Oktober 2004: Dante Alighieri «Divina Commedia»

  • Zitat von "sandhofer"


    Ich verstehe jetzt nicht: warum "nochmals"?


    Naja, weil sie doch schon weiter oben zusammen mit den Geizigen aufgetaucht sind, und zwar im ... *blätter* ... vierten Kreis (7. Gesang)!


    Zum Thema, dass Dante und seine Göttliche Komödie immer wieder (auch in der modernen Literatur) auftauchen: ich habe mir gestern "Hannibal" angesehen, wo Dr. Hannibal Lecter in einer Szene einen Vortrag über Judasdarstellungen in Kunst und Literatur hält. Ich weiß zwar nicht, ob diese Stelle in der Romanvorlage von Thomas Harris genauso vorkommt, aber im Film bezieht sich Lecter dabei auch auf die Commedia, und zwar, wie ich heute bemerkt habe :zwinker:, auf den 13. Gesang.


    Lecter weist auf Parallelen hin zwischen Pier della Vigna, der wegen Verrats an Friedrich II. angeklagt und eingekerkert wurde und sich in der Folge das Leben nahm (er ist der Strauch, dem Dante einen Zweig abbricht), und Judas Ischariot.
    (Anm.: Ob Pier schuldig war oder nicht, ist bis heute nicht entschieden - Dante hält ihn offensichtlich für unschuldig.)
    Im Film zitiert Lecter schließlich aus der Originalfassung der Commedia, einige Zeilen übersetzt er auch - und er endet mit dieser:


    Ich schuf zu einem Galgen mir mein Haus.


    Alles in allem habe ich mich mit dem 13. Gesang bisher eindeutig am schwersten getan und etliche Metaphern erst mit Hilfe des Kommentars verstanden, z.B. die beiden Schlüssel zu Friedrichs Herz (Hass und Liebe), die feile Metze (Neid) und einige mehr.


    Zitat von "Georg"

    (woher kanntest du das eigentlich, wenn nicht von Ovid)


    Achso, jetzt sehe ich endlich die Ursache für unsere Diskussion - schlicht und einfach ein Missverständnis!
    Wenn ich sage, ich verstehe diese Stelle auch ohne mich näher mit Ovid beschäftigt zu haben, dann meine ich das wörtlich - das schließt aber nicht aus, dass mir die Geschichte von Narziß und seinem Spiegel schon einmal anderweitig (quasi über mehrere Ecken) zu Ohren gekommen ist.
    Also kenne ich sie indirekt natürlich doch von Ovid - ich dachte aber die ganze Zeit, du beziehst dich darauf, dass man die ganzen Originale direkt kennen müsste.
    Sind jetzt endgültig alle Klarheiten beseitigt? :elch:


    Zitat von "Georg"

    Wo kommt den vor, dass Lanzelot und Ginevra in der Hölle schmoren?


    Ups, mein Fehler. Entschuldigt, ich hatte die Stelle falsch im Gedächtnis ...


    Zitat von "Georg"

    Deine Bemerkung mit Romeo und Julia versteh ich nicht Wer von den beiden hat den die Ehe gebrochen?


    Also korrigiert mich bitte, wenn mich mein Gedächtnis schon wieder trügt, aber ich bilde mir ein, dass unehelicher Geschlechtsverkehr laut Bibel sozusagen mit Ehebruch gleichzusetzen ist.
    (Fragt mich jetzt aber nicht nach der genauen Stelle ...)
    btw: Davon abgesehen habe ich gar nicht gesagt, dass Romeo und Julia Ehebrecher waren, sondern dass es mich nicht gewundert hätte, sie im selben Kreis wie diese (nämlich dem der "Sünder des Fleisches") anzutreffen ...
    ... wenn Dante nicht schon viel früher gelebt hätte, und wenn Romeo und Julia im Gegensatz zu Helena & Co. nicht gar so offensichtlich literarische Fiktion wären ... um weiteren Einwürfen gleich vorzubeugen.


