Bücher und geistige Getränke

  • Ich meine es ist Zeit, einmal einen Randbereich der physischen Verrichtung des Lesens und seiner Begleitumstände näher zu betrachten:


    Wie verträgt sich das Lesen (insb. von Klassikern) mit dem gleichzeitiigen Genuß geistiger Getränke (vulgo Alkoholika)?


    Gibt es in dieser Beziehung Abhängigkeiten zwischen der Art der Literatur und der Art des Getränks?


    Gibt es eine optimale Dosis?


    Wie sind die diesbezüglichen Gewohnheiten der werten Forumsgemeinde?


    Eine Anmerkung vorweg um etwaigen Mißverständnissen vorzubeugen: Die einzigen Getränke, die ich heute konsumiert habe sind einigen Tassen schwarzen Kaffees.


    Um ein paar Eindrücke meiner eigenen Erfahrungen weiterzugeben möchte ich sagen, daß sich tagsüber Tee am besten mit Literatur verträgt (ich bevorzuge Twinigs Earl Grey, mittlere Ziehzeit, keine Zitrone, kein Zucker). Abendliche Lesestunden kann man aber wunderbar mit einem Glas Wein kombinieren. Zu diesen Anlässen bevorzuge ich eher verschlossene Rotweine mit wahrnehmbarer Tanninstruktur wie Bordeaux (der Cabernet sollte dominieren also eher Weine des Medoc) oder alternativ einen Barolo oder Barbaresco (die Nebbiolo-Traube hat es mir angetan).
    Was etwas hochprozentigere Getränke angeht, so bestehen verschiedene Möglichkeiten.
    Der Sommer ist temperatur- und sti,,ungsbdingt eher ungeeignet. Empfehlen kann ich hier allenfalls ein paar makabre Roald Dahl-Kurzgeschichten in Verbindung mit Gin-Tonic (als Gin ist Bombay Sapphire zu bevorzugen).
    Was das Winterhalbjahr angeht, so kann sowohl die Literatur als auch das korrespondierende Getränk geistreicher werden:
    Zu Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" hier insbesondere die Landschaftsschilderungen in "Combray" kann ich Cognac empfehlen. Nach dem zweiten Glas lesen sich die unendlichen Schachtelsätze auf einmal flüssig und die Details der Schlderungen gewinnen an Schönheit. Natürlich darf man nicht mit dem Konsum übertreiben. Ich rede vom Alkohol als Stimulanz nicht von irgendwelchen Besäufnissen. Dafür wäre mir sowohl der gute Cognac als auch das Proustsche Werk zu kostbar. Um bei Proust zu bleiben: Auch die versteckte Ironie bei der Schilderung der gesellschaftlichen Anlässe in "Die Welt der Guermantes" läßt sich so besser erfassen.
    Weitere Autoren zu denen geistige Getränke passen: Poe korrespondiert hervorragend zu einem Single Malt Whisky. Hier bevorzuge ich die Sorten von der Insel Islay: Laphroiag und Ardbeg hinterlassen einen langen rauchigen Nachgeschmack. Natürlich gilt: Kein Eis, kein Wasser, kein "sonst noch was" und besten natürlich cask strength.
    Versuchsreihen (sic!) haben ergeben, daß sich Autoren wie Hemingway, Jospeh Conrad oder Melville ebenfalls für Single Malt eignen. Dagegen sind die Satzkonstrukte eines Henry James oder auch von Balzac für diese Getränke eher ungeeignet.
    Eine Literaturgattung, die sich hevorragend für ein entsprechendes Begleitgetränk eignet sind die Autoren der fin de siecle-Dekadenz. Huysmans Werk, das zum Leitmotiv dieser symbolistischen Autoren geworden ist: "Gegen der Strich" (Au rebours) enthält ein ganzes Kapitel in denen sich der Protagonist ausschließlich mit Likören beschäftigt. Weitere geeignete Werke unter diesem Aspekt sind: Wildes "Dorain Gray" und generell die Werke von Barbey d'Aurevilley und Villiers d'Isle Adam (dieser ist quasi das französische Gegenstück zu Poe).


    Wie ist die Meinung der Boardgemeind zu diesem Thema? Wohlgemerkt: Dies soll keine Anleitung zum Saufen sein. Ich spreche von Stimulanz was sich auf zwei bis höchstens drei Drinks beschränken sollte. Auch ist dafür Sorge zu tragen, daß die Literatur und das Getränk hochwertig sein sollten...


