• Den gleichen Eindruck hatte ich vom "Brief einer Unbekannten". Der Versuch, mit billigen Phrasen sentimental und pathetisch zu wirken, scheitert darin so jämmerlich, dass ich nicht weiß, ob Zweig diese Novelle wirklich ernst meinte.


    Irgendwann werde ich vielleicht ein Drama von ihm lesen, und noch die "Welt von gestern", ansonsten, glaube ich, werde ich wohl wie Sir Thomas die Finger von ihm lassen.


    Gruß


  • am Wochenende griff ich zu "Der Kampf mit dem Dämon". Zweig fasst darin die Biografien von Hölderlin, Kleist und Nietzsche zusammen. Das amateurhafte Herumpsychologisieren um einige wenige (ständig wiederholte!) Thesen ging mir irgendwann mächtig auf den Wecker. Beim Lesen überwog das Gefühl, der Autor versorge sein sprachliches Feuer ständig mit einer Schaufel zuviel. Auf Dauer ermüdet der zurecht als "pathetisch" beschriebene Stil.


    Pathetisch? Sicherlich, Zweig schreibt noch vorfaschistisch, als Pathos noch nicht verdächtig war. Legitim, solange es gutes Pathos ist. Billiges Pathos ist unecht, das Zweig'sche Pathos ist aufrichtig. Die Biographien Zweig's sind immer auch Identifikationen und Parallelen, die er zu sich selber zieht. Zieht man die Leidenschaft vom Werks Zweigs ab, bleibt nicht viel übrig. Auch in den Biographien sucht er nach der Leidenschaft, die Kleist, Nietzsche oder Balzac antreibt. M.E. trifft es Zweig mit seinem "herumpsychologisieren" meist ganz gut. Jedenfalls habe ich die Autoren ähnlich verstanden und Zweig hat wohl eher den Standpunkt "Künstler trifft Künstler" als einen germanistisch-wissenschaftlichen.
    Seine ausführlichste Biographie "Balzac" (leider unvollendet) möchte ich besonders hervorheben. Für mich eines der besten Bücher in deutscher Sprache. Mich steckt das Pathos an, die abgeklärte, relativistische Postmoderne ist doch ermüdend. Ich mag es, wenn ich mehr lese (oder das Gefühl habe mehr zu lesen) als Zeichen, die auf andere Zeichen verweisen...


  • Zweigs Selbstmord im sicheren Exil war mir immer unverständlich, im Gegensatz zum Suizid Walter Benjamins, der sich vor der sicheren Verhaftung durch die Gestapo sah.


    Danke für diesen Abschiedsbrief, Maria!


    :winken:


    Tom

  • Der letzte Beitrag ist von 2012, da hole ich den Zweig mal aus der Versenkung. Von alleine hätte ich ihn wohl nicht gelesen. Mein kürzlich verstorbener Buchhändler des Vertrauens mochte ihn und er empfahl mir, mit diesem zu beginnen; der Tipp war nicht schlecht, ich habe es gerne gelesen.


    Sternstunden der Menschheit


    Ich bin ganz ehrlich: Ich habe nach den ersten beiden Geschichten in diesem Buch erst mal nach der Definition von Sternstunde geschaut. Und bin jetzt genauso schlau wie vorher.


    Ich assoziiere mit diesem Begriff etwas Positives und habe beim Lesen der ersten beiden Geschichten immer gedacht: Was sind das für Sternstunden der Menschheit, wo für das Erreichen eines Zieles Menschenblut fließen muss.


    Aber: Zu Zeiten von Zweig hatte der Begriff Sternstunde anscheinend die andere Bedeutung:


    "Sternstunde (um 1800 noch Sternenstunde) ist eine Metapher für Entscheidungen, Taten oder Ereignisse, die schicksalhaft die Zukunft beeinflussen. Entlehnt ist der Begriff der Astrologie, die postuliert, der Stand der Sterne zum Zeitpunkt der Geburt bestimme wesentlich den weiteren Lebensweg."


    Quelle: Wikipedia


    Das macht die Sache nun nicht besser, erklärt aber zumindest den Buchtitel.


    Ich bin ganz ehrlich, mit allen "historischen Miniaturen" bin ich nicht warm geworden. Andere wiederum, von denen ich es nicht erwartet hätte, dass sie mir gefallen, haben mich überrascht.


    Da ich bis auf einige Ausnahmen nicht so gerne historische Romane lese, hätte ich zum Beispiel nicht gedacht, dass mir gerade diese historischen Geschichten bei Zweig am besten gefielen. Zumindest die, wo es darum ging, etwas zu entdecken, wie zum Beispiel den "Pazifischen Ozean" oder das "Eldorado".

    Die Geschichten in Frankreich lagen mir nicht so, die habe ich einfach nur quergelesen. Wenn ich etwas über Napoleon lesen möchte, dann lese ich lieber noch ein drittes Mal "Désirée" von Annemarie Selinko.


    "Georg Friedrich Händels Auferstehung" hat mir am besten gefallen. Nicht nur, weil es da um Musik geht, nein, der Glauben spielt eine wichtige Rolle. Und über den Glauben habe ich mir in der letzten Zeit viele Gedanken gemacht. Vielleicht hat mich Händels Schicksal darum besonders berührt.


    Die Sammlung erschien zuerst mit fünf Miniaturen als Nummer 165/2 der Insel-Bücherei im Leipziger Insel Verlag Ende 1927, wo sie in dieser Form noch heute im Verlagsprogramm präsent ist.

    In diesem Buch sind 12 historische Miniaturen enthalten. Zuletzt sind es 14. Eine vollständige Ausgabe gibt es als E-Book.


    3ratten