Flaubert

  • Die "Drei Erzählungen" habe ich mittlerweile beendet. Bleibenden Eindruck wird wohl nur "Ein schlichtes Gemüt" hinterlassen. "Hérodias" ist noch recht gelungen, die St. Julien-Legende hat mich hingegen arg gelangweilt. Das Nacherzählen mittelalterlicher Stoffe hat Thomas Mann eindeutig besser beherrscht ("Der Erwählte").


    Mittlerweile sind Flauberts Briefe eingetroffen. Schon nach wenigen Seiten kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus: Schon der siebzehnjährige Schüler Flaubert hatte nichts als Verachtung für seine mittelmäßigen und langweiligen Mitmenschen übrig!


    Das kann ja heiter werden ... :breitgrins:


    LG


    Tom

  • Zusätzlich zu den Flaubert-Briefen habe ich "Lehrjahre des Gefühls" begonnen (Wiederholungslektüre). Da ich mich kaum an die Erstlektüre erinnern kann, lese ich quasi ein "neues" Buch - und das mit steigendem Wohlgefallen.


    Flaubert scheint einer der Autoren zu sein, die ich erst jetzt richtig verstehe und entsprechend zu würdigen weiss. Früher war ich allenfalls mäßig amüsiert von Madame Bovary & Co. - auch wenn die Flaubertsche Qualität für mich immer über jeden Zweifel erhaben war.


    Es grüßt


    Tom


  • Zusätzlich zu den Flaubert-Briefen habe ich "Lehrjahre des Gefühls" begonnen (Wiederholungslektüre).


    und ich dachte, ich würde schneller sein :breitgrins:
    nochmals zu den Briefen. Welche Ausgabe hast du gelesen?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,


    ich lese die Diogenes-Ausgabe http://www.amazon.de/Briefe-Gu…oks&qid=1281102700&sr=8-8


    und bin noch lang nicht fertig ... :smile:



    Danke, Thomas.
    An dieser Ausgabe bin ich auch interessiert, da ich auch "Salammbo" und "Erziehung des Herzens" vom Diogenes Verlag habe und fahr damit bisher ganz gut. Besonders die Rezensionen von Kollegen Flauberts finde ich interessant. In der Ausgabe "Erziehung des Herzens" sind sie von George Sands, Émile Zola, Jules Barbey d'Aurevilly


    letzte Woche kam übrigens in Tilman Spenglers Sendung die Vorstellung von Flauberts Bovary. Ich seh mir die Sendung immer sehr gerne an :-)


    http://www.br-online.de/br-alp…roman-ID1266395121940.xml


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()


  • Zusätzlich zu den Flaubert-Briefen habe ich "Lehrjahre des Gefühls" begonnen (Wiederholungslektüre). Da ich mich kaum an die Erstlektüre erinnern kann, lese ich quasi ein "neues" Buch - und das mit steigendem Wohlgefallen.


    Flaubert scheint einer der Autoren zu sein, die ich erst jetzt richtig verstehe und entsprechend zu würdigen weiss. Früher war ich allenfalls mäßig amüsiert von Madame Bovary & Co. - auch wenn die Flaubertsche Qualität für mich immer über jeden Zweifel erhaben war.


    Da bin ich jetzt aber erleichtert!
    Nach all den eher negativen Äußerungen über Mme Bovary in diesem thread meinte ich schon zu einer Ehrenrettung Flauberts, speziell Mme Bovarys, ansetzen zu müssen.
    Mme Bovary ist für mich neben Anna Karenina und Effie Briest einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Roman des 19. Jahrhunderts! Ja, die Lehrjahre des Gefühls sind grandios, aber Mme Bovary ist doch das Herzstück des Flaubertschen Werkes:
    Mme Bovary, c'est moi!(Flaubert)


    Salammbó(die Leserunde hat Lust drauf gemacht!) und die Tentations de St. Antoine kenne ich noch nicht.
    Ein sehr witziges Büchlein, das ich nur empfehlen kann: Flauberts Dictionnaire des idées recues (Wörterbuch der Gemeinplätze)!


  • Ein sehr witziges Büchlein, das ich nur empfehlen kann: Flauberts Dictionnaire des idées recues (Wörterbuch der Gemeinplätze)!


    Ja, es ist witzig, zum Teil aber sehr französisch und speziell. Für den einen oder anderen Schmunzler ist es trotzdem gut.


    LG


    Tom


  • die Tentations de St. Antoine kenne ich noch nicht.


    "Die Versuchung des heiligen Antonius" kenne ich auch noch nicht. Wenn man Aussagen Glauben schenken darf, soll es sein geheimnisvollstes Werk sein.


    Grüße von
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • "Die Versuchung des heiligen Antonius" kenne ich auch noch nicht. Wenn man Aussagen Glauben schenken darf, soll es sein geheimnisvollstes Werk sein.


