November 2004: Theodor Fontane - Der Stechlin

  • Hallo zusammen,
    ich bin die älteren Beiträge nochmals zurück, weil doch noch ein paar sehr gute Gedanken von euch dabei sind, auf die ich aus Zeitmangel nicht eingehen konnte.


    Zitat von "Steffi"

    Weiß-Rot war ja die Flagge des Norddeutschen Bundes, der den Deutschen Bund 1867 abgelöst hatte, 1871 wurde dann das Deutsche Reich mit dem Kaiser Wilhelm I gegründet. Dieses weiß-rot und schwarz-weiß -Thema findet sich immer wieder z.B. die Blüten des
    Wasserliersch.


    Aloe ist übrigens schon seit 6000 Jahren als Heilpflanze bekannt, sozusagen als Erste-Hilfe-Pflanze. Nun wird diese Tradition von dem weiß-rot des Liersch abgelöst und niemand außer dem alten Stechlin merkt es.


    Damit ist für mich ein weiteres Thema gefunden: Alt - Neu. Im 2. und 3. Kapitel wird dieses sehr deutlich. Beispiele wären Alte Findlinge - neues Schloß, altmodisch eingerichtete Zimmer - junge Soldaten, Adelsregiment - Prinzenregiment, Einsamkeit - Moderne usw.


    danke Steffi für das Bild der Wasserliesch, ich kannte sie bisher noch nicht. Der Gedanke "Alt - Neu", kam mir auch in Bezug auf die Zahlensymbolik die Fontane sogern benutzt. Vielleicht lieg ich falsch, kann gut sein, aber ich habe das Gefühl, dass die Zahl 3 für "Alt" und die Zahl 4 fürs 'Neue' hergenommen wird. Vielleicht in Bezug auf die Arbeiterklasse?


    Zitat


    Fontane zeigt zuerst einmal diese Differenzen auf und läßt Pfarrer Lorenzen sagen (3.Kapitel) :


    Nicht so ganz unbedingt mit dem Neuen. Lieber mit dem Alten, soweit es irgend geht, und mit dem Neuen nur, soweit es fort.


    typisch Fontane *G*


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Nochmals Hallo


    Zitat von "Nachttraum"

    Ich habe grade erst das erste Kapitel gelesen (es ist Klausurzeit).
    Der Schloßherr Stechlin nun vertritt auf der einen Seite genau die Vorbehalte des preußischen Adels gegen Bismarck, auf der anderen Seite scheint er in seiner eigenen Meinung über sein "Schloß" eine ganz andere, weniger zu diesem "Adelsklischee", wie ich es mir vorstelle, passende Charakterseite zu zeigen.
    Auch in seiner Meinung zu seinem Namen scheint er sich selbst nicht zu ernst zu nehmen.
    Und natürlich gefällt mir Engelke der "Vertraute ohne Vertraulichkeit".
    nachttraum


    den 'versteckten' Bismarck finden wir ja oft im Buch. Stechlin und Barby haben einen Bismarckkopf und Engelke und Jeserich könnten Zwillinge sein. (Kapitel 12)


    sinnig, dass das 10. Kapitel mit dem Gasthaus 'Markgrafen Otto" endet und mit der Bemerkung eines 12stündigen Arbeitstages.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zum Dritten


    Zitat von "Steffi"


    Sollten diese Geschäftemacher wie Unkraut die traditionellen Formen, den Landadel überwuchern ?


    seh ich auch so.


    Zitat von "Steffi"


    Bis jetzt scheinen sich ja mehrere Symbolfelder (Pflanzen, Farben, Politik, Militär, Gesellschaft) herauszubilden, wobei ich den Eindruck habe, dass sich diese so vermischen, dass man schon nicht mehr von Ebenen sprechen kann - zumindest verwirren mich diese Verflechtungen manchmal ziemlich.


    Verflechtungen! Das trifft es sehr gut und ich denke von Fontane auch beabsichtigt. Könnt ihr euch an den Holunderbaum an der Klostermauer (außerhalb) erinnern?


    Der Baum, der uralt sein mochte, stand außerhalb des Gehöftes, war aber, ähnlich wie der Pflaumenbaum im Garten, mit seinem Gezweig über das zerbröckelte Gemäuer fortgewachsen. er war an und für sich schon eine Pracht. Was ihm aber noch eine besondere Schönheit lieh, das war, daß sein Laubendach von ein paar dahinter stehenden Ebereschenbäumen wie durchwachsen war, so daß man überall, neben den schwarzen Fruchtdolden des Holunders die leuchtenden roten Ebereschenbüschel sah. Auch das verschiedene Laub schattierte sich. Rex und Czako waren aufrichtig entzückt, beinahe mehr als zulässig.


    steckt hier vielleicht die Hoffnung in das Neue? Hoffnung in die Sozialdemokratie? der Reichsgründung? Erst diese Neuartigkeit verlieh der Situation eine besondere Schönheit.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "Maja"

    Warum hat es übrigens zwei Blitzableiter? Ist das normal, sinnvoll oder auch symbolisch?


    Hallo zusammen,
    ihr merkt schon, ich rolle die Beiträge nochmals einzeln auf. Ist doch einfacher, als ein langer Beitrag :winken:


    Maja:
    ein Blitzableiter umfaßt die ganz Dachlänge und entweder bringt man ihn in der Mitte zusammen und führt ihn hinunter in den Boden, oder wenn der Weg zulange ist, dann führen auch mal 2 Ableiter an den 2 Enden des Daches in den Boden. Also würde ich es persönlich bei einem großen Anwesen wie Schloß Stechlin es als sinnvoll und normal ansehen. Ob symbolisch? keine Ahnung, wer weiß....
    Auf jeden Fall ist Fontane bedacht auf Kleinigkeiten und gibt dem ganzen ein besseres und reales Bild.


