Charles Baudelaire

  • Hat jemand Baudelaire gelesen?
    Ich hab mir vor ein paar Wochen "Die Blumen des Bösen" gekauft und bin total enttäuscht davon. Baudelaire ist gar nicht mit Poe zu vergleichen, auch wenn Poe sein Vorbild war.

  • Zitat von "Céleste"

    Hat jemand Baudelaire gelesen?
    Ich hab mir vor ein paar Wochen "Die Blumen des Bösen" gekauft und bin total enttäuscht davon. Baudelaire ist gar nicht mit Poe zu vergleichen, auch wenn Poe sein Vorbild war.



    Kann ich mir gar nicht vorstellen, warum war es denn so enttäuschend?
    Liest du sonst Lyrik? Ich habe schon sehr viel Lyrik gelesen und halte Baudelaire immernoch für den Größten...

  • Oh ja, das wäre eine schöne EInleitung zu Baudelaire. Ich kenne ihn nur als Vater der Décadence. GIbt es eigentlich irgendwo noch die Ausgabe der Fleurs dü mal mit der EInleitung von Gautier? Ich bräuchte das Vorwort, aber alle Ausgaben des Werkes, die ich nun hier habe, sind ohne dasselbe. :redface: :sauer:


    Dann werd ich mal mein Einfühlungsvermögen sammeln und mich dann bei Gelegenheit hinter die Blumen des Bösen machen. Ich bin allerdings ein wenig erschrocken, als ich sah, dass es Lyrik ist, die mag ich nämlich eigentlich gar nicht. Aber einmal fängt man mit allem an, ich hoffe, ich finde mich rein. :redface:

  • von baudelaire habe ich bisher nur in "das kunstseidene mädchen" von irmgard keun gelesen, und da wurde er als pervers charakterisiert... nichtsdestotrotz werde ich wohl mal ein bisschen recherchieren, damit ich hier nicht falsch geprägt bin. oder ist es doch getroffen?

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Zitat von "lebenszeichen"

    von baudelaire habe ich bisher nur in "das kunstseidene mädchen" von irmgard keun gelesen, und da wurde er als pervers charakterisiert... nichtsdestotrotz werde ich wohl mal ein bisschen recherchieren, damit ich hier nicht falsch geprägt bin. oder ist es doch getroffen?


    B. wurde lange Zeit als "pervers" bezeichnet. Wer es etwas dezenter ausdrücken wollte, nannte ihn "dekadent".


    Diese Sichtweise sollte heutzutage endgültig überholt sein. Ohne B. Werk würde ein wichtiger Schritt in der Lyrik von der Romantik zur Moderne fehlen.


    Die Interpretation seitens I. Keuns muss sicherlich als ironischer Seitenhieb gesehen werden. Als sehr ironischer. Mir ist diese Stelle gerade nicht geläufig, aber vor dem Hintergrund des Werdegangs ihrer Heldin Doris gibt es keine andere Erklärung (für mich).

  • an dieser stelle wohnt doris bereits bei ernst alias dem "grünen moos" und spioniert in seiner wohnung herum. dabei entdeckt sie die baudelaire-bände auf dem schreibtisch und das gedicht 2lesbos" im besonderen. es wird so etwas wie "da weiß ich doch bescheid! ist doch glatt unanständig!" geschrieben... als ironie habe ichs auch aufgefasst, aber anscheinend vergessen, in meinen post dieses zwinkernde emoticon einzufügen.
    gut, ich habe mich ein bisschen umgesehen, ein bisschen in baudelaires werken herumgelesen, originalsprache, versteht sich, und kann mir denken, dass das urteil "pervers" mittlerweile überholt ist. viel gelesen habe ich nicht, denn es ist bei baudelaire wie mit anderen dichtern so, dass ich seine gedichte nicht alle auf einmal verschlingen kann, sondern die ich in appetithäppchen genießen muss. es geht mir so mit den meisten dichtern, die mir zusagen, vielleicht ist das ja ein grundstein?
    mir gefällt seine art, mit der sprache umzugehen. französisch ist sowieso eine schöne sprache, die einem von der zunge fließt, aber baudelaire gibt seinen gedichten einen noch gleichmäßigeren fluss, ich kann es nur schwer beschreiben.

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Zitat

    mir gefällt seine art, mit der sprache umzugehen. französisch ist sowieso eine schöne sprache, die einem von der zunge fließt, aber baudelaire gibt seinen gedichten einen noch gleichmäßigeren fluss, ich kann es nur schwer beschreiben.


    Keine Bange - ich verstehe schon. :zwinker:


    Und kann nur sagen: "Stimmt genau".


    Apropos I. Keun - schade, dass sie mehr oder weniger und unverdienterweise unter "Schriftstellerinnen, die die Welt nicht mehr kennt" läuft. "Das kunstseidene Mädchen" ist ein kleiner Edelstein.

