Umberto Eco


  • Ob es den Antisemitismus fördert, dazu möchte ich mich noch nicht äußern, aber ich könnte es mir nach 200 Seiten gut vorstellen :zwinker:


    Lesestand 247: Es kommen zwar deftige antisemitische Aussagen vor, deswegen der Roman aber keineswegs den Antisemitismus fördern muss. Ein Roman ist ein Roman. Sonst schließe ich mich übrigens Anita gerne an. Das Buch besteht aus historischen Recherchen. Sonst gar nichts oder kaum etwas anderes. Eine Romanhandlung gibt es nicht, darum hinterfragt werden darf, ob das überhaupt ein Roman ist. Der Roman wird erzählt aus der Sicht des Antisemiten Simone Simonini, der im Jahre 1897 rückblickend ein Tagebuch schreibt, in denen er anhand von historischen und aus literarischen Quellen zu belegen versucht, dass die Juden eine Weltverschwörung anvisieren. Das ist natürlich Fiktion. Laut Anhang sind aber alle Personen, außer der des Protagonisten, historische Figuren. Wer sich nicht so gut auskennt in der Geschichte des 19. Jahrhunderts, wie bei mir, was Napoleon III. und Garibaldi betrifft, wird in manchen Kapiteln auf Schwierigkeiten stoßen. Obwohl ein Verschwörungsroman, keine Spannung.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Lesestand 247: Es kommen zwar deftige antisemitische Aussagen vor, deswegen der Roman aber keineswegs den Antisemitismus fördern muss.


    Davon war auch nicht die Rede :zwinker: Und letztendlich werden bestimmte Anhänger höchstwahrscheinlich nicht diesen "Roman" (wenn er denn einer ist) lesen, aus diesem Grund braucht es einem nicht bange werden. Allerdings Zitate für mein Tagebuch werde ich im Werk keine finden, denn antisemitische Reden kommen mir nicht ins Blog!


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

    Einmal editiert, zuletzt von Anita ()

  • Zum Friedhof in Prag gab es in der SZ eine Besprechung, die mich davon überzeugte, dass ich den Roman ruhig an mir vorüberziehen lassen kann:


  • Zitat von "Süddeutsche"

    Ein Leser, der nichts von der Geschichte Europas zwischen 1830 und 1900 wüsste und nichts von den "Protokollen der Weisen von Zion", könnte diesen Roman nur als öde Anhäufung grotesker Unwahrscheinlichkeiten auffassen. Denn für eine wirkliche Ausmalung von Situationen und Charakteren sind selbst die 500 Seiten dieses Wälzers zu kurz


    Öhm nicht ganz, okay ein klein bisschen geschichtliche Vorahnung bringe ich mit, von den Weisen von Zion hatte ich gehört, mehr auch nicht - aber dennoch schließt sich so langsam der Kreis, dass ich eine Ahnung davon bekomme wie es zu diesem Judenhass gekommen ist, warum es in den Köpfen damaliger Zeit so präsent war, ja wie es geschichtlich zu so einem Ausmaß kommen konnte.


    Was man bei diesem Roman vielleicht nicht machen darf, dass man rein alles bis ins Letzte verstehen möchte. Wenn man dazu Interesse aufbringt, gerne, aber nicht auf biegen und brechen, dann wird der Roman zum Reinfall. Also Mut zur Lücke :zwinker:


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Ich werde mir den Roman auf alle Fälle noch zulegen, zumal ich mich Frühjahr/Sommer universitär bedingt mit Verschwörungstheorien und den Protokollen auseinandergesetzt habe. Dadurch ist das für mich sicherlich noch interessanter.


    Abgesehen davon denke ich, dass der SZ-Rezensent (so wie sich das liest) ein typisches Eco-Element verkannt hat, nämlich die Spiegelung in der Spiegelung und das Spiel mit der Verschwörung (sieht man ja auch im Pendel). Dass nämlich die in den Protokollen angedeutete Verschwörung ihrerseits eine (politische) Verschwörung ist, das gilt als historisch wahrscheinlich (schöne Grüße ans zaristische Russland). Wenn jetzt Eco dem Ganzen nun als Roman noch eine Verschwörungs-Schablone aufsetzt, dann halte ich das durchaus für typische Eco-Ironie und nicht für einen "strukturellen Fehler".


    Naja.. ich werde sehen wie dem so ist, wenn ich dann endlich Zeit finde das Ding zu lesen.

    ... this is nat language at any sinse of the world.