    Zitat von "Maja"


    Heute bin ich noch auf eine Interpretation gestossen, die sie wegen der stachligen Blätter mit Stechlin in Verbindung bringt, und die Wasserlieschblüte via Nixe mit Melusine. Zusammen mit der Wassersucht, an der Stechlin ja dann stirbt, ergeben sich da einige mögliche Bezüge!


    ein toller Hinweis, danke Maja.


    Fontane spielt gerne mit dem Namen "Stechlin" - "stechen" . Mir kamen ein paar unter, aber ich hab sie vergessen zu notieren und nun finde ich sie nicht mehr *grummel*


    auch das mit der Wassersucht finde ich ausschlagkräftig, im Kapitel 6 geht es um 'Wörter' u.a. auch die Wassersucht und das Fremdwort dazu: Hydropsie. Schon hier wird wohl bereits versteckt die Todesart von Stechlin dem Leser berichtet. Eigentlich wie in Effi Briest. Da kann man aus Symbolen bereits im 1. Kapitel erkennen (wenn man es weiß) wann ihr Todestag ist. (Was ich bis heute nicht ganz kapiert habe).


    auf 'Wörter' wird Nachdruck gelegt und kommt immer wieder vor:


    Kapitel 6:
    Idiosynkrasie", wiederholte der Alte. "Wenn ich so was höre. Ja, Woldemar, da glaubst du nun wieder wunder was Feines gesagt zu haben. Aber es ist doch bloß ein Wort. Und was bloß ein wort ist, ist nie was Feines, auch wenn es so aussieht.


    Kapitel 9:
    "Ach, es handelte sich um das, was uns allen, wie du dir denken kannst, jetzt das Teuerste bedeutet, um den "Wortlaut". Und denke dir, unser Fix war dagegen. ... und kurz und gut, er sagte: das mit dem "Wortlaut", das ginge nicht länger mehr, die "Werte" wären jetzt anders, und weil die Werte nicht mehr dieselben wären, müßten auch die Worte sich danach richten und müßten gemodelt werden. Er sagte "gemodelt". Aber was er am meisten immer wieder betonte, das waren die "Werte" und die Notwendigkeit der "Umwertung".


    also ich werde auch vermehrt auf "Wortlaut" und "Werte" in deren Verbindung achten.


    dazu noch der Gedanke, dass englische Schlagworte französische Traditionwörter ablösen. Auch eine Neuheit.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "ikarus"

    Hallo zusammen


    Ich habe nun das 7. Kapitel gelesen und es war so oft von Bocksbeuteln und Dominas die Rede, daß ich auf die Idee gekommen bin mal meinen Weinkeller zu inspizieren. Tatsächlich bin ich fündig geworden und entdeckte zwei Bocksbeutel mit Domina-Wein. Entschieden habe ich mich für einen "2001er Stammheimer Eselsberg Domina - trocken". Dieser wird mich nun heute abend durch die nächsten Kapitel des Stechlin begleiten. Ist leider ein Rotwein, was unserem guten Dubslav kaum gefallen würde. Aber darauf nehme ich jetzt keine Rücksicht sondern werde lieber die Flasche entkorken und auf euer wohl trinken (auf meines natürlich auch :breitgrins: )


    Viele Grüße
    ikarus


    Hallo zusammen,
    Hallo Ikarus


    *G* - in der Zwischenzeit hast du wohl deinen Wein bereits getrunken oder eine weitere Flasche aufgemacht? Diesmal vielleicht Lacrimae Christi? *G*


    sagt mal, gibt es wirklich einen Begräbniswein mit diesem Namen? Ist ja irgendwie gruslig.


    es kommt ein Kloster, ein Begräbniswein, eine Aloe im Stechlin vor (wenn man der Symbolik der Aloe in bezug auf Salböl nimmt, wie es Maja erwähnte). Sehr interessant finde ich das schon.


    Zitat von "ikarus"

    "Die Schmargendorf" mokiert sich über anstößige Weinnamen und dazu habe ich das hier gefunden (ist zwar auch etwas anstößig, aber recht nett) :smile: :


    http://rheuma-online.de/phorum/showthread.php?t=13803


    danke Ikarus, ich habe mich über den Text köstlich amüsiert. Du meine Güte, mir war garnicht bewußt, welche Vielfalt das Thema Wein beinhaltet. *G*


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "Steffi"

    Sollte euch die Geschichte des Grafen von Hohenlohe interessieren, dann könnt ihr sie hier http://www.amt-kremmen.de/kremmendammgedicht.htm nachlesen - natürlich von Fontane selbst !


    Wiederholt Hallo, ich hoffe euch nerven die Einzelbeiträge nicht.


    danke Steffi für den Link. Fand ich schon sehr interessant, besonders weil es von Fontane selbst stammt. Bin ich vorher über Pflanzen, Farben, Zahlen gestolpert, sind es nun christliche Symbole. Sie meinen obigen Beitrag mit dem Wein, Aloe usw. und nun Hohenlohe. Dazu heißt es in deinem Link von Fontane auszugsweise:


