Thomas Mann

  • Nichtsdestotrotz, so finde ich, ist Luther hinsichtlich der Eheschließung unter Gläubigenh zu würdigen. Wiesoweshalb undwarum weiß ich auch nicht.


    Gruß
    Meier

    "Es gibt andere Geschichten auf einem andern Blatt Papier, doch jede ist mit der ersten verwandt" * Keimzeit

  • Hmm, ja. Bin auch schon gespannt.


    Gruß
    Meier

    "Es gibt andere Geschichten auf einem andern Blatt Papier, doch jede ist mit der ersten verwandt" * Keimzeit

  • Hallo Sir Thomas,


    mir hat dieser erste Teil der Lesung gut gefallen. Meine Lektüre von "Der Tod in Venedig" liegt ein paar Jahre zurück, so dass die Lesung eine schöne "Auffrischung" ist (und Anregung, die Novelle wieder einmal zu lesen ...). Ich finde auch die Stimme von Matthias Brandt sehr angenehm.


    Für mich lohnt sich das Zuhören. :smile:


    Gruß, Gina

  • Hallo,
    es macht ja wieder, nach langer Zeit, in der Thomas Mann ungelesen im Bücherschrank
    verharrt, Spaß, diese doch für die einen Verschwurbelte, für die anderen vollendete Sprache
    zu hören.


    Wobei man noch erwähnen sollte, das Matthias Brandt die Geschichte sehr gut vorliest.


    Gruß, Lauterbach

  • Hier ist wohl eine Entschuldigung an die Erben fällig und eine saubere Aufarbeitung:


    3000 vergessene Briefe im Thomas-Mann-Archiv in Zürich !
    http://www.faz.net/aktuell/feu…enen-briefe-12552168.html


    und das nach den kürzlich von Dirk Heißerer veröffentlichten Briefen zwischen Katia Mann und ihrer Mutter Hedwig Pringsheim.


    http://www.faz.net/aktuell/feu…stehstemich-12144152.html


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    Im Dezember 2013 erscheint auch Inge Jens : Am Schreibtisch - Thomas Mann und seine Welt
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    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Wenn ich die Verantwortung über das Archiv einer berühmten Persönlichkeit hätte, dann würde ich das auch so machen. Der Literaturberieb muss immer Mal wieder angeheizt werden und das macht man auch mit "sensationellen" Funden von belanglosem Zeugs, das sich dann zu sensationellen Neuinterpretationen eignet.

  • An die Möglichkeit dass das Absicht ist habe ich noch gar nicht gedacht, aber eine interessante Theorie.


    Falls das aber zutrifft muss ich dann sagen, dass der Zeitpunkt gemeiner nicht hätte sein können. Wenn man bedenkt, dass erst kürzlich ein Buch über die Briefe zwischen Katia Mann und ihrer Mutter Hedwig Pringsheim heraus gekommen ist...


    Katrin


  • Wenn ich die Verantwortung über das Archiv einer berühmten Persönlichkeit hätte, dann würde ich das auch so machen. Der Literaturberieb muss immer Mal wieder angeheizt werden und das macht man auch mit "sensationellen" Funden von belanglosem Zeugs, das sich dann zu sensationellen Neuinterpretationen eignet.


    Ähnliches ging mir auch durch den Kopf. Nachdem schon sämtliche Briefwechsel des Arztes des Freundes des Vetters einer Bekannten eines Schulkollegen von Thomas Mann publiziert worden sind, ist's mal wieder Zeit für eine "Sensation". Honi soit ...


    Grüße s.

  • Ähnliches ging mir auch durch den Kopf. Nachdem schon sämtliche Briefwechsel des Arztes des Freundes des Vetters einer Bekannten eines Schulkollegen von Thomas Mann publiziert worden sind, ist's mal wieder Zeit für eine "Sensation". Honi soit ...



    Es gibt eben literarische Universen, Goethe, Proust, Mann... und auch die brauchen dunkle Materie und dunkle Energie.

