Aug. 07 - Aug. 09: Amerikanische Frauen (Chopin, Jewett, Cather und Wharton)

  • Hallo JMaria und Wolf !


    Danke für den link zur deutschen Übersetzung des Gedichts von Whitman. Es klingt sehr, sehr kämpferisch und mir kommt es vor, als ob alle anderen Werte in den Hintergrund treten, nur die Unterwerfung des Landes ist wichtig. Ist dir, JMaria, der Zusammenhang zwischen dem Gras und dem Titel "Grashalme" aufgefallen ? Dieses Gras muss doch sehr dominant dort sein. Es wird auch im Buch immer wieder thematisiert.


    Der neue deutsche Titel "Unter den Hügeln die kommende Zeit" ergibt sich aus dem letzten Satz des ersten Teils:
    Unter den weiten, wilden Hügeln spürte sie die Verheißung der kommenden Zeit.


    Ich bin schon in der Mitte des zweiten Teils angekommen, die Geschichte hat mich regelrecht fortgerissen. Ich finde, dass dieses Kraftvolle auch sehr deutlich zum Vorschein kommt. Und dadurch, dass ja eine Frau die Hauptperson ist, erhält die Thematik noch mehr Tiefe.


    Dieses Thema (Besiedelung des amerikanischen Westens) hat mich bereits als Kind fasziniert, aber dann habe ich es aus den Augen verloren. Wie schön, dass wir es hier wieder aufgreifen. Was mir bisher fehlt - und ich unterstelle jetzt mal, dass das auch eine Absicht der Autorin ist, sind die Beweggründe, die die Pioniere zu diesem Kampf gebracht haben und auch ein bißchen die Reflektion darüber. Alexandra schaut nur nach vorne, ihre Gefühle bleiben fast ganz verborgen. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass Alexandra ihre Ziele erreicht, Gefühle oder Gedanken könnten Zweifel aufkommen lassen, die dann zum Scheitern führten. So kann sie es sich nicht einmal leisten, verzweifelt zu sein.


    Im zweiten Teil ist der Kampf vorbei, zumindest der Kampf ums nackte Überleben. Doch irgendwie scheint nun auch wieder mehr Platz für die verdrängten Gefühle zu sein. Zumindest die Brüder scheinen den Kampf aufgegeben zu haben, allerdings war es auch nie ihr Kampf.


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi und Maria,


    mit etwas Verspätung habe ich nun auch mit dem Lesen angefangen. Genau die Übersetzung, die ihr lest, habe ich auch.


    Zitat von "Steffi"


    Der neue deutsche Titel "Unter den Hügeln die kommende Zeit" ergibt sich aus dem letzten Satz des ersten Teils:
    Unter den weiten, wilden Hügeln spürte sie die Verheißung der kommenden Zeit.


    Damit hätte sich das ja dann geklärt. :-) Denn über den deutschen Buchtitel hatte ich mich auch schon etwas verwundert, ich dachte mir schon, daß das ein Zitat aus dem Buch selbst sein mußte und hatte deshalb im englischen Text bei gutenberg.org nach "hill" und "time" gesucht, aber nichts gefunden. War auch kein Wunder, denn auf englisch lautet die Stelle so:


    Under the long shaggy ridges, she felt the future stirring.


    Was das "dominante Gras" betrifft: auf dem Bild, das Maria verlinkt hat, sieht man ja tatsächlich fast nichts als Gras. Keine Bäume oder Sträucher, nur einige kahle, völlig unbewachsene Berge in der Ferne.


    Zitat von "Steffi"


    Und dadurch, dass ja eine Frau die Hauptperson ist, erhält die Thematik noch mehr Tiefe.


    Ja, gerade das finde ich sehr reizvoll und spannend, denn in vielen Darstellungen des "Wilden Westens" stehen ja die Männer im Mittelpunkt. Stephen Cranes Erzählung "Das blaue Hotel" beispielsweise, die ich kürzlich gelesen habe, ist eine reine Männergeschichte, darin kommen überhaupt keine Frauen vor. In anderen seiner Geschichten kommen natürlich auch Frauenfiguren vor, aber trotzdem ist sein Blickwinkel ein anderer als etwa bei Sarah Orne Jewett, die Erzählungen geschrieben hat, in denen nur Frauen vorkommen.


