Dies und Das

  • Inzwischen ist sie da, manchmal. Die Gänsehaut.

    Heute hatte ich schon wieder Gänsehaut in Verbindung mit KI. Als ich nämlich sah, wie die von Trump behauptete Verhaftung mittels KI a priori visualisiert worden ist. Was uns künftig hierbei noch blühen wird? Wenn wir bei jedem wichtigen Ereignis uns mühsam durch Deep Fakes wühlen müssen, wenn Glaubhaftigkeit mit so viel Arbeit verbunden sein wird?

  • Ich bin mir sicher, dass sowas ja schon Milliardenfach durchs Web schwirrt, nur fällt es uns üblicherweise nicht auf.


    Mein leichter Gänsehauteffekt: Kindle-Besitzern können ihre e-Books von Roald Dahl etc. inzwischen auf ihren Geräten geändert werden, ohne dass sie es merken.


    Leute, kauft Papier. Die alten Ausgaben. Habt ihr es in den Regalen, ist es nicht zu ändern :)


    Aktuell

    https://lithub.com/why-i-decid…le-guins-childrens-books/

    Theo Downes- Le Guin wohl ihr Sohn.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Mein leichter Gänsehauteffekt: Kindle-Besitzern können ihre e-Books von Roald Dahl etc. inzwischen auf ihren Geräten geändert werden, ohne dass sie es merken.


    Leute, kauft Papier. Die alten Ausgaben. Habt ihr es in den Regalen, ist es nicht zu ändern

    "Gänsehauteffekt" wäre für mich in dem Fall eine euphemistische Beschreibung, Brechreiz vielleicht zu hart, kommt der Sache aber näher. Ich habe in den letzten Monaten ein paar Diskussionen um die sog. Sensitivity Reader und ähnliche Geschichten ein bisschen mitbekommen. Wie da auf allen Kanälen Druck aufgebaut und der Eindruck erweckt wird, eine Mehrheit würde diese "Korrekturen" wünschen, ruft bei mir Unbehagen hervor.


    Ich hätte nicht gedacht, dass die Themen, die Caroline Fourest in ihrem Buch "Generation Beleidigt" vor ein paar Jahren ausführte und u.a. als "Wettbewerb der Opfer" bezeichnete, uns in der Art, also praktisch deckungsgleich, und in der Geschwindigkeit, erreichen würden. Kulturelle Unterschiede würden das abfedern oder verlangsamen, evtl. nicht zulassen - Pustekuchen. Wenn mal wieder eine Professorin entlassen wird, weil sie ein Bild aus dem 14. Jahrhundert gezeigt hat, dann gibt es dafür m. E. keine Relativierung.


    Dennoch entspinnen sich aus diesen Fällen Diskussionen, nun ja, sagen wir mal, Diskussionsansätzchen oder wie man die 200 Zeichen umfassenden Scharmützel auch nennen mag. Furchtbar.


    Wäre es nicht schön, wenn man sich wieder mehr auf die Gemeinsamkeiten konzentrieren (die sind doch wohl in der Mehrzahl) würde, als sich in immer skurriler werdende Unterschiede hineinzusteigern? Ein jeder meint halt, er wäre der Nabel der Welt.

  • "Babba, die sich mit Sune über Literatur streitet. Politisches Denken sei systematisch-analytisch und schließe verworrene und widersprüchliche Teile der Wirklichkeit aus, (...) sagte sie einmal. Systematisch denkende Menschen schrieben Bücher, die gejäteten Beeten glichen. Man bekomme keinen Arthur Rimbaud oder James Joyce in einer gerechten und rechtschaffenen Volksbildungskultur wie der unsrigen. (...) Er erwiderte, dass er Analyse einem noch so literaturfördernden Gedankenwirrwarr vorziehe. 'Wirrwarr hast du ja trotzdem schon', sagte Babba. 'Freilich ist er nicht so umfassend, sondern läuft wohl vor allem darauf hinaus, dass etliche Bücher aus der Schulbibliothek rausgeschmissen werden sollen. Das wird nicht mehr lange dauern."
    Das steht in Kerstin Ekmans Roman "Schwindlerinnen", das schwedische Original erschien 2011.

    Ekman geht übrigens passagenweise noch sehr viel weiter, wenn sie aus der R.M.du Gards Romanfolge "Die Thibaults" eindeutig rassistische Sätze zitiert und ausführt, wie sich die jugendliche Phantasie ihrer Hauptfiguren daran entzündet hat. In "Schwindlerinnen" ist das Literaturverständnis der Hauptperson Lillemor von den Thibaults geprägt - Menschen, die ihr Leben lang lesen, können oft bestätigen, wie frühe Lektüren das ganze Leseleben beeinflussen.

