Eduard von Keyserling

  • Hallo,


    danke, Bluebell für den Buchtipp.
    Auch der Steidl Verlag nimmt sich Keyserling an und bringt im Oktober 2010 Fräulein Rosa Herz heraus. Sehr empfehlenswert.


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    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Keyserling kann man uneingeschränkt empfehlen ! Nicht nur, dass er, wie JMaria schrieb, seine Geschichten sehr sensibel psychologisch geschickt aufbaut, er malt auch wunderbare, impressionistische Bilder damit. Während Fontane immer auf einer realistischen Ebene bleibt, geht Keserling einen Schritt weiter in Richtung Poesie.


    Gruß von Steffi


  • Während Fontane immer auf einer realistischen Ebene bleibt, geht Keserling einen Schritt weiter in Richtung Poesie.


    Fontane und Keyserling werden gern in einem Atemzug genannt, Keyserling sogar oft als baltischer Fontane bezeichnet. Ich fand das immer schon unzutreffend, und Dein kurzes Posting, Steffi, trifft den Nagel auf den Kopf und zeigt mir noch einmal ganz klar, warum ich Keyserlings "realistischen Impressionismus" noch ein wenig mehr mag als Fontanes eher nüchternen Stil.


    Viele Keyserling-Romane passen übrigens hervorragend zur aktuell ausgebrochenen Sommerhitze (v.a. "Wellen", "Schwüle Tage" und "Am Südhang"). Höchste Zeit für eine kleine Wiederholungslektüre!


    LG


    Tom

  • Fontane und Keyserling werden gern in einem Atemzug genannt, Keyserling sogar oft als baltischer Fontane bezeichnet. Ich fand das immer schon unzutreffend, und Dein kurzes Posting, Steffi, trifft den Nagel auf den Kopf und zeigt mir noch einmal ganz klar, warum ich Keyserlings "realistischen Impressionismus" noch ein wenig mehr mag als Fontanes eher nüchternen Stil.



    wenn ich einen Vergleich anstellen würde, dann eher mit Herman Bang.
    Obwohl ich den Begriff "baltischer Fontane" dennoch nicht ganz unpassend finde.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()


  • Herman Bang


    Hallo Maria,


    von Bang kenne ich nur "Stuck" - und das bringe ich aus dem Gedächtnis weder mit den Themen noch dem Stil Keyserlings in Verbindung. Möglicherweise täusche ich mich aber auch (die Lektüre liegt sehr lang zurück).


    LG


    Tom


  • von Bang kenne ich nur "Stuck" - und das bringe ich aus dem Gedächtnis weder mit den Themen noch dem Stil Keyserlings in Verbindung. Möglicherweise täusche ich mich aber auch (die Lektüre liegt sehr lang zurück).


    "Stuck" kenne ich nicht. Ich las von ihm...


    -Am Weg
    -Das weiße Haus
    -Sommerfreuden


    Edit:
    -Das graue Haus - abgebrochen



    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Passend zum Wetter habe ich gestern "Schwüle Tage" gelesen - eine sehr stimmungsvolle und melancholische Sommergeschichte. Ich fühlte mich oft an Prousts "Combray" erinnert.



    Keyserling kann man uneingeschränkt empfehlen! Nicht nur, dass er, wie JMaria schrieb, seine Geschichten sehr sensibel psychologisch geschickt aufbaut, er malt auch wunderbare, impressionistische Bilder damit. Während Fontane immer auf einer realistischen Ebene bleibt, geht Keyserling einen Schritt weiter in Richtung Poesie.


    Ja, unbedingt! Wobei ich mit dem Etikett "Impressionismus" einige Schwierigkeiten habe, weil man mWn. einfach einen Begriff aus der bildenden Kunst auf die Literatur (und auf die Musik, z.B. Debussy) übertragen hat und von einer "Abgrenzung" gegenüber den realistisch-naturalistischen Strömungen spricht (so jedenfalls im wikipedia-Artikel über den literarischen Impressionismus).


    Wie dem auch sei: Schön ist es so oder so!