    Zitat von "Steffi"


    Dieses Thema (Besiedelung des amerikanischen Westens) hat mich bereits als Kind fasziniert, aber dann habe ich es aus den Augen verloren.


    Ich finde das auch sehr faszinierend, besonders wenn es von jemandem beschrieben wurde, der selbst noch mit Menschen sprechen konnte, die diese Zeit erlebt haben. Die Beschreibung der Umgebung und der Figuren wirken gleich von Anfang an sehr authentisch.


    Zitat von "JMaria"


    Außerdem konnten wir bereits einen Blick auf Marie Shabata werfen, zwar noch ein Kind, aber sehr stilvoll in ihrem Kate-Greenaway-Kleidchen.


    Als modisch Unbedarfter kann man zum Glück nach Kate Greenaway googeln, damit man sich davon ein Bild machen kann. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Hallo Steffi, hallo Wolf,


    ich habe den 2. Teil beendet.


    Zitat von "Steffi"

    Im zweiten Teil ist der Kampf vorbei, zumindest der Kampf ums nackte Überleben. Doch irgendwie scheint nun auch wieder mehr Platz für die verdrängten Gefühle zu sein. Zumindest die Brüder scheinen den Kampf aufgegeben zu haben, allerdings war es auch nie ihr Kampf.


    Das ist mir auch aufgefallen. Die Brüder nehmen sich sogar die Freiheit heraus, ihrer Schwester Vorschriften zu machen, weil sie Angst ums Erbe haben. Wie kleinlich. Kein Wunder, dass Carl wieder abzieht. Als rechtschaffener Mensch denkt er natürlich, dass er Alexandra nichts zubieten hat. Alexandras Einsamkeit passt zum Land, wenn sie auch nicht gewollt ist, sondern sich durch den Kampf ergeben hat.


    Zitat

    Dieses Gras muss doch sehr dominant dort sein. Es wird auch im Buch immer wieder thematisiert.


    Das stimmt. Das Gras wird sehr symbolisch eingesetzt.
    z.B. Emil der das Gras im vernachlässigten Obstbaumgarten mäht und Marie, die Kirschen pflückt ! Echt tragisch - wie Marie und Emil versuchen das Unausgesprochene nicht auszusprechen !


    Die Entenjagd hat Marie schockiert. Sie fühlte, dass die Enten glücklich hochflogen, nicht wissend, dass sie verletzt werden könnten. Marie und Emil - Romeo und Julia in Nebraska.


    Steffi, Wolf, danke für die Erklärung, wie der Titel zustande kam. Ich hatte den Satz garnicht registriert. Schön, dass es eine vernünftige Erklärung gibt.


    Zitat von "Wolf"

    Ich finde das auch sehr faszinierend, besonders wenn es von jemandem beschrieben wurde, der selbst noch mit Menschen sprechen konnte, die diese Zeit erlebt haben. Die Beschreibung der Umgebung und der Figuren wirken gleich von Anfang an sehr authentisch.


    vielleicht ist das auch der Grund, warum man wieder auf Willa Cather aufmerksam wurde. Manesse und Knaus bringen ihre Bücher neu heraus. Christian Brückner spricht das Hörbuch "Die Frau die sich verlor".


    Hier gehts noch zu einem interessanten Artikel über die Autorin in der "Welt" von Mai 2008:


    http://www.welt.de/welt_print/…_roten_Rand_der_Welt.html


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Hallo zusammen,


    Willa Cather schrieb auch Gedichte. Ich bin auf die Suche gegangen und fand ein schönes Gedicht das auch zu Emil und Marie passt. Außerdem erinnert der Titel mich an Proust. Kann man überhaupt noch an "Weißdorn" denken, ohne an Proust erinnert zu werden? Sehr unwahrscheinlich !


    THE HAWTHORN TREE


    by: Willa Cather (1873-1947)


    CROSS the shimmering meadows--
    Ah, when he came to me!
    In the spring-time,
    In the night-time,
    In the starlight,
    Beneath the hawthorn tree.

    Up from the misty marsh-land--
    Ah, when he climbed to me!
    To my white bower,
    To my sweet rest,
    To my warm breast,
    Beneath the hawthorn tree.

    Ask of me what the birds sang,
    High in the hawthorn tree;
    What the breeze tells,
    What the rose smells,
    What the stars shine--
    Not what he said to me!


    { http://www.poetry-archive.com/c/the_hawthorn_tree.html }


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Hallo zusammen !