    Zitat von "Georg"

    Kritik an einzelnen Personen der Kirche war damals durchaus willkommen, Boccaccio hat in seinem Decamerone noch viel stärker auf Mißstände in der Kirche hingewiesen und doch wurden die beiden (Dante und Boccaccio) von der Kirche immer hoch angesehen.


    Wieder was gelernt. :sonne:


    Zitat von "Georg"

    Wenn du mal nach Florenz kommen solltest, schau dir unbedingt bei der Santa Maria Novella die Fresken (noch aus dem 14. Jahrh.) in der Cappella degli Spagnoli an, in dem Fresko "Der Dominikanerorden und der neue offene Weg zum Heil", sind Dante und Boccaccio wie Heilige dargestellt.


    Ist notiert (in 6 Wochen ist es soweit). :klatschen:


    Salut,
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Bluebell"


    Naja, weil sie doch schon weiter oben zusammen mit den Geizigen aufgetaucht sind, und zwar im ... *blätter* ... vierten Kreis (7. Gesang)!


    Ach so, ja. War mir so gar nicht mehr präsent. Ich habe die nämlich geistig in zwei verschiedenen Kategorien abgelegt: im 4. Kreis die Verschwender, die allzu Grosszügigen, die allzu gut Lebenden; in der 2. Runde des 7. Kreises die Verschleuderer, die ihr Gut sinnlos (z.B. im Glücksspiel) aus dem Fenster geworfen haben. Das ist aber meine eigene Interpretion; ich habe festgestellt, dass sie im Text nicht festzumachen ist.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo ihr Lieben,


    ich habs gerade schon im Großen Bücherforum geschrieben:


    Nicht böse sein, aber ich muss bei eine kurze Lesepause einlegen, bzw. ganz langsam lesen. In der letzten Zeit werde ich nämlich von einer akuten Leseunlust geplagt. Ich zappe mich lieber durch dumme TV-Sendungen und mag meine Bücher gar nicht in die Hand nehmen. Deshalb werde ich mir jetzt erst mal was ganz leichtes, entspannendes aussuchen und danach wieder hier mitmischen.


    Ich hoffe, ihr nehmt mir das nicht übel. Ich bin auch ziemlich traurig, dass ich nicht mitmachen kann und dass ich vor allem bei der Leserunde abgehängt werde, aber momentan muss ich mich direkt überwinden, ein Buch in die Hand zu nehmen. Dabei habe ich eigentlich richtig Spaß an Dante! :sauer:


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo zusammen!
    Hallo nimue!


    Zitat von "nimue"

    Ich hoffe, ihr nehmt mir das nicht übel. Ich bin auch ziemlich traurig, dass ich nicht mitmachen kann und dass ich vor allem bei der Leserunde abgehängt werde, aber momentan muss ich mich direkt überwinden, ein Buch in die Hand zu nehmen. Dabei habe ich eigentlich richtig Spaß an Dante!


    Schade. Ich kenne das irgendwie: Ich kämpfe Oktober / November auch jedes Jahr mit einer akuten Unlust an und zu allem. Muss das Wetter sein. Da wir eh nicht so schnell lesen (ich jedenfalls nicht), hast Du alle Chancen, bei erneutem Aufflammen der Lese- und Dante-Lust wieder mitzumischen. Ich schlage vor, dass wir einfach mal, wie zu Beginn abgemacht, ganz langsam weiterlesen. Wenn Du, nimue, dann siehst, dass Dich die Leselust wieder packt, kannst Du immer noch entscheiden, ob sich ein Wiedereinstieg lohnt. OK?


    Ich habe gestern mal nachgerechnet: Ich lese im Moment im Schnitt 1 Gesang pro Tag. Damit werde ich in rund 3 Monaten mit der Lektüre der Commedia fertig sein ...


    Grüsse und "gute Besserung" an nimue!


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"

    Ich habe gestern mal nachgerechnet: Ich lese im Moment im Schnitt 1 Gesang pro Tag. Damit werde ich in rund 3 Monaten mit der Lektüre der Commedia fertig sein ...


