...
F. M. Dostojewskij - Der Idiot
-
-
Hallo
Zitat von "Gnorry"jedoch habe ich oft den Eindruck, dass es konstruiert und auf dramatische Wirkung ausgelegt ist.
Alles, was sich am ersten Tag abspielt - bis zum Antrag und der Flucht Anastassias, ist sehr unglaubwürdig und wirkt auf mich wie ein Theaterstück.
[...] Das ist alles dramatisch und spannend, hinterlässt bei mir aber einen zwiespältigen Eindruck.Wahrscheinlich ist die Prosa Dostojewskijs generell nicht mit realistischen Maßstäben zu bewerten, aber trotzdem ärgere ich mich zum Teil über plumpe Überrumpelungen, wie sie im Puppentheater praktiziert werden.
(Massenaufläufe von allen beteiligten Figuren, die sich zum reinen Chaos
und Vulkanausbruch aufschaukeln...)Was mir momentan dazu einfällt:
- Erstens: Dostojewskij schrieb um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, seine Werke mussten also Leser finden, da gehört Spannung nunmal einfach dazu und Überraschungseffekte stören kaum.
- Zweitens: Weshalb darf für dich Prosa keine unwahrscheinlichen Handlungen aufweisen, welche du den Theaterstücken eher noch zubilligst?
- Drittens: Unwahrscheinliche Handlungen sind sehr, sehr weit verbreitet in der Literatur, nach allem, was ich mitbekommen habe. Ist Simplicius Simplicissiumus ein schlechtes Buch, weil es nicht realistisch ist? - Stört es, dass Don Quichote kaum eine wahrscheinlich, lebender Mensch sein kann? Ein Gantenbein von Frisch wird auch kaum anzutreffen sein. - Um ganz extreme Beispiele zu nennen.
- Viertens: Ich gebe dir recht, es wirkt störend auf die Lektüre, wenn man merkt, zu welchem Kunstgriff eben gegriffen wird. Fehlte es Dostojeewskij also an künstlerischen Fähigkeiten, das Handwerk zu vertuschen. Man könnte auch sagen, er sei ehrlicher gewesen, als andere Autoren, in dem man bei ihm merkt, wann er dem Publikum Zugeständnisse macht. - Denn:
- Fünftens: Wer will schon eine alltägliche Geschichte lesen, in einer alltäglichen Sprache? - Nicht niemand, aber nur wenige, denke ich.
Grüsse
alpha -
...
-
Jetzt hab ich das uralte Thema wieder ausgegraben.. [size=9px]Edit sandhofer: Ich habe diesen Beitrag vom Archiv-Thread einer Leserunde abgetrennt und einen eigenständigen daraus gemacht, da er ja nicht mehr zur Leserunde gehört. Nix für Ungut! Grüsse - Sandhofer[/size]
Ich hab gestern "Der Idiot" endlich fertiggelesen und werd einfach nicht schlau aus diesem Buch. Was will mir D. damit sagen?
Will er einfach nur die Gesellschaft kritisieren, die naive und ehrliche und gute Menschen ins Unglück stürzt?
Warum handelt der Fürst so seltsam?
Ich weiß es beim besten Willen nicht. Wer sind überhaupt die guten, wer die "Schlechten" Charaktere? Mit wem sympathisiert der Autor?Sind ziemlich viele Fragen auf einmal, aber es gibt bestimmt viele Leute hier, die das Buch gelesen haben und vielleicht Antworten kennen..
-
Lang her, dass ich es gelesen hab.
Und es gibt Möglichkeiten, vieles rauszulesen.
Für Autoren mit einem so großen und komplexen Gesamtwerk wie Dostojewskij gilt immer - wie weit kniest du dich da rein?Ist wohl so, dass er darstellen wollte, dass ein wirklich guter -
oder nur einfältiger ??
oder beides ??
Mensch, also Fürst Myschkin -
nicht so gut klarkommt.Und sicher wollte Dostojewskij Probleme seiner Zeit und seines Landes diskutieren. Wenn ich so überschlage, was ich alles von der großen Romanliteratur des 19. Jh. gelesen hab - welcher dieser Autoren wollte das denn nicht?
Der Fürst ist eine schwer deutbare Figur. Ja, warum handelt er so, wie er handelt? Wollte D. vielleicht darstellen, dass es überhaupt nur in Grenzen ausdeutbar ist, warum ein Mensch so handelt, wie er handelt? Handelt der Fürst, wie er handeln muss, und bleiben seine Motive uns verborgen? Oder handelt er so seltsam, weil er - ein Idiot ist? Handelt er aus sich heraus nicht einfach konsequent?
Ist der Fürst eine bewusst abgehoben konstruierte Figur, die polarisierend der Gesellschaft seiner Zeit entgegengestellt wird? Um damit eben dieser einen Spiegel vorzuhalten?
Was ist gut, und was ist schlecht? D. war ein zu gebildeter und moralischer Mensch, als dass er es nicht komplexer gesehen hätte. Gut und schlecht ist meist eine Frage des Standpunktes.