    Maria: ein sehr interessanter Artikel, der Lust auf mehr Willa Cather macht und auch das Gedicht passt sehr schön, danke !


    Ich bin inzwischen etwas weitergekommen bis zum 4. Teil. Auch in den Beschreibungen kristallisiert sich der Unterschied zwischen Alexandra und Marie heraus. Bei Marie im Obstgarten gibt es nämlich nicht nur Gras, sondern Rispengras, Bartgras, wilde Rosen etc. Die Schönheit des Landes kann Alexandra, so scheint es, nicht spüren. Für sie ist das Land die Herausforderung, ein Gegner, für Marie und auch Carl eben auch Schönheit, Genuß, Sinnlichkeit.


    Am Ende des zweiten Teils wird auch die Stellung der Frau thematisiert. Die Brüder verweigern Alexandra das moralische Eigentum an allem, was sie aufgebaut hat. Auch Carl kann dies alles nicht annehmen, er muss sich erst etwas erarbeiten. So muss Alexandra ihm erst einen sehr spröden Antrag machen :Was ich habe, gehört dir, wenn du mich gern genug hast, es anzunehmen. Aber Alexandra hat eben in erster Linie den Besitz anzubieten und nicht ihre Liebe. So kann Carl eben nicht annehmen, für Alexandra scheint es kein Glück zu geben.


    Die Liebesgeschichte zwischen Emil und Marie erinnert mich an Tristan und Isolde. Ich finde auch, dass die Verstrickungen schön komponiert sind und auf alte Geschichten/Sagas verweisen: hätte Marie Frank nicht geheiratet, hätte Carls Vater nicht die Obstbäume gepflanzt, ein Beweis, dass er zur Unterwerfung des Landes nicht taugt und somit die ganze Familie wegziehen musste, hätte Emil Marie nicht kennengelernt.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    Steffi,
    Tristan und Isolde ist ein viel passenderes Bild für Emil und Marie.


    Die Schönheit des Landes kann Alexandra, so scheint es, nicht spüren. Für sie ist das Land die Herausforderung, ein Gegner, für Marie und auch Carl eben auch Schönheit, Genuß, Sinnlichkeit.




    Alexandra wird sehr fatalistisch dargestellt. In jüngeren Jahren war das vielleicht noch nicht ganz so ausgeprägt, denn ein wunderschöner Traum wird am Ende des 3.Teils erzählt:


    Ein Traumbild allerdings kehrte immer wieder, als sie jung war. Am häufigsten am Sonntagsmorgen, dem einzigen Tag in der Woche, an dem sie länger liegenblieb und den vertrauten Morgengeräuschen lauschte.... Wenn sie so herrlich faul mit geschlossenen Augen dalag, hatte sie manchmal das Gefühl, von starken Armen aufgehoben und mühelos davongetragen zu werden.... Sie fühlte, wie er sich näherte, sich über sie beugte und aufhob, fühlte, wie er sie geschwind über die Felder trug.


    Später kam das Traumbild immer spärlicher und wenn, dann nur noch wenn sie sehr erschöpft war.


    Fatal, dass eigentlich dieser Tagtraum für Marie in Erfüllung ging. Kurzes Glück! Sehr tragisch!


    Dieser Satz hier ist von einer Schönheit und Traurigkeit...... Ende des 4. Teils:


    Über Marie und Emil gaukelten in dem Gewebe vvon Licht und Schatten zwei weiße Schmetterlinge von Franks Luzernefeld, sie flatterten nieder und schwangen sich wieder auf, waren bald nahe zusammen, bald weit auseinander. Und im hohen Gras am Zaun öffneten die letzten wilden Rosen des Jahres weit die rosigen Herzen und starben.


    im Anhang wird auch die Geschichte von Pyramus und Thisbe genannt, die unter einem Maulbeerbaum starben. Dieser Untergang wird wirklich sehr mystisch erzählt.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Pyramus_und_Thisbe


    bei Emil und Marie zeigen die weißen Maulbeeren dunkle Flecken, bei Pyramus und Thisbe waren die Beeren rotgefärbt nach der Tat.


    Ich komme zum 5. Teil.
    Mir gefällt es sehr gut, dass Willa Cather so knapp erzählt und die Zeitsprünge taktisch platziert; nur das für die Erzählung Wesentliche hat Bestand.


    Herzliche Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Hallo Steffi und Maria,


    ich bin momentan am Anfang des vierten Teiles.