    Hallo Maria,


    ich meine sogar mich zu erinnern, dass Flaubert den Hl. Antonius als sein wichtigstes Werk betrachtete. Er hat schon sehr früh mit dem Schreiben begonnen, hat immer wieder Passagen verworfen oder neu gefasst und das Buch erst sieben Jahre vor seinem Tod veröffentlicht. Wie dem auch sei: Das ändert nichts daran, dass ich es ebenfalls noch nicht gelesen habe ... :redface:


    LG


    Tom


  • Mme Bovary ist für mich neben Anna Karenina und Effi Briest einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Roman des 19. Jahrhunderts!


    Gestern zufällig im Spiegel-Interview vom 22.05.2010 gelesen (Volker Hage interviewt Marcel-Reich-Ranicki anlässlich von dessen neunzigstem Geburtstag ):


    Zitat


    Spiegel:
    Sie haben einmal die Frage nach Ihren Lieblingsnamen so beantwortet: Anna, Emma, Effi...Was gefällt Ihnen an diesen Figuren: deren Außenseitertum, Mut, Leidenschaft?


    Reich-Ranicki:
    Das Streben nach Selbständigkeit ... Alle sind sie gescheitert.


    :winken:

  • Dass Flaubert mit der Sprache gerungen hat wie kaum ein anderer Autor, war mir bekannt. Wie sehr er sich allerdings plagte und litt, wurde mir erst durch die Lektüre seiner Briefe bewusst.


    Du möchtest etwas über die Arbeit erfahren … So wisse denn, daß ich vom Schreiben erschöpft bin. Der Stil, der etwas ist, was mir am Herzen liegt, reizt meine Nerven aufs schrecklichste. Ich errege mich und zerfleische mich. Es gibt Tage, an denen ich krank davon bin, und Nächte, in denen ich davon Fieber habe. Je weiter ich komme, umso mehr finde ich mich unfähig, die Idee wiederzugeben. Was für eine seltsame Manie, sein Leben damit zu verbringen, sich über Wörtern zu verbrauchen und den ganzen Tag zu quälen, um an Satzperioden zu feilen. (An Louise Colet, Oktober 1847)


    Ich muss eine Herkulesnatur besitzen, um all die entsetzlichen Qualen auszuhalten, zu denen mich meine Arbeit verdammt. Wie glücklich jene sind, die nicht Unmögliches erträumen! … Es ist leichter, Millionär zu werden und venezianische Paläste voller Meisterwerke zu bewohnen, als eine gute Seite zu schreiben und mit sich zufrieden zu sein. … Je mehr Erfahrung ich in meiner Kunst erwerbe, desto mehr wird diese zu einer Qual … Wenige Menschen haben, glaube ich, so viel durch die Literatur gelitten wie ich. (An Mlle. Leroyer de Chantepie, 4. November 1857)


    Manchmal wünsche ich diese Leiden den Herren Kehlmann, Grass etc., denn, so Flaubert: "Wir sind vielleicht überhaupt nur durch unsere Leiden etwas wert ..."

    Liebe Grüße


    Tom


  • Hallo,


    aber wieso wird man dann überhaupt Schriftsteller, wenn man sich so plagt und mit den Wörtern ringt? :?: Das verstehe ich nicht ganz.


    Katrin


    Hallo,
    nun ich denke, weil er permanent mit seinem Geschriebenen unzufrieden war, vermutlich war er in dieser
    Hinsicht sehr selbstkritisch. Eine Selbstkritik, die, wie Thomas schrieb, durchaus anderen Autoren zu
    wünschen wäre.


    Gruß, Lauterbach

  • ... ich denke, weil er permanent mit seinem Geschriebenen unzufrieden war, vermutlich war er in dieser Hinsicht sehr selbstkritisch.


    So sehe ich es auch, Lauterbach.


    Flaubert war zeitlebens auf der Suche nach dem treffenden, einzig richtigen Wort, dem "mot juste" für eine Sache, eine Farbe ...


    Er hat an mehreren Werken umfangreiche Streichungen und Überarbeitungen vorgenommen. Eine erste Fassung der "Èducation sentimentale" gab es schon vor der Orientreise Ende der 1840er Jahre. Er hat diesen Roman dann in den 1860er Jahren noch einmal durchgesehen, bearbeitet und erst 1869 veröffentlichen lassen. Auch "Saint Antoine" ist ein Produkt der 1840er Jahre, erschien jedoch erst 1874. Ich habe keine Ahnung, ob man die Ursprungsversionen heute noch bekommen kann, aber sie dürften z.T. erheblich von den endgültigen Fassungen abweichen - soweit ich das aus der Lektüre der Briefe ableiten kann.


    In den Briefen kann man die Obsessionen des Autors sehr gut nachvollziehen - eine absolut faszinierende Lektüre!


    LG


    Tom

  • Warum wird einer Hochleistungssportler?


    Da fragst du leider die Falsche. Ich halte es mit Churchill: No sports :breitgrins: (obwohl ich nicht weiß, ob er das wirklich gesagt hat).


    Aber ich gehe da von mir aus: Ich würde nie einen Beruf wählen in dem ich mich jeden Tag quälen muss.


    Katrin