Und ein Autor muss mit keiner seiner Figuren sympathisieren.
Ich hab den "Idiot", "Die Dämonen" und "Schuld und Sühne" je zwei oder dreimal gelesen. Und je mehr ich las, desto mehr Fragen ergaben sich.
Auch aus dem Vergleich der Hauptpersonen, Myschkin und Raskolnikow zum Beispiel.Ich bin kein sehr christlich orientierter Mensch und tat mich schwer, die Romane aus diesem Blickwinkel zu interpretieren, was aber erforderlich ist, denn D. war (wie auch Tolstoi) sehr christlich orientiert.
Die Frage "Was will uns der Autor damit sagen" scheint mir erstens nicht zu beantworten, und zweitens ist sie bei Autoren der Klasse Dostojewskijs zu einfach gestellt.
Ein Mensch steht in seiner Zeit, macht sich seine Gedanken, versucht, Standpunkte zu haben, nach seinen Maßstäben "gut", "moralisch", "richtig" zu handeln. Aber das Handeln hat Auswirkungen auf Andere, in einem Netz von Handlungen, und es kommt was ganz anderes dabei raus, als beabsichtigt war.
Was ist also "richtiges Handeln"?
( Kam bei Christus nicht auch was ganz anderes raus, als beabsichtigt war? )
Sind die Widerparts des Fürsten für IHR Handeln zu verurteilen, weil sie ihm, dem GUTEN Menschen, damit schaden?Wenn du dich näher auf D. einlassen willst, wirst du mehr von ihm lesen, du wirst vielleicht ein wenig über ihn recherchieren -
und dann gibt es noch mehr Fragen.
So wie dieser Beitrag noch mehr aufwirft - als er dir beantwortet.
Gruß
Leibgeber -
Ich kenne den Film zwar noch nicht, aber bei diesem Meisterregisseur lohnt sicher der Hinweis: Akira Kurosawa hat den "Idioten" nach Japan transferiert.
http://www.amazon.de/exec/obid…_2_17/028-4161979-6575713
:winken:
-
Hallo allerseits
Wenn ich mich richtig erinnere steht schon im Vorwort, dass es dem Autor bei diesem Werk darauf ankam, einen vollkommen guten (oder einen vollkommenen??) Menschen zu zeichnen.
Ich weiß nicht mehr, ob der Autor das selbst angekündigt hat oder ob Leute, die ihn kannten, das aus dem Buch herausgelesen haben.
Bleibt auch die Frage, warum ein vollkommener Mensch so unvollkommen ist.
Aber wie Leibgeber schon gesagt hat ... es wird weniger Antworten als Fragen geben.
Das ist ja für mich auch das Schöne an Dostojewskis Werken :smile:
Daniela
-
Zitat von "elahub"
Hallo allerseits
Wenn ich mich richtig erinnere steht schon im Vorwort, dass es dem Autor bei diesem Werk darauf ankam, einen vollkommen guten (oder einen vollkommenen??) Menschen zu zeichnen.Wo du es schreibst, meine ich, mich an den Satz zu erinnern.
( Kann es bald überprüfen, meine Gesamtausgabe ist unterwegs *freu* )Und so haben wir denn das Scheitern dieses Menschen in und an einer Menschheit, die das nicht zulässt.
( Wie denn auch, es gibt doch die Erbsünde, und all das. ) -
Das ist mein erster Dostojewskij: Der Idiot.
Find ihn herrlich zum Lesen bis jetzt (133).
Ich bin ein Kind und weiss es auch...(105).
Das wichtigste ist das Herz, alles andere ist Unsinn... (111).
Diese Figur Fürst Myschkin gefällt mir.
Bin gespannt wies weitergeht.Ist hier jemand der ihn auch grad liest oder jetzt grad
lust bekommen hat ihn zu lesen oder nochmals zu lesen? -
Sodele. Hab' ich doch erst jetzt gemerkt, dass im Archiv geschrieben werden konnte. Das habe ich geändert, diesen Beitrag an einen schon bestehenden geklebt und gleich noch einen Thread zum selben Buch gefunden und angeklebt. :winken:
-
Danke für das kleben und ein :winken: zurück.
Bleibt auch die Frage, warum ein vollkommener Mensch so unvollkommen ist.Vielleicht weil der Fürst einfach ein lieber Mensch ist?
Jemand mit dem man gut auskommen kann?
Der das Herz auf dem rechten Fleck hat?Wie bereitwillig hat er in der Eisenbahn seinem Mitreisenden
geantwortet. Wie freundlich hat er auf die Anschuldigung
von Ganja reagiert er habe den Brief den er Aglaja übermitteln
sollte vorher bereits gelesen.Bei mir steht vollkommen schönen" Menschen in "" und "" Zeichen.
Bestimmt war er nicht vollkommen in dem Sinn das er ohne
einen Fehler war und alles perfekt getan hat. Er hat z.B.
die Kinder im Wallis im glauben gelassen er würde diese Marie als
Frau lieben und nicht als Mitmenschen mit dem er erbarmen
hatte.