    Ihre Grabsteine sind verschwunden, aber ein dem Grafen Hohenlohe geltendes Wandbild, das, so lässt sich annehmen, der Burggraf selbst dem Gedächtnis dieses seines Getreuen stiftete, hat sich bis diesen Tag in besagter Kirche, neben der Orgel, erhalten und gibt nicht nur Zeugnis, wie der Burggraf den ersten auf märkischer Erde für Haus Hohenzollern Gefallenen ehrte, sondern gleichzeitig auch eine gute Vorstellung von der Bildnis- und Geschichtsmalerei jener Epoche, wenn auch freilich nicht innerhalb unserer Mark, der solche Kunstübung fremd war. Es ist, aller Wahrscheinlichkeit nach, eines Nürnberger Meisters Arbeit, ein vergleichsweise wohlgelungenes Bild, auf dem wir einen jugendlichen Ritter in schwarzer Rüstung und weißen Pelzmantel erblicken, der vor dem Heilande kniet und wehmütig das blasse, überaus traurige Haupt zu dem Erlöser erhebt. Christus selbst steht mit den Emblemen seiner Schmach, mit Geißel, Dornenkrone und dem Ysopstabe, vor dem Ritter, aus des Heilandes Wunden aber ergießen sich fünf Blutströme in den Kelch des heiligen Abendmahls. Darüber ein Helm mit dem Adlerschmuck und ein Wappenschild mit zwei Leoparden. Um das ganze herum zieht sich die Legende: „Anno Domini 1412 am St.-Columbanus-Abend verschied der hochgeborne Graf Johannes von Hohenlohe, dem Gott genade. Amen.“


    Zitat von "Steffi"


    Im übrigen finde ich den "Stechlin" inzwischen sehr spannend - ich habe nämlich heute Melusine kennengelernt ! Wow, eine Powerfrau :breitgrins:



    ich habe sie nun auch kennengelernt und möchte noch mehr über sie erfahren. Man vergißt neben sie ihre Schwester Armgard. Obwohl mir diese auch gut gefällt. (wieder die Begegnung von "Alt" (Armgard) und "Neu" (Melusine)?)


    Fontane hat sich über Melusine Notizen gemacht. Bitte daran denken, dass er damit nicht nur die Melusine aus Stechlin meint, sondern 'die Melusine' findet sich in vielen seinen Frauenfiguren. Er wollte eigentlich ein Buch schreiben das in der Kieler Bucht handelt: Hier ein paar Auszüge:


    "Das Mädchen ist eine Art Wassernixe, das Wasser ist ihr Element: baden, schwimmen, fahren, segeln, Schlittschuh laufen. Alles was künstl. oder liter. damit zusammenhängt, entzückt sie, drüber liest sie, davon spricht und schreibt sie, sie hat Bücher und Bilder dieses Inhalts. Sie liebt das Melusinen-Märchen und Mörikes Gedicht von der "Windsbraut". Und elementar geht sie unter. Sie verschwindet; man weiß nicht wie; nur sagen- und legendhaft klingt es. Betrachtungen darüber im Herrenhaus. Der philosophierende Alte macht die Schlußbetrachtung. Die Hauptszen ist die große Wasser-, Boot- und Schwimmszene mit dem jungen Grafen, wo sie diesen rettet.....
    ....
    Der junge Maschinenmeister in dem Melusinen-Roman heißt Jens Jensen. Dies entspricht dem Lokal, ist kleinbürgerlich-einfach und spricht sich leicht und bequem aus. Sein Vater, der Bootsmann und Altersgenosse von Melusinens Vater ist, etwa Rolf Jensen oder Niels Jensen oder so ähnlich..."
    [Zitat Ende]


    ich dachte es interessiert euch ein bißchen.


    Fontane hat auch Fragmente einer Geschichte hinterlassen, namens: "Oceane von Parceval" . Es entstand 1878/79.
    Wieder das Element Wasser und das Melusinenthema. Ich möchte es noch lesen.


    Aus einem Fontane-Portrait heißt es auszugsweise:


    [Zitat]
    Der Melusinen-Mythos korrespondiert mit der im 19. Jahrhundert üblichen Kontratierung von "männlich-aktivem Geist" und "weiblich-emotionaler Natur". Fontanes "Melusinen", durchaus keine tumben "Naturwesen", sind aber keineswegs Ausdruck dieser reaktionären Ideologie. Das Melusinenhafte steht auch für natürliches Glücksverlangen gegen eine erstarrte Gesellschaft. Melusine von Barby zeichnet Fontane als Frau mit starker erotischer Ausstrahlung, die sich zugleich mit intellektueller Souveränität in die Gespräche einmischt, die im "Stechlin" die Problematik jener Gesellschaft der Gründerzeit reflektieren.
    [Zitat Ende]


    Ja, Melusine von Barby wird als Witwe bezeichnet, ist aber geschieden. Wenn sie nicht den Rückhalt ihrer Familie hätte, wäre diese gutgemeinte Lüge wohl ein Lebenserleichterung. Denn eine geschiedene Frau hatte damals keine Chance (siehe Effi Briest).


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen
    hallo JMaria


    Zitat

    Wiederholt Hallo, ich hoffe euch nerven die Einzelbeiträge nicht.


    Ganz im Gegenteil sogar. Danke für Deine Recherchen. Tu Dir bloß keinen Zwang an. Sehr interessant Deine Hintetgrundberichte und Erläuterungen. Das mit dem "Schwefelgelben" z. B. war mir völlig rätselhaft und mit Bismarck hätte ich diesen Begriff nicht in Verbindung gebracht.