  • "Babba, die sich mit Sune über Literatur streitet. Politisches Denken sei systematisch-analytisch und schließe verworrene und widersprüchliche Teile der Wirklichkeit aus, (...) sagte sie einmal. Systematisch denkende Menschen schrieben Bücher, die gejäteten Beeten glichen. Man bekomme keinen Arthur Rimbaud oder James Joyce in einer gerechten und rechtschaffenen Volksbildungskultur wie der unsrigen. (...) Er erwiderte, dass er Analyse einem noch so literaturfördernden Gedankenwirrwarr vorziehe. 'Wirrwarr hast du ja trotzdem schon', sagte Babba. 'Freilich ist er nicht so umfassend, sondern läuft wohl vor allem darauf hinaus, dass etliche Bücher aus der Schulbibliothek rausgeschmissen werden sollen. Das wird nicht mehr lange dauern."
    Das steht in Kerstin Ekmans Roman "Schwindlerinnen", das schwedische Original erschien 2011.

    Ekman geht übrigens passagenweise noch sehr viel weiter, wenn sie aus der R.M.du Gards Romanfolge "Die Thibaults" eindeutig rassistische Sätze zitiert und ausführt, wie sich die jugendliche Phantasie ihrer Hauptfiguren daran entzündet hat. In "Schwindlerinnen" ist das Literaturverständnis der Hauptperson Lillemor von den Thibaults geprägt - Menschen, die ihr Leben lang lesen, können oft bestätigen, wie frühe Lektüren das ganze Leseleben beeinflussen.

    Das ist ein sehr schönes Zitat, von einer Autorin, die ich eventuell nie lesen werde.

    Witzig: "Die Thibaults" hatte ich vorletzte Woche in einem öffentlichen Bücherschrank gefunden. Ganz gut erhaltenes dtv.

    Vielleicht sollte ich es auf die eher prioritäre Leseliste (nur in meinem Kopf vorhanden) setzen.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • "Gänsehauteffekt" wäre für mich in dem Fall eine euphemistische Beschreibung, Brechreiz vielleicht zu hart, kommt der Sache aber näher. Ich habe in den letzten Monaten ein paar Diskussionen um die sog. Sensitivity Reader und ähnliche Geschichten ein bisschen mitbekommen. Wie da auf allen Kanälen Druck aufgebaut und der Eindruck erweckt wird, eine Mehrheit würde diese "Korrekturen" wünschen, ruft bei mir Unbehagen hervor.

    Vielleicht unterschiedliche Begriffsdefinitionen.

    Für mich ist der Gänsehauteffekt nichts, was mit wohligem Grusel zu tun hat, wie er sich einstellen mag anlässlich von Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts.

    Sondern ganz reales Unbehagen.


    Eben: der Eindruck wird erweckt. Von einer kleinen Minderheit, die sehr laut ist und die technischen Möglichkeiten nutzt - TikTok etc. - auf die mich einzulassen mir meine Zeit zu schade wäre.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Leibgeber

    Ja, ich hatte es eher als leichten Schauer aufgefasst, aber wir treffen uns dann ja beim Unbehagen.



    Zefira

    Es ist ein schönes und zum Nachdenken anregendes Zitat. Gehe ich recht in der Annahme, dass Du in solchen Fällen also eine "Bereinigung" oder eine alternative Version befürworten würdest?


    Im Grunde sind Klassiker in Fassungen für Kinder und Jugendliche nichts Neues. Robinson Crusoe habe ich erst als Erwachsener in der kompletten Fassung gelesen. Die Rolle der Bibel hätte mich als Kind vielleicht gelangweilt, die Kannibalen gegruselt. Ob es meiner Entwicklung geschadet hätte, vermag ich nicht zu sagen, melde aber Zweifel an. Es ist halt auch kein Kinderbuch.


    Ich will mein Unbehagen nicht an diesem einen Beispiel, also Dahl, festmachen. Bei mir hat über die letzten Jahre ein Prozess stattgefunden. Ich kann nicht mehr sagen, wann mich das, was heute unter Political Correctness subsumiert wird, zu nerven begonnen hat. Ich schätze, seit diese neue Empfindlichkeitskultur um sich gegriffen hat und daraus Phrasen wie „kulturelle Aneignung“, „cancel culture“, Worte wie „woke“ und jede Woche neue Hexenjagden auf social media Kanälen ausgerufen wurden.


    Bei Dahl sind die Änderungen, meiner Meinung nach, diesem neuen Zeitgeist unterworfen. Schaut man sich diese und die Streichungen im Detail an, fragt man sich an den meisten Stellen, was denn wirklich damit bezweckt werden soll. Steht da ernstlich der Schutz einer Gruppe im Vordergrund oder ist das nicht eher eine politische Botschaft?


