November 2004: Theodor Fontane - Der Stechlin

  • Hallo Maja !


    Zitat

    Kapitel 27:Warum ist Melusine am Schluss so unruhig??


    Über das habe ich mich auch gewundert. Nach deiner Frage habe ich das Kapitel nochmals überflogen und darüber nachgedacht. Also hier mal ein Versuch:


    Mit kommt es so vor, dass Melusine ihr "melusinenhaftes" Wesen als eine Art Schutz benutzt; sie bietet Armgard das Himmelbett an, weil diese bald heiratet - für Melusine gibt es kein Himmelbett, keine Liebe ? mehr. Sie hat nur noch dieses Phantastische genauso wie Adelheid ihren Standesdünkel und die Religion, sie fürchtet, genauso einseitig zu werden - die Phantasie allein reicht nicht aus, um das vollkommene Glück zu finden, nach dem sich vielleicht auch Melusine ein bißchen sehnt.


    Gruß von Steffi

  • Hallo,


    tja, was beunruhigt die sonst so unerschrockene Melusine in Kapitel 27? Vielleicht spielt sie ihrer Schwester nur etwas vor, damit Armgard mal Verantwortung für sie übernehmen kann und sich selbst dadurch besser fühlt, während doch sonst eher ihre ältere Schwester die ersten Sympathien einheimst.
    Vielleicht erblickte sie in Adelheid ihre eigene dunkle Zukunft. Nur noch Tante sein, keine eigene unmittelbare Nachkommenschaft. Da wirkt das Himmelbett noch niederschmetternder. Später findet sie ja ihren Humor zurück und spekuliert über eine Hochzeit mit dem alten Stechlin. Das wäre nun mal eine Sensation geworden!
    Oder hat die Nixe Angst vor der Erdenschwere und Düsternis einer Domina, die ihr von "Schnecken angeknabberte" Erdbeeren reicht?


    Wer noch mal einen Blick auf Pastor Lorenzens Jenny Lind aus Kap. 29 werfen möchte (hat durchaus Geschmack): http://www.dhm.de/ausstellunge…rwandtschaft/3katalog.htm


    Und nun rückt also das traurige Ende näher. Ein tröstend zur Seite stehender
    Holk

  • Hallo zusammen !


    Danke, Holkenäs, für den link - sehr hübsch, die Jenny. Und was sagt uns das über Lorenzen :zwinker:


    Ich bin gestern noch fertig geworden. Stechlins Tod war weniger ergreifend als ich dachte, nur das seine Familie fehlte, das war etwas seltsam. Ich verstehe nicht ganz, was Fontane damit bezweckte ? Auch habe ich sonst noch so allerhand Gedanken, die ich erst noch in Worte fassen muss. Am Ende hatte ich das Gefühl, ich muss so manches nochmals nachblättern. Deshalb Anfang nächster Woche mehr dazu !


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    ich habe den "Stechlin" heute beendet.
    2 Gefühle stellen sich bei mir ein: Traurigkeit und Zufriedenheit.


    Traurigkeit weil der "Alte" starb, aber Zufriedenheit weil Fontane es uns so natürlich vermittelt.
    Wehmut - beim Gedanken, dass Fontane ähnlich beim Schreiben empfand, vielleicht dachte er beim Schreiben der Totenrede von Lorenzen, an sein Begräbnis? Bestimmt.


    Mir fiel noch auf, dass der Roman folgende Themen innehatte und wir schon öfters erwähnten: Altes und Neues.
    Das fiel mir ab der Hochzeit und der Hochzeitsreise besonders auf, weil nun das Alte und das Neue parallel erzählt wurde, zeitgleich.


    ein weiteres Thema war "Revolution", aber so eine angenehme stille, gewaltlose Revolution, weil es in den Gesprächen eingebaut war, dass mich das (so verrückt es klingt) an Mahatma Ghandi erinnert.


    Noch ein Gedanke:
    Melusine spricht:
    Alles Alte, soweit es Anspruch darauf hat, sollen wir lieben, aber für das Neue sollen wir recht eigentlich leben.


    Ich glaube, in diesen Satz finden wir alles zusammengefaßt, was der Stechlin uns mitteilen möchte.