    Jep, diese Berechnung habe ich auch schon angestellt! :breitgrins:
    Wobei ich den Schnitt momentan nicht ganz halten kann, sondern erst Gesang 15 fertig habe. Aber wenn ich diese *ZENSUR* :evil: Prüfung am Samstag hinter mir habe, erhoffe ich mir wieder einen ordentlichen Schub nach vorne.
    Ich hab's ja im anderen Forum schon erzählt, ich habe momentan eine Krise der etwas anderen Art: nämlich ein schlechtes Gewissen für jede Minute, die ich mit Lesen (oder im Internet) statt mit Lernen verbringe. (und umgekehrt hab ich ein schlechtes Gewissen der Leserunde gegenüber ... :rollen: )


    Aber wie gesagt, meine Durststrecke hat voraussichtlich am Samstag ein Ende, und wenn du nach deiner wieder Lust auf Dante hast, wirst höchstwahrscheinlich keine Probleme haben uns einzuholen. :knuddel:


    So, das war's auch schon wieder von mir ... die Thermodynamik ruft ... *seufz*


    Liebe Grüße & herzliche Entschuldigung bei Sandhofer, Georg und xenophanes :blume:


    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Guten Morgen allerseits!


    Zitat von "sandhofer"

    Gesang 14: Die Gotteslästerer. Capaneo als herausragendes Beispiel, obwohl der ja eigentlich Jupiter gelästert hat. Manchmal ist das mittelalterliche Denken nicht einfach nachzuvollziehen ...


    Die einzige Erklärung, die mir dazu einfällt, hast du ja weiter oben schon selbst geliefert: dass laut mittelalterlicher Weltanschauung die alten Heiden eben doch eine Art "untergeordnete Götter" oder "Engel" angebetet haben. Aber ob das jetzt auch zu diesem konkreten Fall passt ... !?


    Zitat von "sandhofer"

    Gesang 15: Die Sodomiter. Dante trifft auf seinen alten Lehrer. Rührend, wie er völlig auf eine Detaillierung von dessen Sünde verzichtet. Überhaupt habe ich, wie schon gesagt, immer wieder das Gefühl, Dante seien viele der beschriebenen Sünder irgendwie sympathisch.


    Ja, das kommt gerade in diesem Gesang wieder gut heraus. Ich habe auch oft (außer z.B. bei Argenti) den Eindruck, dass er vor lauter Mitleid sogar "Hauch von Ansatz" an der Gerechtigkeit der Strafe zweifelt ... kommt euch das nicht auch so vor?


    Weiter bin ich leider noch nicht gekommen. Wie schauts bei euch aus?


    Liebe Grüße,
    Bluebell

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  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Bluebell"

    Die einzige Erklärung, die mir dazu einfällt, hast du ja weiter oben schon selbst geliefert: dass laut mittelalterlicher Weltanschauung die alten Heiden eben doch eine Art "untergeordnete Götter" oder "Engel" angebetet haben. Aber ob das jetzt auch zu diesem konkreten Fall passt ... !?


    Insofern als ich der Meinung war, dass die römischen Götter eher (und zwar alle!) Dämonen gleichgesetzt wurden, hat mich dieser Passus hier schon erstaunt.


    Zitat von "Bluebell"

    Ja, das kommt gerade in diesem Gesang wieder gut heraus. Ich habe auch oft (außer z.B. bei Argenti) den Eindruck, dass er vor lauter Mitleid sogar "Hauch von Ansatz" an der Gerechtigkeit der Strafe zweifelt ... kommt euch das nicht auch so vor?


    Weiter bin ich leider noch nicht gekommen. Wie schauts bei euch aus?


    Ich bin einen oder zwei Gesänge weiter, habe aber im Moment ehrlich gesagt keine Zeit für ein ausführlicheres Posting.


