt etwas Ungewöhnliches wahrnimmt, wenn ihn der Text die ausgefallensten Verkleidungen durchmachen läßt. ...
    Wir haben gegenüber Bloom den Vorteil, außerhalb des Werkes zu existieren, in greifbarer Nähe solcher Hilfsmittel wie Joyce-Biographien, lateinischen Wörterbüchern und eines Textes, in dem wir vor- und zurückblättern können. Die `Halluzinationen´bestehen fast ausschließlich für uns. Wir, wenn schon nicht Bloom, sehen viele seltsame Dinge in dieser langen Episode, obwohl nicht immer klar ist, was wir gerade sehen, da der Stil auf irreführende Weise homogen ist." Zitat Ende.


    Rainer