    Zitat von "JMaria"


    Willa Cather schrieb auch Gedichte.
    [...]
    THE HAWTHORN TREE


    Danke für das Gedicht! Am Anfang des Romans, den wir gerade lesen, steht sich ja auch ein Gedicht von ihr: Prairie Spring / Frühling in der Prärie.


    Zitat von "Steffi"


    Die Schönheit des Landes kann Alexandra, so scheint es, nicht spüren. Für sie ist das Land die Herausforderung, ein Gegner, für Marie und auch Carl eben auch Schönheit, Genuß, Sinnlichkeit.


    Das ist ja eine sehr interessante Anmerkung, ich habe das nämlich etwas anders empfunden. ;-) Im letzten Abschnitt des ersten Teils wird eine Art Erweckungserlebnis geschildert: Alexandra betrachtet das sie umgebende Land und fühlt sich innig mit ihm verbunden und weiß plötzlich ganz sicher, daß dieses Land Fruchtbarkeit und Leben bedeutet, obwohl schon das dritte Jahr hintereinander eine Dürre herrscht, weshalb viele Leute ihr Land verkaufen und wegziehen. Das Gesicht Alexandras strahlt vor Glück und dann heißt es:


    Zitat


    Seit dieses Land vor undenklichen Zeiten dem Wasser entstiegen war, war es vielleicht das erste menschliche Gesicht, das sich ihm mit Liebe und Sehnsucht zuwandte. Es schien ihr schön, reich, gewaltig und erhaben. Ihre Augen tranken seine Weite, bis Tränen sie blind machten. In diesem Augenblick muß sich der Genius des Hohen Landes, der mächtige, ungebundene Geist, der aus ihr[?] atmete, dem menschlichen Willen tiefer gebeugt haben als je zuvor. Die Geschichte jedes Landes beginnt im Herzen eines Mannes oder einer Frau.


    (Statt "ihr" sollte es an der markierten Stelle wohl "ihm" heißen)


    Auch das Traumbild, das Maria ausschnittsweise zitiert hat, zeigt Alexandras starke Bindung zu diesem Land. Sie träumt von einem männlichen Wesen, das aber keinem Mann gleicht, den sie kennt, sie kann ihn nicht sehen, er ist "wie das Sonnenlicht" und ihn umgibt der Duft der Maisfelder, er ist groß, stark und behende und trägt Alexandra wie eine Weizengarbe über die Felder. Dieser geträumte "Mann" könnte man als eine Personifikation des Landes ansehen.


    Alexandra hat also durchaus eine tiefe emotionale Beziehung zu dem Land, das sie umgibt, sie sieht seine Schönheit, auch wenn ihr jede romantische Schwärmerei fehlt. Sie weiß, daß es Arbeit und vor allem auch Risikobereitschaft und Verstand bedarf, wenn die Menschen mit diesem Landstrich zurechtkommen wollen. Ihren Brüdern mangelte es zwar nicht an Arbeitswillen, aber sie waren immer dagegen, etwas Neues auszuprobieren. Ob das nun die Schweinezucht oder den Weizenanbau betraf: sie haben sich immer dagegen gestellt, wenn Alexandra hier etwas Neues ausprobieren wollte. Auch als Alexandra in der Dürre zusätzliches Land kaufen wollte, weil es sehr billig war, waren die Brüder zunächst dagegen, worauf Alexandra meinte, "das Richtige sei meist genau das, was alle Welt nicht tut".


    Zitat von "Maria"


    Mir gefällt es sehr gut, dass Willa Cather so knapp erzählt und die Zeitsprünge taktisch platziert; nur das für die Erzählung Wesentliche hat Bestand.


    Die teils sehr großen Zeitsprünge zwischen den Abschnitten fand ich auch sehr auffallend, sie wurden von der Autorin geschickt eingesetzt, das gefällt mir sehr gut.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Hallo Sir Thomas,


    danke für den link ! Sehr interessant und es bestärkt mich, auf jeden Fall noch "Meine Antonia" zu lesen.


    Gruß von Steffi

  • Hallo JMaria,
    hallo Wolf !


    Ich habe das Buch heute beendet und bin sehr beeindruckt, wie intensiv, trotz der schlichten Sprache und Bilder, die Gedanken der damaligen Zeit deutllich werden.


