Oktober 2004: Dante Alighieri «Divina Commedia»

  • So, ich bin schon wieder zwei Gesänge weiter.


    IV. Gesang


    Ein Donnerschlag weckt Dante aus der Betäubung. Er befindet sich im ersten Höllenkreis, dem sogenannten Limbus, in dem sich die tugendhaften Ungetauften aufhalten: sie sind nicht verdammt, können aber auch nicht erlöst werden. Unter ihnen trifft Dante die berühmtesten heidnischen Dichter, Gelehrten und Helden.


    V. Gesang


    Beim Eintritt in den zweiten Höllenkreis treffen Vergil und Dante auf den Höllenrichter Minos, der jedem Sünder den Ort der Strafe zuweist. Im zweiten Kreis derden die Sünder der Fleischeslust von einem Wirbelwind rastlos durch die Lüfte getrieben. Dante unterhält sich mit Francesca da Rimini über ihre unselige Liebe zu Paolo Malatesta und bricht aus Mitleid ohnmächtig zusammen.


    Nähere Gedankengänge dazu morgen. Gute Nacht!

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Zitat von "Bluebell"


    Also der Hauptgrund sind die historischen Zusammenhänge bei mir nicht, auch wenn sie mich bis zu einem gewissen Grad interessieren.
    Wenn man sich mit Literatur beschäftigt, stolpert man einfach immer wieder über Dante und seine Divina Commedia - und irgendwann wollte ich den Stolperstein dann aus dem Weg räumen


    Dass Motive aus der "Commedia" häufig in der Malerei auftauchen z.B. bei zwei meiner Lieblingsmaler Sandro Botticelli oder Eugène Delacroix und ab und zu auch in der Musik weiß ich, aber in der Literatur kenne ich nur Chaucer, Balzac und Joyce. Sicher habe ich mich noch nicht so viel mit Literatur beschäftigt wie du, wenn du immer wieder darüber stolperst. Aber das Thema interessiert mich und vielleicht kannst du mir ja ein paar dieser Stolpersteine nennen?


    Gruß


    Georg

  • Hallo zusammen!


    Gestern abend habe ich Dante noch in den Limbo begleitet. Dafür, dass er dort die grössten aus der Welt der Heiden antrifft, erzählt Dante eigentlich sehr wenig. Selbst von seinem Gespräch mit den 4 ganz Grossen erfahren wir - nichts!


    Im übrigen drückt auch bei der Personenauswahl das Mittelalter doch sehr stark durch: Der grösste und wichtigste Philosoph ist Aristoteles, selbst Sokrates und Platon stehen nur ehrfürchtig in seiner Nähe. Homer mit dem Schwert - auch da zeigt sich, dass Dante den alten Griechen nicht persönlich gelesen hat, sondern ihn nur kannte durch die Vermittlung der alten Lateiner. Lukan als einer der grossen 4: Wer liest ihn heute noch?


    Und auch Rahel wird wieder genannt - als eine von denen, die von Christus auf seiner Fahrt durch die Hölle ins Paradies mitgenommen werden. Ich habe daraufhin das Nikodemus-Evangelium nochmals durchgelesen: Dort ist, jedenfalls in meiner Übersetzung, nur von Männern die Rede, die Christus mitgenommen haben soll. Ist Rahel Dantes eigene Zutat? Woher kommt das, und warum ausgerechnet Rahel und nicht z.B. Sara?


    Fragen über Fragen ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallöchen,


    heute morgen im Zug habe ich direkt Gesänge 4 und 5 gelesen - nur leider ist hier gleich volles Haus und ich muss arbeiten :sauer:


    Doch ein paar Dinge möchte ich noch kurz ansprechen:


    Zitat von "Bluebell"

    Wirklich? Ich weiß nicht recht ... ich finde, dass durch Dantes Versschema ein gewisser Schwung in den Lesefluss gebracht wird. Im Original sicher noch besser, da dort auch noch jede Zeile genau elf Silben hat - aber sowas ist mit einer Übersetzung natürlich unmöglich.
    Natürlich hast du höchstwahrscheinlich den Vorteil einer wörtlicheren Übersetzung.


