Wenn mir gestattet sei, noch einmal auf das Thema der Religion zurückzukommen, das am Anfang, am 20. März, angesprochen wurde.
Hier gibt es jene Leser, die mit Religion und Glaubensgemeinschaften aufgewachsen sind, und andere, die wie ich sozusagen "von außen" auf diese ganze Welt von Kirche und Religion blicken.
Unter den Nichtreligiösen gibt es schon einmal solche, die sich nicht mit dem Glauben beschäftigen und nur in Ruhe gelassen werden wollen. Die einen bemerken, dass bestimmte Politiker übergriffig werden und in ihre säkulare Lebensumwelt hineinreden wollen (M. Söders Kreuze), dass sie ohne ihren Willen dennoch an manchen Stellen Abgaben für kirchliche Angelegenheiten leisten, obwohl sie keine Kirchensteuern entrichten, dass sie ihre Kinder religiöser Indoktrination in Erziehungseinrichtungen dann ausgesetzt sehen, wenn es nicht um die Vermittlung von Wissen über die Religionen "von außen" geht (man ist schon bescheiden geworden und will gar nicht umfassend über alle Religionen informiert werden, das schafft kein Lehrer), sondern um Rituale, wie Gebete und Lieder.
wobei sich viele Gläubige vermutlich gar keine Gedanken darüber machen, dass das Zumutungen für Religionsfreie darstellen können, die zum Teil aus Gegenden mit mehr als 70 Prozent Konfessionsfreien kommen, und die Gedankenlosen nicht nur sagen sollten: "Nun habt Euch mal nicht so, an solchen Handlungen und Symbolen hat noch keiner Schaden genommen."
Wobei die Nichtgläubigen nichts eint, außer ihrem fehlenden Glauben, so dass sich dieses Drittel unserer Bevölkerung nicht organisieren wird, es gibt unter ihnen Sozialisten, Nazis, gänzlich Unpolitische und sogar AfD-Anhänger, habe ich mir sagen lassen, und über einheitliche Moralvorstellungen lässt sich schon einmal überhaupt nicht spekulieren, die gibt es schlicht nicht.
Aber das will ich jetzt einmal gar nicht weiter vertiefen, sondern will auf Folgendes hinaus: In meiner Jugendzeit gingen die zwei oder drei Kinder in ihre Christenlehre, mit der die übrigen nichts zu tun hatten. Sehr früh hatte ich, auch durch Anregungen aus dem Elternhaus begriffen, dass ich die Werke der älteren Literatur (in Erfurt z.B. der Humanisten des 16. Jh. und Luthers), die Musik der heimatlichen Familie der "Bache" (der Vorfahren Johann Sebastians), die Werke der bildenden Kunst in den Sammlungen von Weimar (Cranach!) oder Altenburg (Lindenau-Museum - italienische Frührenaissance) nur verstehen und genießen kann, wenn ich mich über das Christentum ebenso sachkundig mache, wie über die antike Götter-, Titanen- und Gigantenwelt Homers. Das wurde dadurch begünstigt, dass meine "erste große Flamme" in einem christlichen Elternhaus aufwuchs und wir gemeinsam die christlich geprägte klassische Literatur, bildende Kunst und Musik zu erkunden begannen. Wenn sie dann sagte "Da muss es doch etwas geben, das über den irdischen Dingen steht", konnte ich mich damit anfreunden und sagen: "Sicher, aber dann werden wir es vermutlich auch nicht mehr ergründen. Dann muss man eben glauben, und gut ist es."
Mit dem "christlichen Abendland" der CSU & Co. hat das aber nichts zu tun, denn dann würde alles östlich und südöstlich von Polen Gelegene nicht mehr dazu gehören, diese Arroganz schließt Russland und die nichtlateinische Welt Osteuropas aus Europa aus und rückt Russland in Richtung Asien ("Despotie! Barbarei! Keine Demokratie!").
Uff, lange Vorrede.
Und jetzt erst komme ich wieder zu Monika Marons Roman und ihrer Krähe, die sich als Gott ausgibt. Während also Christa Wolf und Brigitte Reimann für Leser schrieben, die nichts mit dem Christentum zu tun hatten (was auch aus ihren zahlreichen Briefen hervorging), wagte sich jetzt Monika Maron an das Religionsthema. Und hier kann man die Beobachtung machen, dass sich manche über ihr Christsein gar nicht viele Gedanken machen, dass aber die Glaubensvorstelllungen außerordentlich verschieden voneinander sind. Auf der einen Seite also die Zumutung auch an die Nichtgläubigen, auf die Glaubensvorstellungen der Christen Rücksicht zu nehmen, auf der anderen Seite weitgehende Unkenntnis, woran denn heutzutage geglaubt wird. Für das 16. bis ins 20. Jahrhundert hinein ist mir das schon im wesentlichen klar.
Und dumme Provokationen, wie Verunglimpfungen gläubiger Menschen und ihrer Symbole sind auch zu verurteilen, wenngleich die Grenze der Zumutungen für Gläubige nicht immer klar bestimmt werden können und wir nicht immer wissen, wann wir gerade einen gekränkt haben (bei mir bestimmt unwissentlich oder aber es versucht jemand zu "missionieren", dann muss er auch abkönnen, wenn ich dazu etwas Kritisches sage).Frosch am Kreuz geht aber gar nicht, und man kann die "Entführung aus dem Serail" auch ohne abgehauene Türkenköpfe inszenieren, ist auch besser so für Ungläubige.
Und da fiel mir ein Buch in die Hände, mit dem die grauschwarze Krähe gefasst werden kann:
Wolfgang Detel: Warum wir nichts über Gott wissen können. Felix Meiner Verlag. Hamburg 2018.
Wenn gesagt wird, dass wir nichts über Gott wissen, ist das noch kein Atheismus, sondern Agnostizismus. Die heutigen monotheistischen Religionen dürften ihren Gott als "maximal große immaterielle Person, also als unendlichen Geist" auffassen. Wir können jedoch diesen Gott nicht einmal denken, wie man auch nicht die Verneinung denken kann, man hat immer die positive Vorstellung: ich kann mir nicht kein Krokodil mit einem Zylinder auf dem Kopf im Teich des Botanischen Garten vorstellen, sondern ich habe immer nur dieses wahnsinnige grünlich-bräunliche Vieh vor Augen.
Gott könne auch, so Detel, kein Denker sein. Wenn er absolut perfekt sei, muss er unendlich sein, als endliche Wesen können wir endliche Menschen aber die Unendlichkeit nicht denken.
Kommt ein Vogel und pickt ein Sandkorn auf, trägt die Sandkörner zu einem Berg zusammen, der wird immer größer, größer als der Mont Everest, da hat aber die Unendlichkeit gerade erst begonnen! (das Ding ist jetzt nicht von Detel)
Wenn Gott maximal groß und perfekt ist, dann muss er auch optimale Denkfähigkeit haben, aber die können wir auch nicht erfassen. Der Autor reflektiert über eine Religiosität ohne einen Gott.
Hmmm, das ist eigentlich nicht unser Problem, wenn solch eine Gottesvorstellung für unsere Lebensführung als Nichtreligiöse nicht wichtig ist. Monika Maron lässt die Krähe nach dem Motto Voltaires auftreten: "Zuschlagen, und die Hand schnell zurückziehen". Wenn also jemand eine Religiosität ohne einen Gott als maximal große immaterielle Person hat, wie sie Detel zu umreißen versucht, dann braucht ihn diese Passage auch nicht weiter zu verstören, und er kann über die Krähe schmunzeln.