    LG


    Tom

  • Ach ja, bestimmt gibt es da einen passenden literaturwissenschaftlichen Begriff !


    Zumindest verwendet Keyserling gerne Farben als Themen und beschreibt damit Stimmungen und subjektive Gefühle.


    Gruß von Steffi

  • Moin, Moin!


    Immer wieder das Problem, bei einem bestimmten Autor, den man gerne liest, die Übersicht zu behalten über Bücher, die man bereits gelesen hat und die einem noch fehlen, wenn man bestrebt ist, mehr als die Hauptwerke zu lesen. Ein Beispiel dafür ist für mich Eduard Graf von Keyserling, von dem ich Wellen; Dumala, Abendliche Häuser, Schwüle Tage, Harmonie, Bunte Herzen und Seine Liebeserfahrung las. Ja, und dann? Und weiter? Für die, die jenseits der erwähnten oft gedruckten Hauptwerke auch die anderen Sache beachten möchten, hier der Tipp, der in diesem Thread zwar oft erwähnt worden ist, aber nie mit einer kompletten Inhaltsangabe der enthaltenen Erzählungen und Romane:


    Eduard Graf von Keyserling: Harmonie. Romane und Erzählungen, Droemer Knaur 1998. 927 Seiten, ISBN: 9783426611098


    Enthält:


    Grüß Gott, Sonne
    Grüne Chartreuse
    Die Soldaten-Kersta
    Beate und Mareile
    Der Beruf
    Harmonie
    Schwüle Tage
    Seine Liebeserfahrung
    Dumala
    Bunte Herzen
    Wellen
    Nachbarn
    Abendliche Häuser
    Am Südhang
    Im stillen Winkel
    Nicky
    Fürstinnen
    Landpartie
    Feiertagskinder

  • Moin, Moin!


    sein Erstlingswerk Fräulein Rosa Herz darf nicht fehlen.
    http://www.amazon.de/Fr%C3%A4u…TF8&qid=1334648708&sr=8-2


    Klar. Diese kostenlosen Kindle-Editions habe ich mir auch alle geladen.


    Wäre überhaupt eine Option, wenn einer auf kostenlose oder -reduzierte Kindle-Edtions stößt, dies hier zu verlinken = mitzuteilen.

  • Eduard von Keyserling habe ich erst durch die Internetseite "Der Umblätterer" aufgespürt und mittlerweile die Novellen "Am Südhang" und "Schwüle Tage" gelesen. Reiselektüre, für jemand, der auch gerne Fontane liest, denn vieles gibt es, wie schon festgestellt, für Geizkragen und den den Kindle. Keyserling ist aber lange nicht so verklemmt wie es Fontane in seinen Werken ist. "Schwüle Tage" hat schon was französisches.


  • Diese kostenlosen Kindle-Editions habe ich mir auch alle geladen.


    Ich auch, und schön, wenn man dann so gute Bücher zum Nulltarif lesen kann :smile:

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Derzeit gibt es ja (mal wieder) eine kleine Keyserling-Welle (pun intended). Ausgelöst möglicherweise auch durch den Roman von Klaus Modick über Keyserlings Geheimnis. Bei Manesse erschien gerade eine umfangreiche Ausgabe seiner Erzählungen, die in der Zeit von Florian Illies sehr gepriesen (nicht frei verfügbar, daher hier ohne Link).