    Zum Mitleid: Er zeigt sicher Verständnis oder eine Art freundschaftlicher Zuneigung bei einigen Sündern. Über andere kann er dann auch wieder regelrecht herziehen. Ich schau da noch nicht so ganz durch. Ich vermute, vor allem ehemalige 'Freunde' aus seiner wilden Zeit, Freunde, die ihn zu sehr an seine eigenen Sünden von damals erinnern - über die zieht er her. Bei den andern enthält er sich vornehm eines Urteils.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "Bluebell"


    Die einzige Erklärung, die mir dazu einfällt, hast du ja weiter oben schon selbst geliefert: dass laut mittelalterlicher Weltanschauung die alten Heiden eben doch eine Art "untergeordnete Götter" oder "Engel" angebetet haben. Aber ob das jetzt auch zu diesem konkreten Fall passt ... !?


    Augustinus schreibt im "Gottesstaat" einiges dazu. Er führt heidnische göttliche Aktivitäten aber auf Dämonen zurück. Und "Dämonenlästerung" sollte eigentlich nicht strafbar sein :zwinker:


    CK

  • Hallo zusammen!


    Da ich gerade ein wenig freie Zeit habe:


    Ich bin jetzt bei Gesang 18.


    Somit fehlen meine Bemerkungen zu:


    Gesang 16: Noch einmal die Sodomiter, hier 3 Edelleute aus Florenz. Auch ihnen erweist Dante grösste Achtung ... Gleichzeitig ist dieses Gespräch ein guter Trick des Erzählers Dante. So hört der Höllenreisende Dante nämlich nicht, mit welchen Argumenten Vergil wohl das Untier aus dem nächsten Höllenkreis davon überzeugen könnte, die beiden mit nach unten zu nehmen. Wie der Reisende Dante sich nämlich Vergil wieder anschliesst, ist das schon geschehen. So erspart sich der Erzähler einiges.


    Gesang 17: Die Wucherer. Noch getreu dem alten Motto, dass es sündlich ist, Geld auf Zinsen auszuleihen. Leider ist dies völlig in Vergessenheit geraten ...


    Gesamg 18: Sie reisen nunmehr in den 8. Kreis. Der ist unterteilt in 10 Gruben. Äusserst penibel organisiert, diese Hölle, muss ich schon sagen.


    Als erstes treffen wir die Kuppler und die Verführer. Unter den ersteren wird eine eine reale Gestalt hervorgehoben, unter den letzteren eine mythologische: Jason. Heute machen wir uns ja keine grossen Gedanken darüber, wie der zu seinem Ruhm gekommen ist; für Dante war es offenbar eine recht schimpfliche Art und Weise: Verführen, Schwängern und Sitzenlassen von Jungfrauen.


    Soweit wären wir nun.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Servus!


    Suse: Ist doch nicht schlimm, mach dir bloß keinen Druck. Aber bevor dein akuter Anfall von Leseunlust in eine chronische Leseflautitis umschlägt, solltest du einen Spezialisten aufsuchen! *brauche einen Doktorsmiley* :breitgrins:
    Du musst ja auch nicht unbedingt gleich mit Dante weitermachen, wenn es langsam "abklingt" - aber wenn du Lust und Laune hast, sollte der Wiedereinstieg bei unserem Tempo kein Problem für dich darstellen! :zwinker:


    Zitat von "sandhofer"

    Gesang 16: Noch einmal die Sodomiter, hier 3 Edelleute aus Florenz. Auch ihnen erweist Dante grösste Achtung ...


    Ja, diese 3 scheint er nicht nur sympathisch, sondern sogar verehrungswürdig zu finden: immerhin weist ihn Vergil darauf hin, dass er ihnen von Anstands wegen eigentlich entgegengehen müsste, wenn da nicht der Feuerregen wäre.


    Zitat von "sandhofer"

    Gleichzeitig ist dieses Gespräch ein guter Trick des Erzählers Dante. So hört der Höllenreisende Dante nämlich nicht, mit welchen Argumenten Vergil wohl das Untier aus dem nächsten Höllenkreis davon überzeugen könnte, die beiden mit nach unten zu nehmen. Wie der Reisende Dante sich nämlich Vergil wieder anschliesst, ist das schon geschehen. So erspart sich der Erzähler einiges.


