Ich habe die Debatte hier passiv verfolgt. Für eine aktive Beteiligung an der Wallenstein-Diskussion an anderem Ort hatte ich leider keinen Nerv und keine Zeit mehr, andere haben sie hervorragend weitergeführt.
Ich hatte schon JHNewman bezüglich des "Lanz" geschrieben, er hat dafür Verständnis gezeigt, dass ich nur ungern Stellung beziehen wollte, jetzt mache ich es trotzdem noch einmal.
Die Ereignisse um Monika Maron sind symptomatisch für das Heranwachsen der jetzt voll einsetzenden Krise im Land. Sie hatte 2018 in "Munin" seismographisch erfasst, dass hierzulande etwas gründlich schiefläuft und die Kommunikation schwer gestört ist. Das Jahr 2015 war der Beginn einer schweren Krise, deren Ende nicht in Sicht und deren Ausgang völlig ungewiß ist, es wird auch nicht besser, wenn man auf andere Länder (mit Ausnahmen) schaut, meine russischen Freunde sinnieren auch darüber, ob man lieber Katzenbilder oder Pflanzen posten soll.
Aber hier machen wir ja noch unsere Arbeit, lesen, reden über Literatur und schreiben selber
Jetzt machte ich mit dem "Munin" im Frühjahr 2018 eine Ausnahme. Bis dahin hatte ich mich nur im Zusammenhang mit Christa Wolf zur Gegenwartsliteratur geäußert (Erwin Strittmatter und Hermann Kant hatten mich nie nahe berührt), und jetzt ist auch noch Günter de Bruyn gegangen, der in seinen "Märkischen Forschungen" (1979) meisterhaft und mit leiser Ironie geschildert hatte, wie sich ein leitender Wissenschaftler, mit Macht ausgestattet, über menschlichen Anstand hinwegsetzte, die Leute manipulierte und für andere skrupellos "Schicksal spielte".
"Helden" ("Lanz") werden klugerweise nicht aus der Deckung gehen, wenn sie isoliert werden und nur mißverstanden dastehen und sich ziemlich einsam fühlen müssen. Man braucht gar nicht wieder den allseits zitierten Spruch Bertolt Brechts herauskramen von dem Land, in dem "Helden" nötig seien, das haben andere zum Genüge getan.
In der DDR, in der Monika Maron als Tochter ausgerechnet des Innenministers aufwuchs und in der ich auch 35 Jahre lebte, war man es gewohnt, bei zunehmendem Druck von oben und außen "in Deckung" zu gehen, weil offene Kritik mißliebige Folgen nicht nur für sich, sondern auch für die Familien haben konnte (z.B. wurden Bildungschancen der eigenen Kinder beschnitten, Isolierung durch Rufmord). 99 Prozent wählten bis zum Schluss die Kandidaten der Nationalen Front, na und.
Die Begriffe "Sippenhaft" und "Blockwart" sind allerdings für mich viel zu sehr mit der ersten Diktatur verbunden, die Holocaust und Weltkriegsentfesselung zu verantworten hatte, als dass ich sie selbst verwenden würde; sicher, es gab Abschnittsbevollmächtgte und Beauftragte, die das "Hausbuch" zu führen und Übernachtungen zu registrieren hatten.
(in der Sache kann man natürlich so seine Vergleiche anstellen: ein im Westen aufgewachsender, mir bekannter Wirt erklärte in einem "sozialen Medium", dass er alle gastronomischen Einrichtungen bei den Behörden anzeigen würde, von denen er durch seine Gäste gehört (nur gehört!!!) habe, dass dort die Corona-Bestimmungen nicht eingehalten würden, also nicht etwa durch eigene Beobachtung; klar, der Mann hat Angst um seinen Laden, aber es gibt Grenzen).
In der DDR war für einige Millionen Westdeutschland ein Gegenentwurf, täglich konnte man Westfernsehen hereinbekommen, wenn man es denn wollte. 1989 setzten sich Zehntausende in Richtung Westen in Bewegung, und die Ereignisse wurden dadurch rasant beschleunigt. Bis dahin gab es vielleicht einige hundert konsequente Oppositionelle, aber nur ein ganz geringer Prozentsatz von ihnen wollte die Herstellung der Einheit, bestimmt mehr als 90 Prozent hingegen eine bessere DDR. Man kritisierte Krisenerscheinungen, aber nur ganz wenige wollten den Staat abschaffen, in dem sie lebten.
Für Abermillionen aber war der Westen nicht der täglich empfundene Gegenentwurf. Millionen waren auf die Sowjetunion und das Perestrojka-Experiment orientiert, dessen Höhepunkt ich in der ersten Jahreshälfte 1989 in Moskau und Leningrad erlebte. Ich hatte nie an Ausreise gedacht und kannte in der BRD keinen Menschen persönlich.