  • Hier nun ein paar Gedanken zu Thomas Manns „Der Zauberberg“:


    Der grobe Inhalt des Romans ist, kurz gefasst, ein Ausflug des jungen Ingenieurs Hans Castorp in die Schweizer Alpen. Dort will er seinen kranken Vetter Joachim im Sanatorium Berghof besuchen. Schnell bemerkt Castorp, dass dort oben die Uhren anders ticken. Der Ort und seine Bewohner scheinen der Welt mit ihren Gesetzen entrückt und beginnen eine Faszination auf ihn auszuüben, deren Bann er sich nicht entziehen kann.


    Der Roman ist unglaublich vielschichtig, reich an komplexen und schrägen Figuren, universellen Themen, Symbolik und zuvorderst erzähltechnisch meisterhaft komponiert und stilistisch ein Genuss. Eines der universellen Themen des Romans ist das der Zeit, das den Leser von Anfang an begleitet. Gleich auf der zweiten Seite, Hans Castorp ist noch unterwegs, findet sich eine Beschreibung dessen, was wohl jeder Reisende schon erlebt hat:


    „Zwei Reisetage entfernen den Menschen – und gar den jungen, im Leben noch wenig verwurzelten Menschen – seiner Alltagswelt, all dem, was er seine Pflichten, Interessen, Sorgen, Aussichten nannte, viel mehr, als er sich auf der Droschkenfahrt zum Bahnhof wohl träumen ließ. Der Raum, der sich drehend und fliehend zwischen ihn und seine Pflanzstätte wälzt, bewährt Kräfte, die man gewöhnlich der Zeit vorbehalten glaubt; von Stunde zu Stunde stellt er innere Veränderungen her, die den von ihr bewirkten sehr ähnlich sind, aber sie in gewisser Weise übertreffen. Gleich ihr erzeugt er Vergessen; er tut es aber, indem er die Person des Menschen aus ihren Beziehungen löst und ihn in einen freien und ursprünglichen Zustand versetzt, - ja selbst aus dem Pedanten und Pfahlbürger macht er im Handumdrehen etwas wie einen Vagabunden. Zeit, sagt man, ist Lethe; aber auch Fernluft ist so ein Trank, und sollte sie weniger gründlich wirken, so tut sie es dafür desto rascher.“


    Mit Beschreibungen wie dieser, kündigt der Erzähler praktisch an, was dem Helden des Romans bevorsteht. Zugleich betont er im nächsten Abschnitt, die Unwichtigkeit, die Castorp selbst der Reise zuschreibt, er werde „ganz als derselbe zurückkehren, als der er abgefahren war und sein Leben genau dort wieder aufnehmen, wo er es für einen Augenblick hatte liegen lassen müssen.“


    Es ist spannend zu erfahren, wie Castorp sich an seine Maxime des schlichten Besuchers und Beobachters klammert und sich gleichzeitig, auch gezwungenermaßen, von den Gepflogenheiten, dem Ort und dessen Aura vereinnahmen lässt. Stück für Stück beginnen sich sein innerer Widerstand und sein Zeitgefühl aufzulösen und gleichzeitig entwickelt er eine Empfänglichkeit für Dinge, denen er unten im flachen Land niemals Beachtung geschenkt hätte.


    Die ersten Wochen des Hans Castorp im Hotel Berghof nehmen ein sehr großes Stück des Romans ein. Die Tagesroutinen, wie die Liegekur und das Einwickeln in Decken, das Fiebermessen, Spaziergänge, Vorträge und die ausgiebigen Mahlzeiten werden in allen Einzelheiten beschrieben, genauso wie die Sitzordnung im Speisesaal und alle Tischgenossen mit ihren Marotten. Es ist ein Spiel mit der Zeit und ihrer Wahrnehmung, dessen der Erzähler nicht müde wird, es auf mannigfache Art wieder und wieder auszuführen.

    Man ändere hier seine Begriffe, sagt Vetter Joachim bei dessen Ankunft zu Hans, als der geschockt auf die Aussage reagiert, er müsse wohl noch mindestens ein halbes Jahr lang dort oben bleiben. Dieses Ändern der Begriffe, ein Prozess oder vielleicht auch ein Kampf, findet schleichend statt und wird laufend verhandelt, wie beispielsweise im Kapitel „Totentanz“:


    „Der heilige Abend also näherte sich, stand eines Tages vor der Tür und hatte am nächsten Tage Gegenwart gewonnen… Es waren noch reichlich sechs Wochen bis zu ihm gewesen, damals als Hans Castorp sich gewundert hatte, dass man hier schon von Weihnachten sprach: so viel Zeit also noch (...)