    Wenn ich mir Deine Übersetzung durchlese: Ja, mit der könnte ich auch gut leben. Aber das, was die bei Projekt Gutenberg so haben! Haaresträubend - ich blicke da nur nach mehrmaligen Durchlesen was. Als Beispiel nochmal die Inschrift zum Höllentor:


    Durch mich geht’s ein zur Stadt der Qualerkornen,
    Durch mich geht’s ein zum ew’gen Weheschlund,
    Durch mich geht’s ein zum Volke der Verlornen.
    Das Recht war meines hohen Schöpfers Grund;
    Die Allmacht wollt’ in mir sich offenbaren;
    Allweisheit ward und erste Liebe kund.
    Die schon vor mir erschaffnen Dinge waren
    Nur ewige; und ewig daur’ auch ich.
    Laßt, die ihr eingeht jede Hoffnung fahren.


    Vielleicht bin ich einfach etwas unintelligenter, aber: Ich kapiere das wirklich langsamer als meine Übersetzung.


    Zitat von "Georg"

    Also bei mir ist das der Hauptgrund warum ich die Göttliche Komödie lese: Die historischen Zusammenhänge. Was ist eigentlich eure Motivation die Göttliche Komödie zu lesen?


    Natürlich sind die historischen Zusammenhänge sehr interessant, aber ich war im letzten Jahr in Florenz und dort ist Dante irgendwie immer noch gegenwärtig. Dem möchte ich einfach etwas nachspüren. Außerdem bin ich überaus fasziniert von der Geschichte selbst. Gänsehautfaktor Nummer 1! Aber wie Bluebell auch schon schrieb: Ohne gemeinsame Leserunde hier, wäre ich das Buch wohl nicht angegangen.


    Nun zur Sache:


    Im 4. Gesang wird der weise König von Kreta, Minos, als Ungeheuer dargestellt. Auch in der griechischen Mythologie wurde Minos mit seinem Bruder Rhadamanthys und mit Aiakos Richter in der Unterwelt. Nach dem mythologischen König Minos wurde sogar die früheste Hochkultur Europas benannt: Die Minoische Kultur.


    Im 4 Gesang tritt ja alles auf, was Rang und Namen hat!


    Zitat von "sandhofer"

    Gestern abend habe ich Dante noch in den Limbo begleitet. Dafür, dass er dort die grössten aus der Welt der Heiden antrifft, erzählt Dante eigentlich sehr wenig. Selbst von seinem Gespräch mit den 4 ganz Grossen erfahren wir - nichts!


    Dafür ist sein Gespräch mit Francesca umso umfangreicher ;-)


    Leider kann ich jetzt nicht mehr dazu schreiben. Ich hoffe, dass ich heute Abend nochmal dazu komme!


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo


    danke bluebell und nimue, für eure Antworten auf meine Motivationsfrage. Dass man nach einem Besuch von Florenz motiviert ist, Dante zu lesen kann ich sehr gut verstehen, so ging es mir mit Thomas Mann und Lübeck und H. Hesse und Calw.


    Vielleicht fällt ja sandhofer auch noch seine Motivation ein?


    Was mich etwas überrascht, dass ihr das Buch als überraschend leicht bezeichnet? Mir persönlich kommt es sehr schwer zu lesen vor und ich muss auch laufend Namen usw. im Lexikon oder Internet nachsehen. Hab ich da euren ironischen Unterton überhört, oder habt ihr einfach bessere Kommentare? oder seit ihr ansonsten an noch schwererer Lektüre erprobt, wie "Zettels Traum" von Arno Schmidt oder so, dann kann natürlich sein, das Dante einfach erscheint :breitgrins:

  • Hi ihr Lieben,


    ich habe gerade so einen langen Text geschrieben und dann das Fenster versehentlich geschlossen, bevor ich ihn abgeschickt hatte. :grmpf:
    Tja, was man nicht im Kopf hat, muss man eben in den Fingern haben ... oder so ähnlich ... :breitgrins: Also auf ein Neues.