    Heikle Stellen, also beispielsweise Rassistisches, könnte man wunderbar diskutieren und dadurch ein Bewusstsein schaffen. Wenn alles Sperrige, Fiese, Beleidigende usw. eingeebnet wird, dann entspricht das doch auch nicht unserer Welt. Ich finde, dass man Kinder und Jugendliche unterschätzt, die Neugier und das Nachfragen führen auch dazu, dass sie ein Gespür für das Erkennen von problematischen Inhalten entwickeln. Muss man dazu Worte wie „fett“, „Pferdegesicht“, „winzig“ löschen, aus Vater Elternteil werden lassen, aus Indien Kalifornien und aus Kipling Austen machen? Genderneutral soll es sein! Die Änderungen sind in meinen Augen absurd und ich würde sie wohl in ihrer Gesamtheit vor wenigen Jahren für einen Scherz gehalten haben.


    Es stellt sich die Frage, wo fängt man an, wo hört man auf? Der Geist ist aus der Flasche. Lautstark melden sich auch bei uns selbsternannte Experten zu Wort, die sich in erster Linie über Hautfarbe, Herkunft, sexuelle Orientierung usw. sowie ihre Lebenswirklichkeit, geprägt von Rassismus und Unverständnis, qualifizieren.


    Das Einordnen von Texten sollte in erster Linie anhand literarischer Kriterien geschehen, weniger an der Biografie des Autors, noch weniger aus einem Bauchgefühl. Man sollte den zeitgeschichtlichen Rahmen berücksichtigen. Man sollte das Leuten mit ein wenig Ahnung überlassen. Warum nicht dazu forschen, Sekundärliteratur verfassen oder wenigstens darüber debattieren, Perspektiven erläutern?


    Das würde Zeit und Fachkenntnis erfordern, da schießt man lieber aus der Hüfte. In den sozialen Medien verfängt das sowieso besser, als lange Texte. Ich glaube nicht, dass die Welt auf diese Art gerechter wird, sondern befürchte, dass sich die Gesellschaft weiter auseinander dividieren wird.

  • Zefira

    Es ist ein schönes und zum Nachdenken anregendes Zitat. Gehe ich recht in der Annahme, dass Du in solchen Fällen also eine "Bereinigung" oder eine alternative Version befürworten würdest?

    Im Prinzip - im Gegenteil. Überhaupt nicht. Es ist allerdings eine sehr, sehr schwierige Frage. Kerstin Ekman zitiert in "Schwindlerinnen" eine Stelle aus "Die Thibaults": "Dieses ganze verdammte Afrika war wie eine große, sanfte Finsternis, wo man samtweiche Neger fickte und folgenlos erschoss."

    Ich kenne die Thibault-Romanserie nicht und verlasse mich darauf, dass sie korrekt zitiert hat. Bei einem solchen Zitat muss man natürlich mächtig schlucken. Ich auch.

    Auf der anderen Seite finde ich, eine gewisse Resilienz und das, was man gemeinhin den Durchblick nennt, sollte man vom Leser schon erwarten können. Ich habe als ca. Elfjährige "Die Heiden von Kummerow" gelesen, es war ein Buch, das mich nachhaltig beeindruckt hat, weil es zum Großteil von Kindern handelt und für Kinder verfilmt wurde, aber überhaupt kein Kinderbuch ist. Es erzählt aus Juungenperspektive, und wie dort über Mädchen gesprochen wird, fand ich zum Kotzen. " Donnerschläge", dumme Mädchen, taugen zu nichts und zählen nicht. Ich fand es nicht gerade toll, aber mir war schon damals klar, dass das einfach zu diesem Bewusstsein gehört, aus dem heraus erzählt wird.


    Im vorletzten Jahr oder so (genau weiß ich es nicht mehr) habe ich "Von Zeit und Strom" abgebrochen, weil mir der Chauvinismus des Erzählers auf den Senkel ging. Schon in "Schau heimwärts Engel" ist von Ne***ern und Ni***ern die Rede ohne Ende, in diesem Folgeband nimmt es geradezu krankhafte Formen an, man möchte fast glauben, da ist persönlicher Hass des Erzählers im Spiel. Ich konnte es nicht mehr ertragen, aber - es hätte auch in diesem Fall nicht viel gebracht, wenn man die Worte geändert hätte. Und vor allem will ich die Entscheidung, ob ich damit zurechtkomme oder nicht, selbst treffen dürfen.

    Ich finde es nicht ganz falsch, in Büchern, die fast schon für Erstleser gedacht sind, wie Pippi Langstrumpf, ein paar Worte zu ändern. Das sollte aber eine absolute Ausnahme sein.

  • Ich bin ganz deiner Meinung, Zefira, würde aber auch Kindern und Jugendlichen zumuten wollen, die Originaltexte zu lesen, wenn sie nicht ausdrücklich für Kinderhand gekürzt werden. Rassistische und chauvinistische Auslassungen sollten dort kommentiert werden, damit allen Lesenden die Zeitgebundenheit klar ist.
    Wie sollen wir denn sonst mit Geschichte umgehen, wenn wir vor dem scheinbar geschützt werden, was an Unmenschlichkeiten auch den Autor*innen unterläuft? Wir müssen uns damit ehrlich auseinandersetzen können und gerade dadurch ins Nachdenken kommen und nicht in eine perfektionierte Scheinwelt eintauchen.