    Sechs Wochen, nicht einmal so viele also, wie die Woche Tage hatte: was war auch das in Anbetracht der weiteren Frage, was denn so eine Woche, so ein kleiner Rundlauf vom Montag zum Sonntag und wieder Montag war. Man brauchte nur immer nach Wert und Bedeutung der nächst kleineren Einheit zu fragen, um zu verstehen, dass bei der Summierung nicht viel herauskommen konnte, deren Wirkung überdies und zugleich ja auch eine sehr starke Verkürzung, Verwischung, Schrumpfung und Zernichtung war. Was war ein Tag, gerechnet etwa von dem Augenblick an, wo man sich zum Mittagessen setzte, bis zu dem Wiedereintritt dieses Augenblicks in vierundzwanzig Stunden? Nichts, - obgleich es doch vierundzwanzig Stunden waren. Was war denn aber auch eine Stunde, verbracht etwa in der Liegekur, auf einem Spaziergang oder beim Essen , - womit die Möglichkeiten, diese Einheit zu verbringen, so gut wie erschöpft waren? Wiederum nichts. Aber die Summierung des Nichts war wenig ernst ihrer Natur nach. Am ernstesten wurde die Sache, wenn man ins Kleinste stieg: jene sieben mal sechzig Sekunden, während man das Thermometer zwischen den Lippen hielt, um die Kurve fortführen zu können, waren überaus zählebig und gewichtig; sie weiteten sich zu einer kleinen Ewigkeit, bildeten Einlagerungen von höchster Solidität in dem schattenhaften Huschen der großen Zeit…“


    Den „Strandspaziergang anfangs des 7. Kapitels, der Roman ist schon weit fortgeschritten, widmet der Erzähler den Begriffen der Zeit und des Zeitromans. Die Frage, ob man die Zeit erzählen kann, verneint er und bezeichnet sie als „närrisches Unterfangen“. Er findet Gemeinsamkeiten mit der Musik.


    „Das Zeitelement der Musik ist nur eines: ein Ausschnitt menschlicher Erdenzeit, in den sie sich ergießt, um ihn unsagbar zu adeln und zu erhöhen. Die Erzählung dagegen hat zweierlei Zeit: ihre eigene erstens, die musikalisch-reale, die ihren Ablauf, ihre Erscheinung bedingt; zweitens aber die ihres Inhalts, die perspektivisch ist, und zwar in so verschiedenem Maße, dass die imaginäre Zeit der Erzählung fast, ja völlig mit ihrer musikalischen zusammenfallen, sich aber auch sternenweit von ihr entfernen kann."


    Er findet plastische Beispiele, berichtet vom Opiumraucher, der in seinem kurzen Rausch Jahrzehnte durchlebte oder von eingeschlossenen Bergarbeitern, die die vergangene Zeit unter Tage bis zur Rettung „kraft des Fehlens jedes Zeitorgans in unserem Innern“ überraschenderweise völlig unterschätzten. Einen Höhepunkt stellt in dieser Hinsicht das Kapitel „Schnee“ dar, das auch durch seine atemlose Spannung etwas aus dem Rahmen fällt.


    Das Unstete des Erlebens der Zeit , was dem Leser nichts Unbekanntes ist, vermag der Erzähler so gut zu vermitteln, dass ich beim Lesen selbst in diesen besonderen Rhythmus kam und am Ende das Gefühl hatte, von einer Reise aus einer mystischen Welt zurückgekehrt zu sein. „Der Zauberberg“ ist so ein Buch, das ich nach dem Beenden nicht einfach weglegen konnte, sondern gleich nochmal hätte beginnen können. Und so habe ich das Vorwort noch einmal gelesen und musste schmunzeln, was uns der Erzähler hier schon alles verrät.