    Raffiniert, in der Tat! :breitgrins:
    Dante scheint auch sehr überzeugt von sich und seinem Ruf gewesen zu sein ... denn schon im 15. Gesang lässt er sich von einem Verdammten mit den Worten ansprechen:


    Dein Glück hat so viel Ruhm dir zugemessen,
    dass nach dir hungert jegliche Partei;


    Und auch hier im 16. Gesang legt er jemandem die Worte in den Mund:


    Und dass dein Ruhm sich noch nach dir verbreite


    Zitat von "sandhofer"

    Gesang 17: Die Wucherer. Noch getreu dem alten Motto, dass es sündlich ist, Geld auf Zinsen auszuleihen. Leider ist dies völlig in Vergessenheit geraten ...


    Die Wucherer haben Beutel mit ihrem Familienwappen um den Hals hängen. Den blauen Löwen auf gelbem Grund stellte ich mir ja noch sehr edel vor, bei der weißen Gans auf rotem Grund musste ich schon etwas schmunzeln, aber ganz vorbei war es bei der blauen Sau auf weißem Grund! Da hatte ich sofort einen Energydrink vor Augen, der eine Zeitlang bei uns in Mode war, mit einer flitzenden blauen Sau auf dem Etikett! :elch:


    Zitat von "sandhofer"

    Gesamg 18: Sie reisen nunmehr in den 8. Kreis. Der ist unterteilt in 10 Gruben. Äusserst penibel organisiert, diese Hölle, muss ich schon sagen.


    Ich bin ja gespannt, ob Läuterungsberg und Paradies auch so akkurat durchorganisiert sind ... glaube aber eher nicht, oder?


    Zitat von "sandhofer"

    Als erstes treffen wir die Kuppler und die Verführer. Unter den ersteren wird eine eine reale Gestalt hervorgehoben, unter den letzteren eine mythologische: Jason. Heute machen wir uns ja keine grossen Gedanken darüber, wie der zu seinem Ruhm gekommen ist; für Dante war es offenbar eine recht schimpfliche Art und Weise: Verführen, Schwängern und Sitzenlassen von Jungfrauen.


    Na, das ist ja wohl wirklich nicht gerade die feine englische Art! :zwinker:
    Allerdings wundere ich mich gerade wieder einmal über den Grad der Schuld, die Dante den diversen Sündern zugewiesen hat. Die Schmeichler im 8. Höllenkreis? Also bitte! (Oder kann "Schmeichler" auch noch eine andere, verdorbenere Bedeutung haben als die heute übliche?)


    Fröhliches Weiterlesen
    wünscht Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Guten Abend wünsche ich! :schmetterling:


    Der 19. Gesang ist ja wieder höchst brutal!
    Im dritten Graben des achten Höllenkreises stecken die Simonisten mit dem Kopf nach unten in Felslöchern, aus denen ihre brennenden Fußsohlen herausragen. Simonie ist der Handel mit geistlichen Ämtern - Simon Magus war ein Zauberer, der von den Aposteln gegen Geld die Macht über den Heiligen Geist erwerben wollte.
    Ich musste bei der Schilderung dieses Ringes an eine Ballade aus Schulzeiten denken, nämlich "Die Füße im Feuer" von C. F. Meyer - wirklich eine grausige Foltermethode! :entsetzt:
    Dante spricht mit Papst Nikolaus III.:


    Wie einer stand ich, der die Beichte hört
    Des Meuchelmörders, der, schon eingegraben,
    Ihn ruft, daß noch das Leben etwas währt.


    Dante bezieht sich hier darauf, dass Mörder, die zu damaligen Zeiten bei lebendigem Leib mit dem Kopf nach unten eingegraben wurden, schon im Loch steckend noch nach einem Beichtvater begehrten, um das Ende hinauszuschieben. Dieser musste sich dann hinabbeugen, wie Dante es hier tut. Der Vergleich ist besonders ironisch, denn im Loch steckt ein Papst, dessen "Bekenntnis" ein Laie abnimmt! :breitgrins:


    Gruß,
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Zitat von "Bluebell"


    Der 19. Gesang ist ja wieder höchst brutal!


    Urlaubsbedingt habe ich das Inferno heute zu Ende gelesen und hoffe, demnächst ausführlicher meine Eindrücke auf den Monitor bringen zu können.