    Georg: Wenn du es so aufgefasst hast, dass ich eine Expertin auf dem Gebiet "Motive der Göttlichen Komödie in der Literatur" bin, muss ich mich entschuldigen. :elch: Um solche Motive zu entdecken, muss man die Komödie wohl schon kennen, und ich lese sie doch gerade zum ersten Mal.
    Vielleicht hätte ich statt "wenn man sich mit Literatur beschäftigt" besser schreiben sollen "wenn man sich für Literatur interessiert und einen guten Deutschlehrer hatte". Dieser Deutschlehrer war nämlich ein Dante-Fan und hat uns öfters darauf hingewiesen, dass man dieses und jenes besser verstehen oder einordnen kann, wenn man die Commedia kennt. Hm, jetzt will ich es auch wieder ganz genau wissen ... ich werde schauen, ob ich die entsprechenden Querverweise in meinen alten Notizen noch finde.
    Dann fällt mir zum Beispiel der Titel "Der erste Kreis der Hölle" (Alexander Solschenizyn) ein. Und ein weiterer Grund, warum ich so neugierig bin, ist mein Bruder: er ist momentan total auf dem Geheimbund- und Weltverschwörungstrip und liest alles, was er über die Illuminaten in die Finger bekommt - zum Beispiel auch, welche Gelehrten sie sich als Vorbilder erkoren haben und welche auf der Liste der Todfeinde standen. In diesem Zusammenhang fiel auch der Name "Dante" - ich nehme stark an, er fällt in die zweite Kategorie, aber auch das werde ich eruieren. :zwinker:


    Zitat von "nimue"

    Natürlich sind die historischen Zusammenhänge sehr interessant, aber ich war im letzten Jahr in Florenz und dort ist Dante irgendwie immer noch gegenwärtig. Dem möchte ich einfach etwas nachspüren.


    ... und ich fahre (ganz was Neues :breitgrins:) Ende November für ein paar Tage nach Florenz!


    Zitat von "Georg"

    Was mich etwas überrascht, dass ihr das Buch als überraschend leicht bezeichnet? Mir persönlich kommt es sehr schwer zu lesen vor und ich muss auch laufend Namen usw. im Lexikon oder Internet nachsehen.


    Mit lesbar (nicht leicht) meinte ich die Sprache. Immerhin ist der Text ja vor rund 700 Jahren entstanden, und auch wenn die Übersetzung aus neuerer Zeit stammt, hatte ich bezüglich des Sprachverständnisses Schwierigeres befürchtet.
    Wenn du soviele Namen nachschlägst, erhöht sich der Aufwand natürlich beträchtlich. Aber ich persönlich bin in den meisten Fällen mit dem zufrieden, was mein Kommentar hergibt. Das sind in der Regel zwischen ein und fünf Sätze pro Person, manchmal sogar weniger (z.B. werden Elektra & Co. schlicht zusammengefasst als Gestalten aus der griechischen und trojanischen Sage). Bei manchen Figuren recherchiere ich vielleicht genauer nach, aber bei allen wäre mir das fürs erste Lesen ehrlich gesagt zu ausufernd.


    sandhofer: Der IV. Gesang hat bei mir ebenfalls einen eher schwachen Eindruck hinterlassen und ich weiß auch gar nicht so recht, was ich dazu schreiben soll.
    Über die Bedeutung, die Dante den einzelnen Personen beimisst, habe ich mich allerdings auch gewundert - und dazu gleich eine Frage: hat es diese Aufstellung der "großen vier" schon vor der Divina Commedia gegeben?
    Was Dante für einen Narren an Rahel gefressen hat, ist mir auch ein Rätsel. Aber wenn wir davon ausgehen, dass sie nicht zu diesen Figuren gehört, denen im Mittelalter einfach mehr Bedeutung beigemessen wurde, muss er sich doch etwas dabei gedacht haben, dass er sie so hervorhebt und im gleichen Atemzug mit der Muttergottes und seiner verklärten Beatrice nennt. :?:


    Der V. Gesang gibt meiner Meinung nach wieder allerhand Gesprächsstoff her ... wie weit seid ihr?


    Suse: Also, diese Übersetzung würde mich auch krankmachen! :entsetzt:
    Das hat wohl kaum was mit "unintelligent" zu tun - sowas sickert vermutlich bei jedem, der im 20. Jh. geboren und an unsere moderne Sprache gewöhnt ist, um einiges langsamer durch.


    Bis bald,
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo zusammen!


    Ich bin noch nicht weitergekommen, werde auch heute wohl nicht mehr weiterkommen ...