    Zitat von Wolf

    Alexandra hat also durchaus eine tiefe emotionale Beziehung zu dem Land, das sie umgibt, sie sieht seine Schönheit, auch wenn ihr jede romantische Schwärmerei fehlt.


    Ja, eine emotionale Beziehung hat sie zu dem Land, auf jeden Fall auch stärker als Marie. Alexandra erkennt im wahren Wert des Landes dessen Fähigkeit, das Überleben der Menschen zu sichern. Dies wird auch im Text immer wieder belegt, denn im Zusammenhang mit Alexandra kommen immer wieder der Mais und der Weizen vor. Alexandra ergründet die Ordnung und die Gesetzmäßigkeit des Landes, das ihr nichts freiwillig schenkt.


    Aber Schönheit ist es nicht, was Alexandra empfindet. Mit Schönheit meine ich die Dinge, die nicht dem Überleben dienen, die das Land freiwillig schenkt z.B. wilde Rosen oder auch der Obstgarten mit den Kirschen und Aprikosen und Maulbeeren, dadurch eben auch Liebe und Sinnlichkeit. Eine bessere Bezeichnung als Schönheit fällt mir im Augenblick leider nicht ein. Marie und auch Emil jedoch scheitern an ihrer "falschen" Beziehung zu dem Land, vielleicht auch, weil es eben keine richtige Beziehung ist. Das Bild der Enten - die eine einsam und lebendig, die anderen tot - stehen auch für diese gegensätzlichen Auffassungen.


    Für Liebe und Sinnlichkeit scheint in diesem Land kein Platz gewesen zu sein. Am Ende betont Alexandra ihre Freundschaft zu Carl. Ich glaube, wenn Freunde heiraten, sind sie sicher. Und dann ist sie auch bereit für etwas Neues.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Steffi"

    Aber Schönheit ist es nicht, was Alexandra empfindet. Mit Schönheit meine ich die Dinge, die nicht dem Überleben dienen, die das Land freiwillig schenkt z.B. wilde Rosen oder auch der Obstgarten mit den Kirschen und Aprikosen und Maulbeeren, dadurch eben auch Liebe und Sinnlichkeit.


    eine schöne Aussage. Ist mir so garnicht aufgefallen. Doch finde ich es sehr schlüssig. Besonders die Kirschbäume, die Carls Vater so voller Optimismus pflanzte, ganz unüblich für die Gegend. Er konnte aus dieser Pflanzung keinen Nutzen ziehen, doch die jüngere Generation konnte die volle Pracht und Schönheit genießen.


    der 5. Teil hat mich teilweise verwirrt zurückgelassen. Hat man darin doch sehr deutlich Alexandras schwarz - weiß - Denken bemerkt. Maries Schuld ist größer, als die von Frank. Selbst die Geste der Tröstung und des Besuches im Gefängnis bekommt dadurch einen Beigeschmack.


    Auch der Traum, der wiedergekehrt ist, verstehe ich nicht, bzw. nach Wolfs Aussage vielleicht etwas besser:


    Zitat von "Wolf"

    Sie träumt von einem männlichen Wesen, das aber keinem Mann gleicht, den sie kennt, sie kann ihn nicht sehen, er ist "wie das Sonnenlicht" und ihn umgibt der Duft der Maisfelder, er ist groß, stark und behende und trägt Alexandra wie eine Weizengarbe über die Felder. Dieser geträumte "Mann" könnte man als eine Personifikation des Landes ansehen.


    wenn man die Gestalt als eine Personifikation des Landes sieht, ergibt es einen Sinn, wenn es für mich dennoch abstrakt wirkt. Diesmal gibt es zwar keinen Duft von Maisfeldern, dafür einen entblößten rechten Arm der wie Bronze schimmert.


    Später sagt sie zu Carl, dass der Traum nun nicht mehr wahr werde, jedenfalls nicht so wie sie es sich vorgestellt hat.


    Ich kann mir das nur im Zusammenhang mit ihrer Aussage erklären:
    Wir kommen und gehen, aber das Land bleibt. Und die Menschen, die es lieben nd verstehen, besitzen es - für eine kurze Zeit.


    genauso wenig wie sie den Sonnenuntergang vermachen kann, kann sie nicht das Land vermachen. Hat sich ihre Sichtweise zum Land geändert? Hat sie sich entwickelt?


    Wie empfandet ihr es?