    Zitat

    den 'versteckten' Bismarck finden wir ja oft im Buch


    Das ist bestimmt so. Heinrich Mann schrieb einmal: "Wer aber in Werken, Briefen, Gedichten Fontanes immer wiederkehrt, ist sein Altersgenosse Bismarck - er sieht ihn groß und klein, er weiß über ihn mehr als seither jemand wissen kann."
    Nur werde ich diese "Verstecke" kaum als solche erkennen können, da ich mich leider weder im Leben Fontanes noch Bismarcks auskenne. :sauer: Über das Verhältnis dieser beiden zueinander nachzuforschen wäre sicher lohnend. Aber dazu werde ich wohl im laufe unserer Lesung nicht kommen. Vielleicht danach.
    (Momentan habe ich das "Problem", daß die Theatersaison wieder begonnen hat ich als leidenschaftlicher Theaterbesucher immer wieder mal ein Theaterstück als Vorbereitung auf einen Besuch dazwischenschieben muß, was den Lesefluß des Stechlin etwas hemmt.)
    Melusine und Armgard habe ich aber auch schon kennen gelernt, wobei mich, ehrlich gesagt, diese aufdringliche, vorwitzige Art Melusines ziemlich nervt. Meine Sympathie gehört eindeutig Armgard, die sich scheinbar nur dann zu reden traut, wenn ihre dominante Schwester nicht zugegen ist, wie im 13. Kapitel. Während der Ausflugsfahrt zu diesem Eierhäuschen hat sie schon wieder nichts mehr zu melden. Aber die Baronin von Berchtesgaden scheint zu ahnen, wer zusammen paßt und führt, am Ende des 15. Kapitels, die Hände entsprechend zusammen.


    Was ist eigentlich dieses Spindlersfelde, wo "der für die weibliche Welt so wichtige Spindler seine geheimnisvollen Künste treibt. Besser noch seine verschwiegenen."
    War das nicht eine Textilfabrik? Oder täusche ich mich da.


    Zitat

    *G* - in der Zwischenzeit hast du wohl deinen Wein bereits getrunken oder eine weitere Flasche aufgemacht? Diesmal vielleicht Lacrimae Christi? *G*


    sagt mal, gibt es wirklich einen Begräbniswein mit diesem Namen? Ist ja irgendwie gruslig.


    Ja, der Wein ist getrunken. Es ist aber bei der einen Flasche geblieben. Ich wills ja nicht übertreiben.
    Einen Wein "Lacrimae Christi" gibt es z. B. hier:


    http://www.gourmondo.de/detail…&zanpid=1230543C303162150


    Der ist allerdings nichts für mich. "Süß und dickflüssig", dazu noch 15,0 % Alkoholgehalt ist das genaue Gegenteil dessen, was ich bevorzuge. Auch nicht auf Begräbnissen.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen !


    Leider bin ich mit dem Stechlin nicht weiter gekommen, da ich die letzten Tage krank war.


    Maria: Danke für deine einzelnen Betrachtungen ! Mir ist vieles noch einmal deutlich geworden und die christliche Symbole hätte ich auf jeden Fall übersehen.


    ikarus: Danke für die Weingeschichte :zwinker: ich werde zukünftig Wein mit ganz anderen Gedanken trinken ... Aber dieser Lacrimae Christi - süß und dickflüssig- nein, wirklich nicht *schüttel*


    Ikarus, wenn du dich näher mir Fontane und dessen Zeit beschäftigen willst, kann ich dir wirklich nur das von Maria genannte Buch von Helmuth Nürnberger "Fontanes Welt" weiterempfehlen. Es beleuchtet anhand Fontanes Biografie die politischen und gesellschaftlichen Zustände. Sehr ausführlich !


    Maja: Danke für dein Symbollexikon-Tip. Irgendwann werde ich mir auch mal eines kaufen - oder ich wünsch mir eins zu Weihnachten :klatschen:


    LG von Steffi

  • Hallo zusammen,
    Maria: auch von mir Danke für Deine vielen Beiträge, Du warst ja echt fleissig! :blume:
    Ich finde es immer wertvoll, zwischendurch mal zurückzublättern, gerade die guten Bücher brauchen das!


    Zitat von "Maria"

    sagt mal, gibt es wirklich einen Begräbniswein mit diesem Namen? Ist ja irgendwie gruslig.


    Gemäss meinen Anmerkungen heisst der Wein so nach dem gleichnamigen Kloster am Vesuv und der Lacrima-Traube.
    Warum gruselig? Die Tränen Christi stehen doch im Zusammenhang mit der Erlösung.


    Zitat von "ikarus"

    Aber die Baronin von Berchtesgaden scheint zu ahnen, wer zusammen paßt und führt, am Ende des 15. Kapitels, die Hände entsprechend zusammen.


    Aller Symbolik zum Trotz habe ich das als "Zufall" abgebucht, der sich aus der Sitzordnung ergab!


    Diese Szene weist übrigens auch auf das Freiheitsmotiv hin, welches das Werk durchzieht.
    "Das ist ja wie Rütli".
    Auf Schillers Tell wird oft angespielt: Armgard und Hedwig sind Namen aus dem Tell, und in gewisser Weise auch Rudolf. Der Vierwaldstättersee wird genannt, und einmal sogar ausdrücklich die Schweiz als freies Land bezeichnet.


    Zitat von "Maria"

    auf 'Wörter' wird Nachdruck gelegt


    ...und auf Namen! Es wird auffallend häufig über Namen und ihre Bedeutung gesprochen!


    Zitat von "ikarus"

    Besser noch seine verschwiegenen."
    War das nicht eine Textilfabrik?


    Es gab (und gibt) eben auch gewissermassen verschwiegene Textilien... :zwinker:


    Zitat von "Steffi"

    Helmuth Nürnberger "Fontanes Welt" ... Sehr ausführlich !