    Habe mich bei der Lektüre jedenfalls oft gefragt, wie es in Dantes Psyche ausgesehen haben muss. Ohne sadistische Ader lässt sich aber vermutlich keine brillante Hölle erfinden.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Unterdessen bin ich bei Gesang 21 - und werde hier auch noch einen Tag oder zwei bleiben. Nein, keine Leseblockade - schlicht und ergreifend keine Zeit ...


    Gesang 19: Wie schon Bluebell sagte: ganz schön burtal. Ich weiss nicht, ob es zur Abfassung solcher Gesänge wirklich einer sadistischen Ader beim Autor bedurfte. Immerhin habe solche Strafen Vorbilder in der mittelalterlichen Welt (worauf Dante selber hinweist); auch die mittelalterlichen Theologen haben ja z.T. die Hölle schon ausgemalt, wenn ich mich nicht täusche. Dante musste also bloss "abschreiben".


    Gesang 20: Nachdem im vorhergehenden Gesang Dante einem Pabst die Leviten gelesen hat, trifft er hier wieder auf Büsser, die ihm Tränen entlocken. Allerdings verweist sie ihm Vergil diesmal. Es sind die Seher. Im Leben wollten sie zu weit vorausschauen, in der Hölle müssen sie nun für immer zurückschauen, da ihnen der Kopf nach hinten verrenkt worden ist.


    Vergil nimmt die Gelegenheit, dass Manto unter den Büssenden ist, wahr, um ein Loblied auf seine Heimatstadt zu singen. Nebenbei distanziert er sich von seiner in der Aeneis vorgebrachten These, Mantua sei von Mantos Sohn gegründet worden. Ganz subtil entfernt der Schriftsteller Dante so seinen Kollegen von jedweder Nähe zu jedweder Zauberei. (Dem Vorwurf der Zauberei war er ja - nimue hat uns darauf hingewiesen - im Mittelalter ausgesetzt.)


    Gesang 21: Nach einem ernsten und einem traurig-sentimentalen Gesang nun noch ein fast komischer. Hier schmoren bestechliche Beamte. Dante hat den Quälgeistern von Teufeln ein paar gar entzückende Namen gegeben. Auch die Frage (Vers 101) des einen Teufels an den andern, ob er Dante in den Hintern stechen solle - entzückend!


    Zitat von "Bluebell"

    Ich bin ja gespannt, ob Läuterungsberg und Paradies auch so akkurat durchorganisiert sind ... glaube aber eher nicht, oder?


    Ich habe keine sehr genauen Erinnerungen mehr. Aber ich glaube schon, doch ja.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Grüß euch!


    Zitat von "sandhofer"

    Gesang 19: Wie schon Bluebell sagte: ganz schön burtal. Ich weiss nicht, ob es zur Abfassung solcher Gesänge wirklich einer sadistischen Ader beim Autor bedurfte. Immerhin habe solche Strafen Vorbilder in der mittelalterlichen Welt (worauf Dante selber hinweist); auch die mittelalterlichen Theologen haben ja z.T. die Hölle schon ausgemalt, wenn ich mich nicht täusche. Dante musste also bloss "abschreiben".


    Hm, kann schon sein ... aber ehrlich gesagt ist mir beim Lesen auch das Wort "sadistisch" eingefallen.
    Und vielleicht bilde ich mir das ja auch nur ein, weil damals eben andere Maßstäbe gegolten haben als heute - aber die Beziehung Dante-Vergil würde ich zumindest als homoerotisch bezeichnen. Ein Wunschdenken des Verfassers? :zwinker:


    Zitat

    Gesang 20: [...] Vergil nimmt die Gelegenheit, dass Manto unter den Büssenden ist, wahr, um ein Loblied auf seine Heimatstadt zu singen. Nebenbei distanziert er sich von seiner in der Aeneis vorgebrachten These, Mantua sei von Mantos Sohn gegründet worden. Ganz subtil entfernt der Schriftsteller Dante so seinen Kollegen von jedweder Nähe zu jedweder Zauberei.