    Gruß


    Sov

  • *GGG*


    das erinnert mich an unsere Stechlin-Leserunde und Ikarus Bedürfnis eine Flasche Wein aufzumachen.


    Hallo zusammen,
    hallo Sov


    mir passiert das nicht oft. Aber es gibt einen fiktiven Commissario, wenn ich seine Fälle lese, dann bekomm ich Hunger und würde am liebsten das nächste italienische Restaurant stürmen und dann habe ich auch nicht gegen ein Glas Rotwein.


    in diesem Sinne


    :trinken:


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo !


    Da ich überwiegend im Bett lese, macht sich gleichzeitiges trinken nicht so gut - das gibt immer so unschöne Flecken :rollen: Ich glaube auch nicht, dass ich nach einem Whisky oder einem Glas Rotwein (ich bevorzuge Merlot :smile: ) noch fähig wäre, etwas anspuchsvolleres zu lesen ...


    Zitat

    Aber es gibt einen fiktiven Commissario, wenn ich seine Fälle lese, dann bekomm ich Hunger und würde am liebsten das nächste italienische Restaurant stürmen und dann habe ich auch nicht gegen ein Glas Rotwein.


    :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    Gruß von Steffi

  • Hallo Sovereign,


    Ich kann Dir jetzt die Fragen nicht wirklich beantworten, aber ich halte es auch so:


    Zitat von "Sovereign"

    Um ein paar Eindrücke meiner eigenen Erfahrungen weiterzugeben möchte ich sagen, daß sich tagsüber Tee am besten mit Literatur verträgt (ich bevorzuge Twinigs Earl Grey, mittlere Ziehzeit, keine Zitrone, kein Zucker). Abendliche Lesestunden kann man aber wunderbar mit einem Glas Wein kombinieren. Zu diesen Anlässen bevorzuge ich eher verschlossene Rotweine mit wahrnehmbarer Tanninstruktur wie Bordeaux (der Cabernet sollte dominieren also eher Weine des Medoc) oder alternativ einen Barolo oder Barbaresco (die Nebbiolo-Traube hat es mir angetan).


    In Sachen Tee bin ich eher mit Grünen Tees und Roibusch unterwegs. Abends mach ich die italienischen Weine sehr gerne. Chianti, Montepulciano, Valpolichella....


    Im Sommer sind es abends dann aber eher gekühlte, trockene Weißweine.


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo zusammen!


    Eigentlich halte ich meine Drogen feinsäuberlich auseinander ... :breitgrins:


    Wenn's ums Lesen geht - vielleicht (im Sommer, wenn ich auf dem Balkon lesen kann) eine gute Zigarre. Wenn ich zum Lesen trinke, dann eher auf der proletarischen Schiene: ein Bier oder ein Pastis. Meist aber Wasser oder Cola. Schliesslich will ich was haben von dem, was ich lese. Oder trinke. Oder rauche.


    Grüsse


    Sandhofer


    PS: Suse: Wer ist Roy Busch? Ich kenne nur George - dafür 2 von der Sorte ... Und äh ... Valpolicella. Nix für ungut ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Mein Tip: Einfach mal eine entsprechende Selbstversuchsreihe durchführen. Besonders was Proust angeht, muß ich sagen, daß es hervorragend funktioniert und die Lektüre um bisher unbekannte Nuancen erweitert.
    Diese Aussage soll allerdings nicht dahingehend sarkastisch uminterpretiert werden, daß Proust nur besoffen zu ertragen wäre. :zwinker:


    Ein anderes Beispiel wäre Roald Dahl: Seine Kurzgeschichten beginnen harmlos und offenbaren nach und nach einen ungeheuer morbiden und abgründigen Unterton. Ein Whisky hilft ungemein, diese Entwicklung als das was sie ist -nämlich purer Humor- wahrzunehmen und entsprechend zu interpretieren.


    Bei anderen Autoren wie Satre oder auch bei symbolbefrachteten Werken wie man sie bei Melville finden kann (ob nun "Moby Dick" oder nur "Bartleby der Schreiber") funktioniert dieser Kniff allerdings nicht und die literaische Botschaft kann nur stocknüchtern aufgenommen werden.