    Nun ist die Zeit zwar ein wichtiger, aber eben nur ein Aspekt des Buches. Die teils sehr skurrilen Figuren laden zur (Nach-)Betrachtung ein – ob die türenschlagende Clawdia Chauchat, der Vetter Joachim, Settembrini, zu dem sich später noch Naphta gesellt, die dumme Stöhr, Hofrat Behrens und nicht zu vergessen, der großartige Peeperkorn und viele weitere – sind die meisten doch alles andere als eindimensional und nicht so leicht zu vergessen. Kleine Dinge (z.B. der Bleistift, das Röntgenbild usw.) und Gesten erlangen große Bedeutung oder wirken ungemein kraftvoll, die Walpurgisnacht nimmt da eine besondere Rolle ein. Aber auch die Gespräche Settembrinis mit Castorp oder die zwischen Castorp und Peeperkorn sind von beeindruckender Wirkung.


    Hinzu kommen die vielen Beschreibungen, die nicht selten von besonderer Schönheit sind und dazu beitragen, dass man völlig in der Welt dort oben versinken kann:


    „Jedoch liebte Hans Castorp das Leben im Schnee. Er fand es demjenigen am Meeresstrande in mehrfacher Hinsicht verwandt: die Urmonotonie des Naturbildes war beiden Sphären gemeinsam; der Schnee, dieser tiefe, lockere, makellose Pulverschnee, spielte hier ganz die Rolle wie drunten der gelbweiße Sand; gleich reinlich war die Berührung mit beiden, man schüttelte das frosttrockene Weiß von Schuhen und Kleidern wie drunten das staubfreie Stein- und Muschelpulver des Meeresgrundes, ohne dass eine Spur hinterblieb, und auf ganz ähnliche Weise mühselig war das Marschieren im Schnee wie eine Dünenwanderung, es sei denn, dass die Flächen vom Sonnenbrand oberflächlich angeschmolzen, nachts aber hart angefroren waren: dann ging es leichter und angenehmer darauf, als auf Parkett, - genau so leicht und angenehm, wie auf dem glatten, festen, gespülten und federnden Sandboden am Saume des Meeres.“


    Im Nachgang fiel mir dann auf, dass die nicht so lange zurückliegende Lektüre von „Troubles“ von James Gordon Farrell von Thomas Manns Zauberberg inspiriert worden sein könnte. Das verfallende Hotel in Irland mit seinen schrulligen Gästen, Symbol des zerfallenden „British Empire“, erinnert mich jetzt ein wenig an das Hotel Berghof in Davos, mit seinen Gästen. Nur dass hier der „große Knall“ sich als stetiger Begleiter, sei es durch die Zeitungsschnipsel, die von Anschlägen berichten oder durch ähnliche Vorkommnisse rund ums Hotel, erweist. Nun ja, es werden sicher einige Schriftsteller von Thomas Mann beeinflußt worden sein.


    "Der Zauberberg" hat mich die letzten Wochen begeistert und ich bin mir sicher, dass ich den Roman nicht das letzte Mal gelesen haben werde. Vielleicht kaufe ich mir bei passender Gelegenheit ja doch noch irgendwann den Kommentarband. Ein Buch für die Insel ist es auf jeden Fall.

  • Danke Krylow für die tolle Beschreibung. "Der Zauberberg" ist ja immer noch ein Buch vor dem ich Respekt habe. Bei Dir klingt das nicht so, wenn man sich entsprechend darauf einlässt. Das macht mir Mut.... Aber es wird wohl doch noch dauern bis ich mich daran traue.


    Liebe Grüße

    schokotimmi

  • Mir macht deine Besprechung, Krylow, auch Lust, mir den "Zauberberg" in meiner ab MItte nächsten Jahres anstehenden Zeit der Freiheit wieder vorzunehmen. Ich habe ihn in meinen Studienzeiten im Rheinland mit großem Gewinn gelesen, und deshalb ist er auch fest verbunden mit einem Zitat aus dem BAP-Song: "Wenn et Bedde sisch lohne däät":

    Für die zwei Philosophe, die schänge enn ’nem Elfenbeinturm, enn Klausur,

    Die sick Minschejedenke sich zänke – uss Erbarmen e’ Stoßjebet nur,


    BAP-Homepage


    Damit meinte Wolfgang Niedeggen die beiden sich ewig streitenden Naphta und Settembrini.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)