    Fontane hat mit diesem letzten Werk uns ein Vermächtnis hinterlassen - und nun merke ich, dass ich doch mehr ergriffen bin, als ich dachte.


    deswegen noch ein heiterer Gedanke:
    war es nicht herrlich wie Dubslav seine Schwester Adelheid durch seine Intrige wieder vom Hals schaffte, indem er die kleine Agnes ins Haus brachte. *G*


    Holk:
    Danke für den Link. :winken:


    Maja: "Kapitel 27:Warum ist Melusine am Schluss so unruhig?? "


    vielleicht wegen Spukgeschichten? auch Rex und Czako befürchteten Spuk, als sie in diesen Gemächern übernachteten.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Maria"

    war es nicht herrlich wie Dubslav seine Schwester Adelheid durch seine Intrige wieder vom Hals schaffte, indem er die kleine Agnes ins Haus brachte. G*


    Habt Ihr realisiert, dass Agnes Woldemars Tochter sein muss? So gesehen leben die Stechline weiter, nur eben in einem anderen Stand.


    Zitat von "Steffi"

    Am Ende hatte ich das Gefühl, ich muss so manches nochmals nachblättern. Deshalb Anfang nächster Woche mehr dazu !


    So geht es mir auch!


    Zitat von "Holk"

    tja, was beunruhigt die sonst so unerschrockene Melusine in Kapitel 27? Vielleicht spielt sie ihrer Schwester nur etwas vor, damit Armgard mal Verantwortung für sie übernehmen kann und sich selbst dadurch besser fühlt, während doch sonst eher ihre ältere Schwester die ersten Sympathien einheimst.


    Leuchtet mir jetzt nicht besonders ein, sorry.
    Ich habe unterdessen eher das Gefühl, dass es mit ihrem eigenen, noch unverarbeiteten Eheerlebnis zu tun hat. Wahrscheinlich hat sie gewisse Verletzungen verdrängt, und diese melden sich nun aus dem Unterbewusstsein zurück.


    Ausserdem habe ich noch eine Interpretation gelesen, die ich Euch nicht vorenthalten möchte: Es geht um die Frage, warum Woldemar am Anfang Stechlin und seine Tante besucht, und warum mit Rex und Czako (über deren Funktion haben wir ja auch nachgedacht!) Erklärung: Da er sich zu verloben beabsichtigt, will er herausfinden, wie seine Umgebung und Familie auf die vornehme Familie seiner Braut wirken könnte. Er macht einen Besuch mit seinen vornehmen Freunden als "Testpersonen". Stechlin besteht die Probe, deshalb gibt es dann einen Wiederholungsbesuch mit den Schwestern, aber er sieht, dass er ihnen das Kloster Wutz nicht zumuten kann.
    Wie findet ihr das?
    Sein Besuch auf dem Ritt nach Wutz gelte übrigens nicht Ermyntrud Katzler, sondern der alten Buschen, Grossmutter seines Kindes, um sie von der Verlobung zu unterrichten...


    Nachdenkliche und zurückblätternde Grüsse,
    Maja

  • Zitat von "Maja"

    Ich habe unterdessen eher das Gefühl, dass es mit ihrem eigenen, noch unverarbeiteten Eheerlebnis zu tun hat. Wahrscheinlich hat sie gewisse Verletzungen verdrängt, und diese melden sich nun aus dem Unterbewusstsein zurück.


    Hallo zusammen,
    Hallo Maja


    [unverarbeitetes Eheerlebnis]
    spielt ganz sicher eine Rolle, zeigt auch die Szene auf dem Bahnhof, als Woldemar und Armgard mit dem Zug abfuhren und Melusine der Gräfin Berchtesgaden erzählt, dass es gut sei, dass die Beiden das Abteil nicht für sich alleine haben. Da schwingt eine Menge mit....


    Zitat von "Holk"

    Vielleicht spielt sie ihrer Schwester nur etwas vor, damit Armgard mal Verantwortung für sie übernehmen kann und sich selbst dadurch besser fühlt, während doch sonst eher ihre ältere Schwester die ersten Sympathien einheimst.


    ich glaube nicht, dass Melusine der Armgard etwas vorspielt, aber ganz von der Hand ist es nicht zu weisen, dass Melusine nicht nur Armgards' Schwester sondern auch Erzieherin war. Sie hält schon ihre Hand über ihr 'Kind'. Das geht auch aus dem Gespräch mit Lorenzen hervor.


    Beide Erzieher treffen sich. (Woldemar bringt Melusine sogar zu Lorensen) und beide sprechen über das Paar. Interessant, denn eigentlich sollten ja die beiden Väter solch ein Gespräch führen.