    Zitat von "Bluebell"

    [...]mein Bruder [...] liest alles, was er über die Illuminaten in die Finger bekommt - zum Beispiel auch, welche Gelehrten sie sich als Vorbilder erkoren haben und welche auf der Liste der Todfeinde standen. In diesem Zusammenhang fiel auch der Name "Dante" - ich nehme stark an, er fällt in die zweite Kategorie, aber auch das werde ich eruieren. :zwinker:


    Auf Anhieb und aus dem Bauch würde ich auf die erste Kategorie tippen. Die Illuminaten waren ja nicht einfach Verbrecher / Hochstapler; es gab da auch Ehrliche und ehrlich um die Besserung der Menschheit Bemühte darunter, z. B. Knigge. Ihre Vorbilder waren die grossen Aufklärer und deren Vorläufer, zu denen Dante durchaus gezählt werden kann.


    Zitat von "Bluebell"

    hat es diese Aufstellung der "großen vier" schon vor der Divina Commedia gegeben?


    Meines Wissens geht hier Dante auf die zeitgenössische Einschätzung dieser Figuren zurück.


    Zitat von "Bluebell"

    Was Dante für einen Narren an Rahel gefressen hat, ist mir auch ein Rätsel. Aber wenn wir davon ausgehen, dass sie nicht zu diesen Figuren gehört, denen im Mittelalter einfach mehr Bedeutung beigemessen wurde, muss er sich doch etwas dabei gedacht haben, dass er sie so hervorhebt und im gleichen Atemzug mit der Muttergottes und seiner verklärten Beatrice nennt. :?:


    Eben. Genau das irritiert mich auch ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"

    Die Illuminaten waren ja nicht einfach Verbrecher / Hochstapler; es gab da auch Ehrliche und ehrlich um die Besserung der Menschheit Bemühte darunter, z. B. Knigge. Ihre Vorbilder waren die grossen Aufklärer und deren Vorläufer


    Ja, das sind eigentlich genau die Gründe, warum ich sie eher als Dante-Gegner eingeschätzt hätte. Denn mit ihrer Philosophie für den Fortschritt, die Aufklärung der Menschheit und die Wissenschaft mussten sie natürlich vehement gegen die Kirche eingestellt sein, und da kommt mir der Verfasser der Göttlichen Komödie auf der Liste ihrer Vorbilder etwas spanisch vor ... aber das ist nur meine spontane Einschätzung, und ich bin auf diesem Gebiet alles andere als sattelfest.


    Zitat von "Sandhofer"

    zu denen Dante durchaus gezählt werden kann.


    Hm ... ich weiß zwar, dass er als "Einläuter" der Renaissance gehandelt wird, aber mir persönlich kommt er doch noch sehr, sehr mittelalterlich vor - soweit ich das nach den wenigen Kapiteln, die ich bisher gelesen habe, bereits sagen kann. Vielleicht ändert sich mein Eindruck später noch, oder ich habe das Aufklärerische in den ersten Gesängen nicht richtig durchschaut!?


    Liebe Grüße,
    Bluebell


    PS: Ich habe dir drüben im anderen Forum bei der Austen-Leserunde noch eine Frage zu ihren anderen Romanen gestellt, aber anscheinend lurkst du nicht mehr. :zwinker: Wärst du trotzdem so lieb, sie mir zu beantworten?

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  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Bluebell"

    Hm ... ich weiß zwar, dass er als "Einläuter" der Renaissance gehandelt wird, aber mir persönlich kommt er doch noch sehr, sehr mittelalterlich vor - soweit ich das nach den wenigen Kapiteln, die ich bisher gelesen habe, bereits sagen kann. Vielleicht ändert sich mein Eindruck später noch, oder ich habe das Aufklärerische in den ersten Gesängen nicht richtig durchschaut!?


    Mittelalterlich. Das ist er - auch. Einläuter der Renaissance. Das ist er - auch. Zum Beispiel in der simplen Tatsache, dass er nicht mehr auf Latein, sondern in der Sprache des Volkes geschrieben hat. Dass er die biblischen Gestalten zu einer 'commedia' vereinigt hat.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • [theatralik] Also eigentlich eine personifizierte Schweißnaht zweier Epochen. [/theatralik]


    Er fasziniert mich immer mehr.

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  • Zitat von "Bluebell"


    Über die Bedeutung, die Dante den einzelnen Personen beimisst, habe ich mich allerdings auch gewundert - und dazu gleich eine Frage: hat es diese Aufstellung der "großen vier" schon vor der Divina Commedia gegeben?


