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Es ist ja vielleicht wirklich die Frage, ob man ‘Effi Briest’ in der Schule lesen soll. Ob der Roman trotz Ehebruch und Pistolenduell nicht zu leise, zu diskret, zu vielschichtig und subtil ist für Schüler, die an ganz andre Lese- und Fernsehkost gewöhnt sind. Aber dann dürfte man kaum was Klassisches als Schullektüre wählen
Eben, wenn man so argumentiert, bräuchten wir nichts mehr zu lesen, als billige Comics und niveaulose Kitschromane.
Aber ich denke, da tust du uns Schülern ein wenig unrecht, denn nicht alle lassen sich vom Medien- und Konsumwahn blenden.
Ich weiß allerdings auch nicht, ob gerade Effi Briest in der Schule gelesen werden soll, denn dieses Buch ist nicht gerade dünn, außerdem (das hab ich an mir gemerkt) reicht es nicht aus, "Effi Briest" als Schmöker einmal durchzulesen und es dann beiseite zu legen, so wie man das mit den ganzen Krimis macht.
Aus meinem Jahrgang ist mir auch noch keiner begegnet, der das Buch nicht "langweilig" fand, die meisten tun sich schwer mit dem Lesen von Effi Briest.
Wobei Effi Briest eigetnlich nichts weiter ist, als ein gewöhnlicher Gesellschaftsroman, wie tausend andere des 19. Jahrhunderts. Fontane hat ja selber mehr als einen "Ehebruchsroman" geschrieben. Und das Duell war ja auch nichts Neues zu der Zeit.
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Aber Fontanes Figuren sind keineswegs die üblichen Klischees von sturen Preußenköpfen, keine Karikaturen, nicht eindimensional, sondern ‘volle’ Menschen, komplexe Menschen mit ihren Widersprüchen, ihren guten und schlechten Seiten, mal sympathisch, häufig auch weniger sympathisch
Hm, ich würde schon behaupten Fontane schafft gewöhnliche Charaktere, die den Klischees entsprechen. Grade Innstetten und Effis Eltern sind von der Sorte. Innstetten hat zwar Zweifel an der Richtigkeit seiner Tat, aber grade, dass er es nicht schafft aus den gesellschaftlichen Konventionen auszubrechen zeigt für mich, dass er als Mensch versagt hat. Innstetten ist nur eine Maschine, die funktionieren muss, eine Maschine, die zwar noch imstande ist menschlich "gerecht" zu denken, aber dies weitesgehend zu unterdrücken versucht.
Seine Handlungen zeigen deutlich, dass es zu Liebe nicht fähig ist, das war wohl kaum einer zu der Zeit, auch Effi nicht (die ich eigentlich recht symphatisch finde).
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Und nebenbei: Ich hoffe, es ist von daher verständlich, dass kein strahlender Held im Mittelpunkt steht, sondern normale Menschen, nicht ‘hohl’, aber so schwach wie, sagen wir, 99% von uns.
Das mag sein, aber anstatt nur zu meckern, wie schlecht wir doch alle sind, könnte er ja (Fontane wahrscheinlich nicht, viele andere Autoren machen das) einen Menschen vorstellen, der "gut" ist, der auch mal was richtig macht, in einer Welt von griesgrämigen Durchschnittsmenschen. Wenn einem doch jeden Tag "alltägliche, gewöhnliche Menschen begenen, braucht man dies nicht auch noch in der Literatur zu themathisieren. Wie schlecht doch die Welt war und ist, ist doch allen bekannt, denke ich.
Literatur dagegen soll etwas Schönes schaffen, das die Leiden dieser Welt mal für ein paar Stunden vergessen macht.
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Wie würdest du reagieren, wenn sich von einem guten Bekannten, einem Freund vielleicht, plötzlich heraustellen würde, dass er heimlich aktiv in rechten Kreisen ist? Wäre das Persönliche, die Freundschaft stärker als das gesellschaftlich Erwartete?
Ich glaube in unserer Zeit spielt dieses "Gesellschaftliche" keine so große Rolle, wie im Kaiserreich, deswegen fällt es einem leicht zu sagen, man würde zu dem Freund halten, denn wen interessiern schon irgendwelche Konventionen?
Wenn ein Freund von mir sich rechten Kreisen anschließen würde, würd ich glaub ich zunächst versuchen herauszufinden, warum er das tut.Einfach nur, weil er Probleme hat und irgendwo Zuflucht sucht, oder aber ob er dieses menschenverachtende Gedankengut wirklich teilt. Darin besteht für mich ein großer Unterschied. Und wenn er das wirklich täte, hätte unsere Freundschaft einfach keinen Sinn, denn die Basis würde fehlen. Ich könnte niemals mit Nazis befreundet sein, aber nicht weil es mir die Gesellschaft verbietet, sondern weil ich das mit meinen Prinzipien nicht vereinbaren könnte.
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Und dann ist es leicht, Menschen für ‘hohl’ zu halten.
Vielleicht ist mir hier die Wortwahl etwas misslungen. Mit hohl meine ich einfach nur das Unvermögen als Mensch hervorzutreten, und nicht als eine Marionette, die von irgendwelchen Konventionen gelenkt wird, so wie es eben fast jeder in Effi Briest ist (mit Außnahmevon Effi selber, das liegt aber wohl nur daran, dass ihr dieses Unglück widerfahren ist).
Im Nachhinein ist mir Effi sogar sehr symphatisch! Sie ist eben nicht die typische Frau eines Generals.(Was ist Innstetten eigetnlich?).