Adalbert Stifter

  • Hallo Leute,


    ich überlege mir gerade etwas von Adalbert Stifter zu lesen.
    Kann mir jemand etwas spezielles für den Einstieg empfehlen ?
    Eher eine Erzählungsammlung (z.B. "Bunte Steine" oder "Studien") oder doch ein Roman ?


    Hauptsächlich wird Stifter eher als Klassiker beschrieben, der "Nachsommer" z.B. als Bildungsroman mit Goethes Wilhelm Meister verglichen. Andererseits habe ich schon gehört, dass man Stifter auch als Realisten bezeichnet.
    Wie würdet Ihr ihn einstufen ?
    Für wie bedeutsam (im Vergleich mit anderen deutschsprachigen Autoren) haltet Ihr ihn ?


    Danke für die Tipps,
    Zola

  • Hallo zusammen!
    Hallo Zola!


    Zitat von "Zola"

    ich überlege mir gerade etwas von Adalbert Stifter zu lesen.
    Kann mir jemand etwas spezielles für den Einstieg empfehlen ?
    Eher eine Erzählungsammlung (z.B. "Bunte Steine" oder "Studien") oder doch ein Roman ?


    So oder so: Der Stifter-Leser benötigt einen langen Atem und es sollte ihm nichts ausmachen, dass 'Action' ein Stifter unbekanntes Wort ist. Persönlich liebe ich seinen Nachsommer sehr und lese ihn alle 2-5 Jahre wieder. Epochenmässig ist Stifter natürlich Realist; als vorbildlicher Autor seiner Zeit kann man ihn halt auch als Klassiker bezeichnen. Wie bedeutsam? Einer der ganz grossen deutschsprachigen Realisten. Gehört in die Riege der Keller oder Gotthelf. Bitte nicht mit Fontane vergleichen - die beiden spielen nicht dasselbe Spiel ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,


    vielen Dank für Deine Antwort.
    In meinem obigen Beitrag habe ich einen Fehler gemacht, ich meinte "Klassik" und nicht "Klassiker".
    Dass der Nachsommer etwas handlungsarm ist, habe ich schon gehört. Er ist dann in der Hinsicht wohl mit dem "Grünen Heinrich" vergleichbar, denke ich (an den habe ich mich auch noch nicht getraut) ?

  • Hallo zusammen!
    Hallo Zola!


    Zitat von "Zola"

    Dass der Nachsommer etwas handlungsarm ist, habe ich schon gehört. Er ist dann in der Hinsicht wohl mit dem "Grünen Heinrich" vergleichbar, denke ich (an den habe ich mich auch noch nicht getraut) ?


    Meiner persönlichen Meinung nach ist Der grüne Heinrich (v.a. in der ersten Fassung, aber auch noch in der zweiten) verglichen mit dem Nachsommer nachgerade mit 'Action' vollgepackt. Nein, es fällt mir wirklich kein anderer Roman (und schon gar nicht von dieser Länge!) ein, in dem so 'wenig' passiert wie im Nachsommer ... Am ehesten noch die Rahmenerzählung im Sinngedicht, aber die ist ja auch 'nur' eine Rahmenerzählung.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,


    nochmals danke für die Antwort ;-)
    Der Nachsommer wird dann als Anfang nichts für mich sein, es ist besser, wenn ich den Stil zuerst mit Erzählungen kennenlerne.
    bekannt sind ja "Bunte Steine" und die "Studien". Falls Du diese ebenfalls kennen solltest, was würdest Du mir für den Einstieg empfehlen ?


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo zusammen!
    Hallo Zola!


    Ich gebe äusserst ungern und eigentlich nur aus Versehen Empfehlungen. Literatur wirkt so ungeheuer verschieden auf jeden ...


    Ich persönlich z.B. liebe bei Stifter eigentlich wirklich nur dessen Nachsommer. Schon den Witiko habe ich erst im dritten Anlauf geschafft, aber vielleicht lese ich ihn wirklich mal wieder. Von seinen Novellen gefielen mir am besten Brigitta und Die Narrenburg; da ist es allerdings Jahre her, dass ich die zuletzt gelesen habe ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo,


    hier kann ich mir den Hinweis auf Arno Schmidt und sein "Der sanfte Unmensch. Einhundert Jahre Nachsommer" nicht verkneifen. Die Lektüre des "Nachsommers" war für mich eine einzige Qual, ein paar Erzählungen kann man ja noch am Kopf haben, aber "Witiko" habe ich mir erst gar nicht angeschafft. Daß er ein so großartiger Stilist sein soll, halte ich ja auch für ein Gerücht. Siehe dazu Old Arno.