    Auch bleibt in mir eine kleine Enttäuschung, dass kein Wort der Liebe zu Carl über ihre Lippen kam; wir werden nicht leiden - wie diese jungen Leute. Ich empfand das in der Situation schon sehr ernüchtern. Sie kann nicht mal die Namen, Emil und Marie, aussprechen, sondern nur "diese jungen Leute".


    Der letzte Satz hatte dann doch noch etwas tröstendes:


    Glückliches Land, das einmal ein Herz wie das Alexandras in sich aufnehmen wird und die empfangene Gnade wieder ausströmen darf in den goldenen Weizen, den rauschenden Mais und die leuchtenden Augen der Jugend.


    ich habe begonnen das Original zu lesen, zu anfangs weil mich interessierte, wie "das Hohe Land" im Originaltext heißt.
    "Das Hohe Land" klingt für mich sehr biblisch, ähnlich dem "Heiligen Land". Im Original heißt es lediglich on the Divide.



    Herzliche Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria und Steffi,


    ich habe das Buch jetzt auch durchgelesen.


    Zitat von "Steffi"


    Aber Schönheit ist es nicht, was Alexandra empfindet. Mit Schönheit meine ich die Dinge, die nicht dem Überleben dienen, die das Land freiwillig schenkt z.B. wilde Rosen oder auch der Obstgarten mit den Kirschen und Aprikosen und Maulbeeren, dadurch eben auch Liebe und Sinnlichkeit.


    ja, für zweckfreie Schönheit hat Alexandra keinen Sinn. An einer Stelle heißt es, sie habe ihr Eßzimmer von einem Möbelhändler einrichten lassen, denn:


    "Sie verstand von solchen Dingen nichts, das gab sie offen zu, und unterwarf sich daher bereitwillig der herrschenden Meinung, daß gerade die sinnlosesten und unbrauchbarsten Gegenstände der schönste Schmuck seien. Das schien ganz vernünftig."


    Marie hat dagegen ein ganz anderes Verhältnis zum Schmuck, man denke nur an die Szene mit dem blauen Kragenknopf, den Emil auf dem Bazar versteigert, und an Maries Freude, als ihr Emil dann eine Handvoll Türkise schenkt. Diese Gegenstände sind für sie nicht nur bloße Dinge, sondern sie sind für Marie wertvoll, weil sie diese Gegenstände mit einem Menschen verbindet, denn sie liebt.


    Zitat von "Steffi"


    Am Ende betont Alexandra ihre Freundschaft zu Carl. Ich glaube, wenn Freunde heiraten, sind sie sicher.


    Hier zeigt sich noch einmal deutlich Alexandras Scheu vor der Leidenschaft und den Verstrickungen der Liebe. Das Schicksal von Marie und Emil bestätigt sie nur in ihrer Meinung. Erstaunlich fand ich, wie sie sich um Frank gekümmert hat, als er dann im Gefängnis saß. Für ihn schien sie mehr Verständnis zu haben als für Marie. Vielleicht brauchte sie aber nach Emils Tod einfach wieder jemanden, um den sie sich kümmern kann, denn nur für ihr eigenes Wohl und Glück zu arbeiten und zu leben war ihr offenbar zu wenig. Das erschien ihr sinnlos.


    Bemerkenswert fand ich, daß die flatterhafte und lebhafte Marie, von der es einmal hieß, daß sie immer nur läuft, statt zu gehen, am Ende eine ruhige und tiefe Liebe zu Emil empfunden hat, trotz aller Schwierigkeiten, die diese Liebe mit sich brachte. Als Emil sie unter dem Maulbeerbaum antraf, lag sie selig träumend da. Und als Frank die beiden entdeckte, lagen sie bewegungslos nebeneinander, nur manchmal ertönte ein leise Murmeln, wenn sie einander etwas sagten. Das ganze gipfelte also keineswegs in einer Szene zügelloser Leidenschaft, und es ist auch bedeutsam, daß sie sich nicht in einem Zimmer innerhalb einer menschlichen Behausung befanden, sondern sie lagen in tiefer Ruhe und Seligkeit im Freien auf dem Boden des Landes, zu dem ja auch Alexandra eine tiefe Beziehung hat, was sich auch noch einmal in dem Schlußsatz zeigt:


    "Glückliches Land, das einmal ein Herz wie das Alexandras in sich aufnehmen wird und die empfangene Gnade wieder ausströmen darf in den goldenen Weizen, den rauschenden Mais und die leuchtenden Augen der Jugend."