    An diese Stelle habe ich mir in meinem Kommentar ein riesengroßes Fragezeichen gemalt - der erklärt nämlich nur, dass Vergil in der Aeneis eine andere Gründungsthese liefert, aber nicht, warum er es sich bis zu Dantes Reise scheinbar anders überlegt hat. Danke für die Erklärung!


    Die geographische Beschreibung fand ich übrigens ziemlich lang geraten ...


    Zitat

    Gesang 21: Nach einem ernsten und einem traurig-sentimentalen Gesang nun noch ein fast komischer. Hier schmoren bestechliche Beamte. Dante hat den Quälgeistern von Teufeln ein paar gar entzückende Namen gegeben. Auch die Frage (Vers 101) des einen Teufels an den andern, ob er Dante in den Hintern stechen solle - entzückend!


    Ja, einfach herrlich! :breitgrins:
    Hier könnte man die Commedia zum ersten Mal auch mit einer Komödie im heutigen Sinn vergleichen. Außerdem ist dieser Gesang im Vergleich zu den paar vorherigen wieder ziemlich actionreich - da tut sich was!
    Diese Teufel - Schlimmschwanz, Schwinghupf, Reifestampfer, Hunderachen, Krausbart, Lustgockel, Schuppendrachen, Sauhauer, Hanswurst, Rötel, Hundekralle, Irrwisch ( :elch: ) - erinnern mich ganz stark an unsere Krampusse!
    Sie erscheinen hier auch nicht als Gottes Widersacher (das ist dann wohl doch Luzifer höchspersönlich), sondern eher als seine "Angestellten", wenn man das so sagen kann. Denn als sie den beiden Reisenden den Weg versperren wollen, fragt Vergil:


    Entgegen Schicksalsfügung, Gottes Rat?


    Und die Reaktion von Schlimmschwanz ist mehr als eindeutig:


    Sein Übermut ist jenem ganz vergangen;
    Der Spieß fiel nieder ihm vor lauter Schreck;
    Dann warnte er: "Tut nichts ihm mit den Stangen!"


    Was ich mich auch gefragt habe: steckt hinter der zerstörten Brücke eine tiefere Symbolik, oder hat Dante sie quasi als Spannungselement eingebaut?


    Gruß
    Bluebell

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  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Bluebell"

    Hm, kann schon sein ... aber ehrlich gesagt ist mir beim Lesen auch das Wort "sadistisch" eingefallen.


    Ich weiss nicht. Dort, wo, wie in Gesang 21, Teufel da sind, die die armen Seelen foltern, könnte man ja noch von einem Lustgewinn ausgehen. Aber ansonsten?


    Ist ein Mediziner, der eine Autopsie protokolliert, auch ein Sadist? Mir kommt Dante eher vor wie der kalt aufzeichnende Wissenschafter.


    Zitat von "Bluebell"

    Und vielleicht bilde ich mir das ja auch nur ein, weil damals eben andere Maßstäbe gegolten haben als heute - aber die Beziehung Dante-Vergil würde ich zumindest als homoerotisch bezeichnen. Ein Wunschdenken des Verfassers? :zwinker:


    Oder ein Wunschdenken beim geneigten Leser? :breitgrins: Dante, soviel wir aus seiner Biografie wissen, war wohl eindeutig heterosexuell. Allerdings war bis in die wilhelminisch-viktorianische Zeit hinein auch ein rein freundschaftliches Verhältnis zwischen Männern viel emotionaler ausgeprägt als seither und heute.


    Zitat von "Bluebell"

    Diese Teufel [...] erinnern mich ganz stark an unsere Krampusse!


    Na ja, verwandt miteinander sind sie sicher.


    Zitat von "Bluebell"

    Was ich mich auch gefragt habe: steckt hinter der zerstörten Brücke eine tiefere Symbolik, oder hat Dante sie quasi als Spannungselement eingebaut?


    Der Zeitpunkt der Zerstörung ist sicher symbolisch. Es war der Moment, als Christus am Kreuz gestorben ist.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo!