  • Öhm nicht ganz, okay ein klein bisschen geschichtliche Vorahnung bringe ich mit, von den Weisen von Zion hatte ich gehört, mehr auch nicht - aber dennoch schließt sich so langsam der Kreis, dass ich eine Ahnung davon bekomme wie es zu diesem Judenhass gekommen ist, warum es in den Köpfen damaliger Zeit so präsent war, ja wie es geschichtlich zu so einem Ausmaß kommen konnte.


    Nach der gelesenen Rezension wollte ich das Buch schon von meiner Liste streichen, denn massives Vorwissen bringe ich bei dem Thema wahrlich nicht mit. Aber deine Meinung macht mir Mut dem Buch doch eine Chance zu geben, denn eine Ahnung von dem ganzen Hintergrund habe ich auch, mehr aber auch schon nicht mehr.


    Katrin

  • Ja.


    Leider.


    Und mit dem nächsten gleich wieder rausgeflogen ;-). Den Namen der Rose fand ich seinerzeit auch klasse. Aber halt nur einmal, eine Zweitlektüre hält der Text nicht aus. Und beim Pendel hat mich seine offensichtliche Beschreibungsunfähigkeit so genervt, dass ich nach 200 Seiten oder so abgebrochen und beschlossen habe, von ihm nur noch, wenn überhaupt, Theorie zu lesen. Prosa kann er einfach nicht.


  • ich wüsste gar nicht, warum ich den Roman, Rezensionen hin oder her, überhaupt je auf die Liste setzen sollte ;-).


    "Der Name der Rose" fand ich damals echt gut, "Die Insel des vorigen Tages" nicht mehr so. Mehr habe ich von ihm nicht gelesen und daher wollte ich ihm noch eine Chance geben und außerdem finde ich das Thema interessant. Ich liebe Verschwörungstheorien. Vielleicht sind die nach Dan Brown und so noch immer voll im Trend.


    Katrin


  • Ich liebe Verschwörungstheorien.


    Dann könnte ich dir den Wolfram Fleischhauer (Beispiel: "Das Buch, in dem die Welt verschwand") empfehlen, aus diesem Grund musst du dir den Eco nicht wirklich antun, denn die Verschwörungstheorie ansich, die ist genau wie mombour sagt, nicht entschlüsselbar aus diesem Roman, viel zu wirr. Eine Regierung gegen die andere, alles Spione und Fälschungen, Theorien hier und dort, die Glaubensgemeinschaften sind alle untereinander verstritten und hetzten - jeder hetzt über jeden und die Juden sind sowieso an allem Schuld. Das Verwirrspiel entschlüsselst du nicht, aber wie es zu dem Judenhass gekommen ist.


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"


  • Dann könnte ich dir den Wolfram Fleischhauer (Beispiel: "Das Buch, in dem die Welt verschwand") empfehlen,


    Von Fleischhauer habe ich alles gelesen und alles zu Hause :winken:
    Aber danke für den Tipp und die Info über das Buch von Eco. Falls ich es mal in einer Bib bekomme, nehme ich es sicher mit nach Hause, aber kaufen werde ich es mir sicher nicht.


    giesbert: Danke für den Tipp. Das Buch hört sich sehr gut an.


    Katrin

  • Die Protokolle von Zion gibt es übrigens irgendwo als PDF im Internet. Es kann sich also jeder sein Bild davon machen, wobei es schon anstrengend ist den Quatsch zwei Seiten weit zu lesen.


    Was Eco betrifft, so meine ich, er wendet sich mit seinen Romanen nicht an die Reste des Bildungsbürgertums oder an akademische Kreise, sondern an Menschen mit historischem Verständnis oder auch nur Interesse, denen nicht alles erklärt oder eingeordnet werden muss (oder die das nicht wollen). Da dann auch mehr oder minder Spezialwissen gefordert ist, bedeutet das natürlich häufig eine Einschränkung für das Verständnis. Das ist auch z.B. bei Pynchon so und eher stärker ausgeprägt. Was den neuen Roman betrifft, so bin ich sehr auf Ecos Methode gespannt, uns die Verschwörungstheorien zu präsentieren.
    Solche Autoren wie Eco oder Pynchon haben das Problem, dass sie auch Themen aufgreifen mit denen sich Menschen, die sich im Kulturbetrieb tummeln, oft nicht beschäftigt haben. Aus diesem Kreis kommen aber die Rezensenten, und folglich auch eine gewisse Ratlosigkeit. Bei "Im Namen der Rose" war es relativ einfach, weil hier der Hintergrund schon Reflexe auslöst: Mittelalter = dunkel, Inquisition = Erbarmungslosigkeit und dazu kamen noch die Kriminalhandlung, im Stil eine Sherlock Holmes Romans, die Skurrilität der Figuren und das erst am Schluss aufgelöste Rätsel, also alles für die breite Leserschaft vertraute Spannungselemente. Aber wer hat sich schon mit dem Abenteuer der Navigation beschäftigt oder mit den Geheimgesellschaften?