    Oder etwas weniger ausführlich: Cord Beitmann: Theodor Fontane (dtv portrait)


    Melusine: Dieser Stoff hat eine lange literarische Tradition, zum Beispiel Ibsens "Frau vom Meer" (1888), die Fontane 1889 rezensiert hat.
    (Das wäre doch mal ein Leseprojekt, verschiedene Bearbeitungen des Stoffs zu vergleichen! Habe ich auf meine Liste gesetzt.)


    Liebe Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen !


    Maja schrieb:

    Zitat

    Diese Szene weist übrigens auch auf das Freiheitsmotiv hin


    Ja, das ist mir auch aufgefallen, jedoch die Namensgleichheit nicht.


    Ich habe mir nochmals Gedanken zu den letzten Kapiteln gemacht und versucht, die mir aufgefallenen Dinge zu strukturieren:


    13. Kapitel
    Armgard wird als friedliebend, ausgleichend und angepasst dargestellt. Sie treibt leichte Konversation und ist überhaupt mustergültig. Daneben steht die Kritik an der Obrigkeit: der misogyne (=frauenfeindliche) Prinz, Brandenburg als Mahner; auch Woldemar steht ganz auf der Seite der Toleranz !
    Mit Wroschowitz =Wagner ?, kommt die Kunst als weiteres Thema, auch Hinweise auf Skandinavien . Eine Kurzbiografie von Niels Gade findet ihr
    hier


    14. Kapitel
    Melusine steht für prophetisch, neugierig, mystisch; die Landschaft ist vom Nebel verschleiert und die Kirchen ragen heraus; später wird der Papst und der Katholizismus thematisiert (Baron von Berchtesgaden); die Kirche wird immer unwichtiger. Schließlich kommt noch das Volk zu Wort: Kutschergespräch (Robinson = sprechender Name, Hinweis auf Empire ?) und später Hedwigs Leidensgeschichte beschreiben den Alltag des 4. Standes - die Sozialisten und das Leben für andere "Jesum Christum erkennen" klingen an.


    15. Kapitel
    Woldemar hat keine Neugier, im Gegensatz zu Melusine will er den Dingen nicht auf den Grund gehen (Feuerwerk). Er fürchtet, bei zuviel Fantasie und Hoffnung könne man enttäuscht werden. Anhand von Pastor Lorenzen wird die Kirche nochmals thematisiert, Glaube, Liebe, Hoffung wären erstrebenswert, aber das Leben für die Nächstenliebe (der "Geistheiler" Joao de Deus) wird eher bestaunt.


    Besonders aufgefallen ist mir, dass diese Dienstbotenszene im 15. Kapitel wesentlich farbiger und deutlicher beschrieben schien als die Szenen der Herrschaft. Da war irgendwie das echte Leben greifbar, während die sonst sprechenden Presonen irgendwie eine bestimmte Funktion bzw. eher zum Transport der verschiedenen Themen dienen.


    Und das Eierhäuschen gibt es wirklich :zwinker:


    LG von Steffi


    :lesen: Ich komme zum 17. Kapitel.

  • Hallo zusammen,
    Hallo Maja


    Zitat von "Maja"


    Gemäss meinen Anmerkungen heisst der Wein so nach dem gleichnamigen Kloster am Vesuv und der Lacrima-Traube.
    Warum gruselig? Die Tränen Christi stehen doch im Zusammenhang mit der Erlösung.


    da geht meine Fantasie wohl mit mir durch. Süßer Wein, tief Rot, (dickflüssig in meiner Fantasie) = Symbol für Blut. Da würde ich mir beim Trinken des Weines nicht wohl fühlen. Ich würde weniger an Tränen als an Blut denken, obwohl es übersetzt 'Träne' heißt. Liegt rein an meiner Fantasie.

    Zitat

    Oder etwas weniger ausführlich: Cord Beitmann: Theodor Fontane (dtv portrait)


    ja, zu beiden Büchern. Ich habe nebenzu das dtv-Portrait zur Auffrischung gelesen, weil "Fontanes Welt" schon länger her ist und ich doch einiges vergessen habe. Da war das Fontane-Portrait genau richtig.


    In "Fontanes Welt" hat der Autor in meinen Augen gigantisches geleistet, wie er Gesellschaft, Umfeld, Politik, Fontanes Werk und Leben alles in Einklang bringt und zusammenfügt.


    Ich habe noch die Biographie von Wolfgang Hädecke: "Theodor Fontane" begonnen. Bin noch nicht sehr weit um es einzuordnen, denn ich merke, dass ich dadurch mit dem "Stechlin" hinter euch herhinke.


    Zitat


    Melusine: Dieser Stoff hat eine lange literarische Tradition, zum Beispiel Ibsens "Frau vom Meer" (1888), die Fontane 1889 rezensiert hat.
    (Das wäre doch mal ein Leseprojekt, verschiedene Bearbeitungen des Stoffs zu vergleichen! Habe ich auf meine Liste gesetzt.)


    das ist eine schöne Idee. Gute Idee. Ich habe das Buch "Undine und ihre Schwestern" hervorgeholt, eine kleine Sammlung von Melusinen-Märchen.


    zu euren Gedanken (Schweiz, Rütli usw.) muß ich noch darüber nachsinnen.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "JMaria"


    das ist eine schöne Idee. Gute Idee. Ich habe das Buch "Undine und ihre Schwestern" hervorgeholt, eine kleine Sammlung von Melusinen-Märchen.


    Hallo Stechlin-Leser,


    kurze Kommentare von interessierten Mitlesern/Mitleserinnen sind ja erlaubt. Gustav Schwab, ein Romantiker der schwäbischen Schule hat auch den Melusinenstoff verarbeitet:
    http://gutenberg.spiegel.de/sc…Druckversion_melusine.htm
    Maria hat ihn bestimmt in ihrer erwähnten Sammlung.
    In der Musik: Von F. Mendelssohn-Bartholdy gibt es eine sog. Konzertouvertüre "Die schöne Melusine".