    Was Leibgeber oben über die Eingriffe in E-Ausgaben von Roald Dahl geschrieben hat, lässt auch mir kalte Schauer über den Rücken laufen. Selbst Eingriffe, die dem Beachten der Menschenrechte Rechnung tragen wollen, verletzen diese, indem sie die Freiheit des Wortes eingrenzen, insbesondere des historisch gebundenen Wortes. Zeitgenössische Schriftsteller*innen kann man mit ihren chauvinistischen, rassistischen oder in anderer Weise bedenklichen Worten konfrontieren, und dann sollen sie sich damit auseinandersetzen, aber seit Jahrzehnten veröffentlichte Werke sollten einen Schutz auch vor gut gemeinten Veränderungen haben. Wir sollten auch und gerade als Demokraten nicht vor kritischen Einschätzungen und Erkenntnissen bewahrt werden.

  • Zefira

    Bei dem von Dir zitierten Beispiel gehe ich mal davon aus, dass es sich um Fiktion handelt. Ich gehe außerdem davon aus, dass die bekannte Übersetzerin Eva Rechel-Mertens sich an das Original gehalten hat. Weiter unterscheide ich zwischen Erzähler und Autor. Ich weiß weder, in welchem Ton der Roman geschrieben ist, noch, in welchem Kontext dieser Satz geschrieben steht. Das sog. N-Wort läuft jeden Tag 1000fach im Radio, zusammen mit f-Wort und b-Wort. Die Nachrichten sind voll von Meldungen über schlimmste Verbrechen und jeder Mensch weiß, dass es z.B. Rassismus im kleinen und großen Rahmen gibt. (Ich will das nicht relativieren)


    Soll Literatur nicht mehr dazu führen, dass man „mächtig schlucken“ muss, nicht mehr unbequem sein? In meinen letzten Lektüren, Thomas Mann und Prus, ist das N-Wort auch zu finden, bei Letzterem noch aufkeimender Antisemitismus im ausgehenden 19. Jahrhundert (hierzu gibt es literaturwissenschaftliche Untersuchungen).


    Ich komme wieder auf die Frage zurück, wo fängt man an, wo hört man auf?


    In der heutigen Zeit, in der Kinder Pornos auf ihren Handys gucken, die Krisen Horrormeldungen am Fließband produzieren und das Internet ungefilterte Blicke in dunkelste Ecken zulässt, fällt es mir schwer zu glauben, dass man zum Schutz der Kinder & Jugend irgendwelche Bücher zensieren müsste. Noch viel weniger Kinderbücher.


    Dass man sich über Bücher, über einseitige Darstellungen usw. ärgert, ist doch normal und gehört meines Erachtens auch zum Aufwachsen und Lernen dazu. In einem gewissen Alter sind Mädchen für Jungs nicht so interessant und werden auch mal ausgeschlossen. Das dreht sich aber doch recht schnell wieder ins Gegenteil. Kinder sind fies, blöd… [setze 1000 weitere Adjektive ein].


    Man kann auch Bücher weglegen, ohne Verbote zu fordern. Warum werden Bücher aus vergangenen Jahrhunderten noch gelesen? Doch auch, weil sie ein Fenster in vergangene Zeiten sind (neben anderen Kriterien). Will man diesen Blick ungetrübt (und ungeschönt) oder durch Filter?


    Für mich sind das alles rhetorische Fragen.


    Wie sollen wir denn sonst mit Geschichte umgehen, wenn wir vor dem scheinbar geschützt werden, was an Unmenschlichkeiten auch den Autor*innen unterläuft? Wir müssen uns damit ehrlich auseinandersetzen können und gerade dadurch ins Nachdenken kommen und nicht in eine perfektionierte Scheinwelt eintauchen.

    Richtig! Wir müssen doch in der Lage sein, uns mit der Vergangenheit auseinander zu setzen. Die mangelnde Vergangenheitsbewältigung und ihre Folgen sieht man gerade am Beispiel Russland, die immer wieder den 2. Weltkrieg als Parallele heranziehen.


    Wir müssen in der Lage sein, bestimmte Dinge auszuhalten. Sie können ein Ansporn sein, etwas besser zu machen. Es wird auch nie eine 100%ige Gerechtigkeit geben.


    Zeitgenössische Schriftsteller*innen kann man mit ihren chauvinistischen, rassistischen oder in anderer Weise bedenklichen Worten konfrontieren, und dann sollen sie sich damit auseinandersetzen, aber seit Jahrzehnten veröffentlichte Werke sollten einen Schutz auch vor gut gemeinten Veränderungen haben. Wir sollten auch und gerade als Demokraten nicht vor kritischen Einschätzungen und Erkenntnissen bewahrt werden.

