IMPORTANTE!

  • Hallo Forum!
    Nun habe ich mich also endlich angemeldet, und trotz meines Neulingdaseins zugleich eine sehr dringende Frage, bzw. stehe vor einer Unerklärbarkeit, die mir einer von euch evt. doch entwirren kann!


    Es geht - natürlich - um Effi Briest. Ich schreibe an einem Referat, welches den Roman v.a. auf seinen zeittypischen Charakter, also den bürgerlichen Realismus, überprüfen soll.


    Nun stehe ich vor folgendeam, elementarem Problem: Die bürgerlichen Realisten vertreten eine strikte Sittsamkeit und Moralität, welche den wirtschaftlichen Aufschwung der deutschen Bourgeiosie begründet und zugleich als moralische Abgrenzung gegenüber niederer Klassen und romantischer Ideen zu verstehen ist.


    Auch bei Effi Briest setzt sich die Moral durch und siegt über den Gegenentwurf Effi - doch natürlich nur vordergründig. Dahinter steckt die Kritik Fontanes an den gesellschaftlichen Umständen und Werten, die das persönliche Glück, die Liebe, verhindern. Bedeutend finde ich den Satz von Instetten: "Moral ist auch nur eine Vorstellung". Auch der Ehrenkodex, z.B. das Duellieren, werden durch die späte Einsicht Instettens als veraltet enttarnt. Es scheint mir, als würde alles Konserative zwar oberflächlich gesiegt, im Innersten aber gegen die Lebensfreude Effis unterlegen zu sein.


    Wie also soll ich nun Fontanes Werk als das angeblich typischste aller bürgerlich-realistischen Werke einordnen, sehen, und die Aussage des Autors mit den bürgerlichen Idealen vergleichen?


    Ich würde mich über eine Antwort freuen!


    Nicolas

  • Hallo Niclas,


    wenn du dir sicher bist, dass die Prämisse deines Referates nicht stimmt, beweise doch einfach genau das! Ansonsten würde ich an deiner Stelle mal in der Bibliothek nach Sekundärliteratur schauen.


    LG
    Nightfever

  • Ja, die Frage ist schon zentral - was ein Dichter an "WERTEN" vermitteln "soll" - oder ob er Zeuge, Dokumentarist der Sitten, Verhältnisse, sozialen und wort- und wirtschaftlichen Umstände seiner Zeit sein will!


    Fontane hat nie eine normiert-festgelegte Moral, der evangl. Kirche (der er selber sehr los anghörte), des Adels, der Bürgerlichkeit, eines besonderen Standes, eines gesellschaftlich fixierten Rollenträgers "erfüllen" wollen; im Gegenteil, er war ein interessierter "Psychograph" der Öffentlichkeit und Intimität, Arbeit und Spiel seiner Zeit, auch seiner eigenen Ehe, der Kindererziehung - insbesondere aber vieler sozialen und ehelichen, brüchigen oder flexibel-spannungsvollen Rollenverhältnisse in der Kaiserzeit.


    *


    Dieser Aufatz von Christel Gisch ist vielleicht fachlich etwas anstrengend, aber niveauvoll und informativ:
    http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/lit/9881.html

    Goethe: „...wodurch wir uns abermals überzeugen, daß es eine allgemeine Weltpoesie gebe und sich nach Umständen hervortue; weder Gehalt noch Form braucht überliefert zu werden, überall, wo die Sonne hinscheint, ist ihre Entwicklung gewiß.“

  • Ich weiß ehrlich gesagt nicht was ich von Effi Briest halten soll. Das Buch kann man lesen, wenn man mit seinen Gedanken wo anders ist, denn da passiert ja wohl echt nicht viel.
    Theodor Fontane hätte die Geschichte echt nicht auf 300 Seiten erzählen müssen, die Hälfte hätte völlig ausgereicht.
    Außerdem find ich Fontane etwas seltsam, der hatte wohl ziemlich oft Stimmungsschwankungen: einmal ist er Katholik, dann Protestant, dann kritisiert er alle Religionen. Oder seine Einstellung zu Juden: Mal ist er ein Antisemit, dann ändert er urplötzlich seine Meinung .. :rollen:

  • Zitat von "Céleste"

    Ich weiß ehrlich gesagt nicht was ich von Effi Briest halten soll. Das Buch kann man lesen, wenn man mit seinen Gedanken wo anders ist, denn da passiert ja wohl echt nicht viel.