Millionen Menschen wollten nur vernünftig leben, eine annehmbare Wohnung, für sich und ihre Kinder ausreichend zu essen haben und ihnen Bildungschancen zugänglich werden lassen. Sie lasen nicht mehr das "Neue Deutschland" mit seinen Erfolgsmeldungen bis zum Schluss 1989, sie sahen nicht mehr die "Aktuelle Kamera" mit den weltentrückten Gesichtern der Herrschenden.
Die jetzige Bundesrepublik eine DDR 2.0 ? Ich finde die jetzige Situation viel bedrückender, weil keine Hoffnung mehr aufkommen kann. In der DDR brauchte man nicht auf das "Parlament", die Volkskammer zu achten, hat aber in den drei Jahrzehnten seit 1990 zumindest Geschmack am Parlamentarismus gefunden, der jetzt zerstört wird. Einzig auf Teile der Gerichtsbarkeit ist noch einigermaßen Hoffnung zu setzen. Kein Redner in Sicht, der dem Volke einige Zuversicht in diesen Krisenzeiten geben würde (der Bundespräsident für mich ein hilfloser, verbissener Langweiler mit verengtem Blick).
Im Unterschied zu den meisten von Euch hier - und ich werde damit sicher Widerspruch ernten - lese ich nicht mehr die tonangebenden Medien westdeutschen Ursprungs und die dortigen Debatten um Monika Maron, sehe ich nicht mehr fern.
Millionen Menschen in den neuen Bundesländern machen es jetzt wieder, wie sie es vor 1989 gewohnt waren, "die Schotten dicht", sie tauchen ab, spielen nicht den "Helden", sind nur noch für ihre Familien da. (für die, die noch etwas Papiernes lesen, der Witz von der "Neuen Züricher Zeitung" als dem "Westfernsehen von heute", es ist schon so, dass aus der Schweiz noch nüchtern über Deutschland berichtet wird). Es hat sich in vieler Augen eine "Meinungsdiktatur" eingeschlichen, vieles schwappte zudem aus Amerika herüber, zu dem die meisten im Osten keine innere Beziehung haben, wo im Unterschied zum Osten die Religion immer eine so große Rollle spielten, dass auch Abgefallene ihren Extremismus beibehielten.
Im Herbst erlebte ich im heimatlichen Thüringen wieder eine gewohnte, in vielen Gesprächen bestätigte Gelassenheit als Grundstimmung in der Bevölkerung. Die Leute fürchten sich kaum vor Corona, sondern vor dem Verfall der Wirtschaft, des gesamten Gesundheitswesens in allen übrigen Bereichen und der Volksbildung. "Laß die da oben reden, im Fernsehen und in den Zeitungen berichten sie, wie sie das vor 1989 auch getan haben." Da gehen die Leute aus Gewohnheit weder zu Demonstrationen, wie im überhitzten Zentrum Berlins, noch zu "Corona"-Partys, niemand ereifert sich über Genderdebatten, Rassismus und den Nazi, der hinter jedem Busch lauert.
Der entscheidende Unterschied zur DDR ist, dass man heute Abermillionen von Menschen, wahrscheinlich einen Großteil, dermaßen durch in Szene gesetzte Meinungsbildner in den Medien (deren Voraussagen in den wenigsten Fällen eintrafen) in Panik versetzt hat, dass jetzt ein Teil der Bevölkerung dem anderen physisch an die Gurgel gehen kann, den er an seinem Mundlappen erkennt. Da nützt auch in den Nahverkehrsmitteln keine echte Maskenbefreiung mehr etwas - asthmakranke Menschen werden ebenfalls bedroht.
Monika Maron hat vieles vorausgesehen. Sie wird sich kaum daran stören, was in den westlich dominierten Medien der offiziellen Kulturlandschaft noch über sie geschrieben wird. Sie hat die 80 erreicht, hat immer Widerstand geleistet, wenn sie es für richtig hielt, sie hat großen Einsatz gezeigt und ein sinnvolles Leben geführt. Sie braucht sich von niemandem zu distanzieren, mit dem sie gekünstelt in Verbindung gebracht wird und den sie wahrscheinlich gar nicht persönlich kennt. Von ihrer Freundin auch nicht. Wir suchen uns unsere Freunde in Ost und West selber, es werden immer Gleichgesinnte da sein.
Es wird ein harter Winter kommen (nicht unbedingt schnee- und eismäßig), es kommen schlimme Zeiten, aber sie hat es hinter sich. Warum das Land so gespalten ist und kein Ende in Sicht ist, hat sie versucht intuitiv zu erfassen.
Nun verschwinde ich erst einmal wieder, Herr Drosten braucht mich nicht zum Führen eines Tagebuches zu ermahnen, das mache ich seit 1965, sie füllen anderthalb Meter Regale, meine Memoiren sollen noch irgendwie versöhnlich enden.
Das Ende hier zu apokalyptisch? Der Optimist: es kann ja noch schlimmer kommen.