Michel Houellebecq

  • Liebes Forum,


    ich weiß nicht, ob es Euch ähnlich geht, aber als in dieser Woche der Finanzskandal bei der französischen Großbank Société Générale bekannt wurde (4,9 Milliarden Euro Verlust durch hochriskante Spekulationsgeschäfte eines einzelnen kleinen Angestellten), fiel mir sofort der Autor Michel Houellebecq ein, der in den 90er Jahren in seinen Romanen "Ausweitung der Kampfzone" und "Elementarteilchen" eine Spezies Mensch beschrieben hat, die von Selbstekel, Selbstmitleid, existentieller Langeweile und aufgestauter sexueller Frustration gesteuert wird. Sie sind äußerlich angepasst, quasi funktionierende Autisten, und die typischen Produkte einer Gesellschaft, die auf sinnentleerten Konsum, Smalltalk und oberflächliche Beziehungen fixiert ist.


    Nun möchte ich natürlich dem jungen Pariser Bankangestellten nicht zu nahe treten, aber irgendwie erinnert mich seine Geschichte, die zur Zeit überall ausgebreitet wird (wahrscheinlich mit den üblichen Übertreibungen und Halbwahrheiten), ein wenig an die traurigen Figuren Houellebecqs, für die ich keinerlei Mitleid, geschweige denn Sympathie empfinden konnte.


    Ich las Houellebecq damals trotzdem mit steigender Faszination, vergaß ihn aber auch schnell wieder, als ich mir zur Lektüre den Roman "Plattform" vornahm, den ich nach der Hälfte angewidert zur "Bückware" ins Regal stellen musste.


    Ob die Bankdirektoren der Société Générale Houellebecq gelesen haben? Keine Ahnung, aber spätestens jetzt werden sie sich die Frage stellen, wie viele "Zombies" sie in den Großraumbüros von La Défense beschäftigt haben ...


    Einen schönen Sonntag wünscht


    Sir Thomas

  • Plattform habe ich auch nur sehr stückweise gelesen, jetzt steht "La possibilité d'une île" im Gestell, mal sehen wie das ist...


    Da ich die Geschichte des Bankangestellten nicht mitbekommen habe, kann ich sonst nicht viel zu deinem Post sagen.
    Seine Figuren finde ich immer sehr faszinierend, besonders Michel (der hiess doch so?) in "Elementarteilchen".


    Ich glaube nicht, dass die Bankdirektoren der SG Houellebecq gelesen haben, aber vielleicht würde es ihnen gut tun?



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo,


    hat schon jemand den neuen Roman von Michel Houellebecq gelesen?


    Karte und Gebiet
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    Die Buchvorstellung in der FAZ klingt gut:
    Parforceritt einer alten Schildkröte


    Zitat:
    Aber wer von hier aus Houellebecqs Roman als simple Gesellschaftsfarce rezipiert, verfehlt ihn komplett. Denn der Autor, nach wie vor ein stupender Diagnostiker unserer westlichen Welt, verzichtet hier auf die gewohnte Provokation um jeden Preis. An ihre Stelle ist ein Erzählstil getreten, der klar, schnörkellos und bisweilen sogar zärtlich ist. In der Wahl seiner Mittel zeigt er sich souverän, und ganz offensichtlich kümmert er sich nicht weiter um postmodernen Firlefanz - wo derlei anklingt wie in der Vorführung des Autors im Spiegelstadium, ist das erzählerisch untermauert und frei von jedem Hauch einer Kopfgeburt. Vor allem aber tritt neben die sprachliche Souveränität die Kühnheit der Konstruktion. Der Autor bringt mit leichter Hand zusammen, was nicht zusammengehört, poetologisch wie inhaltlich. Besser als mit der finalen Möbiusschleife - endlos und dabei niemals identisch mit ihrem Spiegelbild - hätte Houellebecq sein Verfahren nicht markieren können.



    in einer anderen Kritik wird es als sein mildestes Buch benannt.


    http://www.kulturradio.de/reze…1/michel_houellebecq.html



    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Mein Verhältnis zu H. ist mittlerweile arg unterkühlt. Ich werde erst wieder etwas von ihm lesen, wenn das Lob nicht aus den Feuilletons stammt.