    Da stimme ich Dir uneingeschränkt zu. Es gäbe zu vielen Werken genügend Material z.B. aus der Literatur- und Geschichtswissenschaft, um sich eingehend und kritisch damit, vor allem aber auch mit Erkenntnisgewinn, zu befassen. Das wäre für mich der Ansatz, auch daheim.


    Um zum Stein des Anstoßes zurückzukehren:

    Es ging bei den Änderungen bei Dahl ja viel um Geschlechterneutralität, vermeintliche Vorurteile, Gerechtigkeit, Diversität und ähnliche Geschichten. Es gibt unzählige Kinderbücher, wenn wegen einzelner, in meinen Augen harmloser Worte nun alternative Ausgaben den Markt "bereichern" sollen, dann könnte man doch gleich zu zeitgenössischen Kinderbüchern greifen, die allen diesen Bereichen achtsam und bunt gerecht werden, oder nicht?

  • Zu den Zitat bei Kerstin Ekman möchte ich noch anmerken: Das Afrika-Zitat stammt angeblich aus der Thibault-Serie von Roger Martin du Gard. Inwieweit das Zitat korrekt ist und auch korrekt übersetzt, kann ich nicht beurteilen. In solchen Fällen wie dem zitierten wäre es aber eben nicht damit getan, ein paar Worte zu ändern. Genauso ist es ja zb auch bei Robinson Crusoe. Man kann das N-Wort gegen ein anderes austauschen, aber das ändert nichts daran, dass Robinson ganz selbstverständlich den geretteten Eingeborenen zu seinem Diener macht und sich mit Master anreden lässt.
    Beim Thema Kinderbücher fällt mir immer Enid Blyton ein, die ich als Kind gelesen habe. In dem ersten ihrer Fünf-Freunde-Bücher möchte die kleine Georgina unbedingt als Georg angeredet werden, schneidet sich selbst die Haare kurz und verabscheut Hausarbeit und Spiel mit Puppen, weil das Mädchenkram ist. Wo soll denn da eine Änderung ansetzen? Wer solche Rollenzuweisungen toxisch findet, kann gleich das ganze Buch wegwerfen, da hilft ein bisschen Ändern nichts.

    Ich stimme Krylow zu, wer damit nicht zurechtkommt oder meint, seinen Kindern damit zu schaden, der kann ja gleich ein modernes Buch kaufen, statt in den älteren herumzustreichen.

    Wenn ich daran denke, was ich als Kind gelesen habe! Die "tolldreisten Geschichten" von Balzac zum Beispiel - ich fasse es bis heute nicht, dass meine Eltern mir da überhaupt keine Schranken auferlegt haben, ich ging an den elterlichen Bücherschrank und fraß alles in mich hinein. Meine heutige Begeisterung für das gedruckte Wort in jeder Form nahm damals ihren Anfang. Wenn mir das in irgendeiner Weise geschadet hat, dann allenfalls in der, dass ich büchersüchtig wurde.

  • Wenn ich daran denke, was ich als Kind gelesen habe! Die "tolldreisten Geschichten" von Balzac zum Beispiel - ich fasse es bis heute nicht, dass meine Eltern mir da überhaupt keine Schranken auferlegt haben, ich ging an den elterlichen Bücherschrank und fraß alles in mich hinein. Meine heutige Begeisterung für das gedruckte Wort in jeder Form nahm damals ihren Anfang. Wenn mir das in irgendeiner Weise geschadet hat, dann allenfalls in der, dass ich büchersüchtig wurde.

    Dies trifft auch auf mich und unsere lieben, längst verstorbenen Eltern zu.


    Mir gerade bekanntgewordener Zensurfall, nach verschiedenen Portalen, in denen ich an sich nicht lese:

    Agatha Christie.


    https://www.n-tv.de/leute/Agat…e-an-article24015434.html

    https://www.stern.de/kultur/bu…itet-werden-33321942.html

    und andere.


    Aus erstverlinktem Artikel


    Zitat

    Mehrere Romane der britischen Schriftstellerin Agatha Christie (1890-1976) sind offenbar überarbeitet worden, um Stellen mit potenziell anstößiger Sprache zu entfernen. Dabei soll es laut der Zeitung "The Telegraph" um Beleidigungen und Verweise auf ethnische Herkunft gehen. Bei "Poirot"- und "Miss Marple"-Fällen, die zwischen 1920 und 1976 entstanden sind, wurden dem Bericht zufolge in neuen Ausgaben Passagen überarbeitet oder entfernt. Ziel sei es demnach gewesen, die Werke von Sprache und Beschreibungen zu befreien, die das moderne Publikum als anstößig empfinde.


    Also, wer definiert, was "potenziell anstößige Sprache" ist? Und was das "moderne Publikum" ist und was dieses will?

    Ist "potentiell anstößig" nicht eine wunderbare Formulierung, die von denen, die es wollen, auf alles angewendet werden kann, was beliebt?