    Viele Grüße,
    Gitta

  • Hallo zusammen,


    Hallo Gitta

    Zitat von "Gitta"

    kurze Kommentare von interessierten Mitlesern/Mitleserinnen sind ja erlaubt. Gustav Schwab, ein Romantiker der schwäbischen Schule hat auch den Melusinenstoff verarbeitet:
    http://gutenberg.spiegel.de/sc…Druckversion_melusine.htm
    Maria hat ihn bestimmt in ihrer erwähnten Sammlung.
    In der Musik: Von F. Mendelssohn-Bartholdy gibt es eine sog. Konzertouvertüre "Die schöne Melusine".


    Viele Grüße,
    Gitta


    danke für den schönen Tipp, "Die schöne Melusine von Gustav Schwab" ist nicht in meinem Buch enthalten. Ich werde mir das Märchen auf meinen Palm laden um es zu lesen :winken:


    In dem Buch "Undine und ihre Schwestern" von Wolfgang Mörig sind die Märchen enthalten:
    -Jacob und Wilhelm Grimm: Die Nixe im Teich
    -Eduard Mörike: Die schöne Lau
    -Friedrich de la Motte Fouque: Undine
    -Paul Heyse: Die Nixe
    -Theodor Storm: Die Regentrude


    Undine von Fouque habe ich auch als Hörbuch. Wunderschön gesprochen von Eva Mattes:


    http://www.amazon.de/exec/obid…_10_4/302-9422147-5264866


    Nach der Konzertouvertüre "Die schöne Melusine" von Mendelssohn-Bartholdy werde ich Ausschau halten. Auf die Schnelle habe ich bei Amazon nichts gefunden.


    Steffi, der Link zum Eierhäuschen hat mir geholfen das ganze mehr bildlich vorstellen zu lassen. Danke dir :-)


    Zitat von "Steffi"

    Maja schrieb:
    Zitat:
    Diese Szene weist übrigens auch auf das Freiheitsmotiv hin


    Ja, das ist mir auch aufgefallen, jedoch die Namensgleichheit nicht.


    Mich verwirrten die vielen Namen der Konservativen, die meisten beginnen mit K. Als ob Fontane das noch unterstreichen möchte:
    -Kluckhuhn
    -Rolf Krake
    -Koseleger
    -Krippenstapel
    -Katzler
    -Kortschädel (verstorben)
    -Lorensen beginnt zwar mit L, dafür hat er eine Haushälterin mit namens Kulicke


    Stechlin konnte somit garnicht gewinnen. :zwinker:


    auch einige Schlagworte mit K sind mir aufgefallen in dem Buch "Wahl in Rheinsberg-Wutz": Kreuzabnahme (das Rubensbild bei Lorensen), Kathedrale, Eisernes Kreuz, ein Bild von Knaus... irgendwie haben mich die Kapitel für das K sensibilisiert.


    Zitat von "Steffi"

    13. Kapitel
    Armgard wird als friedliebend, ausgleichend und angepasst dargestellt. Sie treibt leichte Konversation und ist überhaupt mustergültig. Daneben steht die Kritik an der Obrigkeit: der misogyne (=frauenfeindliche) Prinz, Brandenburg als Mahner; auch Woldemar steht ganz auf der Seite der Toleranz !
    Mit Wroschowitz =Wagner ?, kommt die Kunst als weiteres Thema, auch Hinweise auf Skandinavien . Eine Kurzbiografie von Niels Gade findet ihr
    hier


    Armgard finde ich sehr sympathisch.
    deine Erwähnung "Kunst" gibt mir zum Nachdenken, denn das ist mir nicht aufgefallen. Wie kommst du auf Wagner?


    Zitat von "Steffi"


    14. Kapitel
    Melusine steht für prophetisch, neugierig, mystisch; die Landschaft ist vom Nebel verschleiert und die Kirchen ragen heraus; später wird der Papst und der Katholizismus thematisiert (Baron von Berchtesgaden); die Kirche wird immer unwichtiger. Schließlich kommt noch das Volk zu Wort: Kutschergespräch (Robinson = sprechender Name, Hinweis auf Empire ?) und später Hedwigs Leidensgeschichte beschreiben den Alltag des 4. Standes - die Sozialisten und das Leben für andere "Jesum Christum erkennen" klingen an.


    wow - dein Beitrag bringen mir die Eierhäuschenkapitel näher, denn ich konnte mit den Gesprächen nicht soviel anfangen. Jetzt seh ich, dass Fontane das gesamte damalige Gesellschaftssystem bzw. Weltbild darin einbaute.


    Zitat von "Steffi"

    15. Kapitel
    Woldemar hat keine Neugier, im Gegensatz zu Melusine will er den Dingen nicht auf den Grund gehen (Feuerwerk). Er fürchtet, bei zuviel Fantasie und Hoffnung könne man enttäuscht werden. Anhand von Pastor Lorenzen wird die Kirche nochmals thematisiert, Glaube, Liebe, Hoffung wären erstrebenswert, aber das Leben für die Nächstenliebe (der "Geistheiler" Joao de Deus) wird eher bestaunt


    dass Woldemar wenig Neugierde aufbringt ist mir auch aufgefallen. Neben Melusine verblaßt er. Das Gespräch über den Geistheiler Joao de Deus hat mich etwas verwirrt und konnte es nicht so recht einordnen. Jetzt fällt es mir leichter.