    Hallo Celeste,


    vielleicht solltest du dann mal versuchen mit deinen Gedanken beim Buch zu sein, wenn du liest!


    ich habe dir ja bereits im Fontane Thread geantwortet. Ich finde immer noch, dass ein nochmaliges Lesen von Effi Briest (du erwähntest es) eine gute Chance für dich wäre, dich intensiver und erwachsener damit auseinander zusetzen. Vielleicht ist der Lehrer dir auch dabei behilflich.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Céleste,
    ja es passiert in Effi nicht allzu viel. das ist halt der stil der realisten- detailgenaue beschreibungen. meine erste leseerfahrung war auch, daß ich das werk relativ langweilig fand. aber man kann das buch eben nicht lesen, wenn man mit seine gedanken woanders ist. man muß auf die feinheit der sprache achten, die ganzen anspielungen auf das ende und und und


    nix gegen meine kleine effi


    viele grüße

  • Hallo!


    Ich weiß nicht, ob das am Realismus liegt! Ich würde einfach sagen er liegt an Fontane! Dostojewski ist doch auch Realist, wenn ich mich recht erinnere, und seine Bücher sind sehr spannend, auch wenn die Handlung nicht besonders anspruchsvoll ist.


    Diese ganze Atmosphäre in Effi Briest gefällt mir nicht. Aber da ist Madame Bovary genauso.. Einmal gelesen gut, aber ein zweites Mal?

  • Hallo,
    ist ja auch immer eine Sache des Geschmacks. Beim ersten lesen fand ich Effi damals auch langweilig. Aber inzwischen...
    Man muß auf die Feinheiten achten, wie z.B. die Geschichte mit dem Chinesen oder wie das Theaterstück heißt und und und


    Ich glaube schon, dass das auch am Realismus liegt. Ist alles sehr langatmig.
    Tolstoi, Flaubert, Thackeray. Ich hatte mit Allen so meine Anfangsschwierigkeiten :zwinker:


    viele Grüße

  • Zitat von "Céleste"

    Hallo!


    Ich weiß nicht, ob das am Realismus liegt! Ich würde einfach sagen er liegt an Fontane! Dostojewski ist doch auch Realist, wenn ich mich recht erinnere, und seine Bücher sind sehr spannend, auch wenn die Handlung nicht besonders anspruchsvoll ist.


    Diese ganze Atmosphäre in Effi Briest gefällt mir nicht. Aber da ist Madame Bovary genauso.. Einmal gelesen gut, aber ein zweites Mal?


    Vielleicht hast du Fontane - wie schon Kant - zu wenig zu würdigen gewusst? Ich würde mal behaupten, dass in Effi Briest für einen Fontane-Roman sehr viel passiert - ich rate dir übrigens, den Stechlin nie zu lesen, denn davon sagt Fontane selber, dass nichts passiert in dem Buch :breitgrins:


    Wie dem auch sei, wenn du schreibst, dass du Effi nicht mit voller Aufmerksam lesen konntest, hast du gleich selber die Begründung geliefert, weshalb du sie nicht verstanden hast - Fontane generell. In ihm Spannung und Abwechslung auf dem Silbertablett serviert zu kriegen, ist ein falscher Anspruch, die Kunst liegt da im Detail...im wahrsten Sinne des Wortes.


    :winken:

  • Ich erwarte von einem Buch auch keine Spannung. Würde ich das tun, dann würde ich wohl nur billige, oberflächliche, zeitgenössische Krimis lesen.
    Ein Buch soll mich zum Denken anregen, und das tut Effi Briest einfach nicht. Diese langen Beschreibungen geben mir gar nichts.
    Im Steppenwolf zum Beispiel passiert auch nicht viel, aber dieses Buch ist trotzdem sehr gut, grade weil nichts passiert, gerade weil es um die Gedanken und die Lebenseinstellung des Haller geht.
    In Effi Briest wird mir nur eine Horde dummer Leute präsentiert, die sich in ihre Zeit fügen und sich halt "typisch" verhalten. Aber sowas ist langweilig. Ich will nichts von hohlen Leuten lesen, sondern von Leuten mit Charakter.

  • Hallo zusammen!


    Ich halte Effi Briest auch nicht für Fontanes bestes Werk, aber Deine Bemerkung, Céleste:

    Zitat von "Céleste"

    Ich will nichts von hohlen Leuten lesen, sondern von Leuten mit Charakter.


    erinnert mich unwillkürlich an Lichtenbergs Aphorismus: Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist das allemal im Buch? :zwinker:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Nur weil man nix in einem Buch findet, heisst nicht, dass nix drin steht...


    ich gestehe aber zu, dass Geschmäcker verschieden sind und ich weiss, dass viele mit Fontane Mühe haben. Ich denke aber, zu sagen, es wären nur hohle Leute, die zusammen nix tun als dumm sein und dass das Buch deshalb schlecht sei, zeugt für mich von grosser Eingenommenheit von seiner eigenen Person und dem dazu gehörigen Literaturgeschmack ohne viel DIfferenzierung eines Urteils.

