• Bisher kenne ich nur die Schachnovelle. Welches Buch ist aber von Zweig noch sehr empfehlenswert? Ich möchte Zweig im nächsten Jahr etwas besser kennenlernen und etwas von ihm lesen. Am Liebsten sollten sehr gute psychologische Beschreibungen vorkommen oder bildende Künste behandelt werde (hier weiß ich aber nicht, ob dieses Thema Zweig bewegte und er zu Literatur verarbeitete). Vielen Dank für helfende Hinweise. Noch einen schönen Samstag wünscht euch FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Danke Maria! Ich habe mir die zwei Netzseiten mal angesehen, dass sieht ja sehr gut aus. Das Buch wird ja als eine der ganz großen Autobiographien des 20. Jahrhunderts beschrieben. Mich interessiert das Wien des fin de siècle und des beginnenden 20. Jahrhunderts sowieso brennend, vor allem was die Literatur und die bildenden Künste betrifft. Ein so reiches und konzentriertes Kunstleben mit so vielen Ideen ist wirklich ungewöhnlich. Was da alles entstand! Das Buch wird sicher etwas für mich sein, also danke nochmals für den Tipp. Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Friedrich-Arthur"

    Welches Buch ist aber von Zweig noch sehr empfehlenswert?


    Mein Geschmack ist Zweig im grossen und ganzen nicht so. Seine Novellen allerdings (z.B. Verwirrung der Gefühle) haben durchaus die Qualität der Schnitzler'schen.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Friedrich-Arthur"

    Welches Buch ist aber von Zweig noch sehr empfehlenswert?


    ich fand fast alles, was ich bisher von ihm gelesen habe sehr gut, hervorheben möchte ich "Magellan", "Maria Stuart", aber auch kürzere Sachen wie "Amerigo" und "Sternstunden der Menschheit" sind sehr empfehlenswert.


    Nur einige wenige seiner Essays haben mir nicht gefallen, gerade wenn er seinen Freunden huldigt (wie Rolland) wird er mir zu schnulzig.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo,


    wie schon an anderer Stelle hier im Forum geschrieben, kann ich die Novelle "Angst" empfehlen.
    Psychologisch sehr detailliert, in Form innerer Monologe geschrieben.
    Hier ein Link zu amazon für weitere Infos.

  • Danke Germa! Das sieht gut aus. Psychologisches interessiert mich sehr, das Buch wird mir liegen. Ich habe auch schon gutes darüber gehört. Na mal sehen, was das Budget und die Zeit nächstes Jahr alles zulässt... Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • ich bin ein großer fan von zweig geworden, obwohl ich nicht mal weiß, ab wann man sich fan nennen darf. ich bin erst seit kurzen auf ihn gestoßen und habe längst noch nicht alles gelesen. aber alles was ich gelesen habe, ist wunderbar, voller spannung. mit psychologisch scharfem blick seziert er seine figuren erfreulicherweise niemals auf eine vernichtende art und weise. ich finde die werke, die ich bisher las, sehr unterhaltsam und stilistisch einfach sehr nahegehend. er hat so eine höfliche, distanzierte art zu schreiben, ist dabei feinfühlig und derart aufmerksam wie es nur ganz wenigen menschen gelingt.


    bisher las ich (und fand sehr gut)


    - briefe einer unbekannten !!
    - die schachnovelle
    - die mondscheingasse
    - der amokläufer
    - brennendes geheimnis
    - ungeduld des herzens

    es gibt keinen höheren zweck der kunst, als in den menschen diejenige lust zu entzünden, wo sein ganzes wesen von aller irdischen qual [...]befreit wird und ihn so erhöht, dass er, sein haupt stolz und froh emporrichtend, das göttliche schaut, ja mit ihm in berührung kommt.
    <br />
    <br />(e.t.a. hoffmann)

  • Ich liebe Stefan Zweig. Am besten gefallen hat mir die Schachnovelle.


    Was ich aber noch sehr gut finde ist das Buch: Sternstunden der Menschheit. Das habe ich verschlungen. Vor allem das Kapitel wie die Marseillaise entstanden ist, fand ich einfach nur gut.


    Zweigs Biographien sind aber auch sehr lesenwert. Ich liebe seine Marie Antoinette. Maria Stuart ist auch gut gelungen.


    Was ich noch nicht gelesen habe, ist sein Erasmus von Rotterdam. Das Buch soll aber auch sehr gut sein.