    Soweit ich weiß, galt zur Zeit von Dante Vergil als der größte Dichter. Umso erstaunlicher, dass dieser in der commedia dann sagt: "Das ist Homer, der Meister aller Dichter."
    Würde Vergil, wenn er nicht gerade mit Dante unterwegs ist, nicht auch hier im Limbus der Ungetauften sitzen? Es wären dann fünf große Dichter, wobei Homer, Horaz, Ovid und Vergil sicher auch heute noch zumindest für mich als die vier großen Dichter der Antike gelten, oder seht ihr das nicht so?


    Ich habe jetzt bis einschliesslich zum 12. Gesang gelesen. Hier will Minotaurus (Symbol der Vertierung?) Dante den Abstieg zum 7. Kreis der Hölle verwehren, aber mit Hilfe Vergils gelingt es doch. Erstaunlich, und hier zeigt sich, dass Dante nicht mehr Mittelalter, sondern Beginn von etwas Neuem ist, dass Alexander der Große, nicht als der große Held gezeigt wird, sondern als Massenmörder, der im von ihm vergossenen Blut siedet.


    Gruß


    Georg

  • Hallo zusammen!


    Ich stecke immer noch am selben Punkt. Aber heute abend sollte ich Zeit haben für einen Gesang oder zwei ...


    Zitat von "Georg"

    Würde Vergil, wenn er nicht gerade mit Dante unterwegs ist, nicht auch hier im Limbus der Ungetauften sitzen? Es wären dann fünf große Dichter, wobei Homer, Horaz, Ovid und Vergil sicher auch heute noch zumindest für mich als die vier großen Dichter der Antike gelten, oder seht ihr das nicht so?


    Doch, meinte ich auch. Zum fünften, Lukan, vielleicht noch der Hinweis, dass ihn noch Wieland sehr geschätzt und auch übersetzt hat. (Derselbe Wieland, der - wenn wir schon von personifizierten Schweissnähten sprechen :zwinker: - als erster Shakespeare ins Deutsche übersetzt, damit den Sturm und Drang ermöglicht und damit die moderne deutsche Literatur in Gang gebracht hat ...


    Grüsse


    Sandhofer

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  • Hallo zusammen!


    Nun hat es also gestern abend tatsächlich noch zu den Gesängen 5 und 6 gereicht.


    Minos, der Höllenrichter: ein schönes Beispiel dafür, wie Dante - hierin ganz Mittelalter - aus der in der griechischen Antike doch recht angesehenen Figur ein - Monster macht. Sehr interessant, wie Dante sowohl die aus Liebe Sündigenden wie auch die aus Geilheit Sündigenden an - Frauen exemplifiziert. Wie es dann auch eine zeitgenössische Frau ist, die ihre Liebesgeschichte erzählen darf. Ihr Lover schwebt stumm daneben. Da scheint mir Dante wieder sehr modern zu sein.


    Sehr romantisch wirkt auf mich, wie Dante bei jeder grösseren Emotion in Ohnmacht fällt.


    Ein männlicher Zeitgenosse hingegen steht als Vertreter der Verfressenen da ... :smile: Und der Cerberus - wieder eine antike Gestalt, die Dante zum Monster verformt hat. (Übrigens auch hier eine Spur von Dante bis ins 21. Jahrhundert: Ich weiss nicht mehr, wie das Viech geheissen hat, aber da war doch so ein dreiköpfiges Monster im ersten Harry Potter-Film, oder?)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Bin jetzt mit dem 15. Gesang fertig. Hier trifft Dante einen alten Landsmann: Brunetto Latini, dessen Lehrgedicht Tesoretto einen gewissen Einfluß auf Dantes commedia gehabt haben soll. Ob man Brunetto aber deshalb gleich als Freund und Lehrer Dantes bezeichnen kann, wie es der folgende Link macht?:


    http://www.adlexikon.de/Brunetto_Latini.shtml


    Da könnte man ja auf komische Gedanken kommen, weil Brunetto ja bei den Gewalttätern wider die Natur (Homosexuelle) zu finden ist. Weiß jemand da näheres? Gibt es eine gute Dante-Biografie, in der man mal nachlesen sollte?

  • Hallo zusammen!


    Gestern abend habe ich noch den 7. Gesang gelesen. Wieder tauchen Gestalten der antiken, griechisch-römischen Mythologie auf, hier gleich zwei:


    Pluto, in dem offenbar zwei antike Gestalten verschmolzen sind: Plutos, der Gott des Reichtums und Pluto, der Gott der Unterwelt. Mal schauen, ob ich heute abend irgendwie Zeit finde, im Faust II nachzulesen. Auch dort kommt Pluto vor; ich frage mich jetzt aber, ob Goethe diese Figur unter Dantes Einfluss gestaltet hat.