  • Zitat

    "Das kunstseidene Mädchen" ist ein kleiner Edelstein.


    allerdings... ein kleines comeback hatte sie aber vor kurzem: fritzi haberlandt liest "das kunstseidene mädchen" für die hörbuchreihe "starke stimmen". einfach wunderbar, für jede situation den richtigen ton, die stimme und die erzählweise passen einfach genau. da ist es schon fast ironie, dass es sich um ein "kunstseidenes" wesen im titel handelt, wenn es doch ein buch von hochkarätigem wert ist... aber genug davon.

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Ich hab mir die Blumen des Bösen gekauft, in der Hoffnung einen schönes, zusammenhängendes Prosawerk zu lesen. Deshalb war es ziemlich enttäuschend festzustellen, dass das ganze Buch aus blöden Gedichten besteht, die kein Mensch versteht, und die noch dazu ziemlich blasphemisch sind!
    Ich habs geshalb aufgegeben!
    Und außerdem: Wie kann man denn Dekadenz gutheißen?
    Das will mir einfach nicht in den Kopf gehen.


    Zitat

    Du Vater aller der, die Gottes eitles Prahlen
    Mit der Vertreibung aus dem Paradies bezahlen,
    Erbarme, Satan, dich auch meiner tiefen Qualen!
    aus: Satanslitaneien

  • gedichte sind in den meisten fällen nur nicht zu verstehen, wenn man sie nicht verstehen will. gut, die mühe muss man sich nicht machen, das gebe ich zu. und blasphemie kann manchmal sogar notwendig sein, sie befreit in einigen schweren lebenssituationen, in die baudelaire ja durchaus geraten ist, sehr. es gibt momente, in denen man gott einfach nur noch hassen kann.


    mir ist gerade danach, einen ausschnitt aus paul celans gedicht "tenebrae" einzufügen, es passt so wunderbar:


    Zitat


    Bete, Herr,
    bete zu uns,
    wir sind nah.


    und dekadenz hat sicher etwas für sich, denn es ist die andere seite der menschlichen natur, die explizit dargestellt wird. wir sollten den menschen nicht als perfekt und rundherum gut annehmen, auch nicht in der literatur, das geht meistens schief. man braucht wesen, die die andere seite darstellen.

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • besonders "profunde" kenntnisse brauch ich gar nicht zu haben, um Baudelaire zu meiden.
    Scheinbar kannst du mir auch nicht das Gegenteil beweisen..

  • das ist jetzt aber kein grund, um sich zu zerfetzen...

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Zitat

    gedichte sind in den meisten fällen nur nicht zu verstehen, wenn man sie nicht verstehen will.


    Seh gut gesagt. :zwinker:


    Zitat

    und dekadenz hat sicher etwas für sich, denn es ist die andere seite der menschlichen natur, die explizit dargestellt wird. wir sollten den menschen nicht als perfekt und rundherum gut annehmen, auch nicht in der literatur, das geht meistens schief. man braucht wesen, die die andere seite darstellen.


    Und noch besser.


    Danke.

  • Dekadenz trifft sicher auch Baudelaire zu, fragt sich nur in welchem Sinne. Es gibt drei Bedeutungen des Wortes, die da wären


    1.) Dekadenz in einem neutralen Sinne als Synonym für Niedergang, Abnahme, Verschlechterung der Verhältnisse sowohl im wirtschaftlichen Bereich wie auf Personen bezogen,
    2.) Auf kulturelle Zustände bezogen in einem pejorativen Verständnis von Niedergang als Entartung,
    3.) Die literarische Décadence als ein aus Frankreich kommendes Kunstkonzept.


    Die dritte Bedeutung ist sicher die interessanteste und Baudelaire gilt als ihr "Vater". Es geht dabei nnicht um NIedergang oder gar Verfall. Ausgegend von Baudelaire und Gautier kann man sagen, dass am Anfang der Geschichte der literarischen Décadence ein Kunstkonzept steht, das sich in Opposition setzt zum bürgerlichen Zweck- und Nützlichkeitsdenken wie auch zur klassisch-idealistischen Kunstauffassung, was auf den begrifflichen Nenner vom ästhetischen Fundamentalismus gebracht werden kann. Diese Abkapselung der Kunst von der Erfahrungswirklichkeit entspringt einem Willen zur Selbstbehauptung, die Vertreter des ästhetischen Fundamentalismus beharren auf den äufklärerischen Errungenschaften, woraus sich ein kritisch-analytischer Bezug zur Wirklichkeit ergibt. Der Einzelne tritt der Welt und auch seinem eigenen Ich als distanzierter Beobachter gegenüber, was auch als dédoublement bezeichnet wird.


    Baudelaire als dekadent zu "beschimpfen" hiesse, den Begriff in einer Weise zu benutzen, die ihm in diesm Falle nicht wirklich gerecht würde...

  • Zitat von "Céleste"

    besonders "profunde" kenntnisse brauch ich gar nicht zu haben, um Baudelaire zu meiden.
    Scheinbar kannst du mir auch nicht das Gegenteil beweisen..


    ich lese von dir Strang für Strang, was alles schlecht geschrieben ist, was du alles nicht verstehst und auch nciht magst. Vielleicht kannst du uns ja mal mitteilen, was du verstehst, das ergäbe eine ganz neue DIskussionsbasis.