    Zitat von "Maja"

    Das ist ja wie Rütli".
    Auf Schillers Tell wird oft angespielt: Armgard und Hedwig sind Namen aus dem Tell, und in gewisser Weise auch Rudolf. Der Vierwaldstättersee wird genannt, und einmal sogar ausdrücklich die Schweiz als freies Land bezeichnet.


    das wußte ich auch nicht. Tell habe ich noch nicht gelesen. Mir wäre viel entgangen ohne euch.


    Zitat von "Ikarus"

    Das ist bestimmt so. Heinrich Mann schrieb einmal: "Wer aber in Werken, Briefen, Gedichten Fontanes immer wiederkehrt, ist sein Altersgenosse Bismarck - er sieht ihn groß und klein, er weiß über ihn mehr als seither jemand wissen kann."
    Nur werde ich diese "Verstecke" kaum als solche erkennen können, da ich mich leider weder im Leben Fontanes noch Bismarcks auskenne. Über das Verhältnis dieser beiden zueinander nachzuforschen wäre sicher lohnend. Aber dazu werde ich wohl im laufe unserer Lesung nicht kommen. Vielleicht danach.
    (Momentan habe ich das "Problem", daß die Theatersaison wieder begonnen hat ich als leidenschaftlicher Theaterbesucher immer wieder mal ein Theaterstück als Vorbereitung auf einen Besuch dazwischenschieben muß, was den Lesefluß des Stechlin etwas hemmt.)


    Schön, dass auch die Familie Mann zu Wort kommt. Thomas Mann sagte über den Stechlin, dass das Werk "in artistischer Beziehung am weitesten über seine Epoche" hinausragt.


    Warum "artistisch" konnte ich nicht herausfinden.


    Ganz werden wir den Stechlin nicht beleuchten, aber das macht auch nichts. Ich finde, wir erkennen doch einiges darin.


    ikarus: viel Spaß im Theater. Welche Stücke sind bei dir eingeplant?


    Einen schönen 1. Advent wünscht
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,

    Zitat von "Maria"

    da geht meine Fantasie wohl mit mir durch.


    Lass sie nur, bei einem Werk mit sovielen (versteckten) Bezügen braucht es Fantasie!


    Zitat von "Maria"

    Mich verwirrten die vielen Namen der Konservativen, die meisten beginnen mit K.


    Das ist mir auch aufgefallen. In gewisser Weise könnte man auch Gundermann noch dazuzählen, ist nur ein halber K, intrigiert schliesslich auch.
    Die einzigen Sozialdemokraten, die wir namentlich kennenlernen, beginnen mit T:Torgelow und Tuxen. Liegt eigentlich näher bei Stechlin, und der Theodor könnte sich dahiner auch noch verstecken?!


    In den ganzen Wahlkapiteln fällt der ironische Ton auf, der Erzähler wird manchmal richtig zynisch.
    Vorgeführt wird nicht ein Wahlkampf, sondern dessen Folgenlosigkeit. Die Niederlage der Konservativen ist bei Wein und Geschichten schnell vergessen, da die Machtfrage sowieso unabhängig vom Wahlausgang entschieden wird: Die Regierung wurde ausschliesslich vom König oder Kaiser ernannt und abgesetzt, und obwohl die Parlamentsmehrheit ab 1887 demokratisch war, stellten die monarchistischen Parteien die Regierung.
    In einer Briefstelle bezeichnet Fontane den ganzen Wahlkrempel als Zeitverschwendung: Wenn hinter einer Volkswahl keine Volksmacht steht, ist alles Wurscht.
    Die damals gültige war also keine wirklich demokratische Verfassung.


    Zitat von "Steffi"

    Kutschergespräch (Robinson = sprechender Name, Hinweis auf Empire ?) und später Hedwigs Leidensgeschichte beschreiben den Alltag des 4. Standes


    Ich glaube, es geht hier auch um das Thema "alt - neu": Auf der einen Seite die Diener der alten Schule, wie auch Engelke und Jeserich, die ihrer Herrschaft verbunden sind und als Menschen wahrgenommen werden, und dagegen in der neuen Zeit rein funktionale soziale Verhältnisse, wo die menschliche Würde missachtet wird.


    Danke für die Melusinen-Tipps, die Liste ist nun schon recht lang!
    Und Thomas Manns Aufsatz über Fontane werde ich bei Gelegenheit aufzutreiben versuchen.


    Liebe Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen !


    JMaria schrieb:

    Zitat

    irgendwie haben mich die Kapitel für das K sensibilisiert.


    Wie Maja ist mir das auch aufgefallen - fällt wohl auch unter das Thema "Worte", ich fands richtig witzig :zwinker:


    Die Wahlkapitel fand ich auch reichlich desillusioniert - auf die Wahl und deren Ausgang kommt es gar nicht an, Hauptsache die Männer begehen einen vergnügten, patriotischen Tag. Danke, Maja, für deine zusätzliche Erläuterung, das wäre mir so nicht deutlich bewußt geworden.


    Das Thema "alt-neu" ist wirklich allgegenwärtig. Interessanterweise gibt aber Fontane bisher keine Wertung ab, ich habe eher den Eindruck, er sucht die Verbindung ? Dubslav ist aber auch immer distanziert - gerade in den Wahlkapiteln ist mir das aufgefallen; obwohl er doch die Hauptperson sein könnte, werden seine Motive/Gefühle nur unter dem Stichwort Patriotismus abgehandelt. Persönlich kommt er nicht zu Wort.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen


    Steffi und JMaria. Danke für Eure Biographien-Tips zu Fontane. Ich habe mir "Fontanes Welt" bestellt, denn ich hab´s schon gern ausführlich. Ich habe mir fest vorgenommen, das Buch nach dem Stechlin zu lesen.