    Die zweite antike Gestalt: Fortuna. Im Mittelalter quasi unter den Engeln eingereiht als Verantwortliche für Wohl und Wehe der untersten Himmelssphäre, der Erde. Ein Versuch einer Antwort auf eine interessante Frage? (Nämlich: Wozu sind die Übel auf dieser Welt, und warum trifft es auch 'gute' Menschen? Noch die Frühaufklärung (z.B. Alexander Pope: Essay on Man greift auf die Gestalt der Fortuna zurück, um die Wechselfälle des Lebens zu charakterisieren (und letzten Endes als 'gut' im Sinne von 'notwendig für die Fülle des irdischen Lebens' zu qualifizieren).)


    Interessant auch die Kirchenschelte. Wieviele Geistliche, Kardinäle, ja Päpste sind nicht unter den Geizigen!


    Dann die Zornigen und die Verdrossenen. Welche Liebe zur Natur, zur Welt scheint nicht im Vers 122 auf! Auch hier wirkt Dante überaus modern.


    Ich werde jetzt mal warten und schauen, wo die übrigen sind, insbesonderen nimue und Bluebell. Trotzdem noch schnell vorwegnehmend zu Georg:


    Zitat von "Georg"

    Bin jetzt mit dem 15. Gesang fertig. Hier trifft Dante einen alten Landsmann: Brunetto Latini, dessen Lehrgedicht Tesoretto einen gewissen Einfluß auf Dantes commedia gehabt haben soll. Ob man Brunetto aber deshalb gleich als Freund und Lehrer Dantes bezeichnen kann[...]?
    [...]
    Da könnte man ja auf komische Gedanken kommen, weil Brunetto ja bei den Gewalttätern wider die Natur (Homosexuelle) zu finden ist.


    Näheres weiss ich auch nicht. Aber ich glaube, man kann einen Freund aus theologisch-moralischen Gründen verurteilen (oder daran glauben, dass ihn Gott verurteilt / verurteilen wird), auch wenn man der Person ansonsten durchaus gewogen ist. Aber es ist jetzt noch eine Weile hin, bis ich im 15. Gesang sein werde.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo!


    18. Gesang
    Der achte Höllenkreis ist von zehn Gräben durchzogen. Im ersten Graben sind die Kuppler und Verführer. Vergil weist Dante auf Jason hin der die Königstocher Medea verführt und dann verlassen hat.


    19. Gesang
    Im dritten Graben sind die Simonisten. Die Löcher im Fels des Grabens erinnern Dante an den Taufbrunnen im Baptisterium San Giovanni in Florenz.


    20. Gesang
    Dante sieht u.a. Amphiaraus aus Argos (Sieben gegen Theben), Manto, die Tochter von Tiresia, die nach Vergils Aussage seine Heimatstadt Mantua gegründet hat. In der Aeneis hatte Vergil noch Mantos Sohn Ocnus als Gründer von Mantua genannt. Vergil berichtigt sich hier also.


    21. Gesang
    Im fünften Graben finden sich die bestechlichen Beamten

  • Einen wunderschönen guten Morgen,


    ich bin nun auch endlich etwas weitergekommen: Heute morgen bin ich im Zug bis zum 7. Gesang vorgedrungen.


    Zitat von "Bluebell"

    Hm ... ich weiß zwar, dass er als "Einläuter" der Renaissance gehandelt wird, aber mir persönlich kommt er doch noch sehr, sehr mittelalterlich vor - soweit ich das nach den wenigen Kapiteln, die ich bisher gelesen habe, bereits sagen kann. Vielleicht ändert sich mein Eindruck später noch, oder ich habe das Aufklärerische in den ersten Gesängen nicht richtig durchschaut!?


    Wundert mich ehrlich gesagt auch etwas!


    Zitat von "Georg"

    Soweit ich weiß, galt zur Zeit von Dante Vergil als der größte Dichter. Umso erstaunlicher, dass dieser in der commedia dann sagt: "Das ist Homer, der Meister aller Dichter."
    Würde Vergil, wenn er nicht gerade mit Dante unterwegs ist, nicht auch hier im Limbus der Ungetauften sitzen? Es wären dann fünf große Dichter, wobei Homer, Horaz, Ovid und Vergil sicher auch heute noch zumindest für mich als die vier großen Dichter der Antike gelten, oder seht ihr das nicht so?