    Katrin

  • Hallo Friedrich-Arthur: Ich bin jetzt auf Deine schon in der Zeit weiter zurückliegende Bemerkung aufmerksam geworden, dass Du Dich für das Wien des "fin de siècle" interessierst. Dies hat nun zwar mit Stefan Zweig nichts zu tun, aber ich kann Dir zu diesem Thema ein gutes Buch empfehlen. Ich selbst habe es von einer Psychologin empfohlen bekommen und habe die über 400 Seiten des Buches "rasch verschlungen". Das Buch heißt "Und Nietzsche weinte" von Irvin D. Yalom. Lou Salomé, die junge russische Dichterin kommt zu dem angesehenen Wiener Internisten Josef Breuer mit der Bitte, sie solle ihren Freund Friedrich Nietzsche von seiner tiefen Verzweiflung und Todessehnsucht kurieren. Breuer wendet eine neue Heilungsmethode an, der Ausgang ist jedoch ziemlich unerwartet. Die psychotherapeutischen Belange im Buch sind gut geschildert bzw. gut recherchiert. Yalom hat für dieses Buch hervorragende philosophische Mentoren gewählt.
    Ja, dies zu Deinen Interessen über das Wien des fin siècle, ich mag diese Epoche nämlich auch sehr gerne.
    Viele Grüße
    Tournesol

    Kluge Menschen suchen sich die Erfahrungen selbst aus, die sie zu machen wünschen (Aldous Huxley)

  • Hallo,


    als Teenager war ich begeistert von "Sternstunden der Menschheit". Es steht noch immer als schmales Fischerbändchen im Regal und manchmal will ich wieder danach greifen. Aber es gibt so viel anderes was ich nicht kenne :-(

  • Hallo Friedrich-Arthur,


    da hab ich mich aber gefreut, als ich nach langer Forum-Abstinenz einen Beitrag zu Zweig gesehen habe :smile: . Finde seine Texte einfach großartig und kann Dir, wie Germa, unbedingt "Angst" empfehlen, was besonders deinen Wunsch nach psychologischem Beschreiben erfüllen dürfte. Und ganz besonders toll ist auch "Phantastische Nacht", eine Sammlung von Kurzgeschichten. Auf dem Umschlag findet sich ein Zweig-Zitat: "Räselhafte psychologische Dinge haben über mich eine geradezu beunruhigende Macht." Die Geschichten lassen sich unglaublich gut lesen, ich habe es verschlungen. Im Moment lese ich "Die Welt von Gestern", was auch fantastisch ist, aber auf eine andere Weise. Ich muss ja zugeben - ich bin ein kleiner großer Zweig-Fan :klatschen: .
    Viel Spaß beim Lesen!
    Liebe Grüße
    Merja

  • Hallo Friedrich-Arthur,


    Sternstunden der Menschheit kann auch ich nur empfehlen. Außerdem Drei Meister - drei Essays über Dickens, Balzac und Dostojewskij. Beide Bücher sind nicht immer historisch und biographisch korrekt, aber sie sind Zeugnisse der Geschichtsauffassung Zweigs und seiner enormen Menschlichkeit.

  • Und dann steht am 28. November der 125. Geburtstag an und ich habe mich noch immer nicht über die Schachnovelle hinausgelesen. Dabei habt ihr mir den Mund gewiss mit euren Beiträgen wässrig gemacht. Zum Jubiläum hat S. Fischer ein Geburtstagsspezial angelegt, um mein schlechtes Gewissen noch zu verstärken und zu Buchkäufen zu verlocken. Aber der SUB ist doch schon so groß und die finaziellen und zeitlichen Mittel sind so klein geworden... und dennoch... Schlimm nicht wahr? All diese Jubiläen und Bildungslücken... Vielleicht kann ich meine bessere Hälfte im Kurzurlaub in Fontaneland ja zu einen Buchladenbesuch verführen und überreden, obwohl sie "den Braten" immer schon von sehr weitem und aus Erfahrung riecht... Na jedenfalls wird der 125. Geburtstag Zweigs wohl nicht zu übersehen sein, schließlich war er ja einer der bekanntesten Buchstabenkünstler deutscher Sprache. FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Ich schliesse mich voll und ganz Sandhofer an. Seine Novellen sind wirklich lesenswert, greifen tief in die menschliche Psychologie (auch mir hat es Verwirrung der Gefühle angetan), doch von den Biographien würde ich persönlich die Hände lassen, ich finde sie sprachlich absolut pathetisch und damit allzu trivial.

  • Hallo zusammen!


    Unterdessen habe ich folgendes Buch gelesen: Alberto Dines - Tod im Paradies.


    Alberto Dines hat mit seiner Biografie Tod im Paradies wohl die zur Zeit aktuellste Biografie über Stefan Zweig geschrieben: 750 Seiten dicht gepackter Information. Seine Argumentation ist schlüssig, sein Stil liest sich flüssig. Zitate und Behauptungen sind belegt – sprich: eine fundierte Biografie, wie man sie sich wünscht.


    Der Schwerpunkt des Buches liegt dort, wo es auch schon der Titel vermuten lässt: bei Stefan Zweigs Jahren in Brasilien. Der Autor – selber Brasilianer und Jude – bringt Informationen über Brasilien zu Beginn der Vargas-Zeit, als das Land gerade in eine Diktatur geriet, den estado novo, der den Diktaturen von Mussolini in Italien, von Franco in Spanien, von Salazar in Portugal nachgestaltet war. Tendenziell antisemitisch also, und wäre das Kriegsglück auf Seite der Achsenmächte gestanden, hätte diese Tendenz wohl auch noch ganz andern Ausdruck gefunden.