  • Und mit dem nächsten gleich wieder rausgeflogen ;-). Den Namen der Rose fand ich seinerzeit auch klasse. Aber halt nur einmal, eine Zweitlektüre hält der Text nicht aus. Und beim Pendel hat mich seine offensichtliche Beschreibungsunfähigkeit so genervt, dass ich nach 200 Seiten oder so abgebrochen und beschlossen habe, von ihm nur noch, wenn überhaupt, Theorie zu lesen. Prosa kann er einfach nicht.


    Ich mochte und mag das Pendel, muss ich sagen. Gerade seine Fabulierkunst gefällt mir, da es ja in weiten Strecken des Romans nicht um den Plot direkt geht, sondern ewig alles mögliche erzählt wird. Meine Lektüre ist schon einige Jahre her, aber gerade seine Beschreibungen der Umbanda- und Candomblé-Riten sind mir bis heute lebhaft in Erinnerung.


    Lost: Ich weiß nicht, ist auch ein bisschen einseitig, wenn man sagt dass die Kulturbetriebsmenschen mit bestimmten Thematiken nicht auseinandergesetzt haben oder? Ich denke mal das sind Menschen wie alle anderen und ein paar haben sich damit beschäftigt und ein paar nicht, egal aus welchem Bereich sie kommen. Grundsätzlich zielt Eco mMn darauf ab die Romane auf zwei Ebenen lesbar zu machen (typisch Postmoderne, auch Pynchon macht das), nämlich einerseits für die "Normalbevölkerung", die einen unterhaltsamen Roman lesen will und dann für die stärker Interessierten, die auch die Details der Romane aufnehmen und durchdenken wollen. Sprich: Diejenigen, die den ganzen Namen der Rose gelesen haben und diejenigen, die zwischendurch immer einige Seiten überblättert haben, aber endlich wissen wollten wer nun der Mörder ist. :breitgrins:
    Manchmal klappt es für die Unterhaltungsleser besser, manchmal schlechter...


    An sich kann ich mir kaum vorstellen, dass die Frage ob Aristoteles eine Poetik über die Komödie geschrieben hat und ob Jesus pro oder contra das Lachen war, mehr Assoziationen und Begeisterungsstürme auslöst als der dämonische Geist der Protokolle der Weisen von Zion, der immer wieder durch die Geschichte zieht. Schließlich haben schon extrem viele Leute was von den Protokollen gehört, jeder davon weiß, dass es mit Antisemitismus zu tun hat, aber mehr ist meistens auch nicht bekannt. Ich denke das kann schon eine gewisse Neugier auslösen, die über "Ah, das Mittelalter" bei der Rose hinausgeht.

    ... this is nat language at any sinse of the world.

  • Gerade seine Fabulierkunst gefällt mir, da es ja in weiten Strecken des Romans nicht um den Plot direkt geht, sondern ewig alles mögliche erzählt wird.


    Allerdings sind in diesem Genre Jean Paul oder Heimito von Doderer um Längen besser ... ;)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich frag mich auch schon, warum gerade diesen Roman hier so viele lesen wollen. Ist Eco mit seinem "Im Namen der Rose" quasi zum "Must-Read-Autor" mutiert?


    Obwohl ich in meiner Rezension auf http://www.litteratur.ch Kritik am laufen hatte, möchte ich den Roman auf anderer Ebene verteidigen. Wenn ich diesen Roman nicht gelesen hätte, hätte ich immer noch nicht gewusst, dass es eine solche gefälschte Verschwörung gegeben hat, ganz davon abgesehen, gibt es im Roman einige Passagen, die mir sehr gut gefallen haben. Der Roman zeigt auch auf, mit was für einen Unsinn Menschen manipuliert werden können, immerhin sind einige Quellen des Pamphlets reine Fiktion. Trotzdem haben viele Menschen an diese Verschwörung geglaubt, manche glauben heute noch daran. An diesem Umstand allein können wir schon sehen, wie leicht sich Menschen manipulieren lassen. Offenbar sind Menschen fähig, an jeden Unsinn zu glauben, wenn man irgendein Gerücht in die Welt setzt, z.B. so etwas: amerikanische Astroniomen haben beobachten können, dass auf dem Mond Aliens gelandet sind. Wenn so eine Meldung durch die Presse geht, durchs Fernsehen usw., dann gibt auch viele Menschen, die daran glauben. Vielleicht wollte Eco ja gerade dieses mit seinem Roman hervorheben.


    Liebe Grüße
    mombour