    LG


    Tom


    Hallo Tom,


    danke für deine Antwort. Du hast den Vorteil oder auch Nachteil schon mehreres von ihm zu kennen. Ich scheu mich vor dem Enfant terrible der französischen Literatur, wie er gerne genannt wird, somit käme mir dieses neue Buch, da es milder im Ton daher kommt, ganz recht. Ich war heute in der Buchhandlung und hab etwas reingelesen. Thema und Stil des Buches machen mich weiterhin neugierig, dennoch habe ich noch davon abgesehen das Buch zu kaufen. Ich werd jetzt erst mal abwarten.
    LG
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    die NZZ schreibt:


    Zitat:
    ein für seinen Autor vollkommen atypischer Roman, ein spektakuläres Produkt hintergangener Leseerwartung, ein unlängst sogar mit dem Prix Goncourt geehrtes Werk, das bereits vor einem halben Jahr in Frankreich zumindest in der Presse für Irritation sorgte. Kein schriller Skandal um sextouristische Gepflogenheiten oder misogyne Peepshow-Freaks, kein Wort über Kontrollwahn, Genmanipulationen oder wild gewordene Klone, so wie vorher bei Michel Houellebecq.


    Hier gehts zum gesamten Artikel:
    Wie in der Epoche der Hofmalerei


    vielleicht warte ich doch nicht auf die TB-Ausgabe :rollen:


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Lest ihr sein neues Buch?


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    Ich habe eigendlich beschlossen Zeit, Energie und Geld nicht auf sowas zu verschwenden. Aber jetzt sollte man ja fast dass man mitreden kann. :cry:


  • Lest ihr sein neues Buch?


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    Ich habe eigendlich beschlossen Zeit, Energie und Geld nicht auf sowas zu verschwenden. Aber jetzt sollte man ja fast dass man mitreden kann. :cry:


    Zu dem Autor fällt mir ein Begriff ein, den ich mal im Mittelhochdeutschkurs gelernt habe: widerzaeme. :breitgrins: Daher habe ich wenig Freudigkeit, sein Buch zu lesen.


  • Zu dem Autor fällt mir ein Begriff ein, den ich mal im Mittelhochdeutschkurs gelernt habe: widerzaeme.


    Gib's zu, Du wartest förmlich auf die erstaunte Frage, was das denn wohl bedeuten mag ... Also: Raus mit der (hochdeutschen) Sprache! :breitgrins:


  • Übrigens: Schon die Frage, ob man dieses Buch lesen sollte, regt mich auf. Wer das lesen möchte ist mMn. schlicht einem üblen Selbstvermarkter auf den Leim gegangen.


    Das verstehe ich nicht. Experimentelle Geschichte ist doch ein gutes Thema für Schriftsteller, die Historiker dürfen es ja nicht. ob nun das speziell genannte Buch sinnvoll zu lessen ist, merkt man dann erst hinterher. Es ist also: experimentelles Lesen"

  • Zitat

    Wer das lesen möchte ist mMn. schlicht einem üblen Selbstvermarkter auf den Leim gegangen.


    Hm. Ja. Die Auflage der Zeitung ist jedenfalls enorm in die Höhe geschossen. Dabei sind die Karikaturen eigentlich ziemlich mies.


    Gruß
    Meier

    &quot;Es gibt andere Geschichten auf einem andern Blatt Papier, doch jede ist mit der ersten verwandt&quot; * Keimzeit

  • Gib's zu, Du wartest förmlich auf die erstaunte Frage, was das denn wohl bedeuten mag ... Also: Raus mit der (hochdeutschen) Sprache! :breitgrins:


    Nee, das neuhochdeutsche Wort passt da irgendwie nicht so ganz. Außerdem kann man googlen. Der mittelhochdeutsche Begriff vereinigt so schön einen physischen wie auch einen geistigen Widerstand im Betrachter mit den abstoßenden Eigenschaften des Objektes. :breitgrins:


  • Es ist also: experimentelles Lesen


    Mein Gott - hier geht's ja richtig ab! Erst die "Psychologisierung des Lesens", nun das "experimentelle Lesen" ...
    Ich bin gespannt, was als nächstes kommt!


    Ich lese weiter ganz normal: ohne Psychologie und Experimente, wenn es denn gestattet ist. :breitgrins:

  • Nee, das neuhochdeutsche Wort passt da irgendwie nicht so ganz. Außerdem kann man googlen. Der mittelhochdeutsche Begriff vereinigt so schön einen physischen wie auch einen geistigen Widerstand im Betrachter mit den abstoßenden Eigenschaften des Objektes. :breitgrins:


    Genau das wollte ich wissen. Aber nicht von google, sondern von Dir. Ist irgendwie menschlicher, oder?

  • Mein Gott - hier geht's ja richtig ab! Erst die "Psychologisierung des Lesens", nun das "experimentelle Lesen" ...
    Ich bin gespannt, was als nächstes kommt!


    Ich lese weiter ganz normal: ohne Psychologie und Experimente, wenn es denn gestattet ist. :breitgrins:


    Außnahmsweise ist es dir gestattet. Allerdings kann ich mir einen Hinweis nicht verkneifen: Mit jedem Buch das du ernsthaft liest, erst Recht mit einem was du mehrfach liest, machst du ein Experiment.