    Aber außer dem Weizen und dem Mais gibt es auch noch die wilden Rosen und die Maulbeeren, das ist Maries und Emils Bereich. Emil wurde ja ins Herz getroffen, das Land hat mit seinem Blut auch sein Herz in sich aufgenommen.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Hallo Maria,


    Zitat von "JMaria"


    ich habe begonnen das Original zu lesen, zu anfangs weil mich interessierte, wie "das Hohe Land" im Originaltext heißt.
    "Das Hohe Land" klingt für mich sehr biblisch, ähnlich dem "Heiligen Land". Im Original heißt es lediglich on the Divide.


    ich habe ja nebenbei immer wieder mal in den Originaltext geschaut, deshalb ist mir das eher nüchterne "Divide" auch aufgefallen. Das bedeutet hier wohl "Wasserscheide"? Beim "Hohen Land" mußte ich auch an die Bibel denken, allein schon von der Buchstabenfolge her erinnerte es mich an das "Hohe Lied".


    Was mir auch noch auffiel, war das Telefonieren. ;-) Zunächst leben die Siedler noch in Erdhöhlen oder grasbedeckten Erdhütten, und anderthalb Jahrzehnte später telefonieren sie schon miteinander, obwohl sie ja immer noch auf dem Land abseits der großen Städte leben. Die summenden Telefondrähte werden anfangs des 2. Abschnitts ausdrücklich erwähnt, ein Sinnbild der Zivilisation.


    Zitat von "JMaria"


    Auch bleibt in mir eine kleine Enttäuschung, dass kein Wort der Liebe zu Carl über ihre Lippen kam; wir werden nicht leiden - wie diese jungen Leute. Ich empfand das in der Situation schon sehr ernüchtern.


    Ja, wie Steffi schon zitierte: "Ich glaube, wenn Freunde heiraten, sind sie sicher." Das klingt ja so, als sei es auch nicht weiter schlimm, wenn sie nicht heiraten. Sie nimmt es eben so hin, wie es sich ergibt. Daß am Ende Alexandra und Carl am Ende so unspektakulär zusammenfinden, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn eine endgültige Trennung der beiden würde zumindest eine Spur von Liebestragik oder Liebesschmerz in Alexandras Leben bringen, wofür Alexandra aber nun einmal überhaupt nicht taugt. Sie wird in ruhiger Zufriedenheit mit ihrem Mann zusammenleben und Marie wahrscheinlich niemals verstehen können.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Hallo JMaria,
    hallo Wolf !


    Zitat von JMaria

    der 5. Teil hat mich teilweise verwirrt zurückgelassen. Hat man darin doch sehr deutlich Alexandras schwarz - weiß - Denken bemerkt. Maries Schuld ist größer, als die von Frank. Selbst die Geste der Tröstung und des Besuches im Gefängnis bekommt dadurch einen Beigeschmack.


    Ich fand auch den 5. Teil etwas seltsam. Warum will sie Frank trösten ? Weil ihr Verlust nichts ist im Vergleich zu der Beständigkeit des Landes ? Weil Emil und Marie das selbst verschuldet haben, weil sie nicht auf das Land gehört haben sondern auf ihre Leidenschaft ? Aber Alexandra wollte ja, dass Emil frei von dem Land ist. Das fand ich sehr schwer zu verstehen.


    Zitat von Wolf

    Vielleicht brauchte sie aber nach Emils Tod einfach wieder jemanden, um den sie sich kümmern kann, denn nur für ihr eigenes Wohl und Glück zu arbeiten und zu leben war ihr offenbar zu wenig. Das erschien ihr sinnlos.


    Das wäre eine schlüssige Erklärung.


    Zitat von JMaria

    genauso wenig wie sie den Sonnenuntergang vermachen kann, kann sie nicht das Land vermachen. Hat sich ihre Sichtweise zum Land geändert? Hat sie sich entwickelt?


    Wie empfandet ihr es?


    Mir ist Alexandra fremd geblieben. Ich kam auch mir ihrem Namen so gar nicht klar, der drückt für mich etwas eher kämpferisches aus. Sie ist sehr spröde, trotzdem kümmert sie sich um die alten Leute und geht eine enge Freundschaft mit der sehr viel jüngeren Marie ein. Wenn ich richtig mitgerechnet habe, müsste Alexandra um die 40 und Marie Anfang 20 sein ? Ich glaube auch nicht, dass sie sich weiterentwickelt hat - wie die einsame Ente bleibt sie auf dem Teich.