    Zitat von "sandhofer"

    Ich weiss nicht. Dort, wo, wie in Gesang 21, Teufel da sind, die die armen Seelen foltern, könnte man ja noch von einem Lustgewinn ausgehen. Aber ansonsten?


    Hm. Mir kommt es irgendwie schon so vor, als hätte Dante die diversen Grausamkeiten ziemlich genüsslich ausgetüftelt. Ist aber vielleicht wirklich interpretationsabhängig.


    Zitat von "sandhofer"

    Ist ein Mediziner, der eine Autopsie protokolliert, auch ein Sadist?


    Natürlich nicht.


    Zitat von "sandhofer"

    Mir kommt Dante eher vor wie der kalt aufzeichnende Wissenschafter.


    Wirklich?? Also "kalt aufzeichnender Wissenschaftler" ist mit Sicherheit einer der letzten Ausdrücke, die mir dazu eingefallen wären.
    Hattest du diesen Eindruck auch schon beim ersten Mal lesen? Vielleicht ist das wieder einer dieser Punkte, die einem von Mal zu Mal anders erscheinen (siehe auch punkto Anschaulichkeit der Hölle).


    Zitat von "sandhofer"

    Allerdings war bis in die wilhelminisch-viktorianische Zeit hinein auch ein rein freundschaftliches Verhältnis zwischen Männern viel emotionaler ausgeprägt als seither und heute.


    Deswegen war ich mit meiner Unterstellung auch recht vorsichtig. Aber du musst zugeben: rein mit heutigen Maßstäben betrachtet, wäre die Vermutung naheliegend, oder?



    Gesang 22: Die Wanderer gehen mit den Teufeln den Pechsee entlang. Ein Sünder, Ciampolo Navarrese, wird von einem Teufel herausgezogen und erzählt seine Geschichte. Durch eine List gelingt es ihm, den Teufeln zu entkommen, von denen zwei sogar ins Pech fallen. Während sie geborgen werden, gehen Dante und Vergil weiter.
    Auch dieser Gesang ist lustig zu lesen, und wieder drängen sich mir die Krampusse auf. :breitgrins:


    Liebe Grüße
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Zitat von "sandhofer"


    Ich weiss nicht. Dort, wo, wie in Gesang 21, Teufel da sind, die die armen Seelen foltern, könnte man ja noch von einem Lustgewinn ausgehen.
    Ist ein Mediziner, der eine Autopsie protokolliert, auch ein Sadist? Mir kommt Dante eher vor wie der kalt aufzeichnende Wissenschafter.


    Dass "kalt aufzeichnende Wissenschaftler" sehr wohl auch Sadisten sein können, sollte die Medizingeschichte des letzten Jahrhunderts gezeigt haben.


    Nach ausführlicheren Recherchen und Lektüren muss ich sandhofer aber zustimmen. Die Vision der Höllenqualen waren seit der Spätantike sehr populär, angefangen mit den apokryphen Apokalypsen des Petrus und des Paulus. Das 6. Kapitel von Petrus kann mit Dante durchaus mithalten, was die Drastik der Strafen angeht:


    "Da waren etliche an ihrer Zunge aufgehängt und unter ihren Füßen loderte das ewige Feuer und quälte sie [...]
    Und über dem glühenden Schlamm waren Weiber an ihren Haaren aufgehängt, das waren solche, die sich zum Ehebruch geschmückt hatten. Die Männer aber, die sich mit ihnen zur Hurerei niedergelegt hatten, waren an den Füßen aufgehängt und steckten mit ihren Häuptern in der Glut."


    Vieles soll sich auch in Bruneto Latinis "Schatzbuch" finden.


    Sehr nützliches Buch zum Thema, das ich vor vielen Jahren las, und nun wieder hervor holte ist Georges Minois* "Die Hölle. Zur Geschichte einer Fiktion".


    CK

  • Hallo zusammen!
    Ich bin gestern zufällig hier reingestolpert und begeistert!
    Dante steht bei mir schon lange auf der Liste, nehmt Ihr noch Neulinge an Bord? Wenn ich etwas Dampf gebe, sollte ich Euch noch einholen können.
    Liebe Grüsse,
    Maja