Nach dem ich gestern das Radioessay von Arno Schmidt über Dya na sore von W.F.Meyern gehört habe, konnte ich mir heute über booklooker ein Exemplar des Romans von Zweitausendeins von 1979 bestellen. Weiß jemand welche ursprüngliche Ausgabe dem Text von 1979 zu Grunde liegt?
Wenn die Schilderung von Schmidt Substanz hat, dann sollte dieser Utopie, die in der Nazidiktatur bis in Einzelheiten Wirklichkeit wurde, kulturhistorisch große Bedeutung zugemessen werden. Man hat sich aber wohl auf das verschweigen geeinigt.
W.F. Meyern: Dya na sore
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Wenn die Schilderung von Schmidt Substanz hat,
Wenn ..
Ich bin bisher davor zurückgeschreckt, mir dieses Werk zuzulegen, nur weil es Schmidt besprochen hat ... :winken:
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Wenn ..
Ich bin bisher davor zurückgeschreckt, mir dieses Werk zuzulegen, nur weil es Schmidt besprochen hat ... :winken:
Ganz Recht Sandhofer. Dem alten Griesgram zu folgen bedeutet ein nicht unbeträchtliches Risiko. Seine Dialoge sind jedoch so verführerisch wie Calypso und 20 EUR kann ich schon Mal in den Sand setzen. Falls das Buch lesbar ist, wird es kein Vergnügen sein aber vielleicht erhellend.
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Nach dem Hören des Essays habe ich auch mit dem Verlangen gerungen, mir das Buch zu kaufen. Nun warte ich gespannt auf Deine Erfahrungen damit. :winken:
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Nach dem ich gestern das Radioessay von Arno Schmidt über Dya na sore von W.F.Meyern gehört habe, konnte ich mir heute über booklooker ein Exemplar des Romans von Zweitausendeins von 1979 bestellen. Weiß jemand welche ursprüngliche Ausgabe dem Text von 1979 zu Grunde liegt?
"Als Textvorlage diente die erste Ausgabe ... Leipzig: Stahel 1787-91." -
"Als Textvorlage diente die erste Ausgabe ... Leipzig: Stahel 1787-91."Danke giesbert! D nn ist es ja die von A.Schmidt empfohlene Ausgabe :smile:
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Nach dem Hören des Essays habe ich auch mit dem Verlangen gerungen, mir das Buch zu kaufen. Nun warte ich gespannt auf Deine Erfahrungen damit. :winken:Ich werde berichten. Ob des dann aber die Wahrheit ist... :zwinker:
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Danke giesbert! D nn ist es ja die von A.Schmidt empfohlene Ausgabe :smile:bei einer Buchreihe, die sich explizit auf Schmidts Empfehlungen beruft, wäre alles andere ja auch kaum möglich 8-)
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Für die Zukunft: eine Liste der Bücher in Arno Schmidts Bibliothek kannst Du bei der Arno-Schmidt-Stiftung herunterladen: http://www.arno-schmidt-stiftung.de/arno/2_48_text.html. Wie es scheint, hatte Arno Schmidt zwei Ausgaben von Dya-Na-Sore in seiner Bibliothek.
Übrigens, einige dieser Bände sind bei der GASL als PDF verfügbar (http://www.gasl.org/wordpress/?page_id=71). Dya-Na-Sore gehört aber leider (im Moment) noch nicht dazu.
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Danke für eure Hinweise :winken:
Die 2001-Ausgabe stammt also aus einer Reihe; davon wusste ich allerdings nichts. Im Essay empfiehlt Schmidt ausdrücklich die erste Ausgabe, prophezeit eine baldige Neuauflage und weißt auf die bayrische Landesbibliothek hin, in der sie zu finden ist.
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Die 2001-Ausgabe stammt also aus einer Reihe; davon wusste ich allerdings nichts. -
Damals hätte ich kein einziges Buch aus dieser Reihe gekauft.