    Zitat von Wolf

    Was mir auch noch auffiel, war das Telefonieren. ;-)


    Ja, das ist mir auch immer wieder aufgefallen, es muss doch etwas besonderes gewesen sein.


    Außerdem vermisste ich auch die Indianer. Und die hatten/haben ja auch eine so enge Beziehung zum Land. In Nebraska gab es die Ponca-Indianer, die dann umgesiedelt wurden, also quasi durch die Siedler vertrieben wurden. Aus deren Land wurde dann ein Sioux-Reservat. Aber in der Denkweise der Siedler hatte das wohl keinen Platz.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,



    Emil wurde ja ins Herz getroffen, das Land hat mit seinem Blut auch sein Herz in sich aufgenommen.


    sehr schön beschrieben !


    Wolf und Sir Thomas:
    Danke auch für die informativen Links.


    passend auch dieser Ausschnitt aus dem Spiegel-Artikel:
    Ihre Literatur geht aufs Elementare: Menschen, Erde, Beziehungen. Sie zielt immer auf etwas, das schwer zu sagen ist und jedenfalls nicht zu beschreiben, wie beispielsweise die Liebe, wie das, was Menschen verbindet und trennt, wie eine Atmosphäre im Haus, in einer Familie, wie eine Erfahrung von Transzendenz. "The thing not named" nannte Cather das. Man kann es mit Sätzen umkreisen, doch benennen lässt es sich nicht.


    Schöne Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)



  • Mir ist Alexandra fremd geblieben. Ich kam auch mir ihrem Namen so gar nicht klar, der drückt für mich etwas eher kämpferisches aus. Sie ist sehr spröde, trotzdem kümmert sie sich um die alten Leute und geht eine enge Freundschaft mit der sehr viel jüngeren Marie ein. Wenn ich richtig mitgerechnet habe, müsste Alexandra um die 40 und Marie Anfang 20 sein ? Ich glaube auch nicht, dass sie sich weiterentwickelt hat - wie die einsame Ente bleibt sie auf dem Teich.



    Außerdem vermisste ich auch die Indianer. Und die hatten/haben ja auch eine so enge Beziehung zum Land. In Nebraska gab es die Ponca-Indianer, die dann umgesiedelt wurden, also quasi durch die Siedler vertrieben wurden. Aus deren Land wurde dann ein Sioux-Reservat. Aber in der Denkweise der Siedler hatte das wohl keinen Platz.


    Hallo Steffi,
    hallo Wolf,


    die einsame Ente ! Das Bild passt zu Alexandra. Sie ist auch für mich nur schwer einzuordnen. Selbst mit der Erklärung, dass Alexandra das Land darstellt, bleibt sie mir am Ende fremd.


    Steffi,
    ich denke auch, dass Willa Cather nur über die Neu-Besiedelung schreibt. Die Ureinwohner haben darin keinen Platz, zumindest in diesem Buch. Es kreist alles um die Zuwanderer; Böhmen, Franzosen, Schweden.... und darin noch eingegrenzt die unterschiedlichen Kirchen. Ein kultureller Schmelztiegel.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    gestern hatte ich im Buchladen "Die Frau die sich verlor" in den Händen und war schwer in Versuchung. Doch ich habe mich irgendwie auf "Meine Antonia" eingeschossen (den sie nicht vorrätig hatten) und deshalb das Buch (noch) nicht gekauft. Doch es war schön mal das Büchlein in den Händen zu halten. Sehr schön gemacht vom Knaus Verlag.


    Zwei Romane habe ich sowieso noch im SUB:
    Der Tod bittet den Erzbischof
    Saphira und die Sklavin


    mich hat unsere Leserunde auf weitere Werke der Autorin neugierig gemacht.


    An dieser Stelle, Danke an euch :winken:


    und hoffentlich bald wieder; denn eine Autorin (Edith Wharton) steht ja noch aus :-)


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Fehlt noch Wharton, gelle?


    (Und: Nein, ich will Euch nicht hetzen. Bin nur gerade mal wieder am Aufräumen. Frühjahrsputz im Forum, sozusagen.)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo sandhofer,


    genau, Wharton fehlt noch und ich denke, wir schaffen das noch dieses Jahr ! Danke fürs nachfragen !


    Gruß von Steffi