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Wie gesagt, der Geist ist aus der Flasche. Das bekommt man nicht mehr eingefangen.


    Alle paar Tage liest man Artikel wie den hier:

    https://www.tagesspiegel.de/ku…-verdachtigt-9542528.html


    Die Amerikaner, meines Wissens der Ursprung dieser Auswüchse, schießen da, wie so oft, den Vogel ab:

    https://www.faz.net/aktuell/ge…in-gefeuert-18779616.html


    Also, wer definiert, was "potenziell anstößige Sprache" ist? Und was das "moderne Publikum" ist und was dieses will?

    Ist "potentiell anstößig" nicht eine wunderbare Formulierung, die von denen, die es wollen, auf alles angewendet werden kann, was beliebt?

    Genau das ist die Frage! Es sind Individuen, die sich selbst und ihre Lebenserfahrung auf einen Sockel stellen und den moralischen Zeigefinger erheben. Sie halten sich für Weltverbesserer und haben keine Scheu, ihre privaten Ansichten für allgemeingültig zu erklären, sich selbst als Instanz mit der Deutungshoheit. Mit literarischen Grundlagen und Diskursen zu Fragen wie "Was ist Kunst, Literatur?" oder Themen wie Werk & Autor und ähnlichen Geschichten, scheinen sie nicht in Berührung gekommen zu sein.


    Es kann sich heute jeder einen entsprechenden Lebenslauf zusammenstricken und dann den Rotstift zücken. Da komme ich wieder zum "Wettbewerb der Opfer" zurück, den es sicher bald geben wird, unter den wie Pilze aus dem Boden sprießenden Sensitivity Readern.


    Ich frage mich, ob wirklich so viel Bedarf besteht?


    Waren nicht die Bände von Reader's Digest stark eingedampfte Versionen der Originale?

  • Wenn jetzt ein nackter Mensch per se pornographisch genannt wird, sind wir endgültig auf dem Weg in finsterste Zeiten zurück.
    Ich fasse es nicht. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. So komisch es klingt, manchmal bin ich froh, schon 66 zu sein. Das ist nicht mehr meine Welt.

  • Ein Nachtrag dazu, ein Thema, das mir immer und immer wieder aufstößt. Ich bin als europäische Weiße von Geburt an privilegiert und deshalb vielleicht nicht berechtigt, mich dazu zu äußern. Ich gebe trotzdem zu bedenken: Die Romane von Agatha Christie (ich nenne sie stellvertretend für viele klassische Unterhaltungsromane und auch für Romane, die an sich einen weltverbessernden Impetus haben wie "Onkel Toms Hütte", aber nach heutigem Verständnis nicht weit genug gehen) wurden nicht geschrieben, damit jeder Leser und jede Leserin sich damit kuschlig fühlen. Das ist auch mit heutigen Veränderungen und Verschlimmbesserungen nicht möglich, weil niemand weiß, was die fernere Zukunft bringen wird. Es sind Bücher, die das damalige Weltbild abbilden.

    Die Änderungen, die jetzt aktuell im Gespräch sind, fokussieren auf "kolonialistische Denkmuster". Diese sind aber nicht die einzigen Denkmuster, die wir heute verwerfen möchten. Schwule zum Beispiel werden in klassischer Literatur, wenn sie überhaupt vorkommen, entweder lächerlich gemacht oder pauschal verurteilt (ich erinnere mich an eine entsprechende Passage in Bölls "Der Zug war pünktlich", das zu meiner Zeit Schullektüre war). Von Frauen gar nicht zu reden. Ich habe aus der Zeit des Naturalismus Dutzende von Romanen gelesen, in denen Vergewaltigung und Verführung gleichgesetzt werden und überhaupt Vergewaltigung als legitimes Mittel der "hausherrlichen" Oberhand dargestellt wird. Das sind dann wohl die nächsten Bücher, die geändert werden, aber da ist es, wie ich bereits ausführte, nicht damit getan, ein paar Worte zu ändern, da gehört oft der ganze Plot verworfen.
    Mir graust es nur noch.

  • Ich höre gerade dies

    https://www.deutschlandfunkkul…-kultur-a690fb10-100.html


    Diese Hanser-Reihe war mir bisher kein Begriff.

    Das Interview macht mich ein wenig ratlos.

    Meiner Ansicht nach laviert sie ein wenig herum.

    Übrigens gendert sie.

    Gendern bei Hanser ;(


    Wer legt "sensitivity" fest, wer entscheidet, welche Gruppen von Lesend*innen (m/w/d) - ich hoffe, dies korrekt gegendert zu haben, um niemand zu diskriminieren - diskriminiert werden?


    Per default (neudeutsch) nicht diskriminierbar: alt, weiß, Mann, deutsch, hetero.

    Ich 8) Kulturpessimist.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich bin als europäische Weiße von Geburt an privilegiert und deshalb vielleicht nicht berechtigt, mich dazu zu äußern.