    Zitat von "Maja"

    Sein Besuch auf dem Ritt nach Wutz gelte übrigens nicht Ermyntrud Katzler, sondern der alten Buschen, Grossmutter seines Kindes, um sie von der Verlobung zu unterrichten..


    jetzt bin ich total überrascht. Ich muß nochmals zurückblättern und die Ankunft der 3 Burschen und deren Tag durchlesen.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen !


    Maja schrieb:


    Zitat

    Habt Ihr realisiert, dass Agnes Woldemars Tochter sein muss?

    Wieso Woldemar ?? Zumindest Adelheid vermutet, dass der alte Stechlin der Vater ist, der dies nicht unbedngt bestreitet. Gibt es eine Textstelle, die Woldemar mit Agnes in Zusammenhang bringt ?


    Zitat

    Sein Besuch auf dem Ritt nach Wutz gelte übrigens nicht Ermyntrud Katzler, sondern der alten Buschen, Grossmutter seines Kindes, um sie von der Verlobung zu unterrichten...


    Das muss aber dann beim zweiten Besuch gewesen sein *grübel*("Weihnachtsreise"), denn erst nachdem Armgard sich zur Nächstenliebe bekennt, indem sie Elisabeth von Thüringen wählt, ist es eindeutig, dass sie die Auserwählte ist.


    Zitat

    warum Woldemar am Anfang Stechlin und seine Tante besucht,

    Ich finde diese Interpratation zwar einen netten Erklärungsversuch, aber das bringt mich im Verständnis absolut nicht weiter. Nicht "was bezweckte Woldemar" ist doch die Frage sondern "was bezweckte Fontane" !! Aus Fontanes Sicht sehe ich das als eine gelungene Einführung der handelnden Personen und deren persönlichen Verhältnisse.
    Gibt es Hinweise im Text auf diese Interpretation ?


    Wie versprochen noch ein kleiner Rückblick auf den Stechlin:


    Am Ende überwog bei mir das Gefühl, dass alles gesagt wurde, was wichtig war, das Leben geht weiter, was ja, wie Maria bereits geschrieben hat, durch die Abkopplung des Erzählstrangs auch deutlich wird (danke, wäre mir so nicht aufgefallen). Aber es bleiben Zweifel Stechlins, Zweifel ob er durch sein Leben den anderen Menschen etwas mitgegeben hat, ich denke, auch Fontane könnte solche Zweifel gehabt haben; es bleiben auch Sorgen, ob Woldemar und Armgard diese gelebte Form der Nächstenliebe weiterführen können und es schaffen, das Alte mit dem Neuen oder die Außenwelt mit der Heimat zu verknüpfen. Auch darauf könnte die Abnabelung (des Erzählstrangs) hindeuten.


    Dass Woldemar und Armgard schließlich nach Stechlin zurückkehren stimmt mich nicht wirklich zuversichtlich - daher bleibt eine gewisse Wehmut. Auch im Hinblick auf den darauffolgenden ersten Weltkrieg, dessen Generation die beiden ja sind.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Steffi"

    Gibt es eine Textstelle, die Woldemar mit Agnes in Zusammenhang bringt ?


    Ja, ich bin Euch da noch eine Begründung schuldig. Erklärt wurde das so:
    Zunächst mal stoffgeschichtlich: Das Verhältnis Woldemars zu den Schwestern Barby ähnelt Schillers Verhältnis zu den Schwestern Lengefeld, von denen er die jüngere, Charlotte, heiratete. Die ältere, Karoline, war verheiratet, verbrachte aber viel Zeit mit Schiller und ihrer Schwester. Diese Episode kannte zu Fontanes Zeit jeder literarisch Interessierte, und die Charaktere der Schwestern entsprechen Armgard und Melusine annähernd.
    Und so ist es anzunehmen, dass eine Kar(o)line, die gleichsam aus den Kulissen hervorguckt, doch mehr ist, als eine unbedeutende Nebenfigur.
    Dann ist der Stechlin ein Zeitroman, und es war zu der Zeit üblich, dass (v.a. junge) Offiziere Mätressen hatten. Warum sollte Woldemar bis 32 wie ein Mönch gelebt haben? Warum lebt Karline in Berlin glücklich? Der Unterschied zwischen Woldemar und anderen Offizieren ist wohl, dass er ihr treu ist, darin besteht seine "Moralität".
    Dadurch ergibt sich eine nicht undramatische Woldemar-Handlung: Er muss eine zehnjährige Beziehung auflösen, um standesgemäss zu heiraten. Das liegt ihm auf der Seele: "Mich beschäftigen diese Dinge", antwortet er auf die Heiratsfrage seines Vaters.