    Gruß


    Sov

  • Nachtrag:


    Valpolicella ist mir eigentlich zu "dünn". Ein guter Wein zum Essen oder für irgendwelche Small-Talk-Abende, aber zur Literatur fehlt da für mich die Essenz...dann eher einen Amarone di Valpolicella. Der besteht aus den gleichen Trauben wie sein kleiner Bruder Valpolicella, diese werden allerdings vor der Vergärung erst auf Strohmatten getrocknet und erst quasi als halbe Rosinen vergoren. Sehr zu empfehlen (meine Hausmarke ist der Boscaini), leider nicht billig, aber seinen Preis ist er wert.
    Da dieser Wein aus Venetien stammt, müßte er eigentlich gut zu einem Venedig-Buch passen. Den "Tod in Venedig" von Thomas Mann habe ich leider nicht vorliegen, ich müßte es mal mit Henry James "Die Aspern-Schriften" probieren...


    Gruß


    Sov

  • Zitat

    Wenn ich zum Lesen trinke, dann eher auf der proletarischen Schiene: ein Bier oder ein Pastis.

    Da sage ich auch nur [Blockierte Grafik: http://www.hifi-forum.de/images/smilies/beerchug.gif]


    @ Steffi

    Zitat

    Da ich überwiegend im Bett lese, macht sich gleichzeitiges trinken nicht so gut


    Besser jedenfalls als Rauchen im Bett - wer will schon das Schicksal von Ingeborg Bachmann erleiden?


    @ Sovereign

    Zitat

    Besonders was Proust angeht, muß ich sagen, daß es hervorragend funktioniert


    Proust und Prost - fehlt ja auch nur ein Buchstabe! :winken:


    Grüße,
    Gitta

  • Zitat von "Gitta"

    Proust und Prost - fehlt ja auch nur ein Buchstabe! :winken:


    :klatschen: - ist mir auch in den Sinn gekommen


    Steffi, ein Vorteil wäre, dass man bereits im Bett liegst, falls man doch mal zu tief ins Glas blickt :clown:


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Dostoevskij"

    Vielleicht sollte man prinzipiell unter derjenigen Droge lesen, unter der der Autor das Buch verfaßte? Ein Täßchen Kaffee bei Modeste Mignon oder ein Gläßchen Absinth beim Radetzkymarsch?


    Und was empfiehlst Du zu Borroughs? (Nicht dem Tarzan-Autor, dem andern.) Wäre übrigens auch ein interessantes Thema: die Stimulanzien, die von Autoren eingenommen werden. Vor allem die Kombinationen: Kaffee, Zigarren und Schlafentzug bei Karl May. Kaffee, Schnaps und Schmerzmittel bei Arno Schmidt. Aber das jedesmal als Leser zu rekonstruieren - ich weiss nicht ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallihallo!


    Also ich muss zugeben, dass ich nur sehr wenig Alkohol vertrage. Damit mir beim Lesen nix entgeht, dürfte ich wohl kaum mehr als ein Glas eines leichten Weines intus haben :redface: . Deswegen finde ich eure Ideen und Vorschläge eher von der theoretischen Seite her interessant. :zwinker:


    Zitat von "Dostoevskij"

    Vielleicht sollte man prinzipiell unter derjenigen Droge lesen, unter der der Autor das Buch verfaßte?


    :geil: DAS wär doch mal eine Idee! *lol*
    Vielleicht nicht unbegrenzt anwendbar (siehe Tagebücher des Kurt Cobain - man will ja nicht illegal werden :breitgrins: ), aber klingt nach einem höchstinteressanten Experiment!


    Liebe Grüße,
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo !


    Da fällt mir ja geradezu wieder Jean Paul ein - der konnte ohne Bier gar nicht, er ließ es sich aus Bayern :bang: importieren, ich glaube seine Hausmarke war Kulmbacher. Er hat wohl immer sehnsüchtig auf die nächste Fasslieferung gewartet :zwinker:


    Gruß von Steffi

  • Zitat

    Vielleicht sollte man prinzipiell unter derjenigen Droge lesen, unter der der Autor das Buch verfaßte?


    Na ich weiß nicht so recht. Außerdem widerspreche ich der Behauptung, daß geistige Getränke in "wohldosierten Mengen" als Droge zu bezeichnen sind. So ein profaner Ausdruck für einen in Würde gealterten Bordeaux ist doch einfach unschicklich! Eher eine Stimulanz wie ich meine.