    Ich glaube, dass solche Gedanken schon die Auswirkungen der Identitätsschlachten der letzten Jahre sind und daraus ein Druck entstanden ist, der Dich dazu bringt, Dich vorauseilend zu erklären. Das ist sicher gut gemeint, bringt mich in dem Kontext aber ebenso ins Grübeln. Ich glaube nicht, dass das die richtige Richtung ist.


    Es ist nicht immer klug, sich zu jedem Thema zu äußern, aber das ist eine Binsenweisheit. In einer Debatte muss es aber doch nach den Argumenten gehen und wie diese unterfüttert sind, nicht nach Hautfarbe, Herkunft usw.

    Genau das ist aber heutzutage ein Problem, denn auch sog. marginalisierte und unterdrückte Gruppen versuchen Diskurse mittels Identitätsideologien zu steuern und würgen sie dadurch praktisch ab. Wenn nur noch die gehört werden wollen, die beispielsweise einer bestimmten Ethnie angehören, widerspricht das der angeblich angestrebten Gleichheit.

    Enttäuschendes Interview, die Dame hat kaum etwas beizusteuern. „Ich kann dazu nichts sagen“, „ich kann das nicht nachvollziehen“ - im Grunde alles halb so wild. Ich hätte gerne noch mehr von der zu Wort kommenden Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie gehört, der ich in ihrer Aussage, Literatur werde zunehmend „unter ideologischen Gesichtspunkten betrachtet, als unter künstlerischen“ nur zustimmen kann.


    "Nothing demonstrates this better than the recent phenomenon of 'sensitivity readers' in the world of publishing, people whose job it is to cleanse unpublished manuscripts of potentially offensive words.

    "This, in my mind, negates the very idea of literature."


    https://www.bbc.com/news/entertainment-arts-63797087


    Genau das ist der springende Punkt! Der kommt mir in der Angelegenheit einfach zu kurz.

    Literatur und Kunst im Allgemeinen dürfen verletzen, aufrütteln, anstößig sein usw, müssen praktisch alles dürfen (die Grenzen überlasse ich dem gesunden Menschenverstand).

    Wenn die Debatten über das, was darf und soll nur noch in den Hinterstübchen der Verlage unter Lektoren und Sensitivity Readern geführt werden, dann können diese nicht mehr in der Öffentlichkeit, der Gesellschaft geführt werden. Genau das wäre, gerade in der heutigen Zeit, enorm wichtig mit Blick auf die oft zitierte Debattenkultur.

    Hier wird in meinen Augen versucht, die Gesellschaft für dumm zu verkaufen.

  • Ich glaube, dass solche Gedanken schon die Auswirkungen der Identitätsschlachten der letzten Jahre sind und daraus ein Druck entstanden ist, der Dich dazu bringt, Dich vorauseilend zu erklären. Das ist sicher gut gemeint, bringt mich in dem Kontext aber ebenso ins Grübeln. Ich glaube nicht, dass das die richtige Richtung ist.


    Es ist nicht immer klug, sich zu jedem Thema zu äußern, aber das ist eine Binsenweisheit. In einer Debatte muss es aber doch nach den Argumenten gehen und wie diese unterfüttert sind, nicht nach Hautfarbe, Herkunft usw.

    Ja, das stimmt theoretisch. Aber inzwischen kommt ja auch keineswegs diskrimierend gemeinte Fragen wie "woher kommst du denn?" prompt der Rassismusvorwurf. Ich hatte kürzlich einen geschäftlichen Kontakt mit einem dunkelhäutigen jungen Mann, der mir im Lauf des Gesprächs von sich aus erzählte, dass er ursprünglich aus dem Kongo stamme, aber hier zur Schule gegangen sei, usw. Ich fand es sehr interessant, darüber zu hören, aber danach zu fragen, hätte ich mich nicht getraut.

    Im Prinzip steht es uns nicht zu, zu beurteilen, worüber andere beleidigt sein dürfen und worüber nicht. Ich habe mir in meiner Jugend, als es eindeutige alltägliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen gab (ich erspare uns hier Beispiele, kann aber auf Wunsch gern welche bringen), auch anhören müssen "sei doch nicht so empfindlich", wenn ich über den x-ten dummen Spruch irgendwann hochgegangen bin.


    Auf der anderen Seite führt diese Atmosphäre von gezwungener Leisetreterei dann auch zu so absurden Beispielen wie der von der dunkelhäutigen jungen Frau (ich las das mal in der taz), die sich bei dem Liedchen "Wer hat die Kokosnuss geklaut" jedes Mal getriggert fühlt, obwohl es darin ausschließlich um Affen geht. Oder dieses Theater um das Kinderlied "aram sam sam", wenn wir schon mal dabei sind - ein marokkanisches Lied (!), von dem einige Europäer glauben, man dürfe es nicht singen, weil es Muslime beleidigt.