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Auf Meyerns "Dya na Sore" geht auch Günter de Bruyn in seiner Biographie Jean Pauls (1974) ein.
Meyern vertrat einen bellizistischen Standpunkt zu einer Zeit, da das Friedensdenken der europäischen Aufklärung noch allgemein weit verbreitet war. Erst im Zeitalter der napoleonischen Kriege priesen immer mehr Autoren den Krieg an sich mit den Argumenten der Kriegstreiber aller Zeiten (Krieg gegen Verweichlichung, führt zur Ertüchtigung; schafft Arbeitsplätze; fördert Wissenschaften und Künste, verhindert Überbevölkerung). Im 18. Jahrhundert gab es nur wenige bellizistische Autoren, wie den Aphoristiker Vauvernagues, Voltaires Freund, oder im deutschen Sprachraum Johann Valentin Embser. Jean Paul hingegen verdammte den Krieg in seiner "Friedenspredigt" von 1809.
Das ist nur ein Aspekt, der mir jetzt im Zusammenhang mit der jahrelang zurückliegenden Lektüre des merkwürdigen Romans von Meyern einfällt. Arno Schmidt stellte ihn vor allem als Vorboten totalitärer Herrschaftsordnungen hin. Das ist angesichts der Zeit des Kalten Krieges, in der er den weithin vergessenen Autor vorstellte, sicher verständlich. Allerdings ist bei einem solchen Vorgehen auch eine Versuchung erkennbar: in bestimmten Autoren Vorläufer späterer Entwicklungen zu sehen, kann dazu verführen, die spezifischen historischen Umstände hintan zu stellen, die ihr Schreiben beeinflussten, und sie zu "modernisieren", in unbekannte Zeitgenossen zu verwandeln. -
Allerdings ist bei einem solchen Vorgehen auch eine Versuchung erkennbar: in bestimmten Autoren Vorläufer späterer Entwicklungen zu sehen, kann dazu verführen, die spezifischen historischen Umstände hintan zu stellen, die ihr Schreiben beeinflussten, und sie zu "modernisieren", in unbekannte Zeitgenossen zu verwandeln.
Das kann man bei Schmidt wohl getrost als großes Cave! über alle seine Essays zu Kollegen setzen. Wollschläger meinte wohl nicht zu Unrecht, die "Nachtprogramme" müssten in einer Werkausgabe da aufgenommen werden, wo normalerweise die "autobiographischen Schriften" stehen.Aber vermutlich sind Schmidts Literaturessays gerade deshalb so mitreißend, weil sie letztlich keinen Pfifferling auf "Objektivität" geben.
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Was ist? Hatte Euch diese Schwarte die Sprache verschlagen, oder wieso gibt es seit den Vorgeplänkeln keine Kommentare mehr? Sollte da jemand womöglich kapituliert haben?
Nun denn: gut zwei Wochen habe ich für die beiden ersten Theile benötigt, der dritte folgt sodann. Es ist - bis jetzt - so ziemlich der unverdaulichste Stoff, der sich denken lässt.
Die wirre und durch reale historische Zwischenfälle gebrochene Fabel beiseite - einen unbegabteren Autor als Meyern habe ich noch nicht erlebt. Man stelle sich ein Buch von fast 1000 Seiten vor, in dem zu mindestens drei Vierteln geredet wird, und zwar nicht etwa in lebhaftem Dialog, sondern in unerträglichen pathetischen Belehrungs- und Erbauungsansprachen - meist darüber, wie wichtig doch gerade "Handeln" sei; in dem ein wie desinteressiert hingeworfener Handlungsfaden mehr oder weniger als Wäscheleine zur Befestigung von ständig neu formulierten Predigten über immer dieselben Begriffe von Größe, Ehre, Vaterland herhält; in dem eine "Handlung" oft nur dadurch vorangeschubst wird, dass die Suaden der Personen, wenn nicht durch das jähe Erscheinen eines feindlich gesonnenen Haufens, so immerhin durch einen gerade gelegen kommenden Wettersturz mit Blitz, Gerumpel und Stürmen unterbrochen werden; in dem Abschnitte wirklicher Handlung wie lästiges, aber eben notwendiges Beiwerk protokolliert werden; dessen Landschaften sich zu einem Garten Eden der Stilblüten auswachsen; in dem sich die drolligsten Atavismen finden - angeblich blickten die Weisen der Vorzeit durch Fernrohre in den Himmel!; dessen Himalaya verdächtig an eine Mischung aus hohen Tauern und Fichtelgebirge mit Meeresküste erinnern; in dem die blanke Misogynie regiert; in dem der Titelheld mal eben für mehrere hundert Seiten keinen Menschen - jedenfalls nicht den Autor - interessiert. Dann, Freunde, seid willkommen in Dya Na Sore.