    Zitat

    Zumindest Adelheid vermutet, dass der alte Stechlin der Vater ist, der dies nicht unbedingt bestreitet.


    Dann wäre es recht zynisch, wie er sich im 23. Kap. nach dem Kind erkundigt, was sonst nicht seinem Wesen entspricht. Ausserdem erinnern ihn Agnes' Haare an seine Frau.
    Ich finde, man liest vor diesem Hintergrund manches anders. Zum Beispiel die diplomatische Absage am Schluss, als Armgard für Agnes sorgen will.


    Herzliche Grüsse,
    Maja


    Übrigens bin ich noch mal über die Lacrimae Christi gestolpert: Die wachsen ja am Vesuv, und auf der Hochzeitsreise sehen Woldemar und Armgard den Vesuv (fast zeitgleich mit Dubslavs Tod?). Auch hier spannt sich wieder ein grosser Bogen über das Ganze, ein "Zusammenhang aller Dinge".

  • Hallo,


    war wirklich eine Freude, den "Stechlin" nach längerer Zeit mit euch noch mal genauer anzusehen. Allein liest man über so vieles so schnell hinweg, um sich gleich dem nächsten Buch zuzuwenden. So war es eine angenehme Erfahrung, vielleicht wiederholbar bei anderen Büchern (oder gar bei einem weiteren Fontane)? Würde dann auch "richtig lesen", von Anfang an, und nicht nur blättern. :winken:


    Frohe Weihnachten
    Holk

  • Hallo !



    Maja, danke für deine Erläuterungen. Klingt sehr interessant aber es bleibt leider für mich eine (plausible) Vermutung. Ich versuche, immer so nah am Text zu bleiben, wie es geht und daraus geht nichts eindeutiges hervor.
    Sicher wäre es aber spannend, den Text nochmals mit diesem Hintergrund zu lesen.


    Holkenäs schrieb:

    Zitat

    So war es eine angenehme Erfahrung, vielleicht wiederholbar bei anderen Büchern (oder gar bei einem weiteren Fontane)?


    Lieber Holk, ich würde mich freuen, wenn wir bald einmal ein Buch gemeinsam lesen könnten. So wie ich die anderen Forumsteilnehmer einschätze :zwinker: wird auch ein weiterer Fontane nicht allzulange auf sich warten lassen. Welche Autoren gefallen dir noch ?


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi,


    was ich gerne lese? Schon vor allem das, was man die deutschen Klassiker nennt. Momentan wälze ich mich ganz gemütlich durch Manns Joseph-Tetralogie. Das ist ein Stoff, der langsam trunken macht. Dann natürlich Goethe und Schiller, Kleist, Storm und Remarque (der leider ziemlich ignoriert und auf ein Buch reduziert wird). Fontane liegt ganz weit vorn, Brods Kafka-Biographie hat mich begeistert (z.B. seine Schilderung des Zimmereintritts des schüchternen Kafkas, der meint, die darin befindlichen Personen zu stören, und sagt: "Betrachten Sie mich als einen Traum." Fast so wie Borges, der über seinen Vater schreibt: "Er war so ein bescheidener Mann, dass er am liebsten unsichtbar gewesen wäre.") Büchners "Leonce und Lena" und Wilhelm Busch bringen mich zum Lachen (übrigens bin ich in dieser Hinsicht froh, dass Harald Schmidt heute wiederkommt und ich noch einen Fernseher habe :klatschen: ).


    Es ist also eigentlich kein Klassiker vor mir sicher, auch nicht Shakespeare oder Cervantes. :zwinker:


    Und deshalb ist ein solches Forum auch eine große Freude. Wem schenkst du denn deine Sympathien?


    Liebe Grüße
    Holk

    "Federbälle!"

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo zusammen,


    ich habe eure Aspekte zu dem unehelichen Kind nochmals durchgelesen, auch die Passagen im Buch. Der Gedanke an sich, dass Woldemar der Vater der kleinen Agnes sein könnte, finde ich schon irgendwie faszinierend, jedoch schon etwas weit hervor geholt(?)