    Ich habe in den letzten Jahren immer wieder Romane und Erzählungen von Keyserling gelesen (Dumala, Fürstinnen, Schwüle Tage, Wellen, Beate und Mareile, Die Soldatenkersta fallen mir gerade ein...). Die 'Wellen' bleiben für mich dabei das herausragende Werk. Nachdem ich nun gerade erneut 'Beate und Mareile' gelesen habe, ist mir auch wieder deutlich geworden, warum Keyserling eben doch nicht an Theodor Fontane und Thomas Mann heranreicht (mit denen er ja häufig verglichen wird, besonders mit Fontane, da ihm das Etikett des 'baltischen Fontane' anhaftet). Der Roman hat gute Beschreibungen, schöne Sentenzen und auch ein paar starke Momente. Aber wirklich rund ist er nicht. Es gibt Sprünge, manche Szenen wirken etwas aneinandergereiht. Und obwohl es einige recht sarkastische Bemerkungen gibt, fehlt ihm der Humor. Thematisch bewegen wir uns zwar im Fontaneschen Gewässer (Adel, Liebe, Ehebruch und natürlich Duelle), aber anders als bei Fontane werden die Themen hier expliziter, vor allem im Hinblick auf die erotischen Sehnsüchte, angesprochen und stärker psychologisiert. Das erscheint zwar zunächst moderner, aber da es sich um eine Modernität in einer aus unserer Sicht nach wie vor archaischen (weil feudalen und durch eigene Regeln bestimmten Gesellschaft) handelt, schlägt das nicht so recht durch. Keyserlings Figuren kommen uns daher nicht unbedingt näher als die von Fontane, so scheint mir.


    Also: gut ist er. Sogar sehr gut. Aber wirklich erste Liga ist er dann doch nicht. Und deswegen wird wahrscheinlich auch von dieser Welle nicht so viel bleiben...

  • Als vor einigen Jahren schon mal Keyserling etwas bekannter wurde, war auch das Erscheinen einer Biografie angekündigt worden. Bisher ist die meines Wissens aber noch nicht erschienen, was ich schade finde. Gerade im Zusammenhang mit dem Modick-Roman wäre so eine sachliche Auseinandersetzung mit seinem Leben und Werk sicherlich sinnvoll.

  • Eduard von Keyserling: Dumala (1908)

    Keyserlings (1855-1918) kleiner Roman handelt von Eifersucht und ihrer Überwindung.


    Inhalt:
    Auf Schloss Dumala irgendwo im Baltischen leben der körperbehinderte, sehr viel ältere Baron Werland mit seiner jungen schönen Frau Karola ein zurückgezogenes, von seiner Krankheit bestimmtes Leben. Zu ihrem Kreis gehören noch der Sekretär Pichwit und der Pastor Erwin Werner, die beide heimlich, aber für alle anderen deutlich erkennbar, in Karola verliebt sind. Werners junge und oft einsame Ehefrau Lene weiß das auch, lehnt sich aber nur selten, trotz der häufigen Besuche Werners auf Dumala dagegen mit spitzen Bemerkungen auf. Werner, aus dessen Sicht zumeist die Geschichte erzählt wird, ist ein ganz konservativer und autokratischer Hirte, der seine Schäfchen, insbesondere die sozial unter ihm stehenden, zu moralischem Verhalten anhält. Andererseits ist er dem Schönen nicht abgeneigt, neigt zu sentimentalen Bariton-Arien und hat einen Blick für die Schönheiten der winterlichen Natur. Alles bleibt beim Status quo, bis der benachbarte Baron Rast, ein Lebemann mit Schlag bei den Frauen, anfängt, regelmäßig das Paar auf Schloss Dumala zu besuchen. Schnell erkennen die drei eifersüchtigen Herren, Ehemann und heimlich Verliebte, dass Karola nicht fühllos gegenüber den Avancen Rasts ist. Die Besuche lassen scheinbar wieder nach, aber das Gerücht geht um, dass der Baron auf einem Nebenweg und in einem alten Flügel zu Karola gelange, mit der er ein Verhältnis habe. Dafür muss er über die sogenannte Galgenbrücke, eine ungesicherte morsche Behelfsbrücke über eine tiefe Schlucht. Werner, der sich bei der Brücke auf die Lauer gelegt hat, beobachtet tatsächlich, wie Rast die Brücke überwindet und sieht auch zusammen mit Pichwit später im Schlosspark, wie im unbewohnten Teil ein Zimmerlicht aufflammt.

    Aus einem Gemisch von moralischer Entrüstung und persönlicher Eifersucht sucht Werner Rast auf, um ihn im Amt des Pastors zu ermahnen, was dieser zwar institutionell akzeptiert, aber was ihm ansonsten egal ist. Nun reift im Pastor ein unchristlicher Plan … .