    In dieses diktatorisch regierte Brasilien also kommt Stefan Zweig 1936 zum ersten Mal. Dines beschriebt, wie Zweig – als Jude von den Regierenden skeptisch beäugt – dennoch sich dem Regime annähert, bzw. dem von regimetreuen Pseudo-Autoren dominierten PEN-Club. Es hagelt Kritik von jüdischer Seite, aber auch und vor allem von den oppositionellen Intellektuellen. Zweigs „Brasilien. Land der Zukunft“ gilt als bezahlte Auftragsarbeit der Diktatur und bringt Zweig statt der erhofften Anerkennung und Liebe nur Ablehnung und Ärger ein.


    Der sensible Schriftsteller leidet unter dem Verlust der Heimat, Europas. Brasilien, wo er sich eine neuen Heimat erhofft hatte, weist ihn zurück. Dines gelingt es, aufzuweisen, dass der Selbstmord des Ehepaares Zweig keine Kurzschlussreaktion ist, sondern vom depressiven Zweig sorgfältig geplant und die Ausführung generalstabmässig abgewickelt wird.


    Zeitgenössische Fotografien bringen die Zeit Zweigs in Brasilien dem Leser ein wenig näher. Alles in allem: Ein interessanter Insider-Blick auf das Brasilien Ende der 30er, Anfang der 40er, blendend geschrieben, gut dokumentiert – ein Muss für jeden Zweig-Liebhaber.


    Mich, der ich es im Gegensatz zum Autor nicht bin, hat das Buch dennoch überzeugt und zumindest mit dem Menschen Zweig versöhnt.


    Einziger (kleiner) Wermutstropfen: die deutsche Übersetzerin (inkl. Lektorat) haben offenbar kein Gefühl mehr für den Genitiv. Sätze im Stile von „Sie ist ihm würdig“ oder „Sie bediente sich des Schriftstellers, diesem grossartigen Menschen, als Mittel zum Zweck“ dürften in einem solchen Werk einfach nicht vorkommen. Schade.


    [Blockierte Grafik: http://www.buechergilde.de/img/cover-gross/156970.gif]


    Das Buch ist m.W. im normalen Buchhandel erhältlich, es ist aber exklusiv bei der Büchergilde erschienen.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

    Einmal editiert, zuletzt von sandhofer ()


  • Ich schliesse mich voll und ganz Sandhofer an. Seine Novellen sind wirklich lesenswert, greifen tief in die menschliche Psychologie (auch mir hat es Verwirrung der Gefühle angetan), doch von den Biographien würde ich persönlich die Hände lassen, ich finde sie sprachlich absolut pathetisch und damit allzu trivial.


    Ich habe im Dezember Erzählungen von Stefan Zweig gelesen (den Erzählband "Phantastische Nacht"), die wirklich hervorragend waren. Gerade lese ich zum wiederholten Mal "Castellio gegen Calvin". So wenig Sympathie ich für Calvin habe - Zweig schreibt Calvin und meint Hitler. Dieser historische Roman wird dadurch verfälscht, dass Zweig ihn 1936 schrieb und sich weitaus mehr auf die damalige Lage in Nazi-Deutschland bezog, als auf das Genf des 16. Jahrhunderts.


  • ... von den Biographien würde ich persönlich die Hände lassen, ich finde sie sprachlich absolut pathetisch und damit allzu trivial.


    Hallo,


    am Wochenende griff ich zu "Der Kampf mit dem Dämon". Zweig fasst darin die Biografien von Hölderlin, Kleist und Nietzsche zusammen. Das amateurhafte Herumpsychologisieren um einige wenige (ständig wiederholte!) Thesen ging mir irgendwann mächtig auf den Wecker. Beim Lesen überwog das Gefühl, der Autor versorge sein sprachliches Feuer ständig mit einer Schaufel zuviel. Auf Dauer ermüdet der zurecht als "pathetisch" beschriebene Stil.


    An "Maria Stuart" bin ich schon vor vielen Jahren verzweifelt. Fazit: Ich lasse künftig besser die Finger von Stefan Zweig.


    Es grüßt


    Tom


  • am Wochenende griff ich zu "Der Kampf mit dem Dämon". Zweig fasst darin die Biografien von Hölderlin, Kleist und Nietzsche zusammen. Das amateurhafte Herumpsychologisieren um einige wenige (ständig wiederholte!) Thesen ging mir irgendwann mächtig auf den Wecker. Beim Lesen überwog das Gefühl, der Autor versorge sein sprachliches Feuer ständig mit einer Schaufel zuviel. Auf Dauer ermüdet der zurecht als "pathetisch" beschriebene Stil.


    Danke für diese kurze Einschätzung. Ich stoße immer mal wieder auf das Buch. Nun weiß ich, daß es wohl eher nicht von mir gelesen werden muß.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)