    Zitat

    Ein Täßchen Kaffee bei Modeste Mignon


    Von Balzac'schen Selbstversuchen würde ich eher abraten. Ich hatte vor Jahren im Büro mal einen Kaffee-Overkill: Kennt jemand diese Pump-Thermoskannen mit zwei Litern Fassungsvermögen? So ein Teil habe ich im Laufe eines halben Tages einmal allein leergemacht. Ich rede von starken schwarzen Kaffee ohne Milch und Zucker (nicht diese Schonkaffeezeugs).


    Gruß


    Sov

  • Moin, Moin!


    Zitat von "sandhofer"

    Aber das jedesmal als Leser zu rekonstruieren - ich weiss nicht ...


    Das kann ich doch mit meiner anderen Sucht, Listen anzufertigen, prima verbinden. :zwinker: Denkbar ist auch, nur Bücher von Autoren zu lesen, die derselben Berufsgruppe angehören die unter denselben Krankheiten litten.


    Ich lese übrigens gerade <a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3257210930/">ein Buch</a>, in dem über Künstler und deren Bewältigung von Krankheiten geht. Hochspannend! Wie viele außer Kafka litten doch damals noch unter Tuberkulose, oft Jahrzehnte lang! Oder Asthmatiker... Heine lag 8 Jahre flach usw. Diese Seite schöpferischer Menschen wird zu selten betrachtet; um so faszinierender die Lektüre des Buches.

  • Zitat von "Steffi"

    ich glaube seine Hausmarke war Kulmbacher. Er hat wohl immer sehnsüchtig auf die nächste Fasslieferung gewartet :zwinker:


    Nee, nee, geworben wird hier nicht, und wenn schon, dann ist's bei mir eine Marke im Sauerland, wo die Brauerei alljährlich einen wunderbaren Ballonwettbewerb veranstaltet.
    Autoren und Getränke? Ja, Balzac, den dürfte ich nicht mehr lesen (wo ich ihn doch so mag), der Arme mußte sich aber irgendwie wachhalten, bes. zu der Zeit, als er noch Groschenromane schrieb (warum, kann man sich denken).
    Oder Poe? Lieber nicht!
    Selbe Berufsgruppe? Da hätte ich schon allerhand zu lesen! :zwinker:


    @ Dostoevskkij:

    Zitat

    ... Heine lag 8 Jahre flach


    Aber doch nicht wegen Asthma!
    Übrigens: Es gibt eine großartige Dokumentation in 3 Bänden "Die Krankheiten der Komponisten". Spannend zu lesen.


    Grüße,
    Gitta

  • Hallo in die Runde,



    Zitat von "Dostoevskij"

    Moin, Moin!


    Vielleicht sollte man prinzipiell unter derjenigen Droge lesen, unter der der Autor das Buch verfaßte? Ein Täßchen Kaffee bei Modeste Mignon oder ein Gläßchen Absinth beim Radetzkymarsch?


    Das verträgt sich dann aber ganz schlecht mit Simultanlesen, oder? :zwinker:
    Ich glaube, dass diese Selbstversuche nicht nur auf der literarischen Ebene interessant sind sondern auf die Dauer auch eingetragenen Vereinen ein paar Mitglieder mehr einbringen... :smile:


    Ich lese eigentlich immer nüchtern, da ich Alkohol nicht mag. Kennt jemanden einen bekennenden Nicht-Trinker in der Autorenzunft? Mir würde spontan keiner einfallen...


    Grüße,
    -kali-

    Der Zufall ist unser Schicksal und das ist ein gutes Zeichen für das Unberechenbare.

  • Zitat von "Sovereign"

    Na ich weiß nicht so recht. Außerdem widerspreche ich der Behauptung, daß geistige Getränke in "wohldosierten Mengen" als Droge zu bezeichnen sind. So ein profaner Ausdruck für einen in Würde gealterten Bordeaux ist doch einfach unschicklich! Eher eine Stimulanz wie ich meine.


    Hi,


    dem kan ich eigentlich nur zustimmen und ein Glas Wein zum Lesen, sehe ich auch eher als eine Stimulanz an. Aber Bier - nein, davon werde ich nur müde, und härtere Sachen mag ich eh nicht.


    Gruß


    Georg