    Zu Vergil meint Wikipedia Im Mittelalter galt Vergil als Zauberer und zugleich als Vorbote des Christentums – in der 4. Ekloge wird die Geburt eines Knaben in Worten vorausgesagt, die stark an Christi Geburt erinnern.


    Als Vorbote des Christentums nimmt Vergil auch in der göttlichen Komödie eine entsprechende Rolle ein, denn er ist Dantes Führer in der Unterwelt.


    Zitat von "sandhofer"

    Minos, der Höllenrichter: ein schönes Beispiel dafür, wie Dante - hierin ganz Mittelalter - aus der in der griechischen Antike doch recht angesehenen Figur ein - Monster macht. Sehr interessant, wie Dante sowohl die aus Liebe Sündigenden wie auch die aus Geilheit Sündigenden an - Frauen exemplifiziert.


    Eine der sieben Todsünden, die Dante - wie ich vermute - im Folgenden aufzählt: Hier haben wir die Wollust im 5. Gesang.


    Zitat von "sandhofer"

    Sehr romantisch wirkt auf mich, wie Dante bei jeder grösseren Emotion in Ohnmacht fällt.


    Ja...das amüsiert mich auch immer wieder!


    Zitat von "sandhofer"

    Ein männlicher Zeitgenosse hingegen steht als Vertreter der Verfressenen da


    Im 6. Gesang: Die Völlerei:


    Ihr Bürger nanntet mich den schweinischen Ciacco,
    und durch die schlimme Schuld der Schlemmerei
    muß ich dem Regen, wie du siehst, erliegen.


    Zitat von "sandhofer"

    Und der Cerberus - wieder eine antike Gestalt, die Dante zum Monster verformt hat. (Übrigens auch hier eine Spur von Dante bis ins 21. Jahrhundert: Ich weiss nicht mehr, wie das Viech geheissen hat, aber da war doch so ein dreiköpfiges Monster im ersten Harry Potter-Film, oder?)


    Nicht unbedingt zu Dante, sondern vielmehr zur griechischen Mythologie. Wikipedia meint dazu:


    Kerberos ist in der griechischen Mythologie der Höllenhund, der den Eingang zur Unterwelt bewacht. Er ist der Sohn von Echidna und Typhon, seine Geschwister sind Chimaira, Hydra, der Löwe von Nemea, Orthos und Sphinx, ebenfalls Ungeheuer der griechischen Mythologie.


    Kerberos wurde zuächst einköpfig, später dreiköpfig oder auch fünfzigköpfig dargestellt, wobei auch noch andere Zahlen genannt werden. Nebst einem Schlangenschwanz trug er noch Schlangenköpfe auf dem Rücken. Als Herakles in seiner 12. Aufgabe den Kerberos lebendig vor Eurystheus bringen musste, um ihn danach wieder in die Unterwelt zurückzuführen, tropfte sein Geifer zu Boden, woraus der Eisenhut entstand. Orpheus bezauberte bei seiner Suche nach Eurydike den Kerberos mit seinem Gesang.


    Nun im 7. Gesang haben wir die nächste Todsünde: Der Geiz. Diese Todsünde begingen damals wohl vor allem Adelige und Geistliche.


    Am Ende des 7. Gesanges dann noch der Zorn.


    Sehr interessant fand ich, dass plötzlich Göttin Fortuna auftaucht, oder vielmehr erklärt wird, wozu die Menschheit sie braucht. Merkt man hier noch die Einflüsse der Mythologie auf Dante?


    Was mir beim Lesen immer wieder auffällt, ist dass Dante die Hölle sehr anschaulich beschreibt. Brrrr....ich muss mich oft richtig überwinden, noch weiter über das Jammern, Klagen, Wehgeschrei zu lesen.


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo zusammen!


    Ich bin jetzt bei (nach) Gesang 10, weiss aber noch nicht, ob ich heute abend noch weiter lesen kann. Zu Georgs letztem Posting kann ich also noch nicht Stellung nehmen.