    Ich will es nicht von der Hand weisen, gewiß nicht und ich glaube im "Stechlin" ist auch heute noch nicht alles definiert, wie es sich Fontane insgeheim ausdachte. Fontane hat das Versteckspiel schon immer geliebt.


    ich neige zu der Erklärung von xlibris, dort heißt es auszugsweise über Agnes:

    Daß der alte Stechlin ausgerechnet dieses Kind kommen läßt, als er spürt, daß es mit ihm zu Ende geht, hat eine Bedeutung, die über die rein strategische Absicht, Adelheid zu vertreiben, hinausgeht. Es ist ein uneheliches Kind aus der Unterschicht der Gesellschaft, und damit sicherlich kein Umgang für einen standesbewußten Adligen, der auf sich hält. Kurz vor seinem Tod scheint der alte Stechlin also die gesellschaftlichen Schranken endgültig überwunden zu haben; das Zusammensein des adligen Alten, dessen Zeit vorbei ist, und des rotbestrumpften Unterschichtkindes, dessen Zeit noch kommen wird, wird zum Sinnbild des Wandels der Gesellschaft.
    Quelle


    abschließend möchte ich mich noch für die schöne Leserunde bedanken :winken:
    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen


    Ich bin nun endlich auch mit dem Roman fertig geworden.


    Maja: Danke für Deine Verweise auf Schiller. Das ist sehr interessant und wäre mir nicht aufgefallen. Die Namensgleichheit mit einigen Figuren aus dem „Wilhelm Tell“ und gegen Schluß wird auch mal Franz Moor erwähnt. Auch dass Agnes Woldemars Tochter ist, hast Du sehr plausibel geschildert. Aber der heutige Leser wird diesen Zusammenhang ohne den stoffgeschichtlichen Hintergrund zu kennen kaum herstellen können. Ich wäre auch nie darauf gekommen, sondern hätte eher, mit Adelheid, Dubslav als Vater vermutet. So gesehen kam dieser Roman für mich ein Jahr zu früh, denn nach Ende des bevorstehenden Schillerjahres weiß ich über Schillers Leben und Werk sicher besser Bescheid.


    Ich hatte ja Schillers „Wilhelm Tell“ dazwischen geschoben und habe dort eine passende Szene zum Stechlin gefunden: Da sagt der alte Attinghausen zu seinem Neffen:


    „Das Neue dringt herein mit Macht,
    Das Alte, das Würdige scheidet, andre Zeiten kommen,
    Es lebt ein andersdenkendes Geschlecht!
    Was tu ich hier? Sie sind begraben alle,
    Mit denen ich gewaltet und gelebt.
    Unter der Erde schon liegt meine Zeit,
    Wohl dem, der mit der neuen nicht mehr braucht zu leben!“


    Ob Fontane vielleicht daran gedacht hat?
    In Dubslavs Haltung habe ich diese Ansicht weniger gefunden, dachte mir aber, dass es vielleicht Fontanes Ansicht gewesen sein könnte. Ihm war beim Schreiben des Stechlin ja schon bewusst, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Aber da weiß ich über Fontane zu wenig.


    Faszinierend fand ich die Gegenüberstellung der Gegensätze in den Figuren und zwischen Alt und Neu. Besonders deshalb, weil Fontane keine Partei ergreift. Das Neue löst das Alte ab. Es ist nicht besser oder schlechter, nur anders. Auch die gegensätzlichen Haltungen der Figuren prallen nie so richtig heftig aufeinander. Das verhindert Fontanes Humor. Jede Lebenseinstellung ist gleichberechtigt und hat ihren Platz.


    Ich glaube kaum, dass ich jemals einen schwereloseren Roman gelesen habe als diesen Stechlin. Auch wenn ich mich durch meinen permanenten Leserückstand nicht in dem maße mit Beiträgen beteiligen konnte, wie ich es mir gewünscht hätte, so hat mir das Buch doch großen Spaß gemacht. Und ohne Eure Beiträge wäre mir vieles nicht aufgefallen. Danke dafür.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen,
    ich hoffe, dass Ihr schöne Weihnachten verlebt habt. Bei mir war berufsbedingt wenig Zeit, mich mit Lesen zu beschäftigen. Ich habe Eure Eintragungen hier mitverfolgt und hoffe, jetzt in der Ruhe nach dem Sturm die restlichen Kapitel zu lesen.


    Gruß
    Erika


    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • Zitat von "Steffi"

    Hallo zusammen !