Im Grunde hatte sich das Buch unter Meyerns Händen nicht zu einem Roman ausgewachsen, sondern zu einer durch eine schlanke Rahmenhandlung zusammengehaltene Flugschriftensammlung für die antinapoleonische Bewegung. Die Haltung des Autors, also das, was er dem Leser als Zielvorstellung nahebringen will, ist dabei in sich widersprüchlich und wenig zusammenhängend; mühsam zusammengehalten eigentlich nur durch einen Begriff von "Freiheit", der verdächtig kollektivistische Züge trägt, durch die schon einmal erwähnte Trias von Größe, Ehre, Vaterland und im übrigen durch eine erstaunliche Inhumanität. Die Instrumentalisierbarkeit, zu durchaus unterschiedlichen Zwecken, springt dem Leser geradezu ins Gesicht.
Es heißt, Friedrich Ludwig "Turnvater" Jahn habe dieses Buch geliebt und gepriesen. Das mag gut sein. Alleine dafür könnte man ihn verachten.
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Ah, und wieder eine Schmidt-Empfehlung, die ich wohl getrost ignorieren werde
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Na, ich denke nicht, dass die Leseempfehlung gerade auf einem literarischen Qualitätsurteil beruhte. In Schmidts Essays wechseln sich Lob (Wieland, Wezel, Herder u.a.) mit ätzender Kritik (Meyern, Klopstock, Stifter) munter ab. Es ging ihm bei Meyern wohl mehr um die Aufdeckung ideengeschichtlicher Wurzeln für nachfolgende Fehlentwicklungen. Dass er von der Dichtung selbst nichts hielt, war Schmidt ja auch nur ein paar Halbsätze wert. Die geschichtlich sehr nachträgliche Sicht macht da natürlich mehr sichtbar, als man zeitgenössisch, um 1790, in apriorisch-naiver Sicht, annehmen durfte. So gesehen ist das schon interessant. Ich frage mich nur, ob man das gerade mit einem solchen Dilettanten wie Meyern demonstrieren musste. Arndt oder Körner, turmhoch überlegene Autoren, hätten mir da näher gelegen.
Interessant ist noch etwas anderes:
Dass es einige formale Querverbindungen zu Jean Pauls Hesperus gibt, ist anscheinend allgemein anerkannt; nicht nur Schmidt weist darauf hin, sondern auch das Nachwort von Günter de Bruyn. Dass am anderen Ende der Zeitskala noch eine Verbindung zu einem anderen Schmidtschen Säulenheiligen, nämlich zu C.M. Wieland besteht, wird dagegen nirgends erwähnt. Das Motiv einer idealen Republik, die quasi unter Laborbedingungen in einer abgelegenen Weltgegend eingerichtet wird und am Ende an Bräsigkeit und Verführbarkeit der Volksgenossen scheitert, kann man nämlich auch in Wielands "Danischmend" von 1770 betrachten - dem sequel zum bekannteren "Goldenen Spiegel". Sogar die geografische Region ist dieselbe. Sollte Schmidt seinen Wieland nicht parat gehabt haben? Kaum glaublich.
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