    Zitat von "Georg"

    Soweit ich weiß, galt zur Zeit von Dante Vergil als der größte Dichter. Umso erstaunlicher, dass dieser in der commedia dann sagt: "Das ist Homer, der Meister aller Dichter."
    Würde Vergil, wenn er nicht gerade mit Dante unterwegs ist, nicht auch hier im Limbus der Ungetauften sitzen? Es wären dann fünf große Dichter, wobei Homer, Horaz, Ovid und Vergil sicher auch heute noch zumindest für mich als die vier großen Dichter der Antike gelten, oder seht ihr das nicht so?


    Bei der Einschätzung Homers stützt sich Dante wohl auf seine Gewährsmänner - eben die alten Römer. Zu Dantes Zeit waren die Griechen praktisch unbekannt; allenfalls Bruchstücke und natürlich Aristoteles - aber alles in lateinischer Übersetzung.


    Zitat von "nimue"

    Zu Vergil meint Wikipedia Im Mittelalter galt Vergil als Zauberer und zugleich als Vorbote des Christentums - in der 4. Ekloge wird die Geburt eines Knaben in Worten vorausgesagt, die stark an Christi Geburt erinnern.


    Der Zauberer ist wohl eher die Ansicht des ungebildeteren Volkes, soweit es Vergil überhaupt kannte. Auch andere Denker teilen das Schicksal einer solchen Einschätzung, so gibt es einen ganzen Sagenkreis um den Zauberer Albertus Magnus. Späterhin ereilte einen gewissen Dr. Faust dieses Schicksal. Die Gebildeten - zu denen Dante zweifelsohne zählt - werden vor allem den genialen Dichter und den Propheten des Christentums gekannt haben. Dante selber scheint eine echte persönliche Beziehung zu Vergil gehabt zu haben. Dieser Dichter ist wohl, was wir heute Dantes Idol nennen würden.


    Zitat von "nimue"

    Nun im 7. Gesang haben wir die nächste Todsünde: Der Geiz. Diese Todsünde begingen damals wohl vor allem Adelige und Geistliche.


    Wer sonst hatte überhaupt etwas, womit er geizen konnte? M.W. entstanden der bürgerliche Kaufmann und der bürgerliche Bankier gerade erst zu Dantes Zeit.


    Zitat von "nimue"

    Sehr interessant fand ich, dass plötzlich Göttin Fortuna auftaucht, oder vielmehr erklärt wird, wozu die Menschheit sie braucht. Merkt man hier noch die Einflüsse der Mythologie auf Dante?


    Laut meinem Kommentar nicht nur auf Dante. Schon Boethius und Thomas von Aquin haben die Fortuna in die christliche Theologie 'integriert'.


    Zitat von "nimue"

    Was mir beim Lesen immer wieder auffällt, ist dass Dante die Hölle sehr anschaulich beschreibt. Brrrr....ich muss mich oft richtig überwinden, noch weiter über das Jammern, Klagen, Wehgeschrei zu lesen.


    Merkwürdig. Als ich vor Jahren, Jahrzehnten die Divina Commedia zum ersten Mal las, hatte ich genau dasselbe Empfinden. Heute geht es mir im Gegenteil so, dass ich Dante als Beschreiber ungeheuer kalt und distanziert empfinde. Aber wahrscheinlich spielt auch das eine Rolle, was Habermas das 'Ernkenntnisinteresse' genannt hat; und heute bin ich mehr an Dantes Theologie interessiert, als ich es damals war ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"


    Bei der Einschätzung Homers stützt sich Dante wohl auf seine Gewährsmänner - eben die alten Römer. Zu Dantes Zeit waren die Griechen praktisch unbekannt; allenfalls Bruchstücke und natürlich Aristoteles - aber alles in lateinischer Übersetzung.


    Ja, ja, deshalb muss Dante ja auch im 26. Gesang als er Ulyss und Diomedes trifft, den Vergil als Übersetzer zu Hilfe nehmen, weil er des Griechischen nicht ausreichend mächtig ist. Das trojanische Pferd kennt Dante ja, obwohl er Homer nicht gelesen hat, aus Vergils Aeneis II und aus Ovids Metamorphosen XII.


    Ich denke eh, wenn man Vergils Aeneis und Ovids Metarmorphosen nicht kennt, versteht man fast nichts aus Dantes commedia, den Homer als Voraussetzung, wie von vielen empfohlen, halte ich dagegen als entbehrlich. Wie seht ihr das?


    Gruß


    Georg