  • Zitat von "Cosima"

    Nur weil man nix in einem Buch findet, heisst nicht, dass nix drin steht...


    ich gestehe aber zu, dass Geschmäcker verschieden sind und ich weiss, dass viele mit Fontane Mühe haben. Ich denke aber, zu sagen, es wären nur hohle Leute, die zusammen nix tun als dumm sein und dass das Buch deshalb schlecht sei, zeugt für mich von grosser Eingenommenheit von seiner eigenen Person und dem dazu gehörigen Literaturgeschmack ohne viel DIfferenzierung eines Urteils.


    Wer ist denn deiner Meinung nach nicht dumm in diesem Buch?
    Ich zumindest finde dort niemandem, mit dem ich was anfangen kännte, und deshalb gefällt es mir nicht! was hat denn das bitte mit "Eingenommenheit" zu tun. Ich bin nunmal nicht du, sondern ich, deshalb lese ich Bücher, in denen Charaktere zu finden sind, mit denen ich mich identifizieren kann oder deren Handlungen ich interessant finde. Und in Effi Briest find ich halt nichts dergleichen. Das ist nun mal meine Meinung. Sorry!

  • Hallo zusammen!


    Hört mal: Das hier führt zu nix. Céleste besteht mit dem Vorrecht ihres (oder seines?) Alters auf ihrer (seiner?) eigenen, wenn auch höchst undifferenzierten und nur auf flüchtiger Lektüre beruhenden Meinung. Das ist, wie gesagt, das Vorrecht ihres (seines?) Alters, und dagegen kommt im Moment niemand an.


    Ich muss ihr (ihm?) insofern beipflichten, als ich der Meinung bin, dass ausgerechnet Effi Briest nicht im gymnasialen Unterricht erscheinen sollte. Es ist eine Lektüre, die zuviel Aufmerksamkeit verlangt, zuviel Gespür und zuviel Wissen um die leisen Unter- und Zwischentöne - mit einem Wort: einige Lebens- oder Leseerfahrung, was ein/e Gymnasiast/in nur selten mitbringt.


    Dass man anhand der Effi einiges in punkto genauen Lesens lernen kann, will ich nicht bestreiten - im Gegenteil. Das ist wohl auch der Grund, warum sie in allen mir bekannten Lehrplänen aufgeführt wird. Dennoch halte ich deren Lektüre in den meisten Fällen für pädagogisch fragwürdig, kontraproduktiv.


    Auch mir hätte seinerzeit das Gymnasium beinahe Fontane verleidet mit der Effi Briest; erst, als man mich auf Frau Jenny Treibel aufmerksam machte, begann ich Fontane zu lieben.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • hallo sandhofer,
    könntest du vielleicht mal ein beispiel aus der lektüre anführen, die deiner meinung nach lebens- oder leseerfahrung verlangt, um verstanden zu werden?


    habe das buch nämlich auch gelesen, mich aber nicht sehr tief mit stilmitteln, und ähnlichem befasst.


    habe mir jetzt auch zum besseren verständnis "fonatanes welt" zugelegt, bin aber allerdings noch nicht sehr weit gekommen.


    gruß
    matthias

    "i was the fool because i thought...i thought the world...turns out the world thought me...it's all the other way 'round...we're upside down..."

  • Zitat von "xenophanes"

    Ich habe noch nie jemanden getroffen, der etwas von Literatur versteht, und "Mühe" mit Fontane gehabt hätte.


    CK


    MIch musst du nicht fragen, ich liebe Fontane, ich wollte nun aber nicht allen, die ihn nicht mögen, LIteraturverständnis absprechen, das dachte ich, stände mir nicht zu. ;) Von ausgewiesenen Literaturexperten habe ich allerdings noch nie einen getroffen, der Fontane nicht schätzte.

  • Vorverständnis bei Fontane? In Effi wird viel mit Bildern und Symbolen gearbeitet. Vieles erscheint zwischen den Zeilen oder ist eben da, obwohl es nicht steht. Bei uns war Effi kein Schulstoff, wir haben von Fontane Irrungen, Wirrungen gelesen, das fand ich allerdings nicht wirklich der bessere EInstieg. Wirklich lieben gelernt habe ich Fontane im Studium, wo ich dann das Gesamtwerk in einem Zug durchgelesen habe. :breitgrins: Und damit nicht fertig, seit da wird Fontane immer wieder neu beehrt und jedesmal entdecke ich neue Welten drin.


    Fontane bringt sehr viel von seiner Zeit, von der STimmung da, von der Politik, von dem gesellschaftlichen Leben. OHne dieses Wissen kann man ihn lesen, doch er erscheint sehr fad und trocken. Wenn man es weiss, sieht man die Nuancen und Finessen, die er einbaut, erkennt seinen feinen Humor und seine Spitzen, die er gegen diverse DInge abschiesst. Schade, wenn man die verpasst, denn ohne sie ist Fontane in der Tat nur halb so gut.