Hallo,
besten Dank auch Sandhofer, Montaigne, Lauterbach und Librerio für die freundliche Begrüßung!
Fontanes "L'Adultera" und "Stine" habe ich gelesen, ich will mir das mit den Leserunden überlegen.
Was Stifters "Nachsommer" betrifft, mag tatsächlich die biographische Situation eine Rolle gespielt haben, als ich gleichzeitig von drei verschiedenen Lesern gefragt wurde, ob ich schon diesen Roman kenne. Er wirkte auf mich beruhigend.
Irgendwann wurde mir später klar, dass es kaum noch ein vergleichbares Werk in der Literatur geben dürfte. Goethes "Lehrjahre" entließen den Wilhelm Meister in einer Verwirrung und in den letzten Kapiteln mit für mich kaum entwirrbaren Rätseln. In den "Wanderjahren" herrscht bereits Aufbruchstimmung. Das Maschinenzeitalter war angebrochen, 1827 schnaubten die Dampfrösser, so dass schon nicht mehr der von Frankfurt her vertraute "Duft der Pflaume" wahrnehmbar war. Der Roman weist in vielem in eine neue Zeit. Goethe sieht seine Helden nach Amerika aufbrechen oder auf dem Kontinent ihren Garten bestellen - er selbst rüstet sich zu seiner letzten Reise.
Dass der "Nachsommer" die Leserschaft derart spaltet, möchte ich mal ganz vorsichtig mit folgendem zu erklären suchen: es gibt Leserinnen und Leser, die von vornherein kritisch und analytisch herangehen.
Und es gibt solche, die in einer angespannten Lebenssituation in der Literatur Trost suchen, zumal, wenn sie in großen Städten mit "beschleunigtem" Leben wohnen.
Als ich 1981 den Roman das erste Mal las, lebte ich in der DDR und hatte kaum Hoffnung, die Alpen im Original sehen zu können. Der Zustand der Gesellschaft ließ ebenfalls kaum Hoffnung aufkommen. Da mir klar zu sein schien, dass sich in absehbarer Zeit keine Veränderungen vollziehen würden, lag die Vorstellung von "Entsagung" nahe.
Man musste unter Umständen als junge Familie Jahre auf die staatliche Zuteilung einer Einzimmerwohnung warten. Risach indes hatte Zimmer, in denen nur ein Kunstwerk besonders zur Geltung kam, und Eustach wirkte in einer eigenen sauberen Schreinerwerkstatt, die anders aussah als eine Werkhalle der 1980er Jahre.
"Rückwärtsgewandte Utopie"? (Utopien dürften zumeist rückwärtsgewandt sein) Auf der anderen Seite gibt es erstaunlich weitsichtige Passagen. Risach spricht über große geschichtliche Zeiträume und ahnt, dass eines Tages die Verständigung auf große Entfernungen hinweg in kürzester Zeit möglich sein könnte.
Bis 1989 hatten wir jedoch keine privaten Computer. Hätte einem jemand gesagt, dass ich zwanzig Jahre später in so einem Medium, wie einem "Internet-Forum" schreiben und lesen würde, wäre meine Phantasie hoffnungslos überfordert gewesen.
Beste Grüße
Karamzin