    Maria schrieb:


    Im Gespräch zwischen Melusine und Lorenzen sehe ich Fontanes Blick auf eine neue Epoche, das Zeitalter der Erfinder und Entdecker statt der Helden. Hingabe und Leidenschaft wird abgelöst durch Wissenschaft und kühle Berechnung - dieses Thema wird auch sehr ausführlich im Abschnitt Sonnenuntergang, Kapitel 36 - 38 behandelt: Stechlin traut dem Neuen nicht, er wendet sich lieber wieder der alten Medizin zu, die für ihn mehr im Einklang des Menschen steht. Überhaupt sehnt er sich stark nach dem Menschlichen, plötzlich sieht er überall Berechnung und eine gewisse Kälte.


    Hallo zusammen,
    Hallo Steffi
    der Fortschritt:
    Fontane nennt James Watt und Siemens, ohne zu wissen was die alles in Gang gesetzt haben....


    dass Fontane bzw. der alte Stechlin dem Neuen nicht so recht traut, kann man meines Erachtens schon als Prophezeiung erachten, denn die Generation um Woldemar ging ja sozusagen im 1. Weltkrieg zugrunde. Sehr traurig.


    Zitat


    Im Abschnitt Hochzeit wurde für mich nochmal die Beziehung Preußen zu der Außenwelt deutlich; England, Frankreich, Bayern (Weihenstephan), die nordischen Länder werden in Bezug auf Kunst und Kultur thematisiert. Am Ende steht im Kapitel 35 wieder die Politik: die alten und neuen Kaiser, das Junkertum, die Freiheit als Ideal, dem Stechlin und wohl auch Barby immer noch nachtrauern - wohl auch ein Hinweis auf Fontanes jugendliche Begeisterung von der Revolution.


    schön zusammen gefaßt, danke.


    Zitat von "Ikarus"

    Ich hatte ja Schillers „Wilhelm Tell“ dazwischen geschoben und habe dort eine passende Szene zum Stechlin gefunden: Da sagt der alte Attinghausen zu seinem Neffen:
    ......
    Ob Fontane vielleicht daran gedacht hat?


    das war ein sehr passender Textauszug aus "Wilhelm Tell", danke Ikarus. Nächstes Jahr (wie nah es bereits ist) werde ich es mir auch vornehmen.


    Gedanklich läßt mich der Stechlin noch nicht los.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen !


    Gerade habe ich mir nochmal eure abschließenden (?) Gedanken zum Stechlin durchgelesen. Dabei fiel mir auf, dass mir der Roman immer noch deutlich vor Augen steht :smile:


    ikarus schrieb:

    Zitat

    Ich glaube kaum, dass ich jemals einen schwereloseren Roman gelesen habe als diesen Stechlin.


    Wie immer hast du genau meine Gedanken getroffen, allerdings hätte ich sie niemals so gut ausdrücken können, danke !


    Holkenäs schrieb:

    Zitat

    Momentan wälze ich mich ganz gemütlich durch Manns Joseph-Tetralogie.


    Ach was ! Ich beginne in den nächsten Wochen mit dem dritten Teil, nachdem ich seit Sommer die ersten zwei Teile gelesen habe :winken:
    Ich bin sicher, wir treffen uns bei der einen oder anderen Leserunde wieder. Ich würde mich freuen :klatschen:


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi,


    das mit dem Joseph ist ja toller Parallelflug. Wie gefällt es dir bisher? Mein Lieblingskapitel ist bisher das vom "Teppichlieger und Süßigkeitenschlecker" Sichem. Köstliche Schilderung.
    Eine ähnliche, vielleicht schon abgeschlossene Leserunde gibt es aber zu diesem Werk nicht, oder?


    Guten Rutsch
    Holk

  • Hallo Steffi
    Hallo Holk


    ich wünsche euch noch viel Freude mit der Joseph-Saga. Steffi hat bereits den alten Thread herausgesucht. Hinzufügen möchte ich noch den Beginn des gemeinsamen Lesens, das noch im alten Forum begann.


    Deswegen ist der Thread auch sehr zerrissen.


    Hier findet sich mit etwas scrollen, die alten Links zur Joseph-Saga:


    http://www.klassikerforum.de/forum/viewtopic.php?t=777


    bis dann
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • noch ein paar wenige Verse von Fontane über Kloster und See bei Lindow, dem "Wutz" des Stechlin:


    Wie seh ich, Klostersee, dich gern!
    Die alten Eichen stehn von fern,
    Und flüstern, nickend, mit den Wellen.


    Und Gräberreihen auf und ab;
    Des Sommerabends süße Ruh
    Umschwebt die halbzerfallnen Grüfte.


    -----------


    ich habe heute in einem Gedichtband von Theodor Fontane gelesen und diese Zeilen entdeckt.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)