    Am Ende steht eine zerstörte Ehe, ein unglücklich verstorbener Ehemann, der aber dennoch den Niesbrauch seines Schlosses seiner aus der Flucht mit Rast zurückgekehrten Ehefrau vermacht, die darüber finanziell enttäuschte und moralisch entrüstete Verwandschaft und ei



    n Pfarrer, der froh ist, eine große Krise überwunden zu haben und einsieht, dass jeder Mensch letzten Endes mit sich allein ist.




    Stil und meine Meinung
    Keyserling erzählt die Geschichte ganz traditionell, fast ohne Perspektivwechsel und linear. Seine Kunst besteht vor allem darin, mit Worten Räume, Landschaften und Wettererscheinungen zu malen, oft mit ganz wenigen Strichen, die dennoch eine ganz intensive Stimmung vermitteln.


    Zwei Beispiele

    Auf Schloss Dumala:
    Das Kaminzimmer war von der großen, grün verhangenen Lampe matt erleuchtet, ein Krankenstubenlicht. Baron Werland saß in seinem Sessel am Feuer, die Füße in die rote Decke gehüllt, die Gestalt ein wenig in sich zusammengesunken. Das regelmäßige Gesicht war wachsbleich, das Haar sorgsam gelockt, der Schnurrbart hinaufgedreht. Nur die tiefen Augenhöhlen über den unruhig flackernden Augen legten sehr dunkle Flecken in diese Blässe.

    Man möge sich hier den Gebrauch der Farben sorgsam ansehen: Ganz wenige Effekte, kleine Lichtquelle, grün und rot, das bleiche Gesicht mit den dunklen Akzenten. Das führt einen tief in die Einsamkeit und Verschlossenheit dieser Welt, den der hilflose Protest der aufgedrehten Haare noch besonders unterstreicht.


    Bei einem Spaziergang im Sonnenuntergang:

    Sie traten aus dem Walde hinaus. Vor ihnen lag die Ebene, ganz übergossen von zentifolienfarbenem Licht. Die Sonne war im Untergehen. Um sie her, in einem fliederfarbenen Himmel, bauten sich große, bunte Wolken auf. Langgestreckt, stachen sie wie goldene Klingen in den Himmel, oder sie rundeten sich wie rosenfarbene Nacktheiten, an denen goldene Schleier hingen. Karola stieß einen kleinen Schrei aus, dann stand sie still, ließ die Arme niederhängen, wie wir unter einer Dusche stehen. Das rotangeleuchtete Gesicht hob sie zu Werner auf:

    »Stehen Sie still«, rief sie ihm zu. »Fühlen Sie, wie's an einem niederfließt? Ich spür' ordentlich, wie die Wellen kommen, rosa und goldene Wellen.«

    Sie schaute in die Sonne. Ihre Augen wurden wieder ganz schmal, leuchtende Striche zwischen den schwarzen Wimpern.

    »Sie sind auch ganz rosa, Pastor, ein rosa Gesicht, einen rosa Bart.«

    Sie lachten sich an, öffneten den Mund, als könnten sie das Licht trinken.

    Die Sonne sank. Sie war nur noch eine rote Halbkugel.

    »Sie geht – sie geht!«, rief Karola. Mit ausgebreiteten Armen lief sie den Weg entlang, der Sonne nach.

    Die Sonne war untergegangen. Alle Lichter erloschen auf der Ebene. Oben verblassten die Wolken. Ein blaues Dämmern kroch sachte über den Schnee.

    (Zitate aus dem Onlinetext des Projekts Gutenberg)

    Manchem mag das zweite Zitat auf den ersten Blick kitschig erscheinen. Aber das ist es nicht: Die Personen werden da nicht unnötig verschönt, auch die Metaphern und Vergleiche für die Naturerscheinungen sind nicht Massenware, sondern zerschneiden den Kitsch durch Ironie (rosenfarbene Nacktheiten) oder ganz ausdrücklich (goldene Klingen).


    Diese Stellen sind es, welche mir die Lektüre wertvoll machen. Mit Keyserlings Themen und Menschen kann ich eher weniger anfangen.