    Mecki

  • Hallo zusammen!


    Stifter ist kein Autor für jedermann bzw. -frau. Das ist kein Werturteil, sondern eine Tatsache.


    Was Arno Schmdt betrifft, so halte ich nach wie vor an meiner Meinung fest, dass man dort hellhörig werden sollte, wo er Kritik übt. Denn die übt er nur an den besten. Sein Lob verteilt er meist an zweit- und drittklassige Autoren. Ob das echte Überzeugung war, oder nur sein permanent tätiger Widerspruchs- und Provokationsgeist, wage ich nicht zu entscheiden.


    Was Stifters Stil betrifft, so hat immerhin einer der grössten Stilisten der deutschen Sprache den Nachsommer zu seinen Lieblingsbüchern gezählt: Nietzsche.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo,


    nochmals danke für die Antworten.
    Ich habe gerade zufällig gelesen, dass heute Stifters 199. Geburtstag ist. Herzlichen Glückwunsch :-)


    Ich suche mir mal ein paar Erzählungen raus, wenn ich sie gelesen habe, kann ich ja ein paar Zeilen in diesem Thread dazu schreiben.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Zitat von "Mecki"

    Die Lektüre des "Nachsommers" war für mich eine einzige Qual,


    Ja, so ist das! Was dem Einen sin Uhl...Bei meinen Vorliebe für "Längen" habe ich mich inzwischen geoutet :breitgrins: , deshalb ist "Der Nachsommer" auch eines meiner liebsten Bücher. Dieses Bild mit der Rosenwand am Haus fällt mir bei der Titelnennung immer ein. "Der Hochwald" war eine Schullektüre u. ich erinnere mich noch, wie uns unser Deutschlehrer vor der Langatmigkeit dieser Novelle "gewarnt" hat (eigentlich hätte er ja dann was anderes aussuchen können, war aber wohl Vorschrift damals). Die Warnung war bei mir nicht nötig. "Brigitta" lasen wir dann später auch noch, habe aber so gut wie keine Erinnerung mehr daran!!


    Gruß,
    Gitta

  • hallo Zola,


    "Brigitta" ist eine nicht allzulange Erzählung, die man gut an einem Nachmittag bewältigen kann. Es ist eine meines Erachtens recht anrührige Liebesgeschichte, und durchaus zu empfehlen...
    Der Erzählstil Stifters ist schon gewöhnungsbedürftig: t.T. recht lange Satzungetüme, aber alles sehr blumig und mit Farbe...


    Den "Nachsommer" möchte ich auch bald mal in Angriff nehmen, aber die "Handlungsarmut" schreckt mich noch ein wenig ab...


    LG,
    Lucien

  • Hallo Lucien,


    vielen Dank für Deine Antwort.
    Ich habe mir jetzt mal die "Studien" (die ja auch "Brigitta" enthalten) bestellt.
    Einige Erzählungsanfänge habe ich schon auf http://gutenberg.spiegel.de gelesen, der Stil liegt mir eigentlich schon, denke ich.


    Und Erzählungen haben den Vorteil, dass man sich immer bis zum Ende durchkämpfen kann, auch wenn es zu langweilig ist. Bei Romanen mit 800 Seiten ist das schon eine andere Dimension ;-)


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo Zola,


    ich habe mir jetzt schon tagelang das Hirn zermartert, was ich von Stifter schon gelesen habe - gestern abend ist es mir eingefallen "Der Bergkristall". Die Erzählung wurde nämlich soeben verfilmt :zwinker:


    Lucien schrieb:

    Zitat

    aber alles sehr blumig und mit Farbe...


    Ja, so habe ich es auch in Erinnerung :breitgrins: Ich habe auch noch einen Band Erzählungen herumstehen, vielleicht schaue ich am Wochenende mal rein :zwinker:


    Gruß von Steffi

  • Zu Stifter gibt es folgende Anekdote von unserem Deutschlehrer:


    Einer seiner Freunde klagte über Schlafstörungen und vor allem große Einschlafschwierigkeiten. Daraufhin empfahl Herr D. ihm, er solle sich von seiner Freundin den "Nachsommer" vorlesen lassen, al Gute-Nacht-Lesung.


    Gesagt, getan.