    Der Geist ist aus der Flasche. Man kann seine Hoffnung wohl nur auf eine ferne Zukunft richten, in der die Ethnien so durchmischt sind, dass alle Menschen gleich aussehen. Dann ist Ruhe.

  • Ja, das stimmt theoretisch. Aber inzwischen kommt ja auch keineswegs diskrimierend gemeinte Fragen wie "woher kommst du denn?" prompt der Rassismusvorwurf. Ich hatte kürzlich einen geschäftlichen Kontakt mit einem dunkelhäutigen jungen Mann, der mir im Lauf des Gesprächs von sich aus erzählte, dass er ursprünglich aus dem Kongo stamme, aber hier zur Schule gegangen sei, usw. Ich fand es sehr interessant, darüber zu hören, aber danach zu fragen, hätte ich mich nicht getraut.

    Ich kann mich an eine Debatte in einer Wochenzeitung zum Thema Herkunft erinnern. Das war vor etwa 6 Jahren. Zwei junge Menschen mit Migrationshintergrund, geboren in Deutschland, zeigten sich genervt davon, dass sie aufgrund des Namens und/oder Aussehens (so genau weiß ich das nicht mehr) ihr Leben lang die Frage nach der Herkunft beantworten müssen. Damit ist nicht die Frage „Woher kommst Du?“ sondern die anschließende Nachfrage „Nein, ich meine, woher ursprünglich?“ gemeint.


    Ich konnte auf der einen Seite nachvollziehen, dass das nerven kann, denn so bleibt man doch irgendwie fremd im eigenen Land. Auf der anderen Seite war den beiden klar, dass meistens keine böse Absicht dahinter steckte. Sie wollten ihre Sicht der Dinge darstellen.


    In den Kommentaren zum Artikel ging es hoch her. Ich habe mich damals noch sporadisch an Diskussionen beteiligt, die aber seinerzeit schon Grabenkämpfen glichen und sich selten um die Artikel selbst drehten. Wenig später habe ich mich da ausgeklinkt. Ich schrieb damals, dass man sich vielleicht eher über Werte als über nationale Identität definieren sollte.


    Im Grunde spielen der Ton und die Gesprächssituation eine große Rolle. Sofern man wirklich in ein Gespräch kommt, wird eine Frage nach den Wurzeln der Familie sicher anders aufgenommen, als wenn ich mit der Tür ins Haus falle. In den meisten Fällen ist das eher eine Frage der Höflichkeit, als irgendwas Rassistisches.


    Mittlerweile hat sich der Ton noch mehr verschärft. Zudem hat sich in Teilen der Gesellschaft eine Überempfindlichkeit breit gemacht, die aberwitzige Blüten trägt. Heute las ich, dass in einem Bericht der Tagesschau online, die Redakteurinnen das Wort Mutter als diskriminierend einordneten und durch „entbindende Person“ und „gebärende Personen“ und das Wort „Arbeitgeber“ durch „Arbeitgebende“ ersetzten. Inzwischen wurde das wieder geändert. (Siehe Anmerkung am Ende des Artikels)


    https://www.tagesschau.de/inla…aus-sonderurlaub-101.html


    Ich habe mir ein paar Gedanken zu diesen Auswüchsen gemacht und auch ein paar Thesen aufgeschrieben, letztlich aber verworfen. Thesen, die ich schon vor längerer Zeit bei Byung-Chul Han gelesen habe (z.B. Müdigkeistgesellschaft) und aus Caroline Fourests „Generation Beleidigt“ sowie eigene Beobachtungen, zusammengeworfen und weitergesponnen.


    Dann bin ich über das Wort "Zeitgeist" und die Verweise bei Wikipedia auf ein Zitat von Hans Magnus Enzensberger gestoßen und musste lachen:


    „Etwas Bornierteres als den Zeitgeist gibt es nicht. Wer nur die Gegenwart kennt, muß verblöden.“


    Die Zitate von Herder klingen auch sehr vielversprechend, dahingehend muss ich meine Bücher mal wälzen.


    Die Informationsflut, sozialen Medien, die Geschwindigkeit, die Sprache, die Blasen, die Erziehung usw. werden alle ihren Einfluss darauf haben, dass das, was man mal als „gesunden Menschenverstand“ bezeichnete, also eine Art allgemeiner Konsens zu einem friedlichen Miteinander, Maßstäbe, Werte, an Gültigkeit zu verlieren scheinen. Lesekompetenz und Textverständnis nehmen rapide ab, ebenso die Aufmerksamkeitsspanne. Das Ergebnis sind aufgeblasene Banalitäten und Empörung, die jegliches Maß verloren hat. Oder sollte ich lieber Entrüstung schreiben?


    Eine sehr lesenswerten Text zur Entrüstung habe ich dabei zufällig gefunden:


    https://bullmed.ch/article/doi/bms.2019.17615