    Zum Stechlin bin ich, wie befürchtet, letzte Woche nicht gekommen und diese Woche wird es wohl auch nichts werden. Laßt euch deshalb aber bloß nicht aufhalten, denn nächste Woche sieht´s bei mir zeitmäßig wieder etwas besser aus, da werde ich mich dann ranhalten um euch einzuholen.


    JMaria schrieb:

    Zitat

    ikarus: viel Spaß im Theater.


    Danke. Den hab´ ich so gut wie immer :smile:


    Zitat

    Welche Stücke sind bei dir eingeplant?


    Letzte Woche habe ich mir von Gerhart Hauptmann den "Biberpelz" angeschaut, nächstes Wochenende ist von Schiller der "Wilhelm Tell" an der Reihe, dann folgt eine Komödie von Johann Nestroy, "Häuptling Abendwind", und Anfang nächsten Jahres von Thomas Bernhard "Der Theatermacher".


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo ikarus !


    Eine schöne Theaterauswahl hast du da :smile: Hast du das alles in der Nähe oder fährst du zu verschiedenen Theatern ? Hier werden meistens so moderne, mir unbekannte Theaterstücke und -autoren gespielt, oft klingt das auch wenig niveauvoll - auf nackte Schauspieler und sinnloses Geplapper mit eingeplanten Lachern alle paar Minuten kann ich verzichten :sauer: . Und weiter weg zu fahren, ist momentan noch nicht drin. So richtig klassische Stücke finde ich toll. "Biberpelz" ist übrigens mein Lieblingsstück von Hauptmann und Thomas Bernhard würde ich auch zu gerne sehen. Bitte berichte dann, wie es dir gefallen hat !


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,

    Zitat von "ikarus"

    Letzte Woche habe ich mir von Gerhart Hauptmann den "Biberpelz" angeschaut, nächstes Wochenende ist von Schiller der "Wilhelm Tell" an der Reihe,


    Das passt ja beides zu Fontane! Oft wird vermutet, dass Fontane in Czako Hauptmann dargestellt habe, und in der Schmargendorf eine Parodie darauf gezeichnet habe, wie Hauptmann Lou Andreas-Salome hätte literarisch verwerten können (diese wohnte in Berlin-Schmargendorf).


    Jedenfalls viel Spass wünscht
    Maja

  • Hallo zusammen


    Maja schrieb:

    Zitat

    Oft wird vermutet, dass Fontane in Czako Hauptmann dargestellt habe, und in der Schmargendorf eine Parodie darauf gezeichnet habe, wie Hauptmann Lou Andreas-Salome hätte literarisch verwerten können (diese wohnte in Berlin-Schmargendorf).


    Das war mir nicht bekannt. Danke für die Info. Der arme Gerhart Hauptmann diente scheinbar öfter als literarische Anregung. Thomas Mann hat ihn ja auch im "Zauberberg" zum Vorbild des Mijnher Peeperkorn hergenommen, worüber sich Hauptmann sehr erbost hat.


    Steffi schrieb:

    Zitat

    Hast du das alles in der Nähe oder fährst du zu verschiedenen Theatern ?


    Ich habe glücklicherweise zwei Theater in unmittelbarer Nähe. Eines in Würzburg und eines in Schweinfurt. Zu beiden habe ich weniger als eine halbe Stunde zu fahren. Weiter weg sind die Theater in Nürnberg und Meiningen. Dort müssen aber schon besondere Stücke gespielt werden, damit ich so eine lange Fahrt auf mich nehme.


    Zitat

    So richtig klassische Stücke finde ich toll.


    So geht´s mir auch und die Theaterprogramme kommen mir da sehr entgegen. Nackte auf der Bühne habe ich das letzte Mal vor 10 Jahren gesehen. Das Würzburger Theater z. B. steckt in großen finanziellen Schwierigkeiten, verbietet sich somit gewagte Experimente von selbst und setzt fast ausschließlich auf Klassiker. Das Meininger Theater steht seit ein paar Jahren unter der Leitung eines neuen Intendanten, der sehr moderne Stücke inszeniert, bzw. Klassiker fast bis zur Unkenntlickeit verfremdet. Diese Saison kam dann die Quittung: 1200(!) Abonnementkündigungen stehen 70 Neueintragungen gegenüber. So gehts.


    Zitat

    "Biberpelz" ist übrigens mein Lieblingsstück von Hauptmann


    Mit Sicherheit auch sein meistgespieltes Stück und neben Kleists "Der zerbrochene Krug" eine der wenigen gelungenen deutschen Komödien.


    Auf Thomas Bernhard bin ich auch sehr gespannt, da ich bis jetzt weder einen Roman noch ein Stück von ihm kenne.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Guten Abend allerseits,


    bin zufällig in Eure Gesprächsrunde gestoßen und mußte mich spontan anmelden, um Euch mein uneingeschränktes Lob mitzuteilen. Hochinteressante Beiträge zu einem großartigen Buch.


    Der Meister läßt zwar Woldemar am Eierhäuschen (wohin übrigens auch Frau Treibels Sohn Leopold seine Ausritte lenkte) sagen "Jedes Zusammensein braucht einen Schweiger.", aber vielleicht schaffe ich es in Zukunft doch mal, ab und zu einen kleinen Beitrag zu verfassen. Ob wohl auch ein Plauderer wie der alte Stechlin von den kommunikativen Möglichkeiten eines solchen Forums begeistert wäre? Säße mit seinem Laptop an seinem See und plauderte mit der Welt draußen.


    Weiterhin fröhliches Lesen