    Das Ergebnis war, dass der Freund unseres Lehrers bei den Lesungen tatsächlich einschlief, seine Schwierigkeiten loswurde - und seine Freundin entwickelte sich darüber zur Stifter-Begeisterung.


    Wir haben von ihm einen Auszug aus "Bunte Steine" und die Novelle "Der beschriebene Tännling" gelesen. Ich mag seinen Stil nicht; Landschaftsbeschreibungen finde ich totlangweilig (deshalb fand ich auch Goethes "Wahlverwandtschaften" so öde).


    Aber wenn du dich an Stifter heranwagen möchtest, kann ich den Tännling durchaus empfehlen. Schlecht ist er nicht, nur nicht mein Fall.


    LG
    Nightfever

  • Stifter war Maler, das kann eine Rolle gespielt haben bei seinen Lanschaftsbeschreibungen. Was mich aber eher anziehen als abstoßen würde. Ich werde jetzt erst einmal Stifters "Bergkristall" lesen, er wurde mir von einem mir wichtigen Forumsteilnehmer als eine der schönsten Weihnachtsgeschichten empfohlen. Ich melde mich, wenn ich das Buch gelesen habe... FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Der "Bergkristall" ist wirklich eine bewegende, rührende Erzählung!! Ich habe das Buch auch gleich noch zu Weihnachten verschenkt. Wirklich eine großartige, sehr menschliche Weihnachtsgeschichte!!!


    Ich wünsche euch einen schönen Heiligabend und ein Frohes Fest!


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo Friedrich-Arthur


    ich habe letztes Wochenende ebenfalls "Bergkristall" gelesen. Bisher kannte ich noch nichts von A. Stifter.


    Gefiel mir sehr gut, ich war auch in der richtigen winterlichen Stimmung, denn als ich es las, gab es bei uns ein richtiges Schneegestöber :frieren:


    Beeindruckt hat mich u.a. was Adalbert Stifter nicht erwähnt und es der Fantasie des Leser überlassen hat, z.B. als die Kinder in der Eishöhle waren und ihnen die Möglichkeit eröffnete sich dort auszuruhen... aber sie entschlossen sich wieder raus zu gehen, weil das intensive Blau sie ängstigte.


    Über die Naturbeschreibungen Stifters wurde ja bereits geschrieben, kann mich den positiven Äußerungen anschließen.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo JMaria,


    da habe ich glatt vergessen, auf deinen Beitrag einzugehen, entschuldige. Wie dem auch sei, die Bilder, die Stifter in mir erzeugte, diese Farbstimmungen sind schon gewaltig. Sie haben mich fast so bewegt, wie die Geschichte selbst. Sie waren überwältigend. Es gibt Kritiker, die Stifter kleine sachliche Fehler bei den Naturbeschreibungen nachsagen. Vielleicht habe ich nicht aufmerksam genug gelesen, oder sie entgingen mir, weil sie mir nicht wichtig genug waren und hinter den gewaltigen Eindrücken und Gefühlsregungen zurücktraten. Ich ziehe mein Urteil aber nicht zurück, "Bergkristall" ist ein besonderes, ein rührendes Buch.


    Am 23. Oktober dieses Jahres wird sich übrigens Stifters Geburtstag zum 200. Male jähren. Dazu plant der dtv-Verlag eine 1728 Seiten starke Ausgabe sämtlicher Erzählungen nach den Erstdrucken in einem Band, die im September erscheinen soll und will diese für 29,90 Euro an den Mann/die Frau bringen. Andere Werke sollen zeitgleich im September erscheinen, dies sind "Der Nachsommer" und "Witiko". Auch in der Reihe Bibliothek der Erstausgaben wird es zu sehr erschwinglichen Preisen Ausgaben geben, dies sind "Abdias" und "Der Hagestolz". Andere Werke, wie "Brigitta" und "Bergkristall" sind bereits verfügbar. Vielleicht nützt euch dies...


    Bis dahin Grüße von FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo zusammen,


    pünktlich zum 200. Geburtstag von Adalbert Stifter (23.10.05) war heute in meiner Tageszeitung ein Bericht über Stifter.


    Falls jemand eine Biographie über den Schriftsteller sucht, empfohlen wurde diese:


    Adalbert Stifter oder Diese fürchterliche Wendung der Dinge von Wolfgang Matz.


    ich habe sie mir mal auf meine Wunschliste. Vielleicht komme ich dieses Jahr noch dazu, mich